Jane Elliotts „Blaue-Augen-Braune-Augen-Experiment“: das wirkungsvollste der Psychologie zur Entstehung von rassistischen Vorurteilen

Jane Elliotts „Blaue-Augen-Braune-Augen-Experiment“: das wirkungsvollste der Psychologie zur Entstehung von rassistischen Vorurteilen

Jane Elliotts „Blaue-Augen-Braune-Augen-Experiment“

Published on:

Aug 12, 2025

eine Anreihung von vielen kleinen Bildern auf denen Menschen zu sehen sind
eine Anreihung von vielen kleinen Bildern auf denen Menschen zu sehen sind

Beschreibung

Jane Elliotts Experiment mit blauen und braunen Augen zeigt, wie Vorurteile innerhalb von Minuten entstehen. Die fünf psychologischen Lektionen, die nicht nur jeder Psychologiestudent kennen sollte.

Blaue Augen, braune Augen und Jane Elliotts Experiment der geteilten Klasse: Das Psychologieexperiment, das unser Verständnis von Vorurteilen verändert hat

Einführung

An nur einem Tag veränderte eine Lehrerin der dritten Klasse in Iowa für immer das Verständnis der Welt von Rassismus. Jane Elliotts bahnbrechendes Experiment im Klassenzimmer im Jahr 1968 bewies, dass Vorurteile nicht angeboren sind, sondern erlernt werden und zwar erschreckend schnell.

Dieser einzelne Versuch gehört noch heute zu den 25 einflussreichsten Versuchen der Psychologiegeschichte. Er wird noch immer an Universitäten weltweit gelehrt, weil er unbequeme Wahrheiten über die menschliche Natur offenbart, die keine Theorie vermitteln kann. Das Experiment zeigt, wie schnell ganz normale Menschen grausam werden, wenn die Gesellschaft ihnen die Erlaubnis dazu gibt. Es demonstriert, wie Diskriminierung sowohl dem Opfer als auch dem Täter messbar schadet.

Für jeden Psychologiestudenten von heute gehört dieser Versuch in die Ausbildung. Sie verbindet abstrakte Theorie mit der harten Realität auf eine Weise, wie es Laborexperimente selten vermöchten. Die Erkenntnisse aus Elliotts Unterrichtsexperiment lassen sich jedoch auf alle Bereiche des menschlichen Verhaltens übertragen von der Dynamik am Arbeitsplatz über Interaktionen in sozialen Medien bis hin zur politischen Polarisierung.

Elliott's Arbeit beantwortete kritische Fragen, mit denen sich Psychologen noch heute auseinandersetzen. Wie entstehen Vorurteile derart schnell? Welche psychologischen Mechanismen liegen diskriminierendem Verhalten zugrunde? Warum widersetzen sich manche Menschen Vorurteilen, während andere sie sofort übernehmen? Und vor allem: Kann Diskriminierung genauso schnell wieder verlernt werden, wie sie gelernt wurde?

Elliotts Experiment zu verstehen, ist nicht nur eine schulische Übung, sondern ein praktischer Leitfaden zur Erkennung von Diskriminierung im. Der Versuch offenbart sowohl unsere Fähigkeit zur Grausamkeit als auch unser Potenzial für Empathie.

Was ist Jane Elliotts „Klassenteilungsexperiment“?

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” war eine gewagte Unterrichtsübung, die sie am 5. April 1968 in Riceville, Iowa, begann einen Tag nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. Elliott, eine Lehrerin der dritten Klasse und spätere Antirassismus-Aktivistin, plante den Versuch, der ihren ausschließlich weißen Schülern vermitteln sollte, wie sich Diskriminierung anfühlt.

Das Experiment war täuschend einfach, aber psychologisch raffiniert. Elliott teilte ihre Klasse anhand der Augenfarbe auf blauäugige Schüler gegen braunäugige Schüler. Dieses willkürliche körperliche Merkmal wurde zur Grundlage für eine künstliche soziale Hierarchie, die ihre Klasse innerhalb weniger Stunden völlig veränderte.

Am ersten Tag erklärte Elliott blauäugige Kinder zu überlegeneren Wesen. Sie erhielten zusätzliche Privilegien, darunter längere Pausen, eine zweite Portion Mittagessen und die Erlaubnis, aus dem Wasserspender zu trinken. Braunäugige Schüler wurden sofort eingeschränkt sie durften den Wasserspender nicht benutzen, hatten kürzere Pausen und mussten Stoffkragen tragen, um ihren „minderwertigen“ Status sichtbar zu machen.

Die Ergebnisse waren sofort sichtbar und schockierend. Innerhalb weniger Stunden wurden die „überlegenen“ blauäugigen Schüler arrogant und selbstbewusst in Bezug auf ihre schulischen Leistungen. Sie erzielten bessere Testergebnisse, beteiligten sich stärker an Diskussionen im Unterricht und begannen, ihre braunäugigen Mitschüler mit überraschender Grausamkeit zu schikanieren. Die „minderwertigen“ braunäugigen Kinder verloren dramatisch an Selbstvertrauen, erzielten schlechte schulische Leistungen und zogen sich sozial zurück.

Am zweiten Tag kehrte Elliott die Rollen komplett um. Die braunäugigen Schüler wurden zur überlegenen Gruppe, während die blauäugigen Schüler nun den Status einer Minderheit erhielten. Es zeigten sich aber neue Verhaltensmuster obwohl nun andere Kinder die jeweiligen Rollen einnahmen. Diese Rollenumkehr führte zu einem der eindrucksvollsten Momente des Experiments: echte Empathie, die aus einer gemeinsamen Erfahrung entstand.

Dieser Versuch vermittelte drei entscheidende Erkenntnisse, die die Sozialpsychologie revolutionierten.

  • Erstens: Soziale Rollen prägen das Verhalten stärker als individuelle Persönlichkeitsmerkmale.

  • Zweitens: Vollkommen willkürliche Unterscheidungen werden, von Autorität legitimiert, zu wirksamen sozialen Trennlinien.

  • Drittens: Sowohl Privilegien als auch Diskriminierung haben unmittelbare, messbare psychologische Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden.

Elliott filmte das gesamte Experiment und schuf damit Lehrmaterial, das auch Jahrzehnte später noch faszinierend ist. Der Dokumentarfilm zeigt den Zuschauern genau, wie Vorurteile entstehen und sich durch soziale Systeme verbreiten. Noch demonstriert dieses Video weltweit auch in Klassenzimmern Sozialpsychologie und Formbarkeit menschlichen Verhaltens zu unterrichten, vor allem der Diskriminierung.

Die psychologischen Mechanismen hinter der raschen Übernahme von Vorurteilen

Die Geschwindigkeit der Verhaltensänderung in Elliotts Klassenzimmer offenbarte grundlegende und einflussreiche Aspekte der menschlichen Psychologie. Die Schüler entwickelten diskriminierende Einstellungen nicht allmählich, sondern bereits wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Gruppeneinteilung.

Diese rasante Veränderung verdeutlicht das, was Psychologen als „Minimalgruppenparadigma“ bezeichnen die menschliche Tendenz, die eigene Gruppe zu bevorzugen, selbst wenn die Gruppenzugehörigkeit völlig zufällig ist. Unser Gehirn kategorisiert Menschen automatisch in „wir“ und „die anderen“, um soziale Informationen schneller zu verarbeiten. Diese Kategorisierung geschieht so schnell, dass wir sie in der Regel gar nicht bemerken.

Die Unterscheidung der Augenfarbe hat keinen logischen Zusammenhang mit Intelligenz, Charakter oder Fähigkeiten. Dennoch akzeptierten die Schüler sie sofort als sinnvoll, weil sie von einer Autoritätsperson als Tatsache dargestellt wurde. Das zeigt, wie soziales Lernen in der Praxis funktioniert: Kinder lernen nicht nur durch direkte Anweisungen, sondern auch dadurch, dass sie beobachten, welche Verhaltensweisen gesellschaftlich akzeptiert werden.

Elliotts Schüler übernahmen innerhalb weniger Stunden klassische Vorzugsbehandlung innerhalb ihrer Gruppe. Kinder mit blauen Augen saßen beim Mittagessen ganz selbstverständlich zusammen, teilten bevorzugt mit anderen blauäugigen Schülern und äußerten sich positiver über ihre Gruppenmitglieder, während sie die braunäugigen „Anderen” kritisierten. Diese Verhaltensweisen spiegeln reale Diskriminierungsmuster wider.

Das Experiment zeigte auch, wie Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) funktionieren. Sobald die Schüler die Hierarchie der Augenfarben akzeptiert hatten, interpretierten sie alle folgenden Ereignisse entsprechend. Wenn blauäugige Schüler gute Leistungen erbrachten, „bestätigte” das ihre Überlegenheit. Wenn braunäugige Schüler Schwierigkeiten hatten, „bewies” das ihre Unterlegenheit, obwohl die Leistungsunterschiede durch die diskriminierende Behandlung selbst verursacht wurden.

Das Verständnis dieser psychologischen Mechanismen hilft, aktuelle Phänomene zu erklären, die viele Menschen verwirren. Warum eskalieren Rivalitäten zwischen Sportmannschaften manchmal in Gewalt? Wie zerstören politische Spaltungen langjährige Freundschaften? Warum bilden sich am Arbeitsplatz so schnell Cliquen, die Neulinge so effektiv ausschließen? Elliotts Experiment liefert den psychologischen Rahmen zum Verständnis dieser sozialen Dynamiken.

Privilegien, Diskriminierung und schulische Leistungen

Eine der wissenschaftlich bedeutendsten Erkenntnisse von Elliott betraf den unmittelbaren Einfluss des sozialen Status auf die Lernfähigkeit. Dabei ging es nicht nur um Gefühle oder Einstellungen, sondern um messbare Veränderungen der schulischen Leistungen, die innerhalb weniger Stunden auftraten.

