August Blues oder Summer Sadness zum Ende des Sommers und Seasonal Affective Disorder mit Depression sind nicht dasselbe.

August Blues oder Summer Sadness zum Ende des Sommers und Seasonal Affective Disorder mit Depression sind nicht dasselbe.

August Blues oder Summer Sadness

Veröffentlicht am:

01.09.2025

a picture of a lake, nature
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Summer Blues oder Depression? Beginnender Herbst, Lichtmangel, die Psyche und was gegen die gedrückte Stimmung am Sommerende hilft.

Summer Blues: Der Unterschied zwischen SAD (Seasonal Affective Disorder) und der Wehmut zum Ende des Sommers

Wechsel der Jahreszeit: Zwischen Dankbarkeit und Melancholie im nahenden Herbst

Wenn die Abende kürzer werden, die feuchte Luft am Morgen schon nach Herbst riecht und es um acht Uhr dämmerig wird, befällt viele Menschen ein eigentümliches Gefühl. Eine süße Schwermut, ein diffuses Traurigsein, als habe der Sommer leise die Koffer gepackt. Dafür gibt es inzwischen einen Namen: August-Blues oder End-of-Summer Sadness. Dieses Phänomen hat mit der klassischen Sommerdepression oder Seasonal Affective Disorder (SAD) nur am Rande zu tun. Es ist ein Signal des Übergangs – und es lohnt, es in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen.

Der Übergang vom strahlenden Sommer zum sanften Herbst bringt nicht nur kühlere Temperaturen mit sich, sondern kann auch unsere Stimmung beeinflussen. Viele Menschen verspüren ein Gefühl der Wehmut, wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt.

Worum es geht:

·         den Unterschied zwischen dieser Melancholie und einer echten Sommer-Depression

·         die psychologischen Aspekte der Sommer-Wehmut u

·         die Abgrenzung von der Sommer-Depression

·         ein besseres Verständnis für unsere saisonalen Gefühlsschwankungen

Die Psychologie der Sommer-Wehmut

Was ist der August-Blues?

Studien zeigen, dass saisonale Veränderungen einen direkten Effekt auf unsere Psyche haben.

Viele Menschen assoziieren den Sommer mit Auszeit, Urlaub und unbeschwerten Momenten. Das Sommerende kann eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen hervorrufen. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt, können sich sogar Gefühle von Unzufriedenheit und sogar Angst einstellen. Die Vorfreude auf den Herbst und die neue Jahreszeit kann zwar Trost spenden, aber oft überwiegt zunächst die Wehmut über das Vergangene. Insgesamt ruft das Sommerende eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen auf den Plan.

Der August-Blues, auch als End-of-Summer-Sadness bezeichnet, ist das Gefühl der Traurigkeit, das viele verspüren, wenn die Tage kürzer werden und der Sommer zu Ende geht. Es ist eine Art süße Melancholie, die durch das Wissen ausgelöst wird, dass die unbeschwerte Zeit des Sommers bald vorbei ist. Diese Gefühle von Traurigkeit sind in der Regel kurzlebig und entstehen durch den Verlust der sommerlichen Aktivitäten und der damit verbundenen Leichtigkeit.

Unterschied zwischen Wehmut und Depression

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen der jahreszeitlichen Wehmut und einer ausgewachsenen saisonalen Depression zu verstehen. Der August-Blues ist ein vorübergehendes und unterschwelliges, weit verbreitetes Gefühl der Traurigkeit zum Ende des Sommers. Eine Depression ist eine ernsthafte psychische Störung. Die Sommer-Depression, auch bekannt als „Summer Seasonal Affective Disorder“ (SAD), ist eine Form der saisonalen Depression, die im Sommer auftritt und sich von dem bekannteren Winter-Blues unterscheidet.

Was hinter dem August-Blues steckt: Neurobiologie des Übergangs

Einfluss kürzerer Tage auf die Stimmung

Der Einfluss kürzer werdender Tage auf unsere Stimmung ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung des Sommerende-Blues. Die Sonnenscheindauer nimmt ab. Dieser Lichtmangel beeinflusst die Produktion von Serotonin, Dopamin und Melatonin, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen. Die Umstellung auf die neue Jahreszeit erfordert eine Anpassung unseres Körpers an die veränderten Lichtverhältnisse, was nicht immer reibungslos verläuft.

Neurobiologie: Wenn die innere Uhr umstellt

Der wichtigste Taktgeber unseres Körpers sitzt tief im Gehirn: der suprachiasmatische Nukleus (SCN). Dieses winzige Zellcluster reagiert direkt auf das Tageslicht, das über die Augen auf die Netzhaut fällt. Sobald die Tage kürzer werden, stellt der SCN seinen Rhythmus um.

·         Serotonin sinkt: Weniger Sonnenlicht bedeutet weniger Aktivierung des Serotoninsystems. Stimmung und Antrieb geraten leichter ins Schwanken.

·         Dopamin verschiebt sich: Während Serotonin sinkt, steigt Dopamin typischerweise im Herbst an. Das erzeugt eine eigentümliche Spannung – weniger Gelassenheit, mehr innere Unruhe.

·         Melatonin steigt: Dunklere Abende regen die Melatoninproduktion an. Folge: mehr Müdigkeit und das Gefühl einer bleiernen Schwere.

Die Forschung zeigt, dass diese Veränderungen bereits mit den veränderten Lichtverhältnissen im August einsetzen, lange bevor der Winter beginnt. Das diffuse Traurigkeitsgefühl ist also keine Einbildung, sondern eine biologisch nachvollziehbare Reaktion.

Serotonin und seine Rolle im Sommer

Serotonin, ein Botenstoff (Neurotransmitter), der unsere Stimmung reguliert, ist hierbei besonders wichtig. Studien zeigen, dass die Serotonin-Produktion im Sommer tendenziell höher ist. Das steigert das Wohlbefinden. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt und die Tage kürzer werden, sinkt die Serotonin-Produktion. Dieser Abfall kann Gefühle von Traurigkeit, Unzufriedenheit oder sogar depressive Verstimmungen hervorrufen. Die Diskrepanz zwischen dem erhöhten Serotonin-Spiegel im Sommer und dem niedrigeren Spiegel im Herbst, kann den Herbstblues auslösen.

Neurobiologie der saisonalen affektiven Störung

Die Neurobiologie spielt auch eine Schlüsselrolle bei der saisonalen affektiven Störung (SAD), insbesondere bei der Summer Seasonal Affective Disorder. Norman Rosenthal leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Studien zeigen, dass Menschen mit SAD häufig eine gestörte Regulation von Serotonin und Melatonin aufweisen. Der Lichtmangel im Herbst und Winter kann bei betroffenen Personen zu einer verstärkten Ausschüttung von Melatonin und einer reduzierten Serotonin-Produktion führen, was depressive Symptome hervorrufen kann. Im Gegensatz dazu leiden Menschen mit Sommer-SAD unter depressiven Beschwerden während der sommerlichen Monate, möglicherweise aufgrund von Hitzeempfindlichkeit oder anderen Faktoren. Der Begriff „Winter Blues“ ist hier auch regelmäßig im Gebrauch. Die Psyche von betroffenen Menschen ist sehr stark betroffen.

Psychologische Mechanismen: Warum uns das Sommerende traurig macht

Auch psychologisch markiert das Sommerende eine klare Umstellung. Monate der Freiheit, der langen Abende im Freien, der sozialen Kontakte und Reisen enden. Der Kalender füllt sich wieder mit Terminen, Schule, Arbeit und Alltag haben uns wieder.

Die Psychologie spricht hier von situativer Trauer: Wir verlieren etwas – nicht nur Licht, sondern auch Leichtigkeit. Diese Form der Wehmut ähnelt den kleinen Abschieden des Lebens: Ende einer Reise, Abschluss eines Projekts, Heimkehr aus einer intensiven Zeit. Das Gefühl wirkt diffus, weil kein konkreter Verlust greifbar ist. Aber die Psyche registriert den Wandel deutlich.

Wichtig: August-Wehmut ist keine Depression

Hier liegt die entscheidende Unterscheidung.

·         Sommerdepression (SAD) ist eine klinische Diagnose. Betroffene leiden über Wochen hinweg unter deutlicher Antriebs- und Freudlosigkeit, Schlaf- und Appetitveränderungen, sozialem Rückzug und Funktionsverlust. Sie brauchen ärztliche und psychotherapeutische Unterstützung.

