Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge: den inneren Kritiker zum Schweigen bringen und lernen, sich selbst zu unterstützen

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge: den inneren Kritiker zum Schweigen bringen und lernen, sich selbst zu unterstützen

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge

Veröffentlicht am:

27.10.2025

ein ufer, am meeresrand befindet sich eine goldene linie
ein ufer, am meeresrand befindet sich eine goldene linie

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Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge lernen: Selbstmitgefühl heißt, Nein sagen, den inneren Kritiker zum Schweigen bringen, Selbstabwertung stoppen und sich selbst unterstützen, statt sich Vorwürfe zu machen.

Selbstmitgefühl lernen: Der Schlüssel zu innerer Stärke und echter Selbstfürsorge

Selbstmitgefühl ist leider mittlerweile ein esoterisch belastetes Konzept. Stattdessen sollte es einen wissenschaftlich begründeten Weg zu mehr seelischer Gesundheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen weisen. Wer lernt, sich selbst mit Freundlichkeit und Verständnis zu begegnen, statt mit Selbstangriffen oder überhöhten Ansprüchen, verändert die Art, wie er mit Stress, Fehlern und Enttäuschungen umgeht.

Worum es geht:

was Selbstmitgefühl bedeutet,

wie es sich von Selbstmitleid unterscheidet,

warum es so wichtig ist, und,

wie Sie Selbstmitgefühl lernen und stärken können.

Dieser Post ist für alle, die im Alltag mit immensem Druck, innerem Kritiker oder ständigen Schuldgefühlen kämpfen und bereit sind, anders mit sich umzugehen.

1. Was bedeutet Selbstmitgefühl und warum fällt es manchmal so schwer?

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit derselben Freundlichkeit und Nachsicht zu begegnen wie einem guten Freund. Es heißt nicht, sich zu bemitleiden oder Verantwortung zu verweigern, sondern sich selbst menschlich zu behandeln, selbst dann, wenn Fehler passieren oder negative Gefühle auftreten.

Selbstmitgefühl stellt die Verbindung zu sich selbst her, wenn das Leben schmerzt. In der westlichen Kultur des Leistungsdenkens wird Härte mit Stärke verwechselt. Statt sich zu trösten, geht sie hart mit "Minderleistung" ins Gericht. Wer das verinnerlicht, ohne die Selbstgerechtigkeit der Apostel dieser sozialdarwinistischen Lüge, dem fehlt Selbstmitgefühl. Und das wiederum verursacht chronischen Stress, Burnout und mangelnde Resilienz.

Selbstmitgefühl heißt also, sich als liebenswert zu sehen, trotz Makel, Schwächen und Enttäuschungen. Es ist eine Haltung, die Selbstfreundlichkeit, Aufmerksamkeit und gemeinsame Menschlichkeit vereint.

2. Wie unterscheidet sich Selbstmitgefühl von Selbstmitleid?

Selbstmitleid ist ein Zustand der Passivität, in dem sich der Mensch in seinem Leid verliert. Selbstmitgefühl dagegen ist aktiv: Es erkennt Schmerz, öffnet gleichzeitig den Blick auf die Möglichkeit der Bewältigung.

Kristin Neff, Pionierin auf dem Gebiet des Selbstmitgefühls und Professorin für Psychologie, erklärt: „Self-compassion and self-pity are opposites, compassion connects, pity isolates.“ Wer Selbstmitgefühl übt, sieht sich nicht als Opfer, sondern als Teil der menschlichen Erfahrung.

Selbstmitleid verstärkt Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, während Selbstmitgefühl Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufbaut. Der Unterschied liegt also nicht im Gefühl selbst, sondern in der Haltung gegenüber diesem Gefühl, ob wir uns darin verlieren oder uns fürsorglich begegnen.

3. Warum Selbstangriffe kontraproduktiv sind, und wie sie unser Selbstwertgefühl schwächen

Viele Menschen glauben, dass Selbstangriffe sie motivierten. Psychologisch ist das Gegenteil der Fall. Selbstangriffe statt konstruktiver Selbstkritik sorgen für die Ausschüttung von Stresshormonen, blockieren die Motivation und verstärken das Gefühl, minderwertig zu sein. Statt sich Vorwürfe zu machen, wäre Selbstfreundlichkeit der effektivere Weg zur Veränderung.

Ein aggressiver innerer Kritiker ist ein wildgewordenes Gewissen aus früheren Glaubenssätzen, verinnerlichte Stimmen aus Kindheit, Schule oder Beruf. Diese Denkmuster erzeugen ein ständiges Gedankenkarussell aus Ungeduld, Frustration und Selbstabwertung. Studien zeigen: Menschen mit aggressivem inneren Kritiker leiden häufiger an Angst, Depressionen und Burnout.

Selbstmitgefühl stärkt dagegen das Selbstwertgefühl. Es greift nicht auf Erfolg oder Vergleich zurück, sondern auf Wohlwollen. Wer lernt, sich selbst wie ein Freund zu begegnen – warmherzig, aber klar –, gewinnt langfristig emotionale Stabilität.

4. Selbstliebe, Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge – was gehört zusammen?

Selbstliebe und Selbstfürsorge stehen eng mit Selbstmitgefühl in Beziehung, sind jedoch nicht identisch. Selbstliebe betont die Wertschätzung des eigenen Wesens, während Selbstfürsorge das praktische Handeln beschreibt, etwa Nein zu sagen, wenn etwas zu viel wird, oder sich Pausen zu gönnen.

Selbstmitgefühl verbindet beide Ebenen: das Fühlen und das Handeln. Es ist die Brücke zwischen emotionalem Wohlwollen und konkreter Fürsorge. Wenn wir Mitgefühl für uns empfinden, fällt es leichter, fürsorgliche Entscheidungen zu treffen, ohne Schuldgefühle oder Scham.

Selbstmitgefühl geht tiefer als bloße Selbstliebe. Es hält auch in Momenten, in denen Selbstliebe nicht spürbar ist, wenn wir uns verletzlich, minderwertig oder überfordert fühlen.

5. Warum Perfektionismus realistische Selbstkritik blockiert

Perfektionismus klingt zwar nach Engagement, ist aber psychologisch ein Schutzmechanismus gegen Minderwertigkeitskomplexe. Wer perfekt sein will, hat unbewusst Angst vor Ablehnung. Der innere Kritiker setzt diesen Mechanismus ein, um Kontrolle auszuüben. Und Angst ist Raketentreibstoff für den inneren Kritiker.

Perfektionismus führt zu dauernder Selbstkritik und innerem Druck. Er isoliert letztlich seinen Träger, der sich nie gut genug fühlen kann. Das Gegenteil ist bei Mitgefühl der Fall. Selbstmitgefühl begreift Fehler als menschlich. Anstatt Fehler zu vertuschen, lernen wir, sie als Teil unseres Lebens anzunehmen.

Selbstmitgefühl stärken bedeutet hier: den Perfektionismus durch eine realistische Selbstfürsorge zu ersetzen. Statt ununterbrochen zu leisten, dürfen wir innehalten, uns trösten und gelassen reagieren.

6. Wie Selbstmitgefühl Minderwertigkeitsgefühlen über einen vermeintlichen Makel begegnen kann

Minderwertigkeitsgefühle entstehen, wenn wir uns ständig negativ mit anderen vergleichen. Das bestärkt Selbstzweifel. Selbstmitgefühl ermöglicht, sich menschlich zu fühlen, statt "falsch".

Selbstmitgefühl macht weniger anfällig für Depressionen und Scham. Wer eigene Schwächen annehmen kann, wird emotional stabiler und selbstbewusster.

Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man nicht mit unsinnigen positiven „Affirmationen“ zur Selbstaufwertung, sondern mit Fürsorge. Statt sich Vorwürfe zu machen, hilft es, die eigenen Stärken und Schwächen liebevoll und klar anzunehmen. Das ist keine Flucht vor Verantwortung, sondern ein Ausdruck emotionaler Reife.

7. Kleiner Exkurs: Der innere Kritiker – wie man ihn erkennt und zum Schweigen bringt

Ein unfairer innerer Kritiker und ein reifes Gewissen sind sich auf den ersten Blick ähnlich – beide kommentieren, was richtig oder falsch ist, was „geht“ und was nicht. Doch psychologisch trennen sie Welten.

Der Unterschied: Stimme der Angst vs. Stimme der Geradlinigkeit

Der innere Kritiker tritt in vielen Formen auf als Stimme der Selbstkritik, des Zweifels oder der übertriebenen Strenge. Er spricht in Sätzen wie: „Du hättest das besser machen müssen.“ oder „Du bist nicht gut genug.“ Grundsätzlich entwertet er und ist unfair. Der innere Kritiker ist kein moralischer Kompass, sondern ein Angstsystem. Er stammt aus einer belasteten Kindheit, in der Anpassung überlebenswichtig war. Seine Stimme ist überempfindlich, unflexibel und absolut: „Das war dumm“, „Du hast versagt“, „Du bist zu empfindlich“, „Du musst dich mehr anstrengen“.

Er appelliert an Panik und Kontrolle, statt an Gewissen oder an Verantwortung. Seine Aufgabe war ursprünglich Schutz – heute sabotiert er Selbstvertrauen und Selbstmitgefühl.

Das reife Gewissen dagegen ist leise, differenziert, nüchtern. Es beruht nicht auf Angst, sondern auf Werten. Es fragt:

– „War ich ehrlich zu mir und zu anderen?“

– „Habe ich im Einklang mit meinen Überzeugungen gehandelt?“

– „Was kann ich daraus lernen?“

Ein reifes Gewissen korrigiert, ohne zu demütigen. Es lädt zum Nachdenken ein, statt zur Selbstabwertung. Es hilft beim Lernen, während der Kritiker es verhindert, weil er jede Verletzlichkeit als Gefahr betrachtet.

Kurz gesagt:

Der innere Kritiker straft.

Das reife Gewissen orientiert.

Der eine macht klein, der andere lässt wachsen.

Warum der Dialog mit dem Kritiker nicht funktioniert

Um mit dem inneren Kritiker umzugehen, helfen weder Achtsamkeitsgerede noch Mitgefühl. Auch der Versuch, mit dem Kritiker zu diskutieren, ihn zu überzeugen, zu besänftigen oder zu überstimmen, ist zum Scheitern verurteilt, weil der Kritiker kein rationaler Partner ist und kein Wohlergehen anstrebt. Er arbeitet aggressiv, nicht logisch. Jede Diskussion füttert ihn. Je mehr man ihm widerspricht, desto lauter wird er, denn sein Ziel ist Kontrolle statt Verständigung.

Der Kritiker lebt von Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich auf ihn einlassen, bekommt er, was er sucht: die Bestätigung seiner Bedeutung. Ähnlich wie ein fieser Lehrer, der jede Rechtfertigung nutzt, um seine Autorität zu festigen.

Der bessere Weg: das gesunde Erwachsenen-Ich des Selbstmitgefühls an den Tisch holen

Wechseln Sie vielmehr die innere Gesprächsebene: Diskutieren Sie nicht – übernehmen Sie.

Das gesunde Erwachsenen-Ich ist der Teil, der urteilsfähig, ruhig und fürsorglich ist. Es kennt eigene Ideale, Werte und Regeln, akzeptiert Fehler und zieht Grenzen. Es steht in der Mitte zwischen überkritischem Eltern-Ich und impulsivem Kind-Ich.

Wenn der Kritiker spricht, braucht es keine Gegenargumente, sondern Führung.

Drei Schritte helfen dabei:

1.       Erkennen:

„Ah, da ist die Stimme wieder. Sie meint, mich schützen zu müssen.