Blauäugige Schüler fühlten sich nicht nur wegen ihres privilegierten Status überlegen. Sie erzielten auch tatsächlich bessere Ergebnisse bei Aufgaben. Ihre Leistungskontrollen verbesserten sich deutlich. Ihre Mitarbeit am Unterricht stieg dramatisch. Ihre Fähigkeiten zur Problemlösung nahmen zu. Das verdeutlicht ein psychologisches Konzept, nach dem erhöhte Erwartungen bereits zu Leistungssteigerung führen (Pygmalion-Effekt).

Umgekehrt erlebten braunäugige Schüler das, was Psychologen heute als „Bedrohung durch Stereotype“ bezeichnen: Angst und mentale Belastung, wenn andere aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe schlechte Leistungen von einem erwarten. Als Elliott den braunäugigen Schülern sagte, sie seien minderwertig, begannen sie, sich so zu verhalten, dass sich diese Behauptung bestätigte, und schufen so eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Die ursprünglich privilegierten Schüler zeigten den eben genannten Pygmalion-Effekt (Rosenthal-Effekt): Wenn Lehrer von Schülern Erfolg erwarten, erzielen diese bessere Leistungen, obwohl sich diese Erwartungen auf vollkommen bedeutungslose Faktoren gründeten. Elliotts bevorzugte Behandlung stärkte Selbstvertrauen und Motivation bei Schülern und führte zu echter Leistungssteigerung.

So schafft Diskriminierung in Bildungseinrichtungen echte Leistungsunterschiede. Schüler aus marginalisierten Gruppen erzielen möglicherweise nicht aufgrund mangelnder Fähigkeiten schlechtere Leistungen, sondern aufgrund der psychischen Belastung im Ringen mit negativen Stereotypen. Gleichzeitig profitieren privilegierte Schüler von positiven Annahmen über ihre Fähigkeiten und entwickeln Leistungsvorsprünge, die die ursprüngliche Diskriminierung „rechtfertigen“.

Der Kreis verstärkt sich selbst: Diskriminierung führt zu Leistungsunterschieden, die die diskriminierenden Überzeugungen bestätigen und zu weiterer Diskriminierung einladen. Das Verständnis dieses Mechanismus ist nicht nur für Psychologiestudenten bedeutsam, die in Bildungs-, klinischen oder organisatorischen Bereichen arbeiten werden.

Selbstwert und Identität

Der vielleicht erschütterndste Aspekt von Elliotts Experiment war, wie schnell selbstbewusste, glückliche Kinder unsicher und zurückhaltend wurden. „Minderwertige“ Schüler, die den Morgen engagiert und gut gelaunt begonnen hatten, erlebten am Nachmittag Selbstzweifel und soziale Isolation nach wenigen Unterrichtsstunden.

Diese rasante Veränderung zeigte, wie zerbrechlich das Selbstwertgefühl bei Kindern ist, deren Identität sich noch entwickelt. Die Schüler der „Minderheit“ verinnerlichten Unterdrückung. Sie übernahmen negative Botschaften über ihre Gruppe und kritisierten manchmal sogar andere unterlegene Schüler, um sich von ihrer eigenen Unterlegenheit zu distanzieren.

Elliott dokumentierte spezifische Verhaltensindikatoren für ein beschädigtes Selbstwertgefühl, die mittlerweile jeder Psychologiestudent lernt. Dazu gehörten verminderter Augenkontakt mit Autoritätspersonen, Zurückhaltung bei der Teilnahme an Klassendiskussionen, beobachtbare Veränderungen der Körperhaltung: hängende Schultern und gesenkter Kopf, vermehrte Konflikte mit anderen Gruppenmitgliedern und Versuche, stigmatisierte Eigenschaften zu verbergen oder herunterzuspielen.

Die Geschwindigkeit und Schwere dieser psychologischen Veränderungen spiegeln wider, was Forscher auch in anderen Versuchen zu Diskriminierung in der realen Welt beobachten. Kinder aus marginalisierten Gemeinschaften zeigen ähnliche Muster aus vermindertem Selbstvertrauen in der Schule, sozialem Rückzug und verinnerlichten negativen Stereotypen über ihre Identitätsgruppen. So können reale soziale Probleme auch auf gesellschaftliche Diskriminierung, statt auf individuelle Pathologie zurückzuführen sein.

Das Experiment bedrohte die Identität mit Fragmentierung, wenn zentrale Aspekte der Identität mit negativen Stereotypen verbunden werden. Psychische Belastungen und sogar kognitive Störungen sind dann mögliche Folgen. Die unterlegenen Schüler konnten ihre Augenfarbe nicht einfach ignorieren, die Elliott ständig als Zeichen von Minderwertigkeit hervorhob.

Diese Lektion unterstreicht die entscheidende Bedeutung frühzeitiger Maßnahmen. Psychologische Schäden durch Diskriminierung treten sofort ein und verstärken sich mit der Zeit, wenn sie fortbesteht. Therapeuten, die mit Klienten aus marginalisierten Gemeinschaften arbeiten, müssen ebenso verstehen, aus gesellschaftlichen Vorurteilen internalisierte Scham und Selbstzweifel erwachsen.

Perspektivübernahme und Empathie

Der zweite Tag von Elliotts Experiment brachte den psychologisch bedeutendsten Moment. Als sie die Rollen vertauschte und die braunäugigen Schüler zu den Überlegenen machte, versuchten die ehemaligen Opfer nicht, sich an ihren früheren Unterdrückern zu rächen. Stattdessen zeigten sie bemerkenswerte Empathie und Zurückhaltung.

Diese Reaktion zeigte die psychologische Kraft der erfahrungsbasierten Perspektivenübernahme, also das tatsächliche Erleben der Erfahrungen einer anderen Person, anstatt sie sich nur vorzustellen. Die braunäugigen Schüler verstanden genau, wie sich Diskriminierung anfühlt, weil sie sie selbst erlebt hatten. Dieses Erfahrungswissen führte zu einem mitfühlenderen Verhalten, als sie Macht erlangten.

Die blauäugigen Schüler, die nun selbst Minderheitenstatus hatten, begriffen sofort, was sie ihren Klassenkameraden angetan hatten. Viele wurden emotional und drückten aufrichtiges Bedauern für ihr vorheriges Verhalten aus. Das war keine vorgetäuschte Reue, sondern echtes Verständnis, das aus der gemeinsamen Erfahrung der psychologischen Auswirkungen von Diskriminierung entstanden war.

Wir lernen aus diesem Rollentausch mehrere wichtige Konzepte. Kognitive Empathie entsteht wirksamer durch Erfahrungslernen als durch abstrakte Unterweisung. Machtverhältnisse verschieben sich unter veränderten Umständen rasch, weil Verhalten vom Kontext abhängt und nicht nur vom Charakter. Frühere Opfer werden nicht automatisch zu Unterdrückern, wenn sie Macht erhalten, sofern sie die Auswirkungen von Diskriminierung wirklich verstehen.

Diese Erkenntnis beeinflusste therapeutische Ansätze wie die narrative Therapie oder Schematherapie, bei der Patienten ihre Lebensgeschichten aus Perspektiven verschiedener Ich-Anteile betrachten. Sie illustriert die Funktion von Rollenspielen in Konfliktlösung, in Diversity-Trainings und in der Gruppentherapie. Der Rollentausch der Kinder bewies, dass Empathie keine angeborenes Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern eine erlernbare Fähigkeit, die sich durch Perspektivübernahme entwickeln lässt.

Die Umkehrung gibt auch Grund zur Hoffnung. Wenn Menschen wirklich verstehen, wie sich Diskriminierung anfühlt, neigen sie weniger dazu. Vorurteile sind nicht unvermeidlich oder dauerhaft, sondern werden durch begrenzte Blickwinkel und Erfahrung struktureller Gewalt aufrechterhalten.

Sozialer Kontext und individuelle Persönlichkeit

Ein weiterer psychologisch beunruhigender Aspekt von Elliotts Experiment war die Beobachtung, wie vollständig die Rahmenbedingungen das individuelle Verhalten veränderten. Kinder, die normalerweise freundlich waren, wurden grausam. Von Natur aus schüchterne Schüler wurden zu aggressiven Anführern. Die Umgebung im Klassenzimmer veränderte buchstäblich die Persönlichkeit.

Diese Veränderung verdeutlicht, was Sozialpsychologen als fundamentalen Attributionsfehler bezeichnen: unsere Tendenz, Verhalten eher durch Persönlichkeitsmerkmale als durch situative Faktoren zu erklären. Elliotts Experiment bewies dabei einen Einfluss des Kontexts, der stärker war als individuelle Charaktereigenschaften.

Die Kinder offenbarten im diskriminierenden Verhalten keine verborgenen Persönlichkeitsaspekte. Sie reagierten auf soziale Signale, die Diskriminierung nicht nur akzeptabel machten, sondern sogar belohnten. Elliotts Zustimmung und das Umfeld im Klassenzimmer gaben ihnen die ausdrückliche Erlaubnis, sich so zu verhalten, wie sie es von selbst niemals für angemessen gehalten hätten.

Diese Erkenntnis verbindet Elliotts Arbeit mit anderen berühmten psychologischen Versuchen wie dem Stanford-Gefängnis-Experiment und Milgrams Gehorsamsforschung. Alle zeigen, wie normale Menschen sich grausam verhalten, wenn es soziale Situationen fördern, zulassen oder gar fordern. Alle drei Versuche offenbaren sowohl die moralische Flexibilität des Menschen als auch die menschliche Anfälligkeit für soziale Einflüsse.