·         August-Wehmut dagegen ist eine Übergangsstimmung. Sie kann traurig machen, sie kann innere Leere hervorrufen, sie kann sogar Ängste antriggern – doch sie bleibt vorübergehend, reagiert auf bewusste Gestaltung und gehört zu den natürlichen Rhythmen menschlicher Erfahrung.

Die Wehmut am Ende des Sommers ist also nicht krankhaft, sondern ein kulturell tief verankerter Bestandteil unseres Lebensrhythmus.

Der Übergang vom Sommer zum Winter früher

Bis zur Neuzeit betraf in Europa der Übergang vom Sommer zum Herbst nicht nur die Natur, sondern auch den Alltag der Menschen. Das Ende des Sommers bedeutete das Ende der Erntezeit, in der die Früchte der Arbeit eingebracht wurden. Ohne elektrischen Strom war der Winter für die meisten Menschen lichtlos und kalt, mit kurzen Tagen, beengtem Leben in verrauchten Räumen und endlosen Nächten. (Schon im Mittelhochdeutschen hieß der Winter tatsächlich „wintar“. Darin steckt die Wurzel *wed- = „nass, feucht“ – Winter war also ursprünglich „die nasse Jahreszeit“.) Was dort außerdem mitschwingt, ist die Umdeutung der Betrübnis über die erinnerte Sommerseligkeit in eine über die unentrinnbare Vergänglichkeitserfahrung.

Die Erntezeit war darum eine Zeit der Vorbereitung auf diese Jahreszeit des Mangels und der Kälte. Feste und Rituale markierten diesen Übergang, oft verbunden mit Dankbarkeit für die Ernte und Bitten um Schutz vor den Gefahren des Winters. Diese Rituale spiegelten die enge Verbundenheit der Menschen mit den Rhythmen der Natur wider und halfen, die Gefühle von Traurigkeit und Unsicherheit zu bewältigen.

Diese Feste stärkten die Gemeinschaft, drückten Dankbarkeit für die Ernte aus und hießen die dunkle Jahreszeit willkommen. In vielen Religionen gibt es Erntedankfeste, bei denen die Früchte der Arbeit gefeiert werden. In Prozessionen wird um eine gute Ernte im nächsten Jahr gebeten. Ältere Bräuche beinhalten das Entzünden von Feuern, um die dunklen Mächte zu vertreiben. Alle Rituale des Übergangs aber helfen, die Gefühle von Traurigkeit und Abschied zu verarbeiten und Vorfreude auf die kommende Zeit zu wecken.

Sommer in der Literatur und Kunst

Der Sommer hat in der Literatur und Kunst seit jeher eine besondere Bedeutung, als Zeit der Leichtigkeit, der Fülle und der Lebensfreude. Doch auch die Melancholie des Sommerendes findet ihren Ausdruck in Gedichten, Gemälden und Geschichten. Künstlern und Schriftstellern haben die jahreszeitlichen Übergänge oft als Bild für menschliche Emotionen und Erfahrungen gedient. Der Sommer steht dann für reiche Fülle, nach der Jugend und Vitalität des Frühlings, während der Herbst für Reife, aber auch Vergänglichkeit steht. Diese Darstellungen prägen unsere Wahrnehmung des Sommers und seiner Neige.

Herbst

Es ist nun der Herbst gekommen,

Hat das schöne Sommerkleid

Von den Feldern weggenommen

Und die Blätter ausgestreut,

Vor dem bösen Winterwinde

Deckt er warm und sachte zu

Mit dem bunten Laub die Gründe,

Die schon müde gehn zur Ruh.

 

Durch die Felder sieht man fahren

Eine wunderschöne Frau,

Und von ihren langen Haaren

Goldne Fäden auf der Au

Spinnet sie und singt im Gehen:

Eia, meine Blümelein,

Nicht nach andern immer sehen,

Eia, schlafet, schlafet ein.

Und die Vöglein hoch in Lüften

Über blaue Berg und Seen

Ziehn zur Ferne nach den Klüften,

Wo die hohen Zedern stehn,

Wo mit ihren goldnen Schwingen

Auf des Benedeiten Gruft

Engel Hosianna singen

Nächtens durch die stille Luft.

Romantische Naturlyrik liebt die Spannung zwischen Schönheit und Verfall. Joseph von Eichendorffs „Herbst“ entfaltet ein stilles Ritual des Übergangs. Der Herbst nimmt das „Sommerkleid“ von den Feldern und deckt die Erde „warm und sachte“ mit buntem Laub zu. Vergänglichkeit erscheint nicht als Gewalt, sondern als fürsorgliche Geste.

Besonders eindrucksvoll ist das Bild der Frau, die durch die Felder fährt und goldene Fäden über die Wiesen spinnt. Gemeint ist der Altweibersommer – die feinen Spinnweben, die im Licht wie Fäden aus Gold glänzen. In Eichendorffs Deutung verwandeln sie die Landschaft in ein leuchtendes Gewebe, das gleichsam die Erinnerung an den Sommer konserviert und zugleich den Herbst schmückt. Psychologisch könnte man sagen: Die Natur selbst spinnt Übergangsfäden, die das Vergangene mit dem Kommenden verknüpfen.

Das Schlaflied an die Blumen – „Eia, meine Blümelein, schlafet ein“ – verleiht diesem Übergang eine mütterliche, fast kindliche Note. Der Sommer wird nicht abrupt beendet, sondern sanft in den Schlaf gesungen.

Und auch die Vögel, die in ferne Länder ziehen, stehen nicht für Verlust allein, sondern für Hoffnung: Sie weisen auf Jerusalem, wo „Engel Hosianna singen“.

Das Gedicht schließt den Zyklus von Natur, Erinnerung und Transzendenz. So zeigt Eichendorff, dass Wehmut mehr ist als Trauer: Sie ist ein Kontinuum von Vergänglichkeit und Fürsorge, von Verlust und Verwandlung. Die feinen Fäden des Altweibersommers sind dafür das perfekte Sinnbild – unscheinbar und doch von tiefem Trost.

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;

Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –

Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geistern umher;

Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!

Leben und Liebe – wie flog es vorbei!

Theodor Storm geht mit der Nachromantik einen Schritt weiter. Sein nüchterner Satz: „Herbst ist gekommen, Frühling ist weit – gab es denn einmal selige Zeit?“ – ist wie eine stille Provokation. Er verweigert die tröstliche Vorstellung, dass sich alles Verlorene einfach wiederholt. Stattdessen deutet er die Jahreszeiten als existenzielles Memento: Es gibt unwiederbringlich Vergänglichkeit und Verluste. Diese Haltung klingt fast modern, weil sie der Idee zyklischer Wiederkehr eine Grenze setzt. Während die Natur sich tatsächlich erneuert, erlebt das Subjekt den Verlust als endgültig. Damit benennt Storm eine Wahrheit, die auch in der heutigen Psychologie vertraut ist: Nicht alle Erfahrungen können wiederholt werden, und gerade ihre Einmaligkeit gibt ihnen Gewicht.

Das Volkslied wiederum wählt eine andere Sprache. „Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da“, tönt fröhlich, fast trotzig, als wolle es die Schwere des Abschieds gar nicht anerkennen: Alles folgt einem Zyklus. Nur die Ausdrucksform wechselt – statt elegischer Schwermut setzt das Volkslied auf gemeinsame Heiterkeit. Es kanalisiert die Wehmut, indem es sie in ein gemeinsames Ritual verwandelt. Die psychologische Funktion ist klar: Was individuell schwerfällt, wird leichter, sobald es geteilt und rhythmisch gesungen wird. Die Melancholie löst sich im Gemeinschaftserlebnis auf.

Vielleicht liegt genau darin die Pointe: Zwischen Eichendorffs sehnsüchtiger Rückwendung, Storms nüchternem Zweifel und der volksliedhaften Heiterkeit spannt sich ein kultureller Bogen, der bis heute tragfähig ist. Er zeigt, wie Gesellschaften gelernt haben, den Wechsel der Jahreszeiten nicht nur zu ertragen, sondern zu deuten – als Spiegel der eigenen Vergänglichkeit, als Erinnerung an unwiederbringliche Momente und als gemeinschaftsstiftendes Ritual. Wehmut wird so zur Schule des Lebens: Sie lehrt, dass Schönheit immer an Endlichkeit gebunden ist, und es ist gerade dieser Doppelklang, der den Sommer im Gedächtnis unsterblich macht.