Dadurch wechseln Sie von Reaktion zu Beobachtung – und das Nervensystem beruhigt sich.

2.       Abgrenzen:

„Danke, aber ich übernehme jetzt.“

Dieser Satz signalisiert, dass die Autorität im Inneren wechselt. Sie entziehen dem Kritiker die Bühne, ohne ihn zu bekämpfen.

3.       Erwachsen reagieren:

Sie prüfen die Situation mit dem reifen Gewissen, nicht mit Angst.

„Habe ich einen Fehler gemacht? Gut – dann lerne ich daraus.“

Kein Drama, kein Urteil, sondern Verantwortung.

Der innere Machtwechsel

Mit der Zeit verstummt der Kritiker, der nicht mehr gebraucht wird. Er verstummt nicht über Nacht, aber er verliert Einfluss, sobald Sie ihm die Führung entziehen.

Das gesunde Erwachsenen-Ich spricht anders: ruhig, klar, respektvoll.

Es weiß, dass es möglich ist, Schuld zu empfinden, ohne sich zu verurteilen.

Es erlaubt Trauer über Fehlentscheidungen, ohne daraus Scham zu machen.

Es erinnert daran, dass man menschlich bleibt – und gerade deshalb fähig ist, sich zu korrigieren.

Das Ziel ist nicht, den Kritiker zu vernichten. Das ginge nicht. Er ist Teil von Ihnen. Es kommt aber darauf an, ihm die Macht zu nehmen, die er nie hätte ergreifen dürfen. Das Gewissen übernimmt.

Der innere Kritiker reagiert auf Angst, nicht auf Werte.

Das reife Gewissen beruht auf Integrität, Verantwortung und Mitgefühl.

Mit dem Kritiker zu diskutieren, verlängert den Konflikt – Führung durch das Erwachsenen-Ich beendet ihn.

Echte innere Autorität zeigt sich nicht in Härte, sondern in freundlicher Klarheit.

Das Ziel ist nicht, sich zu rechtfertigen, sondern innerlich erwachsen zu werden.

Praktische Wege zum Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl zu entwickeln, erfordert Übung, aber kein großes Ritual. Schon kleine Gewohnheiten können das emotionale Gleichgewicht verändern.

1. Aufmerksamkeit:

Beobachten Sie Gedanken, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Wenn Sie merken, dass Sie sich selbst beschimpfen, halten Sie inne und atmen Sie bewusst.

2. Selbstfreundlichkeit:

Sagen Sie innerlich: „Ich darf Fehler machen. Ich bin menschlich.“ Diese Affirmation beruhigt das Nervensystem.

3. Körperliche Fürsorge:

Manchmal ist eine warme Dusche, ein bisschen Schlaf oder ein Spaziergang die beste Therapie. Selbstfürsorge bedeutet, dem Körper das zu geben, was er braucht.

4. Glaubenssätze:

Fragen Sie sich: „Von wem stammt dieser Gedanke?“ Alte Denkmuster lassen sich durch neue Erfahrungen ersetzen.

5. Der „Selbstmitgefühls-Check“:

Fragen Sie sich regelmäßig: „Wie würde ich jetzt mit einer mitfühlenden Freundin sprechen?“

Wer regelmäßig übt, erlebt mehr Gelassenheit und emotionale Balance.

9. Was Sie aus der Forschung über Selbstmitgefühl lernen können

Neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Selbstmitgefühl das Gehirn ähnlich beeinflusst wie zwischenmenschliches Mitgefühl. Selbstfreundlichkeit aktiviert Regionen, die mit Bindung, Sicherheit und Empathie verbunden sind.

Mitgefühl ist eine neurobiologische Ressource für mehr Selbstvertrauen, eine bessere Bewältigung von Stress und gegen Depressionen.

Selbstmitgefühl senkt Schuldgefühle, verhindert Burnout und stärkt die Fähigkeit, mit negativen Gefühlen gelassen umzugehen.

Die wichtigsten Punkte

·         Selbstmitgefühl heißt, sich mit Freundlichkeit statt mit Selbstangriffen zu begegnen.

·         Selbstmitgefühl bedeutet, Schmerz anzuerkennen, ohne sich darin zu verlieren.

·         Selbstmitgefühl verbindet.

·         Selbstfürsorge ist die praktische Umsetzung von Selbstmitgefühl im Alltag.

·         Perfektionismus und mangelndes Selbstmitgefühl führen zu Stress und Burnout.

·         Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man durch Verständnis, nicht durch Vergleich.

·         Der innere Kritiker lässt sich nicht durch Selbstfreundlichkeit und Aufmerksamkeit "beruhigen".

·         Selbstmitgefühl zu entwickeln, stärkt Selbstwertgefühl, Resilienz und seelische Balance.

·         Jeder kann Selbstmitgefühl lernen, Schritt für Schritt, mit Geduld und Fürsorge.


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Selbstmitgefühl ist leider mittlerweile ein esoterisch belastetes Konzept. Stattdessen sollte es einen wissenschaftlich begründeten Weg zu mehr seelischer Gesundheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen weisen. Wer lernt, sich selbst mit Freundlichkeit und Verständnis zu begegnen, statt mit Selbstangriffen oder überhöhten Ansprüchen, verändert die Art, wie er mit Stress, Fehlern und Enttäuschungen umgeht.

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wie Sie Selbstmitgefühl lernen und stärken können.

Dieser Post ist für alle, die im Alltag mit immensem Druck, innerem Kritiker oder ständigen Schuldgefühlen kämpfen und bereit sind, anders mit sich umzugehen.

1. Was bedeutet Selbstmitgefühl und warum fällt es manchmal so schwer?

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit derselben Freundlichkeit und Nachsicht zu begegnen wie einem guten Freund. Es heißt nicht, sich zu bemitleiden oder Verantwortung zu verweigern, sondern sich selbst menschlich zu behandeln, selbst dann, wenn Fehler passieren oder negative Gefühle auftreten.