Gemäß der sozialen Lerntheorie ahmten Kinder diskriminierende Verhaltensweisen nach, die sie beobachtet und belohnt sahen. Konformitätsdruck beeinflusste die Schüler dazu, sich an neu entstehende Gruppennormen anzupassen, auch wenn sie sich dabei persönlich unwohl fühlten. Der Einfluss von Autorität zeigte sich darin, dass Elliotts Zustimmung das Verhalten der Schüler stärker prägte als deren individuelle moralische Einstellungen. Die Verantwortungsdiffusion, auch bekannt als Bystander-Effekt, erlaubte es Schülern, sich innerhalb einer Gruppe weniger persönlich für ihre Handlungen verantwortlich zu fühlen.

Das Verständnis erklärt, wie gute Menschen an schädlichen institutionellen Systemen mitwirken, ohne sich einer Mitschuld bewusst zu sein. Es legt allerdings auch nahe, dass sich durch veränderte gesellschaftliche Bedingungen positive Verhaltensweisen ebenso wirksam fördern lassen wie negative.

Heutige Bedeutung und Auswirkungen

Elliots Experiment beeinflusst auch mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner ersten Durchführung weiterhin die Sozialpsychologie, die klinische Praxis und soziale Interventionsprogramme. Die Erkenntnisse des Versuchs lassen sich direkt auf aktuelle Probleme übertragen, von Belästigung am Arbeitsplatz über Mobbing in sozialen Medien bis zur politischen Polarisierung.

Der Schwerpunkt des Experiments auf Erfahrungslernen statt abstrakter Unterweisung hat therapeutische Ansätze in verschiedenen Bereichen beeinflusst. Therapeuten nutzen Perspektivübungen, Rollentausch und Erfahrungstechniken, um Klienten dabei zu helfen, Empathie zu entwickeln und unterschiedliche Standpunkte zu verstehen.

Elliots Versuch hat gezeigt, dass intellektuelles Verständnis allein diskriminierende Einstellungen selten verändert, Erfahrungslernen aber zu dauerhaften Verhaltensänderungen führt.

Neoliberale Vorstellungen vom Menschen hingegen ignorieren Elliotts Erkenntnisse über schnelle Gruppenbildung und Privilegieneffekte vollständig.

Politische Manipulation und militaristische Propaganda nutzen, umgekehrt, soziale Spaltung, um Feindbilder zu zementieren und Empathiebildung durch korrigierende Erfahrungen zu verhindern.

Aus der Geschichte bekannt ist, dass es, durch die Nähe der Schützengräben an der Westfront, insbesondere zwischen deutschen und britischen Truppen, im Ersten Weltkrieg zu direktem Kontakt der Soldaten kam. Am Weihnachtsabend 1914 ließen dann an verschiedenen Abschnitten der Front, etwa bei Armentières, die Soldaten beider Seiten ihre Waffen ruhen und sangen gemeinsam Weihnachtslieder, tauschten Zigaretten, Schnaps und Lebensmittel, bestatteten gemeinsam die Toten und spielten sogar Fußball im Niemandsland. Es wird geschätzt, dass sich an den Verbrüderungen beim sogenannten „Weihnachtsfrieden“ bis zu 100 000 Soldaten beteiligten. 

Die Verbrüderungen wurden von der Militärführung auf beiden Seiten zunächst nicht bestraft. In den folgenden Jahren wurden jedoch strengste Strafen für Verbrüderungen eingeführt, sodass der Weihnachtsfrieden von 1914 ein einmaliges Ereignis blieb.

Auch solche historischen Ereignisse zeigen, wie Elliotts Arbeit, die soziale Relevanz der Psychologie. Sie haben nicht nur das schulische Verständnis vorangebracht, sondern auch praktische Wege für die Schaffung einer gerechteren und empathischeren Gesellschaft aufgezeigt. Der Versuch belegt außerdem, dass psychologische Forschung drängende soziale Probleme direkt angehen und gleichzeitig wissenschaftliche Erkenntnisse voranbringen muss, statt sich in wolkigem Gefasel der positiven Psychologie zu verstecken.

Fazit

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” ist nach wie vor eines der eindrucksvollsten Beispiele in der Psychologie dafür, wie Vorurteile entstehen, sich verbreiten und durch Verständnis überwunden werden können. In nur zwei Tagen deckte sie grundlegende Wahrheiten über die menschliche Natur auf, die bis heute die psychologische Forschung und Praxis prägen.

Die fünf Kernaussagen des Experiments

1.      sofortige Gruppenbildung führt zu unmittelbaren Vorurteilen,

2.      Privilegien beeinflussen die schulische Leistung,

3.      Diskriminierung wirkt sich unmittelbar auf das Selbstwertgefühl aus,

4.      Empathie entsteht durch Perspektivübernahme und

5.      der soziale Kontext überlagert die individuelle Persönlichkeit

vermitteln wichtige Erkenntnisse über soziales Verhalten und die menschliche Natur.

Diese Erkenntnisse sind keine historischen Kuriositäten, sondern praktische Werkzeuge zum Verständnis aktueller sozialer Probleme. Elliotts Erkenntnisse erklären historische und aktuelle Phänomene vom politischen Tribalismus über Online-Belästigung bis zu institutioneller Diskriminierung und struktureller Gewalt.

Der Versuch weckt auch echte Hoffnung auf sozialen Wandel. Wenn Vorurteile durch soziales Lernen und Umwelteinflüsse schnell entstehen können, können sie auch durch andere soziale Erfahrungen und die Möglichkeit, andere Perspektiven einzunehmen, wieder überwunden werden. Elliotts Schüler blieben nicht dauerhaft von ihren Diskriminierungserfahrungen geprägt. Ihr Verständnis machte ihr Verhalten empathischer und toleranter.

Elliott bewies, dass es in der Psychologie nicht nur darum geht, menschliches Verhalten zu verstehen, sondern es zum Besseren zu verändern.

Das kleine Klassenzimmer in Riceville, Iowa, mag von der heutigen Psychologie weit entfernt sein. Aber die dort gewonnenen Erkenntnisse prägen weiterhin unser Verständnis von Vorurteilen, Privilegien, Empathie und der Möglichkeit gerechterer Gemeinschaften. Elliotts Vermächtnis erinnert uns daran, dass gesellschaftliche Veränderungen mit einer einzigen Person beginnen, die bereit ist, Vorurteile infrage zu stellen und durch direkte Erfahrungen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Verwandte Artikel

Das „Universe 25”-Experiment und ein tragisches Ende im Mäuseparadies

Das „Universe 25”-Experiment

Beschreibung

Jane Elliotts Experiment mit blauen und braunen Augen zeigt, wie Vorurteile innerhalb von Minuten entstehen. Die fünf psychologischen Lektionen, die nicht nur jeder Psychologiestudent kennen sollte.

Blaue Augen, braune Augen und Jane Elliotts Experiment der geteilten Klasse: Das Psychologieexperiment, das unser Verständnis von Vorurteilen verändert hat

Einführung

An nur einem Tag veränderte eine Lehrerin der dritten Klasse in Iowa für immer das Verständnis der Welt von Rassismus. Jane Elliotts bahnbrechendes Experiment im Klassenzimmer im Jahr 1968 bewies, dass Vorurteile nicht angeboren sind, sondern erlernt werden und zwar erschreckend schnell.

Dieser einzelne Versuch gehört noch heute zu den 25 einflussreichsten Versuchen der Psychologiegeschichte. Er wird noch immer an Universitäten weltweit gelehrt, weil er unbequeme Wahrheiten über die menschliche Natur offenbart, die keine Theorie vermitteln kann. Das Experiment zeigt, wie schnell ganz normale Menschen grausam werden, wenn die Gesellschaft ihnen die Erlaubnis dazu gibt. Es demonstriert, wie Diskriminierung sowohl dem Opfer als auch dem Täter messbar schadet.

Für jeden Psychologiestudenten von heute gehört dieser Versuch in die Ausbildung. Sie verbindet abstrakte Theorie mit der harten Realität auf eine Weise, wie es Laborexperimente selten vermöchten. Die Erkenntnisse aus Elliotts Unterrichtsexperiment lassen sich jedoch auf alle Bereiche des menschlichen Verhaltens übertragen von der Dynamik am Arbeitsplatz über Interaktionen in sozialen Medien bis hin zur politischen Polarisierung.

Elliott's Arbeit beantwortete kritische Fragen, mit denen sich Psychologen noch heute auseinandersetzen. Wie entstehen Vorurteile derart schnell? Welche psychologischen Mechanismen liegen diskriminierendem Verhalten zugrunde? Warum widersetzen sich manche Menschen Vorurteilen, während andere sie sofort übernehmen? Und vor allem: Kann Diskriminierung genauso schnell wieder verlernt werden, wie sie gelernt wurde?

Elliotts Experiment zu verstehen, ist nicht nur eine schulische Übung, sondern ein praktischer Leitfaden zur Erkennung von Diskriminierung im. Der Versuch offenbart sowohl unsere Fähigkeit zur Grausamkeit als auch unser Potenzial für Empathie.

Was ist Jane Elliotts „Klassenteilungsexperiment“?

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” war eine gewagte Unterrichtsübung, die sie am 5. April 1968 in Riceville, Iowa, begann einen Tag nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. Elliott, eine Lehrerin der dritten Klasse und spätere Antirassismus-Aktivistin, plante den Versuch, der ihren ausschließlich weißen Schülern vermitteln sollte, wie sich Diskriminierung anfühlt.

Das Experiment war täuschend einfach, aber psychologisch raffiniert. Elliott teilte ihre Klasse anhand der Augenfarbe auf blauäugige Schüler gegen braunäugige Schüler. Dieses willkürliche körperliche Merkmal wurde zur Grundlage für eine künstliche soziale Hierarchie, die ihre Klasse innerhalb weniger Stunden völlig veränderte.

