Somatoforme Störung: psychische und somatische Beschwerden, Psychotherapie bei chronischen psychosomatischen Leiden

Somatoforme Störung: psychische und somatische Beschwerden, Psychotherapie bei chronischen psychosomatischen Leiden

Somatoforme Störung

Veröffentlicht am:

12.12.2025

eine frau mit flügeln, sie steht in einem See bei Sonnenuntergang
eine frau mit flügeln, sie steht in einem See bei Sonnenuntergang

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Somatoforme Störung: psychische Ursachen körperlicher Beschwerden mit unklaren organischen Ursachen? Psychotherapie bei chronischen psychosomatischen Leiden: die Diagnose klären und Symptome lindern.

Somatoforme Störung: Wenn chronische Schmerzen und psychische Belastung den Körper sprechen lassen


„Geh Du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf Dich.“ „Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für Dich haben“, sagte der Körper zur Seele. – Ulrich Schaffer

Diese Zeilen des Schriftstellers Ulrich Schaffer fassen in poetischer Verdichtung zusammen, was Millionen Menschen erleben: körperliche Beschwerden, die sich anfühlen wie eine ernsthafte körperliche Erkrankung, doch kein Arzt findet einen organischen Befund. Die somatoforme Störung gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland, wird aber oft erst nach Jahren korrekt diagnostiziert. Betroffene durchlaufen einen Marathonlauf von Facharzt zu Facharzt, von Operation zu Operation, und fühlen sich unverstanden. Dieser Artikel erklärt, was hinter der Erkrankung steckt, warum der Körper zum Sprachrohr seelischer Not wird, und welche therapeutischen Wege tatsächlich helfen.

Was genau ist eine somatoforme Störung?

Eine somatoforme Störung bezeichnet eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter anhaltenden körperlichen Symptomen leiden, für die sich trotz sorgfältiger medizinischer Untersuchung keine ausreichende organische Ursache finden lässt. Das bedeutet nicht, dass die Beschwerden eingebildet sind, im Gegenteil: Der Schmerz ist real, die Übelkeit ist real, die Erschöpfung ist real. Was fehlt, ist lediglich der erwartete körperliche Befund.

Im Klassifikationssystem ICD-10 werden somatoforme Störungen als eigenständige Kategorie geführt (F45). Die Diagnose erfordert, dass körperliche Symptome wiederholt auftretend und über mindestens zwei Jahre andauernd bestehen, ohne dass eine körperliche Krankheit sie vollständig erklärt. Typisch ist zudem, dass Betroffene trotz negativer Untersuchungsergebnisse weiterhin überzeugt sind, an körperlichen Krankheiten zu leiden.

Die Störung ist weit verbreitet: Schätzungen zufolge leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben an somatoformen Beschwerden. In Hausarztpraxen machen Patientinnen und Patienten mit unklaren körperlichen Beschwerden bis zu ein Drittel aller Konsultationen aus. Die Schwere der Erkrankung variiert dabei erheblich, von leichten, vorübergehenden Symptomen bis hin zu schwer belastenden chronischen Verläufen.

Welche Formen somatoformer Störungen gibt es?

Die psychosomatische Medizin unterscheidet mehrere Unterformen. Die Somatisierungsstörung ist die schwerste Variante: Betroffene leiden unter multiplen, wechselnden körperlichen Symptomen in verschiedenen Organsystemen, etwa Bauchschmerzen, Herzrasen, Schwitzen und Kopfschmerzen gleichzeitig. Die Beschwerden bestehen seit Jahren und haben oft zu zahlreichen Arztbesuchen und manchmal auch zu unnötigen Operationen geführt.

Bei der undifferenzierten Somatisierungsstörung sind die Symptome weniger ausgeprägt oder bestehen kürzer, erfüllen aber nicht alle Kriterien der vollständigen Somatisierungsstörung. Die hypochondrische Störung hingegen ist vor allem durch die Angst geprägt, an einer schweren Erkrankung zu leiden, etwa Krebs oder einer neurologischen Erkrankung. Hier steht weniger das Symptom selbst im Vordergrund als die Überzeugung, ernsthaft krank zu sein.

Eine weitere wichtige Kategorie ist die anhaltende Schmerzstörung. Hier leiden Betroffene unter chronischen Schmerzen, deren Intensität und Aufrechterhaltung nicht durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung erklärt werden kann. Psychische Faktoren spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung eine zentrale Rolle. Schließlich gibt es noch die somatoforme autonome Funktionsstörung, bei der Symptome auftreten, die das vegetative Nervensystem betreffen, etwa Herzklopfen, Durchfall oder Atemnot, ohne dass eine organische Funktionsstörung des betroffenen Organs nachweisbar wäre.

Welche Symptome zeigt eine somatoforme Störung?

Die Symptome der somatoformen Störung können praktisch jedes Organsystem betreffen. Häufig sind Schmerzsymptome: chronische Kopfschmerzen, Rückenschmerzen sowie Bauchschmerzen oder Schmerzen in Armen und Beinen. Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsprobleme sind ebenfalls typisch. Kardiovaskuläre Symptome umfassen Herzrasen, Brustschmerzen oder das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Charakteristisch ist, dass die Symptome nicht willkürlich produziert werden, sie sind unwillkürliche Reaktionen des Körpers. Anders als bei der Simulation glauben Betroffene tatsächlich, körperlich krank zu sein. Die Beschwerden können akut auftreten oder chronisch verlaufen, mild oder schwer belastend sein. Oft wechseln sie auch: Kaum ist ein Symptom abgeklungen, tritt ein neues auf.

Begleitend zeigen viele Betroffene Zeichen von Depression und Angst. Sie sind häufig depressiv oder ängstlich, was die körperlichen Beschwerden zusätzlich verstärkt. Ein Teufelskreis entsteht: Die körperlichen Symptome führen zu psychischer Belastung, die wiederum die Symptome aufrechterhält oder verschlimmert. Der Schweregrad der Beeinträchtigung kann dabei so ausgeprägt sein, dass Betroffene ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sozial zunehmend isoliert leben.

Warum findet der Mediziner keine organische Ursache?

Diese Frage ist zentral, und wird von Betroffenen oft als Infragestellung ihrer Beschwerden missverstanden. Wenn nach gründlicher diagnostischer Abklärung kein organischer Befund vorliegt, bedeutet das nicht, dass die Symptome erfunden sind. Es bedeutet, dass die körperliche Ursache der Beschwerden nicht in einer strukturellen Schädigung des Organs liegt, sondern in einer Fehlregulation der somatischen und psychischen Prozesse.

Das Nervensystem spielt dabei eine Schlüsselrolle. Chronischer Stress kann die Schmerzwahrnehmung dauerhaft verändern. Das Gehirn „lernt“ gewissermaßen, Schmerzsignale zu verstärken oder zu produzieren, auch wenn keine akute Gewebeschädigung vorliegt. Diese neurobiologischen Veränderungen sind mittlerweile gut dokumentiert, sie erklären, warum der Schmerz real ist, obwohl bildgebende Verfahren keine Pathologie zeigen.

Hinzu kommt: Die Unterscheidung zwischen „körperlich“ und „psychisch“ ist selbst problematisch. Jeder psychische Prozess hat ein körperliches Korrelat. Angst erhöht den Herzschlag, Trauer drückt auf den Magen, Stress verspannt die Muskulatur. Bei somatoformen Störungen sind diese normalen Verbindungen zwischen Psyche und Körper lediglich intensiviert und chronifiziert. Die Grenze zwischen psychosomatischen Störungen und „rein körperlichen“ Erkrankungen ist fließend, was die Diagnose so komplex macht.

Wie entstehen somatoforme Beschwerden?

Die Entstehung einer somatoformen Störung ist multifaktoriell. Genetische Faktoren spielen eine Rolle: Studien zeigen eine familiäre Häufung, was auf eine genetisch bedingte Vulnerabilität hinweist. Diese genetische Veranlagung macht Menschen anfälliger dafür, auf Belastung mit körperlichen Symptomen zu reagieren.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit sind ein weiterer bedeutsamer Risikofaktor. Vernachlässigung, Missbrauch oder emotionale Kälte können die Fähigkeit beeinträchtigen, seelische Not in Worte zu fassen. Wenn die Sprache für Gefühle fehlt, spricht der Körper. Dieser Prozess, die Somatisierung, ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine automatische Reaktion des psychischen Systems auf unerträgliche Belastung.

Auch aktuelle belastende Ereignisse können eine somatoforme Störung auslösen oder verschlimmern: Trennungen, Jobverlust, Trauerfälle oder anhaltende Konflikte. Die Belastung muss dabei nicht immer offensichtlich traumatisch sein, manchmal reicht chronischer Alltagsstress, um das System zu überfordern. Psychische und soziale Faktoren wirken zusammen und schaffen ein Umfeld, in dem der Körper zum Ausdrucksmittel unverarbeiteter Emotionen wird. Die Beschwerden sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf seelische Not aufmerksam zu machen, genau wie es Schaffers Gedicht beschreibt.

Warum Mentalisierung der Schlüssel zum Verständnis somatoformer Störungen ist

Das Konzept der Mentalisierung, entwickelt von Peter Fonagy und Kollegen, bietet einen wissenschaftlich fundierten Rahmen für das Verständnis somatoformer Störungen. Mentalisierung bezeichnet die Fähigkeit, eigenes und fremdes Verhalten als Ausdruck innerer mentaler Zustände zu verstehen, also Gefühle, Wünsche, Überzeugungen und Absichten hinter Handlungen zu erkennen. Diese Fähigkeit entwickelt sich in der frühen Kindheit im Kontext sicherer Bindungsbeziehungen. Wenn Bezugspersonen die emotionalen Zustände des Kindes zuverlässig spiegeln und benennen, lernt das Kind, seine inneren Zustände als mentale Phänomene zu repräsentieren.

Bei Menschen mit somatoformen Störungen ist diese Mentalisierungsfähigkeit häufig eingeschränkt, nicht generell, aber spezifisch für belastende Affekte. Der Fachbegriff Alexithymie beschreibt eine verwandte Schwierigkeit: die Unfähigkeit, Gefühle zu identifizieren und in Worte zu fassen. Wenn seelische Zustände nicht als psychisch erkannt werden können, werden sie im Körper erlebt. Der Schmerz, die Übelkeit, das Herzrasen sind dann keine Symbole für etwas Psychisches, sie sind das Psychische, nur eben in körperlicher Form. Die Störung liegt nicht im Körper und nicht in der Psyche, sondern in der fehlenden Brücke zwischen beiden.

Therapeutisch hat dieses Verständnis konkrete Konsequenzen. Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) zielt darauf ab, die Fähigkeit zur Reflexion über innere Zustände zu stärken. Statt den Körper als defekt zu behandeln oder psychische Ursachen zu suchen, geht es darum, eine neue Sprache für das Erleben zu entwickeln. Der psychotherapeutische Prozess hilft Betroffenen, ihre körperlichen Symptome allmählich als Ausdruck von Gefühlen zu verstehen, nicht durch Interpretation von außen, sondern durch wachsende eigene Mentalisierungskompetenz. Dieser Ansatz ist empirisch gut untersucht und zeigt nachhaltige Effekte bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, einschließlich psychosomatischer Störungen.

Warum „The Body Keeps the Score“ pseudowissenschaftlicher Populismus ist

Bessel van der Kolks Bestseller „The Body Keeps the Score“ hat eine ganze Generation von Laien und leider auch Therapeuten mit einer fundamental falschen Vorstellung von Trauma und Körper infiziert. Die Kernthese, Traumata würden buchstäblich „im Körper gespeichert“ und müssten durch körperbasierte Interventionen „befreit“ werden, ist neurobiologischer Unsinn, verpackt in die Ästhetik wissenschaftlicher Autorität.

Der Körper speichert keine Erinnerungen. Das Gehirn tut das. Was van der Kolk als „Körpergedächtnis“ verkauft, sind veränderte neuronale Verarbeitungsmuster, die selbstverständlich körperliche Korrelate haben, wie jeder mentale Zustand. Aber die Metapher des im Gewebe eingeschlossenen Traumas, das durch Yoga, Massage oder Theatertherapie „freigesetzt“ werden muss, bedient esoterische Fantasien, nicht Wissenschaft. Sie suggeriert, man könne das Gehirn umgehen und direkt am Körper heilen. Das ist ungefähr so plausibel wie die Behauptung, man könne Software reparieren, indem man die Festplatte streichelt.

Besonders problematisch: van der Kolk bewirbt ein Sammelsurium von Methoden – EMDR, Yoga, Neurofeedback, Theatergruppen, Kampfsport – mit einem Enthusiasmus, der die tatsächliche Evidenzlage grotesk überstrapaziert. EMDR ist für PTBS gut belegt; für somatoforme Störungen ist die Datenlage dünn. Yoga kann als Ergänzung hilfreich sein; als primäre Traumatherapie ist es nicht evidenzbasiert. Doch van der Kolk präsentiert diese Methoden, als hätten sie alle vergleichbare Wirksamkeit, Hauptsache, der Körper wird „einbezogen“. Das ist keine differenzierte klinische Empfehlung, sondern Marketing für eine Ideologie.

Die Abgrenzung zum Mentalisierungskonzept macht den Unterschied deutlich. Fonagy fragt: Wie kann der Patient lernen, seine körperlichen Empfindungen als Ausdruck mentaler Zustände zu verstehen? Van der Kolk fragt: Wie können wir das Trauma aus dem Körper herausbekommen? Die erste Frage führt zu Autonomie und Selbstverständnis. Die zweite führt zu endlosen Körpertherapien, bei denen immer noch ein weiteres Trauma „gelöst“ werden muss. Seriöse Psychotherapie entwickelt Mentalisierungsfähigkeit. Van-der-Kolk-inspirierte Körperarbeit ersetzt eine Abhängigkeit durch eine andere.

Für Betroffene somatoformer Störungen ist diese Unterscheidung existenziell. Wer glaubt, sein Körper sei ein Gefängnis voller eingesperrter Traumata, wird zum Dauerkonsumenten esoterischer Angebote. Wer versteht, dass der Körper Signale sendet, die er noch nicht in psychische Sprache übersetzen kann, hat einen Entwicklungsweg vor sich. Der eine Weg chronifiziert die Störung. Der andere führt heraus.

EMDR und Brainspotting: Körperbezogene Arbeit im Dienst der Mentalisierung

Wenn körperorientierte Verfahren so kritisch zu betrachten sind, gibt es dann überhaupt einen Platz für sie in der Behandlung somatoformer Störungen? Die Antwort ist ja, aber mit einer entscheidenden Einschränkung: Die Methode muss Mentalisierung fördern, nicht ersetzen. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist das am besten untersuchte Beispiel für eine körperbezogene Intervention, die genau das leisten kann.

EMDR wurde ursprünglich von Francine Shapiro für die Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt und gehört heute zu den am besten evidenzbasierten Verfahren bei PTBS. Die Methode nutzt bilaterale Stimulation, meist durch geführte Augenbewegungen, um die Verarbeitung belastender Erinnerungen zu unterstützen. Was EMDR von esoterischen Körpertherapien unterscheidet: Die körperliche Komponente ist kein Selbstzweck, sondern Katalysator für psychische Verarbeitung. Der Patient bleibt nicht im reinen Körpererleben stecken, sondern nutzt die fokussierte Aufmerksamkeit, um Verbindungen zwischen körperlichen Empfindungen, Emotionen und Bedeutungen herzustellen. Das ist Mentalisierungsarbeit mit körperlichem Zugang.

Brainspotting, entwickelt von David Grand, ist eine Spielart von EMDR, die stärker auf die Beobachtung setzt, dass bestimmte Blickpositionen mit der Aktivierung emotionaler und körperlicher Zustände korrelieren. Der Therapeut hilft dem Patienten, einen „Brainspot“ zu finden, eine Augenposition, bei der die Verbindung zu einem belastenden Erleben besonders intensiv spürbar wird. Die Evidenzlage für Brainspotting ist deutlich dünner als für EMDR; spezifische Wirksamkeitsnachweise für somatoforme Störungen fehlen weitgehend. Das macht Brainspotting nicht wertlos, aber es sollte mit angemessener Vorsicht eingesetzt werden: als klinisch interessante Erweiterung des EMDR-Prinzips, nicht als eigenständiges Wunderverfahren.

Der entscheidende Unterschied zu esoterischen Körpertherapien liegt in der therapeutischen Haltung. Weder EMDR noch Brainspotting sind Selbstläufer oder Techniken, die man isoliert anwendet. Sie funktionieren innerhalb einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, in der der Therapeut als Mentalisierungsmodell dient. Die körperlichen Empfindungen, die während der Sitzung auftauchen, werden nicht als „Traumafreisetzung“ mystifiziert, sondern als Material für gemeinsame Reflexion genutzt. Was spürt der Patient? Was könnte das bedeuten? Welche Gefühle, Erinnerungen, Gedanken tauchen auf? Diese Fragen übersetzen Körpererleben in psychische Sprache, sie fördern genau die Mentalisierungsfähigkeit, die bei somatoformen Störungen eingeschränkt ist. Wer EMDR oder Brainspotting als Teil eines mentalisierungsfördernden Gesamtkonzepts nutzt, kann damit einen wertvollen Beitrag zur Behandlung leisten. Wer sie als Körpertechnik verkauft, die das Gespräch überflüssig macht, reproduziert den Fehler, den van der Kolk zum Geschäftsmodell gemacht hat.

Wie beeinflusst psychische Belastung die Schmerzwahrnehmung?

Psychische Belastung verändert nachweislich die Art, wie das Gehirn Schmerzsignale verarbeitet. Bei chronischem Stress werden Schmerzhemmungsmechanismen geschwächt und Schmerzempfindlichkeit gesteigert. Das erklärt, warum Menschen unter psychischer Belastung Schmerzen intensiver wahrnehmen, und warum Entspannung und psychische Stabilisierung Schmerzen lindern können.

Die mit den Schmerzen verbundenen Gefühle spielen ebenfalls eine Rolle. Wer Schmerz mit Angst, Hilflosigkeit oder Katastrophendenken verbindet, erlebt ihn intensiver. Umgekehrt kann eine akzeptierende, gelassene Haltung die Schmerzwahrnehmung reduzieren. Psychotherapeutische Interventionen setzen genau hier an: Sie verändern nicht primär den Schmerz selbst, sondern die Beziehung zum Schmerz.

Interessanterweise zeigen bildgebende Studien, dass bei chronischen Schmerzpatienten tatsächlich Veränderungen in Hirnarealen sichtbar sind, die für Schmerzverarbeitung zuständig sind. Die Schmerzstörung hinterlässt also messbare Spuren im Gehirn, ein weiterer Beleg dafür, dass die Trennung von „körperlich“ und „psychisch“ künstlich ist. Der Schmerz ist weder rein körperlich noch rein psychisch, er ist beides zugleich.

Welche Rolle spielt Psychotherapie bei somatoformen Störungen?

Psychotherapie ist die Behandlung der Wahl bei somatoformen Störungen. Psychotherapeutische Verfahren haben sich als wirksamer erwiesen als eine rein medikamentöse Behandlung oder fortgesetzte körperliche Diagnostik. Das bedeutet nicht, dass körperliche Behandlung unwichtig wäre, aber ohne psychotherapeutische Bearbeitung der zugrunde liegenden psychischen Ursachen ist eine nachhaltige Besserung unwahrscheinlich.

Kognitive Verhaltenstherapie hilft Betroffenen, ungünstige Denkmuster, die zu ihren Symptomen führen, zu erkennen und zu verändern. Psychodynamische Psychotherapie fokussiert sich stärker auf unbewusste Konflikte und verdrängte Gefühle, die sich körperlich ausdrücken. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, welcher besser passt, hängt von der betroffenen Person und ihrer Problemkonstellation ab.

Ein zentrales Element jeder therapeutischen Arbeit ist die Psychoedukation: Betroffene lernen, den Zusammenhang zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen. Dieses Verständnis allein hat oft bereits entlastende Wirkung. Wenn der Körper nicht mehr als defekt erlebt wird, sondern als Kommunikationsmittel der Psyche, verändert sich die Beziehung zu den Beschwerden grundlegend.

Wie erfolgt die Diagnose einer somatoformen Störung?

Die Diagnose ist nicht einfach ein sorgfältiger Ausschlussprozess. Zwar müssen Ärzte organische Ursachen für die Beschwerden ausschließen, allerdings ohne dabei in endlose diagnostische Schleifen zu geraten. Ein erfahrener Mediziner weiß, wann weitere Untersuchungen sinnvoll sind und wann sie nur die Fixierung auf körperliche Erklärungen verstärken.

Die diagnostische Herausforderung besteht darin, einerseits keine ernsthafte körperliche Erkrankung zu übersehen, andererseits nicht durch Überdiagnostik die Störung zu chronifizieren. Jede weitere Operation, jede weitere Untersuchung kann die Überzeugung verstärken, dass „doch etwas gefunden werden muss“. Dieses abnorme Krankheitsverhalten ist selbst Teil der Störung und muss therapeutisch adressiert werden.

Neben dem Ausschluss körperlicher Ursachen gehört zur Diagnose auch die Erhebung der psychischen Vorgeschichte. Gab es traumatische Erlebnisse? Bestehen aktuell Belastungen? Wie geht die betroffene Person mit Stress um? Diese Informationen sind entscheidend für Diagnose und Behandlungsplanung. Die Diagnose sollte dabei nicht als Stigma erlebt werden, sondern als Chance: Endlich gibt es eine Erklärung, und damit auch einen Ansatzpunkt für eine wirksame Behandlung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es jenseits der Psychotherapie?

Neben Psychotherapie können weitere Behandlungsmöglichkeiten hilfreich sein, allerdings als Ergänzung, nicht als Ersatz. Gut belegt ist die Wirksamkeit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR), die strukturiert die Aufmerksamkeitsregulation trainiert und dabei hilft, körperliche Empfindungen ohne Katastrophisieren wahrzunehmen. Regelmäßige körperliche Bewegung, ob Ausdauersport, Krafttraining oder Schwimmen, wirkt nachweislich antidepressiv und anxiolytisch, ohne dass man dafür esoterische Rahmentheorien bemühen müsste. Auch Biofeedback kann sinnvoll sein: Patienten lernen, vegetative Reaktionen wie Herzratenvariabilität oder Muskelspannung bewusst wahrzunehmen und zu beeinflussen ein konkreter, messbarer Zugang zur Körper-Psyche-Verbindung.

In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein. Hier werden verschiedene therapeutische Ansätze kombiniert: Einzel- und Gruppentherapie, Entspannungsverfahren und ggf. medikamentöse Unterstützung. Der Vorteil: Betroffene sind für einige Wochen aus ihrem belastenden Alltag herausgenommen und können sich ganz auf ihre Genesung konzentrieren.

Ambulant kann eine Kombination aus Psychotherapie und begleitender hausärztlicher Versorgung am sinnvollsten sein. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Psychotherapeut. Der Hausarzt sollte nicht bei jedem neuen Symptom neue Diagnostik einleiten, aber dennoch ernsthaft und empathisch auf die Beschwerden eingehen. Diese Balance ist anspruchsvoll, aber entscheidend für den Behandlungserfolg. Was all diese ergänzenden Maßnahmen gemeinsam haben sollten: Sie dienen der Stressregulation und Körperwahrnehmung, nicht der mythischen „Befreiung“ von im Gewebe gespeicherten Traumata.

Wie können Betroffene mit der Erkrankung umgehen?

Der erste Schritt ist die Akzeptanz, dass körperliche Symptome auch psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real macht. Viele Betroffene wehren sich lange gegen diese Erkenntnis, weil sie befürchten, als „eingebildet krank“ abgestempelt zu werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Anerkennung der psychosomatischen Komponente eröffnet erst den Weg zur Heilung.

Hilfreich ist auch, den Fokus vom Symptom wegzulenken. Betroffene sind oft in einem ständigen Beobachtungsmodus: