Geschichte des Maladaptiven Tagträumens (2)

Geschichte des Maladaptiven Tagträumens (2)

Geschichte

Veröffentlicht am:

28.09.2025

Holztisch mit einem alten Forschungstagebuch und einer Feder auf der linken Seite sowie einem Tablet mit wissenschaftlichen Gehirn-Diagrammen auf der rechten Seite. Symbolisiert die Entwicklung der Forschung von subjektiven Beschreibungen zur modernen empirischen Erfassung von Maladaptivem Tagträumen.
Holztisch mit einem alten Forschungstagebuch und einer Feder auf der linken Seite sowie einem Tablet mit wissenschaftlichen Gehirn-Diagrammen auf der rechten Seite. Symbolisiert die Entwicklung der Forschung von subjektiven Beschreibungen zur modernen empirischen Erfassung von Maladaptivem Tagträumen.

Description: Von der Erstbeschreibung 2002 bis zu aktuellen Studien: Dieser Artikel zeichnet die Entwicklung der Forschung zum Maladaptiven Tagträumen nach.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Das Phänomen Maladaptives Tagträumen wurde erst vor gut zwei Jahrzehnten wissenschaftlich beschrieben. Seitdem hat sich die Forschung von Einzelfallberichten hin zu standardisierten Messinstrumenten und ersten Prävalenzstudien entwickelt. Dieser Artikel zeichnet die wichtigsten Meilensteine nach und zeigt, wo die Forschung heute steht.

Historische Entwicklung und Pionierforschung zum Maladaptiven Tagträumen

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden – ein umfassender Leitfaden

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel schildert, wie das Phänomen entdeckt wurde, welche Forschungsschritte seither erfolgt sind und welche Fragen offen bleiben.


1. Die ersten Beobachtungen und die Prägung des Begriffs

Die wissenschaftliche Geschichte des Maladaptiven Tagträumens beginnt mit Eli Somer, einem Psychologen an der Universität Haifa. In seiner beschreibenden Studie aus dem Jahr 2002 beobachtete er sechs Patienten, die sich exzessiv in fantasievollen Tagträumen verloren. Die Betroffenen beschrieben ihre Fantasien als intensive innerliche Erlebnisse, die sie nutzten, um Stress, Schmerz oder Einsamkeit zu verdrängen. Somer erkannte in diesem Verhalten ein eigenständiges Muster und prägte den Begriff „Maladaptive Daydreaming“ als „extensive Fantasieaktivität, die menschliche Interaktion ersetzt und/oder akademische, berufliche oder soziale Funktionen beeinträchtigt“.

Diese frühe Arbeit eröffnete ein neues Forschungsfeld in der Psychologie. Zunächst blieb das Phänomen aber weitgehend unbekannt. Einige Fachkollegen ordneten die beschriebenen Symptome eher Zwangsstörungen, Dissoziation oder ADHS zu, wo sie tatsächlich häufiger anzutreffen sind.

2. Wichtige Folgestudien und internationale Resonanz

Mehr Aufmerksamkeit erhielt das Thema erst ab 2011. Jayne Bigelsen und Cynthia Schupak veröffentlichten eine Studie, in der 90 Selbstidentifizierte mit Maladaptivem Tagträumen online befragt wurden. Diese größere Stichprobe bestätigte die Kernmerkmale: lebhafte, lang andauernde Fantasien, Schwierigkeiten bei der Kontrolle und eine starke Beeinträchtigung des Alltags. Interessanterweise berichteten 27 % der Befragten über ein Kindheitstrauma. Ein Trauma ist also offensichtlich ein Risikofaktor, aber keine Voraussetzung für Maladaptives Tagträumen.

In den folgenden Jahren erschienen vorwiegend Fallberichte und kleinere Untersuchungen, die das Phänomen weiter umschrieben. Erst ab 2016 wurde die Forschung systematischer: Somer und Kollegen entwickelten die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS‑16), einen 16‑teiligen Fragebogen, der Qualität, Kontrolle, emotionale Wirkung, Nutzen und Beeinträchtigung des Tagträumens erfasst. Die MDS‑16 zeigte hohe Zuverlässigkeit und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

3. Entwicklung von Messinstrumenten

Mit der MDS‑16 stand erstmals ein standardisierter Test zur Verfügung, der es ermöglichte, MD in größeren Gruppen zu erfassen. 2017 folgte das Structured Clinical Interview for Maladaptive Daydreaming (SCIMD), ein halbstrukturiertes Interview, das die von Somer vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien prüft. Es zeigte gute Übereinstimmung mit der MDS‑16. Um schnelle Screenings zu ermöglichen, entwickelten Forscher zudem eine Kurzversion der Skala, das MD‑SF5.