Gesellschaftliche Wahrnehmung von Traurigkeit im Sommer

Darum ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wehmut am Ende des Sommers so zwiegespalten. Einerseits wird der Sommer als Zeit des Glücks und der Unbeschwertheit idealisiert. Dazu passen Gefühle von Traurigkeit nicht. Andererseits gibt es auch ein Verständnis für die Melancholie, die mit dem Ende des Sommers einhergeht.

Menschen, die unter dem Summer Blues oder einer Sommer-Depression leiden, fühlen sich darum möglicherweise unverstanden oder isoliert, wenn ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. Es ist wichtig, ein offenes und akzeptierendes Umfeld zu schaffen, in dem betroffene Menschen ihre Gefühle von Traurigkeit ohne Scham oder Schuldgefühle äußern können.

August-Blues: wie er sich anfühlt

Die Reaktionen auf den Übergang vom Sommer zum Herbst sind also, wenig überraschend, sehr individuell. Während einige den Herbst mit offenen Armen empfangen und sich auf gemütliche Abende und die Farbenpracht der Natur freuen, erleben andere eine deutliche Verschlechterung ihrer Stimmung.

Viele Menschen beschreiben den August-Blues als ein Gefühl der Traurigkeit, das sich mit dem Ende des Sommers einschleicht. Sie fühlen sich müde, antriebslos und weniger motiviert, ihren üblichen Aktivitäten nachzugehen. Manche berichten von Schlafstörungen oder einem erhöhten Bedürfnis nach Rückzug. Die Psyche leidet unter dem bevorstehenden Jahreszeitenwechsel.

Manche entwickeln Symptome einer saisonalen affektiven Störung (SAD), während die meisten lediglich eine leichte Melancholie verspüren. Nicht jeder Mensch, der im aufkommenden Herbst traurig ist, leidet an einer Depression. Die Studien zeigen, dass es ein breites Spektrum an Reaktionen auf den Jahreszeitenwechsel gibt.

Empfehlungen für den Umgang mit Summer Blues

Praktische Tipps zur Bewältigung von Wehmut

Es gibt verschiedene praktische Tipps, die Ihnen helfen können, die Melancholie des Sommerendes zu bewältigen. Ganz allgemein gilt:

·         Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf, um Ihr Wohlbefinden zu steigern.

·         Meditation und Entspannungsübungen können helfen, Stress abzubauen und Ihre Stimmung zu verbessern.

Nutzen Sie die verbleibenden sonnigen Tage, um Vitamin D zu tanken, da Vitamin-D-Mangel depressive Symptome hervorrufen kann. Auch wenn die Vorfreude auf den Herbst schwerfällt, kann man sich auf die positiven Aspekte der neuen Jahreszeit fokussieren.

Fünf Strategien gegen den Blues: Licht, Struktur, Bewegung

Die Forschung zeigt klar: Unterdrücken verstärkt Stress, während bewusstes Gestalten den Übergang erleichtert. Wer die Wehmut akzeptiert und zugleich kleine Hebel im Alltag nutzt, verwandelt sie in eine Kraftquelle.

1. Licht tanken – vor allem am Morgen

Schon 20–30 Minuten helles Tageslicht nach dem Aufstehen stabilisieren den biologischen Tagesrhythmus. Wer frühmorgens spazierengeht oder eine Lichtbox nutzt, gibt dem Serotoninsystem den nötigen Anschub – sichtbare, aber auch innere Helligkeit, sozusagen.

2. Strukturen bewusst einführen

Der August markiert eine Rückkehr zu Routinen. Wer rechtzeitig Tagespläne etabliert – feste Schlafenszeiten, klare Arbeitsblöcke, kleine Pausenrituale – reduziert den Schock des Übergangs. Psychologisch stärkt Struktur das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

3. Bewegung als Anker

Die niedrigeren, aber noch angenehmen Temperaturen laden ein zu Bewegung – Laufen, Radfahren, Tanzen. Bewegung wirkt antidepressiv und verlängert die sommerliche Energie. Noch wirkungsvoller wird sie in der Natur: ein Spaziergang im Park, eine Radtour durch die Felder.

4. Soziale Inseln bauen

Wehmut verstärkt den Rückzug. Bewusst geplante soziale Begegnungen – ein Abendessen mit Freunden, ein Konzert, ein gemeinsamer Spaziergang – schaffen ein Gegengewicht. Das Volkslied zeigt, wie früher gemeinsames Singen Wehmut in Freude verwandelt hat.

5. Achtsamkeit und Reframing

Kurze Übungen reichen: ein „Mindful Walk“ nach dem Mittag, eine kleine Atemsequenz oder ein Reframing-Satz wie „Übergang = Chance“. So wird die Traurigkeit nicht verdrängt, sondern gerahmt – als Erfahrung, die Tiefe schenkt.

Mehr zum Thema: langfristige Strategien zur Hebung der Stimmung

Neben kurzfristigen Maßnahmen gibt es auch langfristige Strategien, Ihre Stimmung nachhaltig zu verbessern. Sie knüpfen an die fünf Strategien an:

·         Entwicklung einer gesunden Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend Schlaf.

·         Soziale Kontakte und sinnvolle Aktivitäten.

Hinweis: Sollten Sie allerdings depressive Symptome feststellen, wenden Sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten.

Fazit: August-Wehmut ernst nehmen, aber nicht pathologisieren

Das diffuse Traurigkeitsgefühl Ende August ist ein neurobiologisch messbares, geschichtlich und psychologisch verständliches Phänomen – aber keine Depression. Es handelt sich um eine Übergangserfahrung, die seit Jahrhunderten kulturell reflektiert und künstlerisch gestaltet wird.

Sommerdepression und August-Wehmut sind nicht dasselbe. Die erste gehört in die Hände von Fachleuten. Die zweite ist Teil des menschlichen Jahreskreises – eine süße Melancholie, die uns daran erinnert, dass jedes Ende auch einen neuen Anfang vorbereitet.


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Summer Blues oder Depression? Beginnender Herbst, Lichtmangel, die Psyche und was gegen die gedrückte Stimmung am Sommerende hilft.

Summer Blues: Der Unterschied zwischen SAD (Seasonal Affective Disorder) und der Wehmut zum Ende des Sommers

Wechsel der Jahreszeit: Zwischen Dankbarkeit und Melancholie im nahenden Herbst

Wenn die Abende kürzer werden, die feuchte Luft am Morgen schon nach Herbst riecht und es um acht Uhr dämmerig wird, befällt viele Menschen ein eigentümliches Gefühl. Eine süße Schwermut, ein diffuses Traurigsein, als habe der Sommer leise die Koffer gepackt. Dafür gibt es inzwischen einen Namen: August-Blues oder End-of-Summer Sadness. Dieses Phänomen hat mit der klassischen Sommerdepression oder Seasonal Affective Disorder (SAD) nur am Rande zu tun. Es ist ein Signal des Übergangs – und es lohnt, es in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen.

Der Übergang vom strahlenden Sommer zum sanften Herbst bringt nicht nur kühlere Temperaturen mit sich, sondern kann auch unsere Stimmung beeinflussen. Viele Menschen verspüren ein Gefühl der Wehmut, wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt.

Worum es geht:

·         den Unterschied zwischen dieser Melancholie und einer echten Sommer-Depression

·         die psychologischen Aspekte der Sommer-Wehmut u

·         die Abgrenzung von der Sommer-Depression

·         ein besseres Verständnis für unsere saisonalen Gefühlsschwankungen

Die Psychologie der Sommer-Wehmut

Was ist der August-Blues?

Studien zeigen, dass saisonale Veränderungen einen direkten Effekt auf unsere Psyche haben.

Viele Menschen assoziieren den Sommer mit Auszeit, Urlaub und unbeschwerten Momenten. Das Sommerende kann eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen hervorrufen. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt, können sich sogar Gefühle von Unzufriedenheit und sogar Angst einstellen. Die Vorfreude auf den Herbst und die neue Jahreszeit kann zwar Trost spenden, aber oft überwiegt zunächst die Wehmut über das Vergangene. Insgesamt ruft das Sommerende eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen auf den Plan.