Selbstmitgefühl stellt die Verbindung zu sich selbst her, wenn das Leben schmerzt. In der westlichen Kultur des Leistungsdenkens wird Härte mit Stärke verwechselt. Statt sich zu trösten, geht sie hart mit "Minderleistung" ins Gericht. Wer das verinnerlicht, ohne die Selbstgerechtigkeit der Apostel dieser sozialdarwinistischen Lüge, dem fehlt Selbstmitgefühl. Und das wiederum verursacht chronischen Stress, Burnout und mangelnde Resilienz.

Selbstmitgefühl heißt also, sich als liebenswert zu sehen, trotz Makel, Schwächen und Enttäuschungen. Es ist eine Haltung, die Selbstfreundlichkeit, Aufmerksamkeit und gemeinsame Menschlichkeit vereint.

2. Wie unterscheidet sich Selbstmitgefühl von Selbstmitleid?

Selbstmitleid ist ein Zustand der Passivität, in dem sich der Mensch in seinem Leid verliert. Selbstmitgefühl dagegen ist aktiv: Es erkennt Schmerz, öffnet gleichzeitig den Blick auf die Möglichkeit der Bewältigung.

Kristin Neff, Pionierin auf dem Gebiet des Selbstmitgefühls und Professorin für Psychologie, erklärt: „Self-compassion and self-pity are opposites, compassion connects, pity isolates.“ Wer Selbstmitgefühl übt, sieht sich nicht als Opfer, sondern als Teil der menschlichen Erfahrung.

Selbstmitleid verstärkt Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, während Selbstmitgefühl Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufbaut. Der Unterschied liegt also nicht im Gefühl selbst, sondern in der Haltung gegenüber diesem Gefühl, ob wir uns darin verlieren oder uns fürsorglich begegnen.

3. Warum Selbstangriffe kontraproduktiv sind, und wie sie unser Selbstwertgefühl schwächen

Viele Menschen glauben, dass Selbstangriffe sie motivierten. Psychologisch ist das Gegenteil der Fall. Selbstangriffe statt konstruktiver Selbstkritik sorgen für die Ausschüttung von Stresshormonen, blockieren die Motivation und verstärken das Gefühl, minderwertig zu sein. Statt sich Vorwürfe zu machen, wäre Selbstfreundlichkeit der effektivere Weg zur Veränderung.

Ein aggressiver innerer Kritiker ist ein wildgewordenes Gewissen aus früheren Glaubenssätzen, verinnerlichte Stimmen aus Kindheit, Schule oder Beruf. Diese Denkmuster erzeugen ein ständiges Gedankenkarussell aus Ungeduld, Frustration und Selbstabwertung. Studien zeigen: Menschen mit aggressivem inneren Kritiker leiden häufiger an Angst, Depressionen und Burnout.

Selbstmitgefühl stärkt dagegen das Selbstwertgefühl. Es greift nicht auf Erfolg oder Vergleich zurück, sondern auf Wohlwollen. Wer lernt, sich selbst wie ein Freund zu begegnen – warmherzig, aber klar –, gewinnt langfristig emotionale Stabilität.

4. Selbstliebe, Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge – was gehört zusammen?

Selbstliebe und Selbstfürsorge stehen eng mit Selbstmitgefühl in Beziehung, sind jedoch nicht identisch. Selbstliebe betont die Wertschätzung des eigenen Wesens, während Selbstfürsorge das praktische Handeln beschreibt, etwa Nein zu sagen, wenn etwas zu viel wird, oder sich Pausen zu gönnen.

Selbstmitgefühl verbindet beide Ebenen: das Fühlen und das Handeln. Es ist die Brücke zwischen emotionalem Wohlwollen und konkreter Fürsorge. Wenn wir Mitgefühl für uns empfinden, fällt es leichter, fürsorgliche Entscheidungen zu treffen, ohne Schuldgefühle oder Scham.

Selbstmitgefühl geht tiefer als bloße Selbstliebe. Es hält auch in Momenten, in denen Selbstliebe nicht spürbar ist, wenn wir uns verletzlich, minderwertig oder überfordert fühlen.

5. Warum Perfektionismus realistische Selbstkritik blockiert

Perfektionismus klingt zwar nach Engagement, ist aber psychologisch ein Schutzmechanismus gegen Minderwertigkeitskomplexe. Wer perfekt sein will, hat unbewusst Angst vor Ablehnung. Der innere Kritiker setzt diesen Mechanismus ein, um Kontrolle auszuüben. Und Angst ist Raketentreibstoff für den inneren Kritiker.

Perfektionismus führt zu dauernder Selbstkritik und innerem Druck. Er isoliert letztlich seinen Träger, der sich nie gut genug fühlen kann. Das Gegenteil ist bei Mitgefühl der Fall. Selbstmitgefühl begreift Fehler als menschlich. Anstatt Fehler zu vertuschen, lernen wir, sie als Teil unseres Lebens anzunehmen.

Selbstmitgefühl stärken bedeutet hier: den Perfektionismus durch eine realistische Selbstfürsorge zu ersetzen. Statt ununterbrochen zu leisten, dürfen wir innehalten, uns trösten und gelassen reagieren.

6. Wie Selbstmitgefühl Minderwertigkeitsgefühlen über einen vermeintlichen Makel begegnen kann

Minderwertigkeitsgefühle entstehen, wenn wir uns ständig negativ mit anderen vergleichen. Das bestärkt Selbstzweifel. Selbstmitgefühl ermöglicht, sich menschlich zu fühlen, statt "falsch".

Selbstmitgefühl macht weniger anfällig für Depressionen und Scham. Wer eigene Schwächen annehmen kann, wird emotional stabiler und selbstbewusster.

Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man nicht mit unsinnigen positiven „Affirmationen“ zur Selbstaufwertung, sondern mit Fürsorge. Statt sich Vorwürfe zu machen, hilft es, die eigenen Stärken und Schwächen liebevoll und klar anzunehmen. Das ist keine Flucht vor Verantwortung, sondern ein Ausdruck emotionaler Reife.