Diese Instrumente ermöglichten es, erste Untersuchungen zur Häufigkeit durchzuführen und Unterschiede zwischen Betroffenen und Kontrollpersonen statistisch zu untersuchen. Die Entwicklung diagnostischer Werkzeuge gilt als Meilenstein, da Maladaptives Tagträumen bislang in keinem offiziellen Klassifikationssystem (DSM‑5, ICD‑11) als eigenständige Störung verankert ist.

4. Neueste Erkenntnisse zur Häufigkeit

Erst ab 2021 liegen Daten aus bevölkerungsbezogenen Stichproben vor. Eine israelische Studie ergab, dass rund 2,5 % der Erwachsenen klinische Kriterien für Maladaptives Tagträumen erfüllen. Bei jungen Erwachsenen und Studierenden lagen die Werte mit 5,5–8,5 % deutlich höher. Eine US‑Studie aus dem Jahr 2023 fand ähnliche Häufigkeiten. Auffällig war die Häufigkeit bei Personen mit ADHS: Rund 20 % erfüllten Kriterien für Maladaptives Tagträumen.

Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass Maladaptives Tagträumen häufiger vorkommt als zunächst angenommen. Gleichzeitig sind die Studienzahlen immer noch klein, und es gibt noch keine länderübergreifenden Vergleichsuntersuchungen. Alters‑ und Geschlechtsunterschiede lassen sich bislang kaum sicher interpretieren.

5. Offene Fragen und aktuelle Forschungstrends

Trotz der Fortschritte bleiben viele Fragen offen:

  • Diagnostische Anerkennung: Soll Maladaptives Tagträumen als eigenständige Diagnose aufgenommen werden? Forscher diskutieren die Vorteile (passgenauere Therapie) und die Risiken (Stigmatisierung, Krankreden).

  • Neurobiologische Grundlagen: Bislang gibt es kaum Studien zu den neurophysiologischen Mechanismen. Vermutet wird eine Beteiligung von Belohnungssystemen und Netzwerken zur Emotionsregulation.

  • Kulturelle Unterschiede: Die bisherige Forschung konzentriert sich auf Israel, die USA und wenige andere Länder. Studien aus anderen Kulturen könnten neue Erkenntnisse liefern.

  • Langzeitverlauf: Unklar ist, wie sich Maladaptives Tagträumen über die Lebensspanne entwickelt. Längsschnittstudien wären nötig, um Spontanremissionen, Chronifizierung oder Veränderungen durch Lebensereignisse zu verstehen.

In laufenden Projekten wird zum Beispiel untersucht, ob Maladaptives Tagträumen als Bewältigungsmechanismus für Stress oder Traumata fungiert oder ob es sich – ähnlich wie bei Abhängigkeitserkrankungen – zu einer „Sucht“ entwickeln kann.

Fazit

Die bisherige Geschichte des Maladaptiven Tagträumens zeigt, wie sich ein zunächst wenig beachtetes Phänomen zu einem eigenständigen Forschungsfeld entwickelt hat. Von Somers ersten Beobachtungen bis zu aktuellen Prävalenzstudien sind nur gut 20 Jahre vergangen. Noch steht die Forschung am Anfang, doch standardisierte Instrumente wie die MDS‑16 und das SCIMD haben die Voraussetzungen geschaffen, das Phänomen besser zu verstehen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Maladaptives Tagträumen als eigenständige Störung anerkannt wird und welche Therapieformen sich als wirksam erweisen.

Description: Von der Erstbeschreibung 2002 bis zu aktuellen Studien: Dieser Artikel zeichnet die Entwicklung der Forschung zum Maladaptiven Tagträumen nach.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Das Phänomen Maladaptives Tagträumen wurde erst vor gut zwei Jahrzehnten wissenschaftlich beschrieben. Seitdem hat sich die Forschung von Einzelfallberichten hin zu standardisierten Messinstrumenten und ersten Prävalenzstudien entwickelt. Dieser Artikel zeichnet die wichtigsten Meilensteine nach und zeigt, wo die Forschung heute steht.