Am ersten Tag erklärte Elliott blauäugige Kinder zu überlegeneren Wesen. Sie erhielten zusätzliche Privilegien, darunter längere Pausen, eine zweite Portion Mittagessen und die Erlaubnis, aus dem Wasserspender zu trinken. Braunäugige Schüler wurden sofort eingeschränkt sie durften den Wasserspender nicht benutzen, hatten kürzere Pausen und mussten Stoffkragen tragen, um ihren „minderwertigen“ Status sichtbar zu machen.

Die Ergebnisse waren sofort sichtbar und schockierend. Innerhalb weniger Stunden wurden die „überlegenen“ blauäugigen Schüler arrogant und selbstbewusst in Bezug auf ihre schulischen Leistungen. Sie erzielten bessere Testergebnisse, beteiligten sich stärker an Diskussionen im Unterricht und begannen, ihre braunäugigen Mitschüler mit überraschender Grausamkeit zu schikanieren. Die „minderwertigen“ braunäugigen Kinder verloren dramatisch an Selbstvertrauen, erzielten schlechte schulische Leistungen und zogen sich sozial zurück.

Am zweiten Tag kehrte Elliott die Rollen komplett um. Die braunäugigen Schüler wurden zur überlegenen Gruppe, während die blauäugigen Schüler nun den Status einer Minderheit erhielten. Es zeigten sich aber neue Verhaltensmuster obwohl nun andere Kinder die jeweiligen Rollen einnahmen. Diese Rollenumkehr führte zu einem der eindrucksvollsten Momente des Experiments: echte Empathie, die aus einer gemeinsamen Erfahrung entstand.

Dieser Versuch vermittelte drei entscheidende Erkenntnisse, die die Sozialpsychologie revolutionierten.

  • Erstens: Soziale Rollen prägen das Verhalten stärker als individuelle Persönlichkeitsmerkmale.

  • Zweitens: Vollkommen willkürliche Unterscheidungen werden, von Autorität legitimiert, zu wirksamen sozialen Trennlinien.

  • Drittens: Sowohl Privilegien als auch Diskriminierung haben unmittelbare, messbare psychologische Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden.

Elliott filmte das gesamte Experiment und schuf damit Lehrmaterial, das auch Jahrzehnte später noch faszinierend ist. Der Dokumentarfilm zeigt den Zuschauern genau, wie Vorurteile entstehen und sich durch soziale Systeme verbreiten. Noch demonstriert dieses Video weltweit auch in Klassenzimmern Sozialpsychologie und Formbarkeit menschlichen Verhaltens zu unterrichten, vor allem der Diskriminierung.

Die psychologischen Mechanismen hinter der raschen Übernahme von Vorurteilen

Die Geschwindigkeit der Verhaltensänderung in Elliotts Klassenzimmer offenbarte grundlegende und einflussreiche Aspekte der menschlichen Psychologie. Die Schüler entwickelten diskriminierende Einstellungen nicht allmählich, sondern bereits wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Gruppeneinteilung.

Diese rasante Veränderung verdeutlicht das, was Psychologen als „Minimalgruppenparadigma“ bezeichnen die menschliche Tendenz, die eigene Gruppe zu bevorzugen, selbst wenn die Gruppenzugehörigkeit völlig zufällig ist. Unser Gehirn kategorisiert Menschen automatisch in „wir“ und „die anderen“, um soziale Informationen schneller zu verarbeiten. Diese Kategorisierung geschieht so schnell, dass wir sie in der Regel gar nicht bemerken.

Die Unterscheidung der Augenfarbe hat keinen logischen Zusammenhang mit Intelligenz, Charakter oder Fähigkeiten. Dennoch akzeptierten die Schüler sie sofort als sinnvoll, weil sie von einer Autoritätsperson als Tatsache dargestellt wurde. Das zeigt, wie soziales Lernen in der Praxis funktioniert: Kinder lernen nicht nur durch direkte Anweisungen, sondern auch dadurch, dass sie beobachten, welche Verhaltensweisen gesellschaftlich akzeptiert werden.

Elliotts Schüler übernahmen innerhalb weniger Stunden klassische Vorzugsbehandlung innerhalb ihrer Gruppe. Kinder mit blauen Augen saßen beim Mittagessen ganz selbstverständlich zusammen, teilten bevorzugt mit anderen blauäugigen Schülern und äußerten sich positiver über ihre Gruppenmitglieder, während sie die braunäugigen „Anderen” kritisierten. Diese Verhaltensweisen spiegeln reale Diskriminierungsmuster wider.

Das Experiment zeigte auch, wie Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) funktionieren. Sobald die Schüler die Hierarchie der Augenfarben akzeptiert hatten, interpretierten sie alle folgenden Ereignisse entsprechend. Wenn blauäugige Schüler gute Leistungen erbrachten, „bestätigte” das ihre Überlegenheit. Wenn braunäugige Schüler Schwierigkeiten hatten, „bewies” das ihre Unterlegenheit, obwohl die Leistungsunterschiede durch die diskriminierende Behandlung selbst verursacht wurden.

Das Verständnis dieser psychologischen Mechanismen hilft, aktuelle Phänomene zu erklären, die viele Menschen verwirren. Warum eskalieren Rivalitäten zwischen Sportmannschaften manchmal in Gewalt? Wie zerstören politische Spaltungen langjährige Freundschaften? Warum bilden sich am Arbeitsplatz so schnell Cliquen, die Neulinge so effektiv ausschließen? Elliotts Experiment liefert den psychologischen Rahmen zum Verständnis dieser sozialen Dynamiken.

Privilegien, Diskriminierung und schulische Leistungen

Eine der wissenschaftlich bedeutendsten Erkenntnisse von Elliott betraf den unmittelbaren Einfluss des sozialen Status auf die Lernfähigkeit. Dabei ging es nicht nur um Gefühle oder Einstellungen, sondern um messbare Veränderungen der schulischen Leistungen, die innerhalb weniger Stunden auftraten.

Blauäugige Schüler fühlten sich nicht nur wegen ihres privilegierten Status überlegen. Sie erzielten auch tatsächlich bessere Ergebnisse bei Aufgaben. Ihre Leistungskontrollen verbesserten sich deutlich. Ihre Mitarbeit am Unterricht stieg dramatisch. Ihre Fähigkeiten zur Problemlösung nahmen zu. Das verdeutlicht ein psychologisches Konzept, nach dem erhöhte Erwartungen bereits zu Leistungssteigerung führen (Pygmalion-Effekt).

Umgekehrt erlebten braunäugige Schüler das, was Psychologen heute als „Bedrohung durch Stereotype“ bezeichnen: Angst und mentale Belastung, wenn andere aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe schlechte Leistungen von einem erwarten. Als Elliott den braunäugigen Schülern sagte, sie seien minderwertig, begannen sie, sich so zu verhalten, dass sich diese Behauptung bestätigte, und schufen so eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Die ursprünglich privilegierten Schüler zeigten den eben genannten Pygmalion-Effekt (Rosenthal-Effekt): Wenn Lehrer von Schülern Erfolg erwarten, erzielen diese bessere Leistungen, obwohl sich diese Erwartungen auf vollkommen bedeutungslose Faktoren gründeten. Elliotts bevorzugte Behandlung stärkte Selbstvertrauen und Motivation bei Schülern und führte zu echter Leistungssteigerung.

So schafft Diskriminierung in Bildungseinrichtungen echte Leistungsunterschiede. Schüler aus marginalisierten Gruppen erzielen möglicherweise nicht aufgrund mangelnder Fähigkeiten schlechtere Leistungen, sondern aufgrund der psychischen Belastung im Ringen mit negativen Stereotypen. Gleichzeitig profitieren privilegierte Schüler von positiven Annahmen über ihre Fähigkeiten und entwickeln Leistungsvorsprünge, die die ursprüngliche Diskriminierung „rechtfertigen“.

Der Kreis verstärkt sich selbst: Diskriminierung führt zu Leistungsunterschieden, die die diskriminierenden Überzeugungen bestätigen und zu weiterer Diskriminierung einladen. Das Verständnis dieses Mechanismus ist nicht nur für Psychologiestudenten bedeutsam, die in Bildungs-, klinischen oder organisatorischen Bereichen arbeiten werden.

Selbstwert und Identität

Der vielleicht erschütterndste Aspekt von Elliotts Experiment war, wie schnell selbstbewusste, glückliche Kinder unsicher und zurückhaltend wurden. „Minderwertige“ Schüler, die den Morgen engagiert und gut gelaunt begonnen hatten, erlebten am Nachmittag Selbstzweifel und soziale Isolation nach wenigen Unterrichtsstunden.

Diese rasante Veränderung zeigte, wie zerbrechlich das Selbstwertgefühl bei Kindern ist, deren Identität sich noch entwickelt. Die Schüler der „Minderheit“ verinnerlichten Unterdrückung. Sie übernahmen negative Botschaften über ihre Gruppe und kritisierten manchmal sogar andere unterlegene Schüler, um sich von ihrer eigenen Unterlegenheit zu distanzieren.

Elliott dokumentierte spezifische Verhaltensindikatoren für ein beschädigtes Selbstwertgefühl, die mittlerweile jeder Psychologiestudent lernt. Dazu gehörten verminderter Augenkontakt mit Autoritätspersonen, Zurückhaltung bei der Teilnahme an Klassendiskussionen, beobachtbare Veränderungen der Körperhaltung: hängende Schultern und gesenkter Kopf, vermehrte Konflikte mit anderen Gruppenmitgliedern und Versuche, stigmatisierte Eigenschaften zu verbergen oder herunterzuspielen.

Die Geschwindigkeit und Schwere dieser psychologischen Veränderungen spiegeln wider, was Forscher auch in anderen Versuchen zu Diskriminierung in der realen Welt beobachten. Kinder aus marginalisierten Gemeinschaften zeigen ähnliche Muster aus vermindertem Selbstvertrauen in der Schule, sozialem Rückzug und verinnerlichten negativen Stereotypen über ihre Identitätsgruppen. So können reale soziale Probleme auch auf gesellschaftliche Diskriminierung, statt auf individuelle Pathologie zurückzuführen sein.