7. Kleiner Exkurs: Der innere Kritiker – wie man ihn erkennt und zum Schweigen bringt

Ein unfairer innerer Kritiker und ein reifes Gewissen sind sich auf den ersten Blick ähnlich – beide kommentieren, was richtig oder falsch ist, was „geht“ und was nicht. Doch psychologisch trennen sie Welten.

Der Unterschied: Stimme der Angst vs. Stimme der Geradlinigkeit

Der innere Kritiker tritt in vielen Formen auf als Stimme der Selbstkritik, des Zweifels oder der übertriebenen Strenge. Er spricht in Sätzen wie: „Du hättest das besser machen müssen.“ oder „Du bist nicht gut genug.“ Grundsätzlich entwertet er und ist unfair. Der innere Kritiker ist kein moralischer Kompass, sondern ein Angstsystem. Er stammt aus einer belasteten Kindheit, in der Anpassung überlebenswichtig war. Seine Stimme ist überempfindlich, unflexibel und absolut: „Das war dumm“, „Du hast versagt“, „Du bist zu empfindlich“, „Du musst dich mehr anstrengen“.

Er appelliert an Panik und Kontrolle, statt an Gewissen oder an Verantwortung. Seine Aufgabe war ursprünglich Schutz – heute sabotiert er Selbstvertrauen und Selbstmitgefühl.

Das reife Gewissen dagegen ist leise, differenziert, nüchtern. Es beruht nicht auf Angst, sondern auf Werten. Es fragt:

– „War ich ehrlich zu mir und zu anderen?“

– „Habe ich im Einklang mit meinen Überzeugungen gehandelt?“

– „Was kann ich daraus lernen?“

Ein reifes Gewissen korrigiert, ohne zu demütigen. Es lädt zum Nachdenken ein, statt zur Selbstabwertung. Es hilft beim Lernen, während der Kritiker es verhindert, weil er jede Verletzlichkeit als Gefahr betrachtet.

Kurz gesagt:

Der innere Kritiker straft.

Das reife Gewissen orientiert.

Der eine macht klein, der andere lässt wachsen.

Warum der Dialog mit dem Kritiker nicht funktioniert

Um mit dem inneren Kritiker umzugehen, helfen weder Achtsamkeitsgerede noch Mitgefühl. Auch der Versuch, mit dem Kritiker zu diskutieren, ihn zu überzeugen, zu besänftigen oder zu überstimmen, ist zum Scheitern verurteilt, weil der Kritiker kein rationaler Partner ist und kein Wohlergehen anstrebt. Er arbeitet aggressiv, nicht logisch. Jede Diskussion füttert ihn. Je mehr man ihm widerspricht, desto lauter wird er, denn sein Ziel ist Kontrolle statt Verständigung.

Der Kritiker lebt von Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich auf ihn einlassen, bekommt er, was er sucht: die Bestätigung seiner Bedeutung. Ähnlich wie ein fieser Lehrer, der jede Rechtfertigung nutzt, um seine Autorität zu festigen.

Der bessere Weg: das gesunde Erwachsenen-Ich des Selbstmitgefühls an den Tisch holen

Wechseln Sie vielmehr die innere Gesprächsebene: Diskutieren Sie nicht – übernehmen Sie.

Das gesunde Erwachsenen-Ich ist der Teil, der urteilsfähig, ruhig und fürsorglich ist. Es kennt eigene Ideale, Werte und Regeln, akzeptiert Fehler und zieht Grenzen. Es steht in der Mitte zwischen überkritischem Eltern-Ich und impulsivem Kind-Ich.

Wenn der Kritiker spricht, braucht es keine Gegenargumente, sondern Führung.

Drei Schritte helfen dabei:

1.       Erkennen:

„Ah, da ist die Stimme wieder. Sie meint, mich schützen zu müssen.

Dadurch wechseln Sie von Reaktion zu Beobachtung – und das Nervensystem beruhigt sich.

2.       Abgrenzen:

„Danke, aber ich übernehme jetzt.“

Dieser Satz signalisiert, dass die Autorität im Inneren wechselt. Sie entziehen dem Kritiker die Bühne, ohne ihn zu bekämpfen.

3.       Erwachsen reagieren:

Sie prüfen die Situation mit dem reifen Gewissen, nicht mit Angst.

„Habe ich einen Fehler gemacht? Gut – dann lerne ich daraus.“

Kein Drama, kein Urteil, sondern Verantwortung.

Der innere Machtwechsel

Mit der Zeit verstummt der Kritiker, der nicht mehr gebraucht wird. Er verstummt nicht über Nacht, aber er verliert Einfluss, sobald Sie ihm die Führung entziehen.

Das gesunde Erwachsenen-Ich spricht anders: ruhig, klar, respektvoll.

Es weiß, dass es möglich ist, Schuld zu empfinden, ohne sich zu verurteilen.

Es erlaubt Trauer über Fehlentscheidungen, ohne daraus Scham zu machen.

Es erinnert daran, dass man menschlich bleibt – und gerade deshalb fähig ist, sich zu korrigieren.

Das Ziel ist nicht, den Kritiker zu vernichten. Das ginge nicht. Er ist Teil von Ihnen. Es kommt aber darauf an, ihm die Macht zu nehmen, die er nie hätte ergreifen dürfen. Das Gewissen übernimmt.

Der innere Kritiker reagiert auf Angst, nicht auf Werte.

Das reife Gewissen beruht auf Integrität, Verantwortung und Mitgefühl.

Mit dem Kritiker zu diskutieren, verlängert den Konflikt – Führung durch das Erwachsenen-Ich beendet ihn.

Echte innere Autorität zeigt sich nicht in Härte, sondern in freundlicher Klarheit.

Das Ziel ist nicht, sich zu rechtfertigen, sondern innerlich erwachsen zu werden.

Praktische Wege zum Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl zu entwickeln, erfordert Übung, aber kein großes Ritual. Schon kleine Gewohnheiten können das emotionale Gleichgewicht verändern.

1. Aufmerksamkeit:

Beobachten Sie Gedanken, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Wenn Sie merken, dass Sie sich selbst beschimpfen, halten Sie inne und atmen Sie bewusst.

2. Selbstfreundlichkeit:

Sagen Sie innerlich: „Ich darf Fehler machen. Ich bin menschlich.“ Diese Affirmation beruhigt das Nervensystem.

3. Körperliche Fürsorge:

Manchmal ist eine warme Dusche, ein bisschen Schlaf oder ein Spaziergang die beste Therapie. Selbstfürsorge bedeutet, dem Körper das zu geben, was er braucht.

4. Glaubenssätze:

Fragen Sie sich: „Von wem stammt dieser Gedanke?“ Alte Denkmuster lassen sich durch neue Erfahrungen ersetzen.

5. Der „Selbstmitgefühls-Check“:

Fragen Sie sich regelmäßig: „Wie würde ich jetzt mit einer mitfühlenden Freundin sprechen?“

Wer regelmäßig übt, erlebt mehr Gelassenheit und emotionale Balance.

9. Was Sie aus der Forschung über Selbstmitgefühl lernen können

Neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Selbstmitgefühl das Gehirn ähnlich beeinflusst wie zwischenmenschliches Mitgefühl. Selbstfreundlichkeit aktiviert Regionen, die mit Bindung, Sicherheit und Empathie verbunden sind.

Mitgefühl ist eine neurobiologische Ressource für mehr Selbstvertrauen, eine bessere Bewältigung von Stress und gegen Depressionen.

Selbstmitgefühl senkt Schuldgefühle, verhindert Burnout und stärkt die Fähigkeit, mit negativen Gefühlen gelassen umzugehen.

Die wichtigsten Punkte

·         Selbstmitgefühl heißt, sich mit Freundlichkeit statt mit Selbstangriffen zu begegnen.

·         Selbstmitgefühl bedeutet, Schmerz anzuerkennen, ohne sich darin zu verlieren.

·         Selbstmitgefühl verbindet.

·         Selbstfürsorge ist die praktische Umsetzung von Selbstmitgefühl im Alltag.

·         Perfektionismus und mangelndes Selbstmitgefühl führen zu Stress und Burnout.

·         Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man durch Verständnis, nicht durch Vergleich.

·         Der innere Kritiker lässt sich nicht durch Selbstfreundlichkeit und Aufmerksamkeit "beruhigen".

·         Selbstmitgefühl zu entwickeln, stärkt Selbstwertgefühl, Resilienz und seelische Balance.

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Selbstmitgefühl lernen: Der Schlüssel zu innerer Stärke und echter Selbstfürsorge

Selbstmitgefühl ist leider mittlerweile ein esoterisch belastetes Konzept. Stattdessen sollte es einen wissenschaftlich begründeten Weg zu mehr seelischer Gesundheit, Gelassenheit und Selbstvertrauen weisen. Wer lernt, sich selbst mit Freundlichkeit und Verständnis zu begegnen, statt mit Selbstangriffen oder überhöhten Ansprüchen, verändert die Art, wie er mit Stress, Fehlern und Enttäuschungen umgeht.

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warum es so wichtig ist, und,

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1. Was bedeutet Selbstmitgefühl und warum fällt es manchmal so schwer?

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst mit derselben Freundlichkeit und Nachsicht zu begegnen wie einem guten Freund. Es heißt nicht, sich zu bemitleiden oder Verantwortung zu verweigern, sondern sich selbst menschlich zu behandeln, selbst dann, wenn Fehler passieren oder negative Gefühle auftreten.

Selbstmitgefühl stellt die Verbindung zu sich selbst her, wenn das Leben schmerzt. In der westlichen Kultur des Leistungsdenkens wird Härte mit Stärke verwechselt. Statt sich zu trösten, geht sie hart mit "Minderleistung" ins Gericht. Wer das verinnerlicht, ohne die Selbstgerechtigkeit der Apostel dieser sozialdarwinistischen Lüge, dem fehlt Selbstmitgefühl. Und das wiederum verursacht chronischen Stress, Burnout und mangelnde Resilienz.

Selbstmitgefühl heißt also, sich als liebenswert zu sehen, trotz Makel, Schwächen und Enttäuschungen. Es ist eine Haltung, die Selbstfreundlichkeit, Aufmerksamkeit und gemeinsame Menschlichkeit vereint.

2. Wie unterscheidet sich Selbstmitgefühl von Selbstmitleid?

Selbstmitleid ist ein Zustand der Passivität, in dem sich der Mensch in seinem Leid verliert. Selbstmitgefühl dagegen ist aktiv: Es erkennt Schmerz, öffnet gleichzeitig den Blick auf die Möglichkeit der Bewältigung.

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Selbstmitleid verstärkt Minderwertigkeits- und Schuldgefühle, während Selbstmitgefühl Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufbaut. Der Unterschied liegt also nicht im Gefühl selbst, sondern in der Haltung gegenüber diesem Gefühl, ob wir uns darin verlieren oder uns fürsorglich begegnen.

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Ein aggressiver innerer Kritiker ist ein wildgewordenes Gewissen aus früheren Glaubenssätzen, verinnerlichte Stimmen aus Kindheit, Schule oder Beruf. Diese Denkmuster erzeugen ein ständiges Gedankenkarussell aus Ungeduld, Frustration und Selbstabwertung. Studien zeigen: Menschen mit aggressivem inneren Kritiker leiden häufiger an Angst, Depressionen und Burnout.

Selbstmitgefühl stärkt dagegen das Selbstwertgefühl. Es greift nicht auf Erfolg oder Vergleich zurück, sondern auf Wohlwollen. Wer lernt, sich selbst wie ein Freund zu begegnen – warmherzig, aber klar –, gewinnt langfristig emotionale Stabilität.