Der August-Blues, auch als End-of-Summer-Sadness bezeichnet, ist das Gefühl der Traurigkeit, das viele verspüren, wenn die Tage kürzer werden und der Sommer zu Ende geht. Es ist eine Art süße Melancholie, die durch das Wissen ausgelöst wird, dass die unbeschwerte Zeit des Sommers bald vorbei ist. Diese Gefühle von Traurigkeit sind in der Regel kurzlebig und entstehen durch den Verlust der sommerlichen Aktivitäten und der damit verbundenen Leichtigkeit.

Unterschied zwischen Wehmut und Depression

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen der jahreszeitlichen Wehmut und einer ausgewachsenen saisonalen Depression zu verstehen. Der August-Blues ist ein vorübergehendes und unterschwelliges, weit verbreitetes Gefühl der Traurigkeit zum Ende des Sommers. Eine Depression ist eine ernsthafte psychische Störung. Die Sommer-Depression, auch bekannt als „Summer Seasonal Affective Disorder“ (SAD), ist eine Form der saisonalen Depression, die im Sommer auftritt und sich von dem bekannteren Winter-Blues unterscheidet.

Was hinter dem August-Blues steckt: Neurobiologie des Übergangs

Einfluss kürzerer Tage auf die Stimmung

Der Einfluss kürzer werdender Tage auf unsere Stimmung ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung des Sommerende-Blues. Die Sonnenscheindauer nimmt ab. Dieser Lichtmangel beeinflusst die Produktion von Serotonin, Dopamin und Melatonin, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen. Die Umstellung auf die neue Jahreszeit erfordert eine Anpassung unseres Körpers an die veränderten Lichtverhältnisse, was nicht immer reibungslos verläuft.

Neurobiologie: Wenn die innere Uhr umstellt

Der wichtigste Taktgeber unseres Körpers sitzt tief im Gehirn: der suprachiasmatische Nukleus (SCN). Dieses winzige Zellcluster reagiert direkt auf das Tageslicht, das über die Augen auf die Netzhaut fällt. Sobald die Tage kürzer werden, stellt der SCN seinen Rhythmus um.

·         Serotonin sinkt: Weniger Sonnenlicht bedeutet weniger Aktivierung des Serotoninsystems. Stimmung und Antrieb geraten leichter ins Schwanken.

·         Dopamin verschiebt sich: Während Serotonin sinkt, steigt Dopamin typischerweise im Herbst an. Das erzeugt eine eigentümliche Spannung – weniger Gelassenheit, mehr innere Unruhe.

·         Melatonin steigt: Dunklere Abende regen die Melatoninproduktion an. Folge: mehr Müdigkeit und das Gefühl einer bleiernen Schwere.

Die Forschung zeigt, dass diese Veränderungen bereits mit den veränderten Lichtverhältnissen im August einsetzen, lange bevor der Winter beginnt. Das diffuse Traurigkeitsgefühl ist also keine Einbildung, sondern eine biologisch nachvollziehbare Reaktion.

Serotonin und seine Rolle im Sommer

Serotonin, ein Botenstoff (Neurotransmitter), der unsere Stimmung reguliert, ist hierbei besonders wichtig. Studien zeigen, dass die Serotonin-Produktion im Sommer tendenziell höher ist. Das steigert das Wohlbefinden. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt und die Tage kürzer werden, sinkt die Serotonin-Produktion. Dieser Abfall kann Gefühle von Traurigkeit, Unzufriedenheit oder sogar depressive Verstimmungen hervorrufen. Die Diskrepanz zwischen dem erhöhten Serotonin-Spiegel im Sommer und dem niedrigeren Spiegel im Herbst, kann den Herbstblues auslösen.

Neurobiologie der saisonalen affektiven Störung

Die Neurobiologie spielt auch eine Schlüsselrolle bei der saisonalen affektiven Störung (SAD), insbesondere bei der Summer Seasonal Affective Disorder. Norman Rosenthal leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Studien zeigen, dass Menschen mit SAD häufig eine gestörte Regulation von Serotonin und Melatonin aufweisen. Der Lichtmangel im Herbst und Winter kann bei betroffenen Personen zu einer verstärkten Ausschüttung von Melatonin und einer reduzierten Serotonin-Produktion führen, was depressive Symptome hervorrufen kann. Im Gegensatz dazu leiden Menschen mit Sommer-SAD unter depressiven Beschwerden während der sommerlichen Monate, möglicherweise aufgrund von Hitzeempfindlichkeit oder anderen Faktoren. Der Begriff „Winter Blues“ ist hier auch regelmäßig im Gebrauch. Die Psyche von betroffenen Menschen ist sehr stark betroffen.

Psychologische Mechanismen: Warum uns das Sommerende traurig macht

Auch psychologisch markiert das Sommerende eine klare Umstellung. Monate der Freiheit, der langen Abende im Freien, der sozialen Kontakte und Reisen enden. Der Kalender füllt sich wieder mit Terminen, Schule, Arbeit und Alltag haben uns wieder.

Die Psychologie spricht hier von situativer Trauer: Wir verlieren etwas – nicht nur Licht, sondern auch Leichtigkeit. Diese Form der Wehmut ähnelt den kleinen Abschieden des Lebens: Ende einer Reise, Abschluss eines Projekts, Heimkehr aus einer intensiven Zeit. Das Gefühl wirkt diffus, weil kein konkreter Verlust greifbar ist. Aber die Psyche registriert den Wandel deutlich.

Wichtig: August-Wehmut ist keine Depression

Hier liegt die entscheidende Unterscheidung.

·         Sommerdepression (SAD) ist eine klinische Diagnose. Betroffene leiden über Wochen hinweg unter deutlicher Antriebs- und Freudlosigkeit, Schlaf- und Appetitveränderungen, sozialem Rückzug und Funktionsverlust. Sie brauchen ärztliche und psychotherapeutische Unterstützung.

·         August-Wehmut dagegen ist eine Übergangsstimmung. Sie kann traurig machen, sie kann innere Leere hervorrufen, sie kann sogar Ängste antriggern – doch sie bleibt vorübergehend, reagiert auf bewusste Gestaltung und gehört zu den natürlichen Rhythmen menschlicher Erfahrung.

Die Wehmut am Ende des Sommers ist also nicht krankhaft, sondern ein kulturell tief verankerter Bestandteil unseres Lebensrhythmus.

Der Übergang vom Sommer zum Winter früher

Bis zur Neuzeit betraf in Europa der Übergang vom Sommer zum Herbst nicht nur die Natur, sondern auch den Alltag der Menschen. Das Ende des Sommers bedeutete das Ende der Erntezeit, in der die Früchte der Arbeit eingebracht wurden. Ohne elektrischen Strom war der Winter für die meisten Menschen lichtlos und kalt, mit kurzen Tagen, beengtem Leben in verrauchten Räumen und endlosen Nächten. (Schon im Mittelhochdeutschen hieß der Winter tatsächlich „wintar“. Darin steckt die Wurzel *wed- = „nass, feucht“ – Winter war also ursprünglich „die nasse Jahreszeit“.) Was dort außerdem mitschwingt, ist die Umdeutung der Betrübnis über die erinnerte Sommerseligkeit in eine über die unentrinnbare Vergänglichkeitserfahrung.

Die Erntezeit war darum eine Zeit der Vorbereitung auf diese Jahreszeit des Mangels und der Kälte. Feste und Rituale markierten diesen Übergang, oft verbunden mit Dankbarkeit für die Ernte und Bitten um Schutz vor den Gefahren des Winters. Diese Rituale spiegelten die enge Verbundenheit der Menschen mit den Rhythmen der Natur wider und halfen, die Gefühle von Traurigkeit und Unsicherheit zu bewältigen.

Diese Feste stärkten die Gemeinschaft, drückten Dankbarkeit für die Ernte aus und hießen die dunkle Jahreszeit willkommen. In vielen Religionen gibt es Erntedankfeste, bei denen die Früchte der Arbeit gefeiert werden. In Prozessionen wird um eine gute Ernte im nächsten Jahr gebeten. Ältere Bräuche beinhalten das Entzünden von Feuern, um die dunklen Mächte zu vertreiben. Alle Rituale des Übergangs aber helfen, die Gefühle von Traurigkeit und Abschied zu verarbeiten und Vorfreude auf die kommende Zeit zu wecken.