Historische Entwicklung und Pionierforschung zum Maladaptiven Tagträumen

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden – ein umfassender Leitfaden

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel schildert, wie das Phänomen entdeckt wurde, welche Forschungsschritte seither erfolgt sind und welche Fragen offen bleiben.


1. Die ersten Beobachtungen und die Prägung des Begriffs

Die wissenschaftliche Geschichte des Maladaptiven Tagträumens beginnt mit Eli Somer, einem Psychologen an der Universität Haifa. In seiner beschreibenden Studie aus dem Jahr 2002 beobachtete er sechs Patienten, die sich exzessiv in fantasievollen Tagträumen verloren. Die Betroffenen beschrieben ihre Fantasien als intensive innerliche Erlebnisse, die sie nutzten, um Stress, Schmerz oder Einsamkeit zu verdrängen. Somer erkannte in diesem Verhalten ein eigenständiges Muster und prägte den Begriff „Maladaptive Daydreaming“ als „extensive Fantasieaktivität, die menschliche Interaktion ersetzt und/oder akademische, berufliche oder soziale Funktionen beeinträchtigt“.

Diese frühe Arbeit eröffnete ein neues Forschungsfeld in der Psychologie. Zunächst blieb das Phänomen aber weitgehend unbekannt. Einige Fachkollegen ordneten die beschriebenen Symptome eher Zwangsstörungen, Dissoziation oder ADHS zu, wo sie tatsächlich häufiger anzutreffen sind.

2. Wichtige Folgestudien und internationale Resonanz

Mehr Aufmerksamkeit erhielt das Thema erst ab 2011. Jayne Bigelsen und Cynthia Schupak veröffentlichten eine Studie, in der 90 Selbstidentifizierte mit Maladaptivem Tagträumen online befragt wurden. Diese größere Stichprobe bestätigte die Kernmerkmale: lebhafte, lang andauernde Fantasien, Schwierigkeiten bei der Kontrolle und eine starke Beeinträchtigung des Alltags. Interessanterweise berichteten 27 % der Befragten über ein Kindheitstrauma. Ein Trauma ist also offensichtlich ein Risikofaktor, aber keine Voraussetzung für Maladaptives Tagträumen.

In den folgenden Jahren erschienen vorwiegend Fallberichte und kleinere Untersuchungen, die das Phänomen weiter umschrieben. Erst ab 2016 wurde die Forschung systematischer: Somer und Kollegen entwickelten die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS‑16), einen 16‑teiligen Fragebogen, der Qualität, Kontrolle, emotionale Wirkung, Nutzen und Beeinträchtigung des Tagträumens erfasst. Die MDS‑16 zeigte hohe Zuverlässigkeit und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

3. Entwicklung von Messinstrumenten

Mit der MDS‑16 stand erstmals ein standardisierter Test zur Verfügung, der es ermöglichte, MD in größeren Gruppen zu erfassen. 2017 folgte das Structured Clinical Interview for Maladaptive Daydreaming (SCIMD), ein halbstrukturiertes Interview, das die von Somer vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien prüft. Es zeigte gute Übereinstimmung mit der MDS‑16. Um schnelle Screenings zu ermöglichen, entwickelten Forscher zudem eine Kurzversion der Skala, das MD‑SF5.

Diese Instrumente ermöglichten es, erste Untersuchungen zur Häufigkeit durchzuführen und Unterschiede zwischen Betroffenen und Kontrollpersonen statistisch zu untersuchen. Die Entwicklung diagnostischer Werkzeuge gilt als Meilenstein, da Maladaptives Tagträumen bislang in keinem offiziellen Klassifikationssystem (DSM‑5, ICD‑11) als eigenständige Störung verankert ist.

4. Neueste Erkenntnisse zur Häufigkeit

Erst ab 2021 liegen Daten aus bevölkerungsbezogenen Stichproben vor. Eine israelische Studie ergab, dass rund 2,5 % der Erwachsenen klinische Kriterien für Maladaptives Tagträumen erfüllen. Bei jungen Erwachsenen und Studierenden lagen die Werte mit 5,5–8,5 % deutlich höher. Eine US‑Studie aus dem Jahr 2023 fand ähnliche Häufigkeiten. Auffällig war die Häufigkeit bei Personen mit ADHS: Rund 20 % erfüllten Kriterien für Maladaptives Tagträumen.

Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass Maladaptives Tagträumen häufiger vorkommt als zunächst angenommen. Gleichzeitig sind die Studienzahlen immer noch klein, und es gibt noch keine länderübergreifenden Vergleichsuntersuchungen. Alters‑ und Geschlechtsunterschiede lassen sich bislang kaum sicher interpretieren.

5. Offene Fragen und aktuelle Forschungstrends

Trotz der Fortschritte bleiben viele Fragen offen:

  • Diagnostische Anerkennung: Soll Maladaptives Tagträumen als eigenständige Diagnose aufgenommen werden? Forscher diskutieren die Vorteile (passgenauere Therapie) und die Risiken (Stigmatisierung, Krankreden).

  • Neurobiologische Grundlagen: Bislang gibt es kaum Studien zu den neurophysiologischen Mechanismen. Vermutet wird eine Beteiligung von Belohnungssystemen und Netzwerken zur Emotionsregulation.

  • Kulturelle Unterschiede: Die bisherige Forschung konzentriert sich auf Israel, die USA und wenige andere Länder. Studien aus anderen Kulturen könnten neue Erkenntnisse liefern.

  • Langzeitverlauf: Unklar ist, wie sich Maladaptives Tagträumen über die Lebensspanne entwickelt. Längsschnittstudien wären nötig, um Spontanremissionen, Chronifizierung oder Veränderungen durch Lebensereignisse zu verstehen.

In laufenden Projekten wird zum Beispiel untersucht, ob Maladaptives Tagträumen als Bewältigungsmechanismus für Stress oder Traumata fungiert oder ob es sich – ähnlich wie bei Abhängigkeitserkrankungen – zu einer „Sucht“ entwickeln kann.

Fazit

Die bisherige Geschichte des Maladaptiven Tagträumens zeigt, wie sich ein zunächst wenig beachtetes Phänomen zu einem eigenständigen Forschungsfeld entwickelt hat. Von Somers ersten Beobachtungen bis zu aktuellen Prävalenzstudien sind nur gut 20 Jahre vergangen. Noch steht die Forschung am Anfang, doch standardisierte Instrumente wie die MDS‑16 und das SCIMD haben die Voraussetzungen geschaffen, das Phänomen besser zu verstehen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Maladaptives Tagträumen als eigenständige Störung anerkannt wird und welche Therapieformen sich als wirksam erweisen.

Description: Von der Erstbeschreibung 2002 bis zu aktuellen Studien: Dieser Artikel zeichnet die Entwicklung der Forschung zum Maladaptiven Tagträumen nach.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Das Phänomen Maladaptives Tagträumen wurde erst vor gut zwei Jahrzehnten wissenschaftlich beschrieben. Seitdem hat sich die Forschung von Einzelfallberichten hin zu standardisierten Messinstrumenten und ersten Prävalenzstudien entwickelt. Dieser Artikel zeichnet die wichtigsten Meilensteine nach und zeigt, wo die Forschung heute steht.

Historische Entwicklung und Pionierforschung zum Maladaptiven Tagträumen

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden – ein umfassender Leitfaden

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel schildert, wie das Phänomen entdeckt wurde, welche Forschungsschritte seither erfolgt sind und welche Fragen offen bleiben.


1. Die ersten Beobachtungen und die Prägung des Begriffs

Die wissenschaftliche Geschichte des Maladaptiven Tagträumens beginnt mit Eli Somer, einem Psychologen an der Universität Haifa. In seiner beschreibenden Studie aus dem Jahr 2002 beobachtete er sechs Patienten, die sich exzessiv in fantasievollen Tagträumen verloren. Die Betroffenen beschrieben ihre Fantasien als intensive innerliche Erlebnisse, die sie nutzten, um Stress, Schmerz oder Einsamkeit zu verdrängen. Somer erkannte in diesem Verhalten ein eigenständiges Muster und prägte den Begriff „Maladaptive Daydreaming“ als „extensive Fantasieaktivität, die menschliche Interaktion ersetzt und/oder akademische, berufliche oder soziale Funktionen beeinträchtigt“.