Das Experiment bedrohte die Identität mit Fragmentierung, wenn zentrale Aspekte der Identität mit negativen Stereotypen verbunden werden. Psychische Belastungen und sogar kognitive Störungen sind dann mögliche Folgen. Die unterlegenen Schüler konnten ihre Augenfarbe nicht einfach ignorieren, die Elliott ständig als Zeichen von Minderwertigkeit hervorhob.

Diese Lektion unterstreicht die entscheidende Bedeutung frühzeitiger Maßnahmen. Psychologische Schäden durch Diskriminierung treten sofort ein und verstärken sich mit der Zeit, wenn sie fortbesteht. Therapeuten, die mit Klienten aus marginalisierten Gemeinschaften arbeiten, müssen ebenso verstehen, aus gesellschaftlichen Vorurteilen internalisierte Scham und Selbstzweifel erwachsen.

Perspektivübernahme und Empathie

Der zweite Tag von Elliotts Experiment brachte den psychologisch bedeutendsten Moment. Als sie die Rollen vertauschte und die braunäugigen Schüler zu den Überlegenen machte, versuchten die ehemaligen Opfer nicht, sich an ihren früheren Unterdrückern zu rächen. Stattdessen zeigten sie bemerkenswerte Empathie und Zurückhaltung.

Diese Reaktion zeigte die psychologische Kraft der erfahrungsbasierten Perspektivenübernahme, also das tatsächliche Erleben der Erfahrungen einer anderen Person, anstatt sie sich nur vorzustellen. Die braunäugigen Schüler verstanden genau, wie sich Diskriminierung anfühlt, weil sie sie selbst erlebt hatten. Dieses Erfahrungswissen führte zu einem mitfühlenderen Verhalten, als sie Macht erlangten.

Die blauäugigen Schüler, die nun selbst Minderheitenstatus hatten, begriffen sofort, was sie ihren Klassenkameraden angetan hatten. Viele wurden emotional und drückten aufrichtiges Bedauern für ihr vorheriges Verhalten aus. Das war keine vorgetäuschte Reue, sondern echtes Verständnis, das aus der gemeinsamen Erfahrung der psychologischen Auswirkungen von Diskriminierung entstanden war.

Wir lernen aus diesem Rollentausch mehrere wichtige Konzepte. Kognitive Empathie entsteht wirksamer durch Erfahrungslernen als durch abstrakte Unterweisung. Machtverhältnisse verschieben sich unter veränderten Umständen rasch, weil Verhalten vom Kontext abhängt und nicht nur vom Charakter. Frühere Opfer werden nicht automatisch zu Unterdrückern, wenn sie Macht erhalten, sofern sie die Auswirkungen von Diskriminierung wirklich verstehen.

Diese Erkenntnis beeinflusste therapeutische Ansätze wie die narrative Therapie oder Schematherapie, bei der Patienten ihre Lebensgeschichten aus Perspektiven verschiedener Ich-Anteile betrachten. Sie illustriert die Funktion von Rollenspielen in Konfliktlösung, in Diversity-Trainings und in der Gruppentherapie. Der Rollentausch der Kinder bewies, dass Empathie keine angeborenes Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern eine erlernbare Fähigkeit, die sich durch Perspektivübernahme entwickeln lässt.

Die Umkehrung gibt auch Grund zur Hoffnung. Wenn Menschen wirklich verstehen, wie sich Diskriminierung anfühlt, neigen sie weniger dazu. Vorurteile sind nicht unvermeidlich oder dauerhaft, sondern werden durch begrenzte Blickwinkel und Erfahrung struktureller Gewalt aufrechterhalten.

Sozialer Kontext und individuelle Persönlichkeit

Ein weiterer psychologisch beunruhigender Aspekt von Elliotts Experiment war die Beobachtung, wie vollständig die Rahmenbedingungen das individuelle Verhalten veränderten. Kinder, die normalerweise freundlich waren, wurden grausam. Von Natur aus schüchterne Schüler wurden zu aggressiven Anführern. Die Umgebung im Klassenzimmer veränderte buchstäblich die Persönlichkeit.

Diese Veränderung verdeutlicht, was Sozialpsychologen als fundamentalen Attributionsfehler bezeichnen: unsere Tendenz, Verhalten eher durch Persönlichkeitsmerkmale als durch situative Faktoren zu erklären. Elliotts Experiment bewies dabei einen Einfluss des Kontexts, der stärker war als individuelle Charaktereigenschaften.

Die Kinder offenbarten im diskriminierenden Verhalten keine verborgenen Persönlichkeitsaspekte. Sie reagierten auf soziale Signale, die Diskriminierung nicht nur akzeptabel machten, sondern sogar belohnten. Elliotts Zustimmung und das Umfeld im Klassenzimmer gaben ihnen die ausdrückliche Erlaubnis, sich so zu verhalten, wie sie es von selbst niemals für angemessen gehalten hätten.

Diese Erkenntnis verbindet Elliotts Arbeit mit anderen berühmten psychologischen Versuchen wie dem Stanford-Gefängnis-Experiment und Milgrams Gehorsamsforschung. Alle zeigen, wie normale Menschen sich grausam verhalten, wenn es soziale Situationen fördern, zulassen oder gar fordern. Alle drei Versuche offenbaren sowohl die moralische Flexibilität des Menschen als auch die menschliche Anfälligkeit für soziale Einflüsse.

Gemäß der sozialen Lerntheorie ahmten Kinder diskriminierende Verhaltensweisen nach, die sie beobachtet und belohnt sahen. Konformitätsdruck beeinflusste die Schüler dazu, sich an neu entstehende Gruppennormen anzupassen, auch wenn sie sich dabei persönlich unwohl fühlten. Der Einfluss von Autorität zeigte sich darin, dass Elliotts Zustimmung das Verhalten der Schüler stärker prägte als deren individuelle moralische Einstellungen. Die Verantwortungsdiffusion, auch bekannt als Bystander-Effekt, erlaubte es Schülern, sich innerhalb einer Gruppe weniger persönlich für ihre Handlungen verantwortlich zu fühlen.

Das Verständnis erklärt, wie gute Menschen an schädlichen institutionellen Systemen mitwirken, ohne sich einer Mitschuld bewusst zu sein. Es legt allerdings auch nahe, dass sich durch veränderte gesellschaftliche Bedingungen positive Verhaltensweisen ebenso wirksam fördern lassen wie negative.

Heutige Bedeutung und Auswirkungen

Elliots Experiment beeinflusst auch mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner ersten Durchführung weiterhin die Sozialpsychologie, die klinische Praxis und soziale Interventionsprogramme. Die Erkenntnisse des Versuchs lassen sich direkt auf aktuelle Probleme übertragen, von Belästigung am Arbeitsplatz über Mobbing in sozialen Medien bis zur politischen Polarisierung.

Der Schwerpunkt des Experiments auf Erfahrungslernen statt abstrakter Unterweisung hat therapeutische Ansätze in verschiedenen Bereichen beeinflusst. Therapeuten nutzen Perspektivübungen, Rollentausch und Erfahrungstechniken, um Klienten dabei zu helfen, Empathie zu entwickeln und unterschiedliche Standpunkte zu verstehen.

Elliots Versuch hat gezeigt, dass intellektuelles Verständnis allein diskriminierende Einstellungen selten verändert, Erfahrungslernen aber zu dauerhaften Verhaltensänderungen führt.

Neoliberale Vorstellungen vom Menschen hingegen ignorieren Elliotts Erkenntnisse über schnelle Gruppenbildung und Privilegieneffekte vollständig.

Politische Manipulation und militaristische Propaganda nutzen, umgekehrt, soziale Spaltung, um Feindbilder zu zementieren und Empathiebildung durch korrigierende Erfahrungen zu verhindern.

Aus der Geschichte bekannt ist, dass es, durch die Nähe der Schützengräben an der Westfront, insbesondere zwischen deutschen und britischen Truppen, im Ersten Weltkrieg zu direktem Kontakt der Soldaten kam. Am Weihnachtsabend 1914 ließen dann an verschiedenen Abschnitten der Front, etwa bei Armentières, die Soldaten beider Seiten ihre Waffen ruhen und sangen gemeinsam Weihnachtslieder, tauschten Zigaretten, Schnaps und Lebensmittel, bestatteten gemeinsam die Toten und spielten sogar Fußball im Niemandsland. Es wird geschätzt, dass sich an den Verbrüderungen beim sogenannten „Weihnachtsfrieden“ bis zu 100 000 Soldaten beteiligten. 

Die Verbrüderungen wurden von der Militärführung auf beiden Seiten zunächst nicht bestraft. In den folgenden Jahren wurden jedoch strengste Strafen für Verbrüderungen eingeführt, sodass der Weihnachtsfrieden von 1914 ein einmaliges Ereignis blieb.

Auch solche historischen Ereignisse zeigen, wie Elliotts Arbeit, die soziale Relevanz der Psychologie. Sie haben nicht nur das schulische Verständnis vorangebracht, sondern auch praktische Wege für die Schaffung einer gerechteren und empathischeren Gesellschaft aufgezeigt. Der Versuch belegt außerdem, dass psychologische Forschung drängende soziale Probleme direkt angehen und gleichzeitig wissenschaftliche Erkenntnisse voranbringen muss, statt sich in wolkigem Gefasel der positiven Psychologie zu verstecken.

Fazit

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” ist nach wie vor eines der eindrucksvollsten Beispiele in der Psychologie dafür, wie Vorurteile entstehen, sich verbreiten und durch Verständnis überwunden werden können. In nur zwei Tagen deckte sie grundlegende Wahrheiten über die menschliche Natur auf, die bis heute die psychologische Forschung und Praxis prägen.

Die fünf Kernaussagen des Experiments

1.      sofortige Gruppenbildung führt zu unmittelbaren Vorurteilen,

2.      Privilegien beeinflussen die schulische Leistung,

3.      Diskriminierung wirkt sich unmittelbar auf das Selbstwertgefühl aus,

4.      Empathie entsteht durch Perspektivübernahme und

5.      der soziale Kontext überlagert die individuelle Persönlichkeit

vermitteln wichtige Erkenntnisse über soziales Verhalten und die menschliche Natur.

Diese Erkenntnisse sind keine historischen Kuriositäten, sondern praktische Werkzeuge zum Verständnis aktueller sozialer Probleme. Elliotts Erkenntnisse erklären historische und aktuelle Phänomene vom politischen Tribalismus über Online-Belästigung bis zu institutioneller Diskriminierung und struktureller Gewalt.

Der Versuch weckt auch echte Hoffnung auf sozialen Wandel. Wenn Vorurteile durch soziales Lernen und Umwelteinflüsse schnell entstehen können, können sie auch durch andere soziale Erfahrungen und die Möglichkeit, andere Perspektiven einzunehmen, wieder überwunden werden. Elliotts Schüler blieben nicht dauerhaft von ihren Diskriminierungserfahrungen geprägt. Ihr Verständnis machte ihr Verhalten empathischer und toleranter.

Elliott bewies, dass es in der Psychologie nicht nur darum geht, menschliches Verhalten zu verstehen, sondern es zum Besseren zu verändern.

Das kleine Klassenzimmer in Riceville, Iowa, mag von der heutigen Psychologie weit entfernt sein. Aber die dort gewonnenen Erkenntnisse prägen weiterhin unser Verständnis von Vorurteilen, Privilegien, Empathie und der Möglichkeit gerechterer Gemeinschaften. Elliotts Vermächtnis erinnert uns daran, dass gesellschaftliche Veränderungen mit einer einzigen Person beginnen, die bereit ist, Vorurteile infrage zu stellen und durch direkte Erfahrungen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Verwandte Artikel

Das „Universe 25”-Experiment und ein tragisches Ende im Mäuseparadies

Das „Universe 25”-Experiment

Beschreibung

Jane Elliotts Experiment mit blauen und braunen Augen zeigt, wie Vorurteile innerhalb von Minuten entstehen. Die fünf psychologischen Lektionen, die nicht nur jeder Psychologiestudent kennen sollte.

Blaue Augen, braune Augen und Jane Elliotts Experiment der geteilten Klasse: Das Psychologieexperiment, das unser Verständnis von Vorurteilen verändert hat

Einführung

An nur einem Tag veränderte eine Lehrerin der dritten Klasse in Iowa für immer das Verständnis der Welt von Rassismus. Jane Elliotts bahnbrechendes Experiment im Klassenzimmer im Jahr 1968 bewies, dass Vorurteile nicht angeboren sind, sondern erlernt werden und zwar erschreckend schnell.

Dieser einzelne Versuch gehört noch heute zu den 25 einflussreichsten Versuchen der Psychologiegeschichte. Er wird noch immer an Universitäten weltweit gelehrt, weil er unbequeme Wahrheiten über die menschliche Natur offenbart, die keine Theorie vermitteln kann. Das Experiment zeigt, wie schnell ganz normale Menschen grausam werden, wenn die Gesellschaft ihnen die Erlaubnis dazu gibt. Es demonstriert, wie Diskriminierung sowohl dem Opfer als auch dem Täter messbar schadet.

Für jeden Psychologiestudenten von heute gehört dieser Versuch in die Ausbildung. Sie verbindet abstrakte Theorie mit der harten Realität auf eine Weise, wie es Laborexperimente selten vermöchten. Die Erkenntnisse aus Elliotts Unterrichtsexperiment lassen sich jedoch auf alle Bereiche des menschlichen Verhaltens übertragen von der Dynamik am Arbeitsplatz über Interaktionen in sozialen Medien bis hin zur politischen Polarisierung.

Elliott's Arbeit beantwortete kritische Fragen, mit denen sich Psychologen noch heute auseinandersetzen. Wie entstehen Vorurteile derart schnell? Welche psychologischen Mechanismen liegen diskriminierendem Verhalten zugrunde? Warum widersetzen sich manche Menschen Vorurteilen, während andere sie sofort übernehmen? Und vor allem: Kann Diskriminierung genauso schnell wieder verlernt werden, wie sie gelernt wurde?

Elliotts Experiment zu verstehen, ist nicht nur eine schulische Übung, sondern ein praktischer Leitfaden zur Erkennung von Diskriminierung im. Der Versuch offenbart sowohl unsere Fähigkeit zur Grausamkeit als auch unser Potenzial für Empathie.

Was ist Jane Elliotts „Klassenteilungsexperiment“?

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” war eine gewagte Unterrichtsübung, die sie am 5. April 1968 in Riceville, Iowa, begann einen Tag nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. Elliott, eine Lehrerin der dritten Klasse und spätere Antirassismus-Aktivistin, plante den Versuch, der ihren ausschließlich weißen Schülern vermitteln sollte, wie sich Diskriminierung anfühlt.

Das Experiment war täuschend einfach, aber psychologisch raffiniert. Elliott teilte ihre Klasse anhand der Augenfarbe auf blauäugige Schüler gegen braunäugige Schüler. Dieses willkürliche körperliche Merkmal wurde zur Grundlage für eine künstliche soziale Hierarchie, die ihre Klasse innerhalb weniger Stunden völlig veränderte.

Am ersten Tag erklärte Elliott blauäugige Kinder zu überlegeneren Wesen. Sie erhielten zusätzliche Privilegien, darunter längere Pausen, eine zweite Portion Mittagessen und die Erlaubnis, aus dem Wasserspender zu trinken. Braunäugige Schüler wurden sofort eingeschränkt sie durften den Wasserspender nicht benutzen, hatten kürzere Pausen und mussten Stoffkragen tragen, um ihren „minderwertigen“ Status sichtbar zu machen.

Die Ergebnisse waren sofort sichtbar und schockierend. Innerhalb weniger Stunden wurden die „überlegenen“ blauäugigen Schüler arrogant und selbstbewusst in Bezug auf ihre schulischen Leistungen. Sie erzielten bessere Testergebnisse, beteiligten sich stärker an Diskussionen im Unterricht und begannen, ihre braunäugigen Mitschüler mit überraschender Grausamkeit zu schikanieren. Die „minderwertigen“ braunäugigen Kinder verloren dramatisch an Selbstvertrauen, erzielten schlechte schulische Leistungen und zogen sich sozial zurück.

Am zweiten Tag kehrte Elliott die Rollen komplett um. Die braunäugigen Schüler wurden zur überlegenen Gruppe, während die blauäugigen Schüler nun den Status einer Minderheit erhielten. Es zeigten sich aber neue Verhaltensmuster obwohl nun andere Kinder die jeweiligen Rollen einnahmen. Diese Rollenumkehr führte zu einem der eindrucksvollsten Momente des Experiments: echte Empathie, die aus einer gemeinsamen Erfahrung entstand.

Dieser Versuch vermittelte drei entscheidende Erkenntnisse, die die Sozialpsychologie revolutionierten.

  • Erstens: Soziale Rollen prägen das Verhalten stärker als individuelle Persönlichkeitsmerkmale.

  • Zweitens: Vollkommen willkürliche Unterscheidungen werden, von Autorität legitimiert, zu wirksamen sozialen Trennlinien.

  • Drittens: Sowohl Privilegien als auch Diskriminierung haben unmittelbare, messbare psychologische Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und das emotionale Wohlbefinden.

Elliott filmte das gesamte Experiment und schuf damit Lehrmaterial, das auch Jahrzehnte später noch faszinierend ist. Der Dokumentarfilm zeigt den Zuschauern genau, wie Vorurteile entstehen und sich durch soziale Systeme verbreiten. Noch demonstriert dieses Video weltweit auch in Klassenzimmern Sozialpsychologie und Formbarkeit menschlichen Verhaltens zu unterrichten, vor allem der Diskriminierung.

Die psychologischen Mechanismen hinter der raschen Übernahme von Vorurteilen

Die Geschwindigkeit der Verhaltensänderung in Elliotts Klassenzimmer offenbarte grundlegende und einflussreiche Aspekte der menschlichen Psychologie. Die Schüler entwickelten diskriminierende Einstellungen nicht allmählich, sondern bereits wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Gruppeneinteilung.

Diese rasante Veränderung verdeutlicht das, was Psychologen als „Minimalgruppenparadigma“ bezeichnen die menschliche Tendenz, die eigene Gruppe zu bevorzugen, selbst wenn die Gruppenzugehörigkeit völlig zufällig ist. Unser Gehirn kategorisiert Menschen automatisch in „wir“ und „die anderen“, um soziale Informationen schneller zu verarbeiten. Diese Kategorisierung geschieht so schnell, dass wir sie in der Regel gar nicht bemerken.

Die Unterscheidung der Augenfarbe hat keinen logischen Zusammenhang mit Intelligenz, Charakter oder Fähigkeiten. Dennoch akzeptierten die Schüler sie sofort als sinnvoll, weil sie von einer Autoritätsperson als Tatsache dargestellt wurde. Das zeigt, wie soziales Lernen in der Praxis funktioniert: Kinder lernen nicht nur durch direkte Anweisungen, sondern auch dadurch, dass sie beobachten, welche Verhaltensweisen gesellschaftlich akzeptiert werden.

Elliotts Schüler übernahmen innerhalb weniger Stunden klassische Vorzugsbehandlung innerhalb ihrer Gruppe. Kinder mit blauen Augen saßen beim Mittagessen ganz selbstverständlich zusammen, teilten bevorzugt mit anderen blauäugigen Schülern und äußerten sich positiver über ihre Gruppenmitglieder, während sie die braunäugigen „Anderen” kritisierten. Diese Verhaltensweisen spiegeln reale Diskriminierungsmuster wider.