Sommer in der Literatur und Kunst

Der Sommer hat in der Literatur und Kunst seit jeher eine besondere Bedeutung, als Zeit der Leichtigkeit, der Fülle und der Lebensfreude. Doch auch die Melancholie des Sommerendes findet ihren Ausdruck in Gedichten, Gemälden und Geschichten. Künstlern und Schriftstellern haben die jahreszeitlichen Übergänge oft als Bild für menschliche Emotionen und Erfahrungen gedient. Der Sommer steht dann für reiche Fülle, nach der Jugend und Vitalität des Frühlings, während der Herbst für Reife, aber auch Vergänglichkeit steht. Diese Darstellungen prägen unsere Wahrnehmung des Sommers und seiner Neige.

Herbst

Es ist nun der Herbst gekommen,

Hat das schöne Sommerkleid

Von den Feldern weggenommen

Und die Blätter ausgestreut,

Vor dem bösen Winterwinde

Deckt er warm und sachte zu

Mit dem bunten Laub die Gründe,

Die schon müde gehn zur Ruh.

 

Durch die Felder sieht man fahren

Eine wunderschöne Frau,

Und von ihren langen Haaren

Goldne Fäden auf der Au

Spinnet sie und singt im Gehen:

Eia, meine Blümelein,

Nicht nach andern immer sehen,

Eia, schlafet, schlafet ein.

Und die Vöglein hoch in Lüften

Über blaue Berg und Seen

Ziehn zur Ferne nach den Klüften,

Wo die hohen Zedern stehn,

Wo mit ihren goldnen Schwingen

Auf des Benedeiten Gruft

Engel Hosianna singen

Nächtens durch die stille Luft.

Romantische Naturlyrik liebt die Spannung zwischen Schönheit und Verfall. Joseph von Eichendorffs „Herbst“ entfaltet ein stilles Ritual des Übergangs. Der Herbst nimmt das „Sommerkleid“ von den Feldern und deckt die Erde „warm und sachte“ mit buntem Laub zu. Vergänglichkeit erscheint nicht als Gewalt, sondern als fürsorgliche Geste.

Besonders eindrucksvoll ist das Bild der Frau, die durch die Felder fährt und goldene Fäden über die Wiesen spinnt. Gemeint ist der Altweibersommer – die feinen Spinnweben, die im Licht wie Fäden aus Gold glänzen. In Eichendorffs Deutung verwandeln sie die Landschaft in ein leuchtendes Gewebe, das gleichsam die Erinnerung an den Sommer konserviert und zugleich den Herbst schmückt. Psychologisch könnte man sagen: Die Natur selbst spinnt Übergangsfäden, die das Vergangene mit dem Kommenden verknüpfen.

Das Schlaflied an die Blumen – „Eia, meine Blümelein, schlafet ein“ – verleiht diesem Übergang eine mütterliche, fast kindliche Note. Der Sommer wird nicht abrupt beendet, sondern sanft in den Schlaf gesungen.

Und auch die Vögel, die in ferne Länder ziehen, stehen nicht für Verlust allein, sondern für Hoffnung: Sie weisen auf Jerusalem, wo „Engel Hosianna singen“.

Das Gedicht schließt den Zyklus von Natur, Erinnerung und Transzendenz. So zeigt Eichendorff, dass Wehmut mehr ist als Trauer: Sie ist ein Kontinuum von Vergänglichkeit und Fürsorge, von Verlust und Verwandlung. Die feinen Fäden des Altweibersommers sind dafür das perfekte Sinnbild – unscheinbar und doch von tiefem Trost.

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;

Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –

Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geistern umher;

Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!

Leben und Liebe – wie flog es vorbei!

Theodor Storm geht mit der Nachromantik einen Schritt weiter. Sein nüchterner Satz: „Herbst ist gekommen, Frühling ist weit – gab es denn einmal selige Zeit?“ – ist wie eine stille Provokation. Er verweigert die tröstliche Vorstellung, dass sich alles Verlorene einfach wiederholt. Stattdessen deutet er die Jahreszeiten als existenzielles Memento: Es gibt unwiederbringlich Vergänglichkeit und Verluste. Diese Haltung klingt fast modern, weil sie der Idee zyklischer Wiederkehr eine Grenze setzt. Während die Natur sich tatsächlich erneuert, erlebt das Subjekt den Verlust als endgültig. Damit benennt Storm eine Wahrheit, die auch in der heutigen Psychologie vertraut ist: Nicht alle Erfahrungen können wiederholt werden, und gerade ihre Einmaligkeit gibt ihnen Gewicht.

Das Volkslied wiederum wählt eine andere Sprache. „Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da“, tönt fröhlich, fast trotzig, als wolle es die Schwere des Abschieds gar nicht anerkennen: Alles folgt einem Zyklus. Nur die Ausdrucksform wechselt – statt elegischer Schwermut setzt das Volkslied auf gemeinsame Heiterkeit. Es kanalisiert die Wehmut, indem es sie in ein gemeinsames Ritual verwandelt. Die psychologische Funktion ist klar: Was individuell schwerfällt, wird leichter, sobald es geteilt und rhythmisch gesungen wird. Die Melancholie löst sich im Gemeinschaftserlebnis auf.

Vielleicht liegt genau darin die Pointe: Zwischen Eichendorffs sehnsüchtiger Rückwendung, Storms nüchternem Zweifel und der volksliedhaften Heiterkeit spannt sich ein kultureller Bogen, der bis heute tragfähig ist. Er zeigt, wie Gesellschaften gelernt haben, den Wechsel der Jahreszeiten nicht nur zu ertragen, sondern zu deuten – als Spiegel der eigenen Vergänglichkeit, als Erinnerung an unwiederbringliche Momente und als gemeinschaftsstiftendes Ritual. Wehmut wird so zur Schule des Lebens: Sie lehrt, dass Schönheit immer an Endlichkeit gebunden ist, und es ist gerade dieser Doppelklang, der den Sommer im Gedächtnis unsterblich macht.

Gesellschaftliche Wahrnehmung von Traurigkeit im Sommer

Darum ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wehmut am Ende des Sommers so zwiegespalten. Einerseits wird der Sommer als Zeit des Glücks und der Unbeschwertheit idealisiert. Dazu passen Gefühle von Traurigkeit nicht. Andererseits gibt es auch ein Verständnis für die Melancholie, die mit dem Ende des Sommers einhergeht.

Menschen, die unter dem Summer Blues oder einer Sommer-Depression leiden, fühlen sich darum möglicherweise unverstanden oder isoliert, wenn ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. Es ist wichtig, ein offenes und akzeptierendes Umfeld zu schaffen, in dem betroffene Menschen ihre Gefühle von Traurigkeit ohne Scham oder Schuldgefühle äußern können.

August-Blues: wie er sich anfühlt

Die Reaktionen auf den Übergang vom Sommer zum Herbst sind also, wenig überraschend, sehr individuell. Während einige den Herbst mit offenen Armen empfangen und sich auf gemütliche Abende und die Farbenpracht der Natur freuen, erleben andere eine deutliche Verschlechterung ihrer Stimmung.

Viele Menschen beschreiben den August-Blues als ein Gefühl der Traurigkeit, das sich mit dem Ende des Sommers einschleicht. Sie fühlen sich müde, antriebslos und weniger motiviert, ihren üblichen Aktivitäten nachzugehen. Manche berichten von Schlafstörungen oder einem erhöhten Bedürfnis nach Rückzug. Die Psyche leidet unter dem bevorstehenden Jahreszeitenwechsel.

Manche entwickeln Symptome einer saisonalen affektiven Störung (SAD), während die meisten lediglich eine leichte Melancholie verspüren. Nicht jeder Mensch, der im aufkommenden Herbst traurig ist, leidet an einer Depression. Die Studien zeigen, dass es ein breites Spektrum an Reaktionen auf den Jahreszeitenwechsel gibt.

Empfehlungen für den Umgang mit Summer Blues

Praktische Tipps zur Bewältigung von Wehmut

Es gibt verschiedene praktische Tipps, die Ihnen helfen können, die Melancholie des Sommerendes zu bewältigen. Ganz allgemein gilt:

·         Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf, um Ihr Wohlbefinden zu steigern.