Diese frühe Arbeit eröffnete ein neues Forschungsfeld in der Psychologie. Zunächst blieb das Phänomen aber weitgehend unbekannt. Einige Fachkollegen ordneten die beschriebenen Symptome eher Zwangsstörungen, Dissoziation oder ADHS zu, wo sie tatsächlich häufiger anzutreffen sind.

2. Wichtige Folgestudien und internationale Resonanz

Mehr Aufmerksamkeit erhielt das Thema erst ab 2011. Jayne Bigelsen und Cynthia Schupak veröffentlichten eine Studie, in der 90 Selbstidentifizierte mit Maladaptivem Tagträumen online befragt wurden. Diese größere Stichprobe bestätigte die Kernmerkmale: lebhafte, lang andauernde Fantasien, Schwierigkeiten bei der Kontrolle und eine starke Beeinträchtigung des Alltags. Interessanterweise berichteten 27 % der Befragten über ein Kindheitstrauma. Ein Trauma ist also offensichtlich ein Risikofaktor, aber keine Voraussetzung für Maladaptives Tagträumen.

In den folgenden Jahren erschienen vorwiegend Fallberichte und kleinere Untersuchungen, die das Phänomen weiter umschrieben. Erst ab 2016 wurde die Forschung systematischer: Somer und Kollegen entwickelten die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS‑16), einen 16‑teiligen Fragebogen, der Qualität, Kontrolle, emotionale Wirkung, Nutzen und Beeinträchtigung des Tagträumens erfasst. Die MDS‑16 zeigte hohe Zuverlässigkeit und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

3. Entwicklung von Messinstrumenten

Mit der MDS‑16 stand erstmals ein standardisierter Test zur Verfügung, der es ermöglichte, MD in größeren Gruppen zu erfassen. 2017 folgte das Structured Clinical Interview for Maladaptive Daydreaming (SCIMD), ein halbstrukturiertes Interview, das die von Somer vorgeschlagenen diagnostischen Kriterien prüft. Es zeigte gute Übereinstimmung mit der MDS‑16. Um schnelle Screenings zu ermöglichen, entwickelten Forscher zudem eine Kurzversion der Skala, das MD‑SF5.

Diese Instrumente ermöglichten es, erste Untersuchungen zur Häufigkeit durchzuführen und Unterschiede zwischen Betroffenen und Kontrollpersonen statistisch zu untersuchen. Die Entwicklung diagnostischer Werkzeuge gilt als Meilenstein, da Maladaptives Tagträumen bislang in keinem offiziellen Klassifikationssystem (DSM‑5, ICD‑11) als eigenständige Störung verankert ist.

4. Neueste Erkenntnisse zur Häufigkeit

Erst ab 2021 liegen Daten aus bevölkerungsbezogenen Stichproben vor. Eine israelische Studie ergab, dass rund 2,5 % der Erwachsenen klinische Kriterien für Maladaptives Tagträumen erfüllen. Bei jungen Erwachsenen und Studierenden lagen die Werte mit 5,5–8,5 % deutlich höher. Eine US‑Studie aus dem Jahr 2023 fand ähnliche Häufigkeiten. Auffällig war die Häufigkeit bei Personen mit ADHS: Rund 20 % erfüllten Kriterien für Maladaptives Tagträumen.

Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass Maladaptives Tagträumen häufiger vorkommt als zunächst angenommen. Gleichzeitig sind die Studienzahlen immer noch klein, und es gibt noch keine länderübergreifenden Vergleichsuntersuchungen. Alters‑ und Geschlechtsunterschiede lassen sich bislang kaum sicher interpretieren.

5. Offene Fragen und aktuelle Forschungstrends

Trotz der Fortschritte bleiben viele Fragen offen:

  • Diagnostische Anerkennung: Soll Maladaptives Tagträumen als eigenständige Diagnose aufgenommen werden? Forscher diskutieren die Vorteile (passgenauere Therapie) und die Risiken (Stigmatisierung, Krankreden).

  • Neurobiologische Grundlagen: Bislang gibt es kaum Studien zu den neurophysiologischen Mechanismen. Vermutet wird eine Beteiligung von Belohnungssystemen und Netzwerken zur Emotionsregulation.

  • Kulturelle Unterschiede: Die bisherige Forschung konzentriert sich auf Israel, die USA und wenige andere Länder. Studien aus anderen Kulturen könnten neue Erkenntnisse liefern.