Das Experiment zeigte auch, wie Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) funktionieren. Sobald die Schüler die Hierarchie der Augenfarben akzeptiert hatten, interpretierten sie alle folgenden Ereignisse entsprechend. Wenn blauäugige Schüler gute Leistungen erbrachten, „bestätigte” das ihre Überlegenheit. Wenn braunäugige Schüler Schwierigkeiten hatten, „bewies” das ihre Unterlegenheit, obwohl die Leistungsunterschiede durch die diskriminierende Behandlung selbst verursacht wurden.

Das Verständnis dieser psychologischen Mechanismen hilft, aktuelle Phänomene zu erklären, die viele Menschen verwirren. Warum eskalieren Rivalitäten zwischen Sportmannschaften manchmal in Gewalt? Wie zerstören politische Spaltungen langjährige Freundschaften? Warum bilden sich am Arbeitsplatz so schnell Cliquen, die Neulinge so effektiv ausschließen? Elliotts Experiment liefert den psychologischen Rahmen zum Verständnis dieser sozialen Dynamiken.

Privilegien, Diskriminierung und schulische Leistungen

Eine der wissenschaftlich bedeutendsten Erkenntnisse von Elliott betraf den unmittelbaren Einfluss des sozialen Status auf die Lernfähigkeit. Dabei ging es nicht nur um Gefühle oder Einstellungen, sondern um messbare Veränderungen der schulischen Leistungen, die innerhalb weniger Stunden auftraten.

Blauäugige Schüler fühlten sich nicht nur wegen ihres privilegierten Status überlegen. Sie erzielten auch tatsächlich bessere Ergebnisse bei Aufgaben. Ihre Leistungskontrollen verbesserten sich deutlich. Ihre Mitarbeit am Unterricht stieg dramatisch. Ihre Fähigkeiten zur Problemlösung nahmen zu. Das verdeutlicht ein psychologisches Konzept, nach dem erhöhte Erwartungen bereits zu Leistungssteigerung führen (Pygmalion-Effekt).

Umgekehrt erlebten braunäugige Schüler das, was Psychologen heute als „Bedrohung durch Stereotype“ bezeichnen: Angst und mentale Belastung, wenn andere aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe schlechte Leistungen von einem erwarten. Als Elliott den braunäugigen Schülern sagte, sie seien minderwertig, begannen sie, sich so zu verhalten, dass sich diese Behauptung bestätigte, und schufen so eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Die ursprünglich privilegierten Schüler zeigten den eben genannten Pygmalion-Effekt (Rosenthal-Effekt): Wenn Lehrer von Schülern Erfolg erwarten, erzielen diese bessere Leistungen, obwohl sich diese Erwartungen auf vollkommen bedeutungslose Faktoren gründeten. Elliotts bevorzugte Behandlung stärkte Selbstvertrauen und Motivation bei Schülern und führte zu echter Leistungssteigerung.

So schafft Diskriminierung in Bildungseinrichtungen echte Leistungsunterschiede. Schüler aus marginalisierten Gruppen erzielen möglicherweise nicht aufgrund mangelnder Fähigkeiten schlechtere Leistungen, sondern aufgrund der psychischen Belastung im Ringen mit negativen Stereotypen. Gleichzeitig profitieren privilegierte Schüler von positiven Annahmen über ihre Fähigkeiten und entwickeln Leistungsvorsprünge, die die ursprüngliche Diskriminierung „rechtfertigen“.

Der Kreis verstärkt sich selbst: Diskriminierung führt zu Leistungsunterschieden, die die diskriminierenden Überzeugungen bestätigen und zu weiterer Diskriminierung einladen. Das Verständnis dieses Mechanismus ist nicht nur für Psychologiestudenten bedeutsam, die in Bildungs-, klinischen oder organisatorischen Bereichen arbeiten werden.

Selbstwert und Identität

Der vielleicht erschütterndste Aspekt von Elliotts Experiment war, wie schnell selbstbewusste, glückliche Kinder unsicher und zurückhaltend wurden. „Minderwertige“ Schüler, die den Morgen engagiert und gut gelaunt begonnen hatten, erlebten am Nachmittag Selbstzweifel und soziale Isolation nach wenigen Unterrichtsstunden.

Diese rasante Veränderung zeigte, wie zerbrechlich das Selbstwertgefühl bei Kindern ist, deren Identität sich noch entwickelt. Die Schüler der „Minderheit“ verinnerlichten Unterdrückung. Sie übernahmen negative Botschaften über ihre Gruppe und kritisierten manchmal sogar andere unterlegene Schüler, um sich von ihrer eigenen Unterlegenheit zu distanzieren.

Elliott dokumentierte spezifische Verhaltensindikatoren für ein beschädigtes Selbstwertgefühl, die mittlerweile jeder Psychologiestudent lernt. Dazu gehörten verminderter Augenkontakt mit Autoritätspersonen, Zurückhaltung bei der Teilnahme an Klassendiskussionen, beobachtbare Veränderungen der Körperhaltung: hängende Schultern und gesenkter Kopf, vermehrte Konflikte mit anderen Gruppenmitgliedern und Versuche, stigmatisierte Eigenschaften zu verbergen oder herunterzuspielen.

Die Geschwindigkeit und Schwere dieser psychologischen Veränderungen spiegeln wider, was Forscher auch in anderen Versuchen zu Diskriminierung in der realen Welt beobachten. Kinder aus marginalisierten Gemeinschaften zeigen ähnliche Muster aus vermindertem Selbstvertrauen in der Schule, sozialem Rückzug und verinnerlichten negativen Stereotypen über ihre Identitätsgruppen. So können reale soziale Probleme auch auf gesellschaftliche Diskriminierung, statt auf individuelle Pathologie zurückzuführen sein.

Das Experiment bedrohte die Identität mit Fragmentierung, wenn zentrale Aspekte der Identität mit negativen Stereotypen verbunden werden. Psychische Belastungen und sogar kognitive Störungen sind dann mögliche Folgen. Die unterlegenen Schüler konnten ihre Augenfarbe nicht einfach ignorieren, die Elliott ständig als Zeichen von Minderwertigkeit hervorhob.

Diese Lektion unterstreicht die entscheidende Bedeutung frühzeitiger Maßnahmen. Psychologische Schäden durch Diskriminierung treten sofort ein und verstärken sich mit der Zeit, wenn sie fortbesteht. Therapeuten, die mit Klienten aus marginalisierten Gemeinschaften arbeiten, müssen ebenso verstehen, aus gesellschaftlichen Vorurteilen internalisierte Scham und Selbstzweifel erwachsen.

Perspektivübernahme und Empathie

Der zweite Tag von Elliotts Experiment brachte den psychologisch bedeutendsten Moment. Als sie die Rollen vertauschte und die braunäugigen Schüler zu den Überlegenen machte, versuchten die ehemaligen Opfer nicht, sich an ihren früheren Unterdrückern zu rächen. Stattdessen zeigten sie bemerkenswerte Empathie und Zurückhaltung.

Diese Reaktion zeigte die psychologische Kraft der erfahrungsbasierten Perspektivenübernahme, also das tatsächliche Erleben der Erfahrungen einer anderen Person, anstatt sie sich nur vorzustellen. Die braunäugigen Schüler verstanden genau, wie sich Diskriminierung anfühlt, weil sie sie selbst erlebt hatten. Dieses Erfahrungswissen führte zu einem mitfühlenderen Verhalten, als sie Macht erlangten.

Die blauäugigen Schüler, die nun selbst Minderheitenstatus hatten, begriffen sofort, was sie ihren Klassenkameraden angetan hatten. Viele wurden emotional und drückten aufrichtiges Bedauern für ihr vorheriges Verhalten aus. Das war keine vorgetäuschte Reue, sondern echtes Verständnis, das aus der gemeinsamen Erfahrung der psychologischen Auswirkungen von Diskriminierung entstanden war.

Wir lernen aus diesem Rollentausch mehrere wichtige Konzepte. Kognitive Empathie entsteht wirksamer durch Erfahrungslernen als durch abstrakte Unterweisung. Machtverhältnisse verschieben sich unter veränderten Umständen rasch, weil Verhalten vom Kontext abhängt und nicht nur vom Charakter. Frühere Opfer werden nicht automatisch zu Unterdrückern, wenn sie Macht erhalten, sofern sie die Auswirkungen von Diskriminierung wirklich verstehen.

Diese Erkenntnis beeinflusste therapeutische Ansätze wie die narrative Therapie oder Schematherapie, bei der Patienten ihre Lebensgeschichten aus Perspektiven verschiedener Ich-Anteile betrachten. Sie illustriert die Funktion von Rollenspielen in Konfliktlösung, in Diversity-Trainings und in der Gruppentherapie. Der Rollentausch der Kinder bewies, dass Empathie keine angeborenes Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern eine erlernbare Fähigkeit, die sich durch Perspektivübernahme entwickeln lässt.

Die Umkehrung gibt auch Grund zur Hoffnung. Wenn Menschen wirklich verstehen, wie sich Diskriminierung anfühlt, neigen sie weniger dazu. Vorurteile sind nicht unvermeidlich oder dauerhaft, sondern werden durch begrenzte Blickwinkel und Erfahrung struktureller Gewalt aufrechterhalten.

Sozialer Kontext und individuelle Persönlichkeit

Ein weiterer psychologisch beunruhigender Aspekt von Elliotts Experiment war die Beobachtung, wie vollständig die Rahmenbedingungen das individuelle Verhalten veränderten. Kinder, die normalerweise freundlich waren, wurden grausam. Von Natur aus schüchterne Schüler wurden zu aggressiven Anführern. Die Umgebung im Klassenzimmer veränderte buchstäblich die Persönlichkeit.

Diese Veränderung verdeutlicht, was Sozialpsychologen als fundamentalen Attributionsfehler bezeichnen: unsere Tendenz, Verhalten eher durch Persönlichkeitsmerkmale als durch situative Faktoren zu erklären. Elliotts Experiment bewies dabei einen Einfluss des Kontexts, der stärker war als individuelle Charaktereigenschaften.

Die Kinder offenbarten im diskriminierenden Verhalten keine verborgenen Persönlichkeitsaspekte. Sie reagierten auf soziale Signale, die Diskriminierung nicht nur akzeptabel machten, sondern sogar belohnten. Elliotts Zustimmung und das Umfeld im Klassenzimmer gaben ihnen die ausdrückliche Erlaubnis, sich so zu verhalten, wie sie es von selbst niemals für angemessen gehalten hätten.

Diese Erkenntnis verbindet Elliotts Arbeit mit anderen berühmten psychologischen Versuchen wie dem Stanford-Gefängnis-Experiment und Milgrams Gehorsamsforschung. Alle zeigen, wie normale Menschen sich grausam verhalten, wenn es soziale Situationen fördern, zulassen oder gar fordern. Alle drei Versuche offenbaren sowohl die moralische Flexibilität des Menschen als auch die menschliche Anfälligkeit für soziale Einflüsse.

Gemäß der sozialen Lerntheorie ahmten Kinder diskriminierende Verhaltensweisen nach, die sie beobachtet und belohnt sahen. Konformitätsdruck beeinflusste die Schüler dazu, sich an neu entstehende Gruppennormen anzupassen, auch wenn sie sich dabei persönlich unwohl fühlten. Der Einfluss von Autorität zeigte sich darin, dass Elliotts Zustimmung das Verhalten der Schüler stärker prägte als deren individuelle moralische Einstellungen. Die Verantwortungsdiffusion, auch bekannt als Bystander-Effekt, erlaubte es Schülern, sich innerhalb einer Gruppe weniger persönlich für ihre Handlungen verantwortlich zu fühlen.

Das Verständnis erklärt, wie gute Menschen an schädlichen institutionellen Systemen mitwirken, ohne sich einer Mitschuld bewusst zu sein. Es legt allerdings auch nahe, dass sich durch veränderte gesellschaftliche Bedingungen positive Verhaltensweisen ebenso wirksam fördern lassen wie negative.

Heutige Bedeutung und Auswirkungen

Elliots Experiment beeinflusst auch mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner ersten Durchführung weiterhin die Sozialpsychologie, die klinische Praxis und soziale Interventionsprogramme. Die Erkenntnisse des Versuchs lassen sich direkt auf aktuelle Probleme übertragen, von Belästigung am Arbeitsplatz über Mobbing in sozialen Medien bis zur politischen Polarisierung.

Der Schwerpunkt des Experiments auf Erfahrungslernen statt abstrakter Unterweisung hat therapeutische Ansätze in verschiedenen Bereichen beeinflusst. Therapeuten nutzen Perspektivübungen, Rollentausch und Erfahrungstechniken, um Klienten dabei zu helfen, Empathie zu entwickeln und unterschiedliche Standpunkte zu verstehen.

Elliots Versuch hat gezeigt, dass intellektuelles Verständnis allein diskriminierende Einstellungen selten verändert, Erfahrungslernen aber zu dauerhaften Verhaltensänderungen führt.

Neoliberale Vorstellungen vom Menschen hingegen ignorieren Elliotts Erkenntnisse über schnelle Gruppenbildung und Privilegieneffekte vollständig.

Politische Manipulation und militaristische Propaganda nutzen, umgekehrt, soziale Spaltung, um Feindbilder zu zementieren und Empathiebildung durch korrigierende Erfahrungen zu verhindern.

Aus der Geschichte bekannt ist, dass es, durch die Nähe der Schützengräben an der Westfront, insbesondere zwischen deutschen und britischen Truppen, im Ersten Weltkrieg zu direktem Kontakt der Soldaten kam. Am Weihnachtsabend 1914 ließen dann an verschiedenen Abschnitten der Front, etwa bei Armentières, die Soldaten beider Seiten ihre Waffen ruhen und sangen gemeinsam Weihnachtslieder, tauschten Zigaretten, Schnaps und Lebensmittel, bestatteten gemeinsam die Toten und spielten sogar Fußball im Niemandsland. Es wird geschätzt, dass sich an den Verbrüderungen beim sogenannten „Weihnachtsfrieden“ bis zu 100 000 Soldaten beteiligten. 

Die Verbrüderungen wurden von der Militärführung auf beiden Seiten zunächst nicht bestraft. In den folgenden Jahren wurden jedoch strengste Strafen für Verbrüderungen eingeführt, sodass der Weihnachtsfrieden von 1914 ein einmaliges Ereignis blieb.

Auch solche historischen Ereignisse zeigen, wie Elliotts Arbeit, die soziale Relevanz der Psychologie. Sie haben nicht nur das schulische Verständnis vorangebracht, sondern auch praktische Wege für die Schaffung einer gerechteren und empathischeren Gesellschaft aufgezeigt. Der Versuch belegt außerdem, dass psychologische Forschung drängende soziale Probleme direkt angehen und gleichzeitig wissenschaftliche Erkenntnisse voranbringen muss, statt sich in wolkigem Gefasel der positiven Psychologie zu verstecken.

Fazit

Jane Elliotts Experiment „A Class Divided” ist nach wie vor eines der eindrucksvollsten Beispiele in der Psychologie dafür, wie Vorurteile entstehen, sich verbreiten und durch Verständnis überwunden werden können. In nur zwei Tagen deckte sie grundlegende Wahrheiten über die menschliche Natur auf, die bis heute die psychologische Forschung und Praxis prägen.

Die fünf Kernaussagen des Experiments

1.      sofortige Gruppenbildung führt zu unmittelbaren Vorurteilen,

2.      Privilegien beeinflussen die schulische Leistung,

3.      Diskriminierung wirkt sich unmittelbar auf das Selbstwertgefühl aus,

4.      Empathie entsteht durch Perspektivübernahme und

5.      der soziale Kontext überlagert die individuelle Persönlichkeit

vermitteln wichtige Erkenntnisse über soziales Verhalten und die menschliche Natur.

Diese Erkenntnisse sind keine historischen Kuriositäten, sondern praktische Werkzeuge zum Verständnis aktueller sozialer Probleme. Elliotts Erkenntnisse erklären historische und aktuelle Phänomene vom politischen Tribalismus über Online-Belästigung bis zu institutioneller Diskriminierung und struktureller Gewalt.

Der Versuch weckt auch echte Hoffnung auf sozialen Wandel. Wenn Vorurteile durch soziales Lernen und Umwelteinflüsse schnell entstehen können, können sie auch durch andere soziale Erfahrungen und die Möglichkeit, andere Perspektiven einzunehmen, wieder überwunden werden. Elliotts Schüler blieben nicht dauerhaft von ihren Diskriminierungserfahrungen geprägt. Ihr Verständnis machte ihr Verhalten empathischer und toleranter.

Elliott bewies, dass es in der Psychologie nicht nur darum geht, menschliches Verhalten zu verstehen, sondern es zum Besseren zu verändern.

Das kleine Klassenzimmer in Riceville, Iowa, mag von der heutigen Psychologie weit entfernt sein. Aber die dort gewonnenen Erkenntnisse prägen weiterhin unser Verständnis von Vorurteilen, Privilegien, Empathie und der Möglichkeit gerechterer Gemeinschaften. Elliotts Vermächtnis erinnert uns daran, dass gesellschaftliche Veränderungen mit einer einzigen Person beginnen, die bereit ist, Vorurteile infrage zu stellen und durch direkte Erfahrungen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Verwandte Artikel

Das „Universe 25”-Experiment und ein tragisches Ende im Mäuseparadies

Das „Universe 25”-Experiment

Directions & Opening Hours

Close-up portrait of Dr. Stemper
Close-up portrait of a dog

Psychologie Berlin

c./o. AVATARAS Institut

Kalckreuthstr. 16 – 10777 Berlin

virtual landline: +49 30 26323366

email: info@praxis-psychologie-berlin.de

Monday

11:00 AM to 7:00 PM

Tuesday

11:00 AM to 7:00 PM

Wednesday

11:00 AM to 7:00 PM

Thursday

11:00 AM to 7:00 PM

Friday

11:00 AM to 7:00 PM

a colorful map, drawing

Load Google Maps:

By clicking on this protection screen, you agree to the loading of the Google Maps. Data will be transmitted to Google and cookies will be set. Google may use this information to personalize content and ads.

For more information, please see our privacy policy and Google's privacy policy.

Click here to load the map and give your consent.

©2025 Dr. Dirk Stemper

Tuesday, 8/12/2025

Technical implementation

Dr. Stemper

a green flower
an orange flower
a blue flower

Directions & Opening Hours

Close-up portrait of Dr. Stemper
Close-up portrait of a dog

Psychologie Berlin

c./o. AVATARAS Institut

Kalckreuthstr. 16 – 10777 Berlin

virtual landline: +49 30 26323366

email: info@praxis-psychologie-berlin.de

Monday

11:00 AM to 7:00 PM

Tuesday

11:00 AM to 7:00 PM

Wednesday

11:00 AM to 7:00 PM

Thursday

11:00 AM to 7:00 PM

Friday

11:00 AM to 7:00 PM

a colorful map, drawing

Load Google Maps:

By clicking on this protection screen, you agree to the loading of the Google Maps. Data will be transmitted to Google and cookies will be set. Google may use this information to personalize content and ads.

For more information, please see our privacy policy and Google's privacy policy.

Click here to load the map and give your consent.

©2025 Dr. Dirk Stemper

Tuesday, 8/12/2025

Technical implementation

Dr. Stemper

a green flower
an orange flower
a blue flower