·         Meditation und Entspannungsübungen können helfen, Stress abzubauen und Ihre Stimmung zu verbessern.

Nutzen Sie die verbleibenden sonnigen Tage, um Vitamin D zu tanken, da Vitamin-D-Mangel depressive Symptome hervorrufen kann. Auch wenn die Vorfreude auf den Herbst schwerfällt, kann man sich auf die positiven Aspekte der neuen Jahreszeit fokussieren.

Fünf Strategien gegen den Blues: Licht, Struktur, Bewegung

Die Forschung zeigt klar: Unterdrücken verstärkt Stress, während bewusstes Gestalten den Übergang erleichtert. Wer die Wehmut akzeptiert und zugleich kleine Hebel im Alltag nutzt, verwandelt sie in eine Kraftquelle.

1. Licht tanken – vor allem am Morgen

Schon 20–30 Minuten helles Tageslicht nach dem Aufstehen stabilisieren den biologischen Tagesrhythmus. Wer frühmorgens spazierengeht oder eine Lichtbox nutzt, gibt dem Serotoninsystem den nötigen Anschub – sichtbare, aber auch innere Helligkeit, sozusagen.

2. Strukturen bewusst einführen

Der August markiert eine Rückkehr zu Routinen. Wer rechtzeitig Tagespläne etabliert – feste Schlafenszeiten, klare Arbeitsblöcke, kleine Pausenrituale – reduziert den Schock des Übergangs. Psychologisch stärkt Struktur das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

3. Bewegung als Anker

Die niedrigeren, aber noch angenehmen Temperaturen laden ein zu Bewegung – Laufen, Radfahren, Tanzen. Bewegung wirkt antidepressiv und verlängert die sommerliche Energie. Noch wirkungsvoller wird sie in der Natur: ein Spaziergang im Park, eine Radtour durch die Felder.

4. Soziale Inseln bauen

Wehmut verstärkt den Rückzug. Bewusst geplante soziale Begegnungen – ein Abendessen mit Freunden, ein Konzert, ein gemeinsamer Spaziergang – schaffen ein Gegengewicht. Das Volkslied zeigt, wie früher gemeinsames Singen Wehmut in Freude verwandelt hat.

5. Achtsamkeit und Reframing

Kurze Übungen reichen: ein „Mindful Walk“ nach dem Mittag, eine kleine Atemsequenz oder ein Reframing-Satz wie „Übergang = Chance“. So wird die Traurigkeit nicht verdrängt, sondern gerahmt – als Erfahrung, die Tiefe schenkt.

Mehr zum Thema: langfristige Strategien zur Hebung der Stimmung

Neben kurzfristigen Maßnahmen gibt es auch langfristige Strategien, Ihre Stimmung nachhaltig zu verbessern. Sie knüpfen an die fünf Strategien an:

·         Entwicklung einer gesunden Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und ausreichend Schlaf.

·         Soziale Kontakte und sinnvolle Aktivitäten.

Hinweis: Sollten Sie allerdings depressive Symptome feststellen, wenden Sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten.

Fazit: August-Wehmut ernst nehmen, aber nicht pathologisieren

Das diffuse Traurigkeitsgefühl Ende August ist ein neurobiologisch messbares, geschichtlich und psychologisch verständliches Phänomen – aber keine Depression. Es handelt sich um eine Übergangserfahrung, die seit Jahrhunderten kulturell reflektiert und künstlerisch gestaltet wird.

Sommerdepression und August-Wehmut sind nicht dasselbe. Die erste gehört in die Hände von Fachleuten. Die zweite ist Teil des menschlichen Jahreskreises – eine süße Melancholie, die uns daran erinnert, dass jedes Ende auch einen neuen Anfang vorbereitet.


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Summer Blues oder Depression? Beginnender Herbst, Lichtmangel, die Psyche und was gegen die gedrückte Stimmung am Sommerende hilft.

Summer Blues: Der Unterschied zwischen SAD (Seasonal Affective Disorder) und der Wehmut zum Ende des Sommers

Wechsel der Jahreszeit: Zwischen Dankbarkeit und Melancholie im nahenden Herbst

Wenn die Abende kürzer werden, die feuchte Luft am Morgen schon nach Herbst riecht und es um acht Uhr dämmerig wird, befällt viele Menschen ein eigentümliches Gefühl. Eine süße Schwermut, ein diffuses Traurigsein, als habe der Sommer leise die Koffer gepackt. Dafür gibt es inzwischen einen Namen: August-Blues oder End-of-Summer Sadness. Dieses Phänomen hat mit der klassischen Sommerdepression oder Seasonal Affective Disorder (SAD) nur am Rande zu tun. Es ist ein Signal des Übergangs – und es lohnt, es in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen.

Der Übergang vom strahlenden Sommer zum sanften Herbst bringt nicht nur kühlere Temperaturen mit sich, sondern kann auch unsere Stimmung beeinflussen. Viele Menschen verspüren ein Gefühl der Wehmut, wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt.

Worum es geht:

·         den Unterschied zwischen dieser Melancholie und einer echten Sommer-Depression

·         die psychologischen Aspekte der Sommer-Wehmut u

·         die Abgrenzung von der Sommer-Depression

·         ein besseres Verständnis für unsere saisonalen Gefühlsschwankungen

Die Psychologie der Sommer-Wehmut

Was ist der August-Blues?

Studien zeigen, dass saisonale Veränderungen einen direkten Effekt auf unsere Psyche haben.

Viele Menschen assoziieren den Sommer mit Auszeit, Urlaub und unbeschwerten Momenten. Das Sommerende kann eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen hervorrufen. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt, können sich sogar Gefühle von Unzufriedenheit und sogar Angst einstellen. Die Vorfreude auf den Herbst und die neue Jahreszeit kann zwar Trost spenden, aber oft überwiegt zunächst die Wehmut über das Vergangene. Insgesamt ruft das Sommerende eine Vielzahl von emotionalen Reaktionen auf den Plan.

Der August-Blues, auch als End-of-Summer-Sadness bezeichnet, ist das Gefühl der Traurigkeit, das viele verspüren, wenn die Tage kürzer werden und der Sommer zu Ende geht. Es ist eine Art süße Melancholie, die durch das Wissen ausgelöst wird, dass die unbeschwerte Zeit des Sommers bald vorbei ist. Diese Gefühle von Traurigkeit sind in der Regel kurzlebig und entstehen durch den Verlust der sommerlichen Aktivitäten und der damit verbundenen Leichtigkeit.

Unterschied zwischen Wehmut und Depression

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen der jahreszeitlichen Wehmut und einer ausgewachsenen saisonalen Depression zu verstehen. Der August-Blues ist ein vorübergehendes und unterschwelliges, weit verbreitetes Gefühl der Traurigkeit zum Ende des Sommers. Eine Depression ist eine ernsthafte psychische Störung. Die Sommer-Depression, auch bekannt als „Summer Seasonal Affective Disorder“ (SAD), ist eine Form der saisonalen Depression, die im Sommer auftritt und sich von dem bekannteren Winter-Blues unterscheidet.

Was hinter dem August-Blues steckt: Neurobiologie des Übergangs

Einfluss kürzerer Tage auf die Stimmung

Der Einfluss kürzer werdender Tage auf unsere Stimmung ist ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung des Sommerende-Blues. Die Sonnenscheindauer nimmt ab. Dieser Lichtmangel beeinflusst die Produktion von Serotonin, Dopamin und Melatonin, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflussen. Die Umstellung auf die neue Jahreszeit erfordert eine Anpassung unseres Körpers an die veränderten Lichtverhältnisse, was nicht immer reibungslos verläuft.

Neurobiologie: Wenn die innere Uhr umstellt

Der wichtigste Taktgeber unseres Körpers sitzt tief im Gehirn: der suprachiasmatische Nukleus (SCN). Dieses winzige Zellcluster reagiert direkt auf das Tageslicht, das über die Augen auf die Netzhaut fällt. Sobald die Tage kürzer werden, stellt der SCN seinen Rhythmus um.

·         Serotonin sinkt: Weniger Sonnenlicht bedeutet weniger Aktivierung des Serotoninsystems. Stimmung und Antrieb geraten leichter ins Schwanken.