  • Langzeitverlauf: Unklar ist, wie sich Maladaptives Tagträumen über die Lebensspanne entwickelt. Längsschnittstudien wären nötig, um Spontanremissionen, Chronifizierung oder Veränderungen durch Lebensereignisse zu verstehen.

In laufenden Projekten wird zum Beispiel untersucht, ob Maladaptives Tagträumen als Bewältigungsmechanismus für Stress oder Traumata fungiert oder ob es sich – ähnlich wie bei Abhängigkeitserkrankungen – zu einer „Sucht“ entwickeln kann.

Fazit

Die bisherige Geschichte des Maladaptiven Tagträumens zeigt, wie sich ein zunächst wenig beachtetes Phänomen zu einem eigenständigen Forschungsfeld entwickelt hat. Von Somers ersten Beobachtungen bis zu aktuellen Prävalenzstudien sind nur gut 20 Jahre vergangen. Noch steht die Forschung am Anfang, doch standardisierte Instrumente wie die MDS‑16 und das SCIMD haben die Voraussetzungen geschaffen, das Phänomen besser zu verstehen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Maladaptives Tagträumen als eigenständige Störung anerkannt wird und welche Therapieformen sich als wirksam erweisen.

Anfahrt & Öffnungszeiten

Close-up portrait of dr. stemper
Close-up portrait of a dog

Psychologie Berlin

c./o. AVATARAS Institut

Kalckreuthstr. 16 – 10777 Berlin

virtuelles Festnetz: +49 30 26323366

E-Mail: info@praxis-psychologie-berlin.de

Montag

11:00-19:00

Dienstag

11:00-19:00

Mittwoch

11:00-19:00

Donnerstag

11:00-19:00

Freitag

11:00-19:00

a colorful map, drawing

Google Maps-Karte laden:

Durch Klicken auf diesen Schutzschirm stimmen Sie dem Laden der Google Maps-Karte zu. Dabei werden Daten an Google übertragen und Cookies gesetzt. Google kann diese Informationen zur Personalisierung von Inhalten und Werbung nutzen.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.

Klicken Sie hier, um die Karte zu laden und Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Stemper

©2025 Dr. Dirk Stemper

Sonntag, 28.9.2025

a green flower
an orange flower
a blue flower

technische Umsetzung

Anfahrt & Öffnungszeiten

Close-up portrait of dr. stemper
Close-up portrait of a dog

Psychologie Berlin

c./o. AVATARAS Institut

Kalckreuthstr. 16 – 10777 Berlin

virtuelles Festnetz: +49 30 26323366

E-Mail: info@praxis-psychologie-berlin.de

Montag

11:00-19:00

Dienstag

11:00-19:00

Mittwoch

11:00-19:00

Donnerstag

11:00-19:00

Freitag

11:00-19:00

a colorful map, drawing

Google Maps-Karte laden:

Durch Klicken auf diesen Schutzschirm stimmen Sie dem Laden der Google Maps-Karte zu. Dabei werden Daten an Google übertragen und Cookies gesetzt. Google kann diese Informationen zur Personalisierung von Inhalten und Werbung nutzen.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.

Klicken Sie hier, um die Karte zu laden und Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Stemper

©2025 Dr. Dirk Stemper

Sonntag, 28.9.2025

a green flower
an orange flower
a blue flower

technische Umsetzung

Anfahrt & Öffnungszeiten

Close-up portrait of dr. stemper
Close-up portrait of a dog

Psychologie Berlin

c./o. AVATARAS Institut

Kalckreuthstr. 16 – 10777 Berlin

virtuelles Festnetz: +49 30 26323366

E-Mail: info@praxis-psychologie-berlin.de

Montag

11:00-19:00

Dienstag

11:00-19:00

Mittwoch

11:00-19:00

Donnerstag

11:00-19:00

Freitag

11:00-19:00

a colorful map, drawing

Google Maps-Karte laden:

Durch Klicken auf diesen Schutzschirm stimmen Sie dem Laden der Google Maps-Karte zu. Dabei werden Daten an Google übertragen und Cookies gesetzt. Google kann diese Informationen zur Personalisierung von Inhalten und Werbung nutzen.

Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.

Klicken Sie hier, um die Karte zu laden und Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Stemper

©2025 Dr. Dirk Stemper

Sonntag, 28.9.2025

a green flower
an orange flower
a blue flower

technische Umsetzung