4. Selbstliebe, Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge – was gehört zusammen?

Selbstliebe und Selbstfürsorge stehen eng mit Selbstmitgefühl in Beziehung, sind jedoch nicht identisch. Selbstliebe betont die Wertschätzung des eigenen Wesens, während Selbstfürsorge das praktische Handeln beschreibt, etwa Nein zu sagen, wenn etwas zu viel wird, oder sich Pausen zu gönnen.

Selbstmitgefühl verbindet beide Ebenen: das Fühlen und das Handeln. Es ist die Brücke zwischen emotionalem Wohlwollen und konkreter Fürsorge. Wenn wir Mitgefühl für uns empfinden, fällt es leichter, fürsorgliche Entscheidungen zu treffen, ohne Schuldgefühle oder Scham.

Selbstmitgefühl geht tiefer als bloße Selbstliebe. Es hält auch in Momenten, in denen Selbstliebe nicht spürbar ist, wenn wir uns verletzlich, minderwertig oder überfordert fühlen.

5. Warum Perfektionismus realistische Selbstkritik blockiert

Perfektionismus klingt zwar nach Engagement, ist aber psychologisch ein Schutzmechanismus gegen Minderwertigkeitskomplexe. Wer perfekt sein will, hat unbewusst Angst vor Ablehnung. Der innere Kritiker setzt diesen Mechanismus ein, um Kontrolle auszuüben. Und Angst ist Raketentreibstoff für den inneren Kritiker.

Perfektionismus führt zu dauernder Selbstkritik und innerem Druck. Er isoliert letztlich seinen Träger, der sich nie gut genug fühlen kann. Das Gegenteil ist bei Mitgefühl der Fall. Selbstmitgefühl begreift Fehler als menschlich. Anstatt Fehler zu vertuschen, lernen wir, sie als Teil unseres Lebens anzunehmen.

Selbstmitgefühl stärken bedeutet hier: den Perfektionismus durch eine realistische Selbstfürsorge zu ersetzen. Statt ununterbrochen zu leisten, dürfen wir innehalten, uns trösten und gelassen reagieren.

6. Wie Selbstmitgefühl Minderwertigkeitsgefühlen über einen vermeintlichen Makel begegnen kann

Minderwertigkeitsgefühle entstehen, wenn wir uns ständig negativ mit anderen vergleichen. Das bestärkt Selbstzweifel. Selbstmitgefühl ermöglicht, sich menschlich zu fühlen, statt "falsch".

Selbstmitgefühl macht weniger anfällig für Depressionen und Scham. Wer eigene Schwächen annehmen kann, wird emotional stabiler und selbstbewusster.

Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man nicht mit unsinnigen positiven „Affirmationen“ zur Selbstaufwertung, sondern mit Fürsorge. Statt sich Vorwürfe zu machen, hilft es, die eigenen Stärken und Schwächen liebevoll und klar anzunehmen. Das ist keine Flucht vor Verantwortung, sondern ein Ausdruck emotionaler Reife.

7. Kleiner Exkurs: Der innere Kritiker – wie man ihn erkennt und zum Schweigen bringt

Ein unfairer innerer Kritiker und ein reifes Gewissen sind sich auf den ersten Blick ähnlich – beide kommentieren, was richtig oder falsch ist, was „geht“ und was nicht. Doch psychologisch trennen sie Welten.

Der Unterschied: Stimme der Angst vs. Stimme der Geradlinigkeit

Der innere Kritiker tritt in vielen Formen auf als Stimme der Selbstkritik, des Zweifels oder der übertriebenen Strenge. Er spricht in Sätzen wie: „Du hättest das besser machen müssen.“ oder „Du bist nicht gut genug.“ Grundsätzlich entwertet er und ist unfair. Der innere Kritiker ist kein moralischer Kompass, sondern ein Angstsystem. Er stammt aus einer belasteten Kindheit, in der Anpassung überlebenswichtig war. Seine Stimme ist überempfindlich, unflexibel und absolut: „Das war dumm“, „Du hast versagt“, „Du bist zu empfindlich“, „Du musst dich mehr anstrengen“.

Er appelliert an Panik und Kontrolle, statt an Gewissen oder an Verantwortung. Seine Aufgabe war ursprünglich Schutz – heute sabotiert er Selbstvertrauen und Selbstmitgefühl.

Das reife Gewissen dagegen ist leise, differenziert, nüchtern. Es beruht nicht auf Angst, sondern auf Werten. Es fragt:

– „War ich ehrlich zu mir und zu anderen?“

– „Habe ich im Einklang mit meinen Überzeugungen gehandelt?“

– „Was kann ich daraus lernen?“

Ein reifes Gewissen korrigiert, ohne zu demütigen. Es lädt zum Nachdenken ein, statt zur Selbstabwertung. Es hilft beim Lernen, während der Kritiker es verhindert, weil er jede Verletzlichkeit als Gefahr betrachtet.

Kurz gesagt:

Der innere Kritiker straft.

Das reife Gewissen orientiert.

Der eine macht klein, der andere lässt wachsen.

Warum der Dialog mit dem Kritiker nicht funktioniert

Um mit dem inneren Kritiker umzugehen, helfen weder Achtsamkeitsgerede noch Mitgefühl. Auch der Versuch, mit dem Kritiker zu diskutieren, ihn zu überzeugen, zu besänftigen oder zu überstimmen, ist zum Scheitern verurteilt, weil der Kritiker kein rationaler Partner ist und kein Wohlergehen anstrebt. Er arbeitet aggressiv, nicht logisch. Jede Diskussion füttert ihn. Je mehr man ihm widerspricht, desto lauter wird er, denn sein Ziel ist Kontrolle statt Verständigung.

Der Kritiker lebt von Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich auf ihn einlassen, bekommt er, was er sucht: die Bestätigung seiner Bedeutung. Ähnlich wie ein fieser Lehrer, der jede Rechtfertigung nutzt, um seine Autorität zu festigen.

Der bessere Weg: das gesunde Erwachsenen-Ich des Selbstmitgefühls an den Tisch holen

Wechseln Sie vielmehr die innere Gesprächsebene: Diskutieren Sie nicht – übernehmen Sie.

Das gesunde Erwachsenen-Ich ist der Teil, der urteilsfähig, ruhig und fürsorglich ist. Es kennt eigene Ideale, Werte und Regeln, akzeptiert Fehler und zieht Grenzen. Es steht in der Mitte zwischen überkritischem Eltern-Ich und impulsivem Kind-Ich.

Wenn der Kritiker spricht, braucht es keine Gegenargumente, sondern Führung.

Drei Schritte helfen dabei:

1.       Erkennen:

„Ah, da ist die Stimme wieder. Sie meint, mich schützen zu müssen.

Dadurch wechseln Sie von Reaktion zu Beobachtung – und das Nervensystem beruhigt sich.

2.       Abgrenzen:

„Danke, aber ich übernehme jetzt.“

Dieser Satz signalisiert, dass die Autorität im Inneren wechselt. Sie entziehen dem Kritiker die Bühne, ohne ihn zu bekämpfen.

3.       Erwachsen reagieren:

Sie prüfen die Situation mit dem reifen Gewissen, nicht mit Angst.

„Habe ich einen Fehler gemacht? Gut – dann lerne ich daraus.“

Kein Drama, kein Urteil, sondern Verantwortung.

Der innere Machtwechsel

Mit der Zeit verstummt der Kritiker, der nicht mehr gebraucht wird. Er verstummt nicht über Nacht, aber er verliert Einfluss, sobald Sie ihm die Führung entziehen.

Das gesunde Erwachsenen-Ich spricht anders: ruhig, klar, respektvoll.

Es weiß, dass es möglich ist, Schuld zu empfinden, ohne sich zu verurteilen.

Es erlaubt Trauer über Fehlentscheidungen, ohne daraus Scham zu machen.

Es erinnert daran, dass man menschlich bleibt – und gerade deshalb fähig ist, sich zu korrigieren.

Das Ziel ist nicht, den Kritiker zu vernichten. Das ginge nicht. Er ist Teil von Ihnen. Es kommt aber darauf an, ihm die Macht zu nehmen, die er nie hätte ergreifen dürfen. Das Gewissen übernimmt.

Der innere Kritiker reagiert auf Angst, nicht auf Werte.

Das reife Gewissen beruht auf Integrität, Verantwortung und Mitgefühl.

Mit dem Kritiker zu diskutieren, verlängert den Konflikt – Führung durch das Erwachsenen-Ich beendet ihn.

Echte innere Autorität zeigt sich nicht in Härte, sondern in freundlicher Klarheit.

Das Ziel ist nicht, sich zu rechtfertigen, sondern innerlich erwachsen zu werden.

Praktische Wege zum Selbstmitgefühl

Selbstmitgefühl zu entwickeln, erfordert Übung, aber kein großes Ritual. Schon kleine Gewohnheiten können das emotionale Gleichgewicht verändern.

1. Aufmerksamkeit:

Beobachten Sie Gedanken, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Wenn Sie merken, dass Sie sich selbst beschimpfen, halten Sie inne und atmen Sie bewusst.

2. Selbstfreundlichkeit:

Sagen Sie innerlich: „Ich darf Fehler machen. Ich bin menschlich.“ Diese Affirmation beruhigt das Nervensystem.

3. Körperliche Fürsorge:

Manchmal ist eine warme Dusche, ein bisschen Schlaf oder ein Spaziergang die beste Therapie. Selbstfürsorge bedeutet, dem Körper das zu geben, was er braucht.

4. Glaubenssätze:

Fragen Sie sich: „Von wem stammt dieser Gedanke?“ Alte Denkmuster lassen sich durch neue Erfahrungen ersetzen.

5. Der „Selbstmitgefühls-Check“:

Fragen Sie sich regelmäßig: „Wie würde ich jetzt mit einer mitfühlenden Freundin sprechen?“

Wer regelmäßig übt, erlebt mehr Gelassenheit und emotionale Balance.

9. Was Sie aus der Forschung über Selbstmitgefühl lernen können

Neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Selbstmitgefühl das Gehirn ähnlich beeinflusst wie zwischenmenschliches Mitgefühl. Selbstfreundlichkeit aktiviert Regionen, die mit Bindung, Sicherheit und Empathie verbunden sind.

Mitgefühl ist eine neurobiologische Ressource für mehr Selbstvertrauen, eine bessere Bewältigung von Stress und gegen Depressionen.

Selbstmitgefühl senkt Schuldgefühle, verhindert Burnout und stärkt die Fähigkeit, mit negativen Gefühlen gelassen umzugehen.

Die wichtigsten Punkte

·         Selbstmitgefühl heißt, sich mit Freundlichkeit statt mit Selbstangriffen zu begegnen.

·         Selbstmitgefühl bedeutet, Schmerz anzuerkennen, ohne sich darin zu verlieren.

·         Selbstmitgefühl verbindet.

·         Selbstfürsorge ist die praktische Umsetzung von Selbstmitgefühl im Alltag.

·         Perfektionismus und mangelndes Selbstmitgefühl führen zu Stress und Burnout.

·         Minderwertigkeitsgefühlen begegnet man durch Verständnis, nicht durch Vergleich.

·         Der innere Kritiker lässt sich nicht durch Selbstfreundlichkeit und Aufmerksamkeit "beruhigen".

·         Selbstmitgefühl zu entwickeln, stärkt Selbstwertgefühl, Resilienz und seelische Balance.

·         Jeder kann Selbstmitgefühl lernen, Schritt für Schritt, mit Geduld und Fürsorge.


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