Mont Saint Michel

Die 7 Grundsätze der Achtsamkeit

Die 7 Grundsätze der Achtsamkeit

 

Wir haben die Wahl, die Dinge zu sehen, wie sie sind, oder die Dinge zu sehen, wie sie sind, und uns furchtbar darüber aufzuregen. Treffen Sie Ihre Wahl jetzt…

 

 

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Die 7 Grundsätze der Achtsamkeit formen eine innere Einstellung, die Dinge so zu sehen, wie sie sind: ‚present moment, on purpose and non-judgemental’.

Achtsamkeit: Present Moment

Das heißt, im Kontakt mit dem gegenwärtigen Augenblick zu sein und nicht Erinnerungen oder Grübeleien nachzuhängen. Es ist eine alltägliche Erfahrung, dass unser Bewusstsein während einer bestimmten Handlung mit völlig anderen Inhalten beschäftigt ist. Wir ärgern oder freuen uns noch über das, was eben passiert ist, oder gehen in Gedanken eine To-Do-Liste durch, während wir Auto oder Straßenbahn fahren. Kabat-Zinn nennt diesen Zustand «Autopilotenmodus». Achtsamkeitspraxis holt die Aufmerksamkeit wieder in den gegenwärtigen Augenblick und konzentriert sich auf die aktuelle Tätigkeit (also beim Autofahren ausschließlich Auto zu fahren, einen Zustand, den die StVO – sehr optimistisch – zur allgemeinen Pflicht erhebt). Den aktuellen Augenblick bewusst wahrzunehmen, z.B. Körperhaltung, Geräusche, Empfindungen, ist im Zeitalter medialer Reizflutung kein Grundzustand. (Werbeagenturen wären brotlos und das i-Phone wäre zum Flop geworden, wären Menschen für ungeteilte Aufmerksamkeit „verdrahtet“.)

Achtsamkeit: On Purpose

Absichtsvoll ist diese Haltung, weil Übende sich bewusst vornehmen, diese ungeteilte Aufmerksamkeit möglichst in jedem Augenblick und in allen Lebenssituationen anzuwenden, was Geduld und beständiges Sich-wieder-Besinnen erfordert.

Achtsamkeit: Non-judgemental

Nicht wertend ist die Haltung, weil die auftretenden Bewusstseinsinhalte nicht als „angenehm“ oder „unangenehm“ usw. etikettiert, sondern einfach bewusst wahrgenommen werden sollen. Diese urteilsfeie wertende Haltung bezieht sich auch auf die Bewertung selbst (der unvermeidliche Akt des Urteilens wird nicht verurteilt.)

Historisch wurden Achtsamkeitsübungen in der buddhistischen Meditationspraxis entwickelt. Achtsamkeitsbasierte Elemente fanden auch Eingang in Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie, z. B. die «achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie» zur Rückfallprophylaxe bei Depression von Z. Segal, M. Williams und J. Teasdale oder die «dialektische Therapie der Borderlinestörung» von M. Linehan. Jon Kabat-Zinn entwickelte 1979 ein Trainingsprogramm für chronische Erkrankungen, das weltweit als Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) bekannt ist. Es handelt sich dabei um ein Übungsprogramm, das auf der Achtsamkeit beruht. Das MBSR-Programm unterstützt im Umgang mit Stress, Schmerzen und Krankheiten: „Gesund durch Meditation – Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR“ von Jon Kabat-Zinn. Achtsamkeit nach dem MBSR-Konzept  beruht auf 7 Grundsätzen der inneren Haltung, die während der Meditation entwickelt werden.

 

7 Grundsätze der Achtsamkeit

 

  1. Nicht-Urteilen
  2. Geduld
  3. Den Geist des Anfängers bewahren
  4. Vertrauen
  5. Nicht-Erzwingen
  6. Akzeptanz
  7. Loslassen

 

Dagegen erschwert der Autopilot flexibles und situativ angemessenes Handeln und begünstigt automatisierte und vorgefertigte Verarbeitungs- und Reaktionsmuster. (Vorgefertigte Prozessabläufe sind die große Stärke von Autopiloten in Standardsituationen, und ihre große Schwäche, wenn Abweichungen vom programmierten Standard auftauchen.) Mangelnde Achtsamkeit schafft Raum für Grübelei und Verdrängung unliebsamer Erfahrungen. Grübeln fördert oft übermäßige Verallgemeinerungen aus biographischen Erfahrungen und stört die Justierung des Vorgehens bei Herausforderungen.

Übungen der Achtsamkeit

Strukturierte Übungen der Achtsamkeit gibt es in allen Körperhaltungen (Sitzen, Gehen, Stehen, Liegen): Die Achtsamkeit wird jeweils auf das Erleben in der aktuellen Situation gerichtet, z. B. auf den Atem. Wird  die Aufmerksamkeit von Gedanken, Emotionen, Juckreiz oder Schmerzen abgelenkt (was unweigerlich auch geübten Praktizierenden passiert), nimmt man die Ablenkung bewusst zur Kenntnis und kehrt zum Atem zurück. Dabei geht man akzeptierend und wohlwollend mit sich selbst um, statt sich auszuschimpfen. Weder Atem, Gedanken oder andere Bewusstseinsinhalte werden verändert oder kontrolliert. Es geht eher darum, sich selbst die Erlaubnis zu geben, im Augenblick zu sein und nur das Vorhandene aufmerksam und urteilsfrei wahrzunehmen. Segal nennt diese Haltung «being mode» (i. Ggs. zum «doing mode»).

Daneben gibt es Alltagsübungen, zu denen ich Sie gern besonders einladen möchte. Das heißt, tun Sie selbst trivialste Dinge im Alltag, mit voller Bewusstheit: Abwaschen, Putzen, Treppensteigen, aber auch Arbeit oder Hobbys. Denken Sie beim Abwaschen ausschließlich an die Handlung, wie sich Wasser, Geschirr und Bewegungen, anfühlen, welche Farben und Reflexe zu sehen sind, welche Geräusche entstehen, und welche Gerüche. Denken Sie weder an die Gegenleistung, die Sie sich damit verdienen, die Wiedergutmachung, die Sie vielleicht damit leisten, die Ungerechtigkeit, dass der Abwasch immer bei Ihnen hängenbleibt, oder auch nicht an die Tasse Tee oder die TV-Sendung danach. Sie verstehen das Prinzip…

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Achtsamkeit und Psychotherapie

Durchbrechen von automatischen Mustern

Auch die kognitive Verhaltenstherapie nutzt die Durchbrechung von automatischen Reaktionsmustern für die Umstrukturierung von Bewertungen und die Veränderung von Verhalten. Dafür werden gezielt Auslöser, Gedanken, Emotionen, Handlungen und aufrechterhaltende Faktoren von unerwünschtem Verhalten in konkreten Situationen aufgespürt. Die erarbeiteten Alternativen von Bewertungen und Verhaltensweisen werden danach in Übungen und im Alltag ausprobiert und eingeübt.

Umfassende Wahrnehmung der Gegenwart

Auch die umfassende Wahrnehmung der Gegenwart wird durch die Situationsanalyse oder auch das sog. Flooding bei der Angstbehandlung bewusst und gezielt geschärft. Die stattdessen in Angstsituationen aktivierte Vermeidung wird dadurch abgebaut. Solche Vermeidung von Erfahrung spielt auch eine Rolle bei Depressionen, posttraumatischen Belastungen oder Schlafstörungen.

Wir „sind“ nicht unsere Gedanken

Parallelen gibt es in der kognitiven Verhaltenstherapie auch zur Aufforderung, sich nicht mit Gedanken oder Gefühlen zu identifizieren. Insbesondere bei Behandlung von Depressionen zeigt sich, dass Gedanken nicht automatisch die Realität oder das Selbst, sondern mentale Prozesse darstellen. (Auf dem Wort „Stuhl“ kann man nicht sitzen.) Die Überprüfung fehlerhafter Gedanken und Bewertungen ist Grundlage für die Veränderung von Einstellungen und Gefühlen. Auch bei Zwangsstörungen ist es wichtig, zu lernen, sich nicht mit dem Zwangsgedanken zu identifizieren. Gedanken und Gefühle müssen nicht unmittelbar Handlungen bestimmen.

Auf der einen Seite stellt Achtsamkeit also eher eine Lebensgrundhaltung als ein Psychotherapieprinzip dar. Andererseits muss eine erfolgreiche Psychotherapie auch Grundhaltungen einbeziehen.

 

Ob das Thema „Achtsamkeit“ Sie interessiert, weil Sie nach Wegen für eine Psychotherapie suchen, oder weil Sie sich weiter entwickeln möchten, eine Bereicherung Ihres Alltags, Ihrer Beziehung zu Partnern, Kindern und Kollegen oder Ihres Erlebens und Ihrer Wahrnehmung wird Achtsamkeit auf jeden Fall sein.

 

In nächsten Beitrag wird es um Grundsatz #1 – das Nicht-Urteilen gehen.

 

Quellen:

Jon Kabat-Zinn: Gesund durch Meditation – Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR.

Chögyam Trungpa: Erziehung des Herzens. Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl

Sam Harris: Waking Up: A Guide to Spirituality without Religion (2015)

 

 

 

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