·         Dopamin verschiebt sich: Während Serotonin sinkt, steigt Dopamin typischerweise im Herbst an. Das erzeugt eine eigentümliche Spannung – weniger Gelassenheit, mehr innere Unruhe.

·         Melatonin steigt: Dunklere Abende regen die Melatoninproduktion an. Folge: mehr Müdigkeit und das Gefühl einer bleiernen Schwere.

Die Forschung zeigt, dass diese Veränderungen bereits mit den veränderten Lichtverhältnissen im August einsetzen, lange bevor der Winter beginnt. Das diffuse Traurigkeitsgefühl ist also keine Einbildung, sondern eine biologisch nachvollziehbare Reaktion.

Serotonin und seine Rolle im Sommer

Serotonin, ein Botenstoff (Neurotransmitter), der unsere Stimmung reguliert, ist hierbei besonders wichtig. Studien zeigen, dass die Serotonin-Produktion im Sommer tendenziell höher ist. Das steigert das Wohlbefinden. Wenn sich der Sommer dem Ende zuneigt und die Tage kürzer werden, sinkt die Serotonin-Produktion. Dieser Abfall kann Gefühle von Traurigkeit, Unzufriedenheit oder sogar depressive Verstimmungen hervorrufen. Die Diskrepanz zwischen dem erhöhten Serotonin-Spiegel im Sommer und dem niedrigeren Spiegel im Herbst, kann den Herbstblues auslösen.

Neurobiologie der saisonalen affektiven Störung

Die Neurobiologie spielt auch eine Schlüsselrolle bei der saisonalen affektiven Störung (SAD), insbesondere bei der Summer Seasonal Affective Disorder. Norman Rosenthal leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Studien zeigen, dass Menschen mit SAD häufig eine gestörte Regulation von Serotonin und Melatonin aufweisen. Der Lichtmangel im Herbst und Winter kann bei betroffenen Personen zu einer verstärkten Ausschüttung von Melatonin und einer reduzierten Serotonin-Produktion führen, was depressive Symptome hervorrufen kann. Im Gegensatz dazu leiden Menschen mit Sommer-SAD unter depressiven Beschwerden während der sommerlichen Monate, möglicherweise aufgrund von Hitzeempfindlichkeit oder anderen Faktoren. Der Begriff „Winter Blues“ ist hier auch regelmäßig im Gebrauch. Die Psyche von betroffenen Menschen ist sehr stark betroffen.

Psychologische Mechanismen: Warum uns das Sommerende traurig macht

Auch psychologisch markiert das Sommerende eine klare Umstellung. Monate der Freiheit, der langen Abende im Freien, der sozialen Kontakte und Reisen enden. Der Kalender füllt sich wieder mit Terminen, Schule, Arbeit und Alltag haben uns wieder.

Die Psychologie spricht hier von situativer Trauer: Wir verlieren etwas – nicht nur Licht, sondern auch Leichtigkeit. Diese Form der Wehmut ähnelt den kleinen Abschieden des Lebens: Ende einer Reise, Abschluss eines Projekts, Heimkehr aus einer intensiven Zeit. Das Gefühl wirkt diffus, weil kein konkreter Verlust greifbar ist. Aber die Psyche registriert den Wandel deutlich.

Wichtig: August-Wehmut ist keine Depression

Hier liegt die entscheidende Unterscheidung.

·         Sommerdepression (SAD) ist eine klinische Diagnose. Betroffene leiden über Wochen hinweg unter deutlicher Antriebs- und Freudlosigkeit, Schlaf- und Appetitveränderungen, sozialem Rückzug und Funktionsverlust. Sie brauchen ärztliche und psychotherapeutische Unterstützung.

·         August-Wehmut dagegen ist eine Übergangsstimmung. Sie kann traurig machen, sie kann innere Leere hervorrufen, sie kann sogar Ängste antriggern – doch sie bleibt vorübergehend, reagiert auf bewusste Gestaltung und gehört zu den natürlichen Rhythmen menschlicher Erfahrung.

Die Wehmut am Ende des Sommers ist also nicht krankhaft, sondern ein kulturell tief verankerter Bestandteil unseres Lebensrhythmus.

Der Übergang vom Sommer zum Winter früher

Bis zur Neuzeit betraf in Europa der Übergang vom Sommer zum Herbst nicht nur die Natur, sondern auch den Alltag der Menschen. Das Ende des Sommers bedeutete das Ende der Erntezeit, in der die Früchte der Arbeit eingebracht wurden. Ohne elektrischen Strom war der Winter für die meisten Menschen lichtlos und kalt, mit kurzen Tagen, beengtem Leben in verrauchten Räumen und endlosen Nächten. (Schon im Mittelhochdeutschen hieß der Winter tatsächlich „wintar“. Darin steckt die Wurzel *wed- = „nass, feucht“ – Winter war also ursprünglich „die nasse Jahreszeit“.) Was dort außerdem mitschwingt, ist die Umdeutung der Betrübnis über die erinnerte Sommerseligkeit in eine über die unentrinnbare Vergänglichkeitserfahrung.

Die Erntezeit war darum eine Zeit der Vorbereitung auf diese Jahreszeit des Mangels und der Kälte. Feste und Rituale markierten diesen Übergang, oft verbunden mit Dankbarkeit für die Ernte und Bitten um Schutz vor den Gefahren des Winters. Diese Rituale spiegelten die enge Verbundenheit der Menschen mit den Rhythmen der Natur wider und halfen, die Gefühle von Traurigkeit und Unsicherheit zu bewältigen.

Diese Feste stärkten die Gemeinschaft, drückten Dankbarkeit für die Ernte aus und hießen die dunkle Jahreszeit willkommen. In vielen Religionen gibt es Erntedankfeste, bei denen die Früchte der Arbeit gefeiert werden. In Prozessionen wird um eine gute Ernte im nächsten Jahr gebeten. Ältere Bräuche beinhalten das Entzünden von Feuern, um die dunklen Mächte zu vertreiben. Alle Rituale des Übergangs aber helfen, die Gefühle von Traurigkeit und Abschied zu verarbeiten und Vorfreude auf die kommende Zeit zu wecken.

Sommer in der Literatur und Kunst

Der Sommer hat in der Literatur und Kunst seit jeher eine besondere Bedeutung, als Zeit der Leichtigkeit, der Fülle und der Lebensfreude. Doch auch die Melancholie des Sommerendes findet ihren Ausdruck in Gedichten, Gemälden und Geschichten. Künstlern und Schriftstellern haben die jahreszeitlichen Übergänge oft als Bild für menschliche Emotionen und Erfahrungen gedient. Der Sommer steht dann für reiche Fülle, nach der Jugend und Vitalität des Frühlings, während der Herbst für Reife, aber auch Vergänglichkeit steht. Diese Darstellungen prägen unsere Wahrnehmung des Sommers und seiner Neige.

Herbst

Es ist nun der Herbst gekommen,

Hat das schöne Sommerkleid

Von den Feldern weggenommen

Und die Blätter ausgestreut,

Vor dem bösen Winterwinde

Deckt er warm und sachte zu

Mit dem bunten Laub die Gründe,

Die schon müde gehn zur Ruh.

 

Durch die Felder sieht man fahren

Eine wunderschöne Frau,

Und von ihren langen Haaren

Goldne Fäden auf der Au

Spinnet sie und singt im Gehen:

Eia, meine Blümelein,

Nicht nach andern immer sehen,

Eia, schlafet, schlafet ein.

Und die Vöglein hoch in Lüften

Über blaue Berg und Seen

Ziehn zur Ferne nach den Klüften,

Wo die hohen Zedern stehn,

Wo mit ihren goldnen Schwingen

Auf des Benedeiten Gruft

Engel Hosianna singen

Nächtens durch die stille Luft.

Romantische Naturlyrik liebt die Spannung zwischen Schönheit und Verfall. Joseph von Eichendorffs „Herbst“ entfaltet ein stilles Ritual des Übergangs. Der Herbst nimmt das „Sommerkleid“ von den Feldern und deckt die Erde „warm und sachte“ mit buntem Laub zu. Vergänglichkeit erscheint nicht als Gewalt, sondern als fürsorgliche Geste.

Besonders eindrucksvoll ist das Bild der Frau, die durch die Felder fährt und goldene Fäden über die Wiesen spinnt. Gemeint ist der Altweibersommer – die feinen Spinnweben, die im Licht wie Fäden aus Gold glänzen. In Eichendorffs Deutung verwandeln sie die Landschaft in ein leuchtendes Gewebe, das gleichsam die Erinnerung an den Sommer konserviert und zugleich den Herbst schmückt. Psychologisch könnte man sagen: Die Natur selbst spinnt Übergangsfäden, die das Vergangene mit dem Kommenden verknüpfen.

Das Schlaflied an die Blumen – „Eia, meine Blümelein, schlafet ein“ – verleiht diesem Übergang eine mütterliche, fast kindliche Note. Der Sommer wird nicht abrupt beendet, sondern sanft in den Schlaf gesungen.

Und auch die Vögel, die in ferne Länder ziehen, stehen nicht für Verlust allein, sondern für Hoffnung: Sie weisen auf Jerusalem, wo „Engel Hosianna singen“.

Das Gedicht schließt den Zyklus von Natur, Erinnerung und Transzendenz. So zeigt Eichendorff, dass Wehmut mehr ist als Trauer: Sie ist ein Kontinuum von Vergänglichkeit und Fürsorge, von Verlust und Verwandlung. Die feinen Fäden des Altweibersommers sind dafür das perfekte Sinnbild – unscheinbar und doch von tiefem Trost.

Über die Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;

Dumpf aus der Erde wandert es mit.

Herbst ist gekommen, Frühling ist weit –

Gab es denn einmal selige Zeit?

Brauende Nebel geistern umher;

Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer

Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!

Leben und Liebe – wie flog es vorbei!

Theodor Storm geht mit der Nachromantik einen Schritt weiter. Sein nüchterner Satz: „Herbst ist gekommen, Frühling ist weit – gab es denn einmal selige Zeit?“ – ist wie eine stille Provokation. Er verweigert die tröstliche Vorstellung, dass sich alles Verlorene einfach wiederholt. Stattdessen deutet er die Jahreszeiten als existenzielles Memento: Es gibt unwiederbringlich Vergänglichkeit und Verluste. Diese Haltung klingt fast modern, weil sie der Idee zyklischer Wiederkehr eine Grenze setzt. Während die Natur sich tatsächlich erneuert, erlebt das Subjekt den Verlust als endgültig. Damit benennt Storm eine Wahrheit, die auch in der heutigen Psychologie vertraut ist: Nicht alle Erfahrungen können wiederholt werden, und gerade ihre Einmaligkeit gibt ihnen Gewicht.

Das Volkslied wiederum wählt eine andere Sprache. „Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da“, tönt fröhlich, fast trotzig, als wolle es die Schwere des Abschieds gar nicht anerkennen: Alles folgt einem Zyklus. Nur die Ausdrucksform wechselt – statt elegischer Schwermut setzt das Volkslied auf gemeinsame Heiterkeit. Es kanalisiert die Wehmut, indem es sie in ein gemeinsames Ritual verwandelt. Die psychologische Funktion ist klar: Was individuell schwerfällt, wird leichter, sobald es geteilt und rhythmisch gesungen wird. Die Melancholie löst sich im Gemeinschaftserlebnis auf.

Vielleicht liegt genau darin die Pointe: Zwischen Eichendorffs sehnsüchtiger Rückwendung, Storms nüchternem Zweifel und der volksliedhaften Heiterkeit spannt sich ein kultureller Bogen, der bis heute tragfähig ist. Er zeigt, wie Gesellschaften gelernt haben, den Wechsel der Jahreszeiten nicht nur zu ertragen, sondern zu deuten – als Spiegel der eigenen Vergänglichkeit, als Erinnerung an unwiederbringliche Momente und als gemeinschaftsstiftendes Ritual. Wehmut wird so zur Schule des Lebens: Sie lehrt, dass Schönheit immer an Endlichkeit gebunden ist, und es ist gerade dieser Doppelklang, der den Sommer im Gedächtnis unsterblich macht.

Gesellschaftliche Wahrnehmung von Traurigkeit im Sommer

Darum ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wehmut am Ende des Sommers so zwiegespalten. Einerseits wird der Sommer als Zeit des Glücks und der Unbeschwertheit idealisiert. Dazu passen Gefühle von Traurigkeit nicht. Andererseits gibt es auch ein Verständnis für die Melancholie, die mit dem Ende des Sommers einhergeht.

Menschen, die unter dem Summer Blues oder einer Sommer-Depression leiden, fühlen sich darum möglicherweise unverstanden oder isoliert, wenn ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. Es ist wichtig, ein offenes und akzeptierendes Umfeld zu schaffen, in dem betroffene Menschen ihre Gefühle von Traurigkeit ohne Scham oder Schuldgefühle äußern können.

August-Blues: wie er sich anfühlt

Die Reaktionen auf den Übergang vom Sommer zum Herbst sind also, wenig überraschend, sehr individuell. Während einige den Herbst mit offenen Armen empfangen und sich auf gemütliche Abende und die Farbenpracht der Natur freuen, erleben andere eine deutliche Verschlechterung ihrer Stimmung.

Viele Menschen beschreiben den August-Blues als ein Gefühl der Traurigkeit, das sich mit dem Ende des Sommers einschleicht. Sie fühlen sich müde, antriebslos und weniger motiviert, ihren üblichen Aktivitäten nachzugehen. Manche berichten von Schlafstörungen oder einem erhöhten Bedürfnis nach Rückzug. Die Psyche leidet unter dem bevorstehenden Jahreszeitenwechsel.

Manche entwickeln Symptome einer saisonalen affektiven Störung (SAD), während die meisten lediglich eine leichte Melancholie verspüren. Nicht jeder Mensch, der im aufkommenden Herbst traurig ist, leidet an einer Depression. Die Studien zeigen, dass es ein breites Spektrum an Reaktionen auf den Jahreszeitenwechsel gibt.

Empfehlungen für den Umgang mit Summer Blues

Praktische Tipps zur Bewältigung von Wehmut

Es gibt verschiedene praktische Tipps, die Ihnen helfen können, die Melancholie des Sommerendes zu bewältigen. Ganz allgemein gilt:

·         Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf, um Ihr Wohlbefinden zu steigern.

·         Meditation und Entspannungsübungen können helfen, Stress abzubauen und Ihre Stimmung zu verbessern.

Nutzen Sie die verbleibenden sonnigen Tage, um Vitamin D zu tanken, da Vitamin-D-Mangel depressive Symptome hervorrufen kann. Auch wenn die Vorfreude auf den Herbst schwerfällt, kann man sich auf die positiven Aspekte der neuen Jahreszeit fokussieren.

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Die Forschung zeigt klar: Unterdrücken verstärkt Stress, während bewusstes Gestalten den Übergang erleichtert. Wer die Wehmut akzeptiert und zugleich kleine Hebel im Alltag nutzt, verwandelt sie in eine Kraftquelle.

1. Licht tanken – vor allem am Morgen

Schon 20–30 Minuten helles Tageslicht nach dem Aufstehen stabilisieren den biologischen Tagesrhythmus. Wer frühmorgens spazierengeht oder eine Lichtbox nutzt, gibt dem Serotoninsystem den nötigen Anschub – sichtbare, aber auch innere Helligkeit, sozusagen.

2. Strukturen bewusst einführen

Der August markiert eine Rückkehr zu Routinen. Wer rechtzeitig Tagespläne etabliert – feste Schlafenszeiten, klare Arbeitsblöcke, kleine Pausenrituale – reduziert den Schock des Übergangs. Psychologisch stärkt Struktur das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

3. Bewegung als Anker

Die niedrigeren, aber noch angenehmen Temperaturen laden ein zu Bewegung – Laufen, Radfahren, Tanzen. Bewegung wirkt antidepressiv und verlängert die sommerliche Energie. Noch wirkungsvoller wird sie in der Natur: ein Spaziergang im Park, eine Radtour durch die Felder.

4. Soziale Inseln bauen

Wehmut verstärkt den Rückzug. Bewusst geplante soziale Begegnungen – ein Abendessen mit Freunden, ein Konzert, ein gemeinsamer Spaziergang – schaffen ein Gegengewicht. Das Volkslied zeigt, wie früher gemeinsames Singen Wehmut in Freude verwandelt hat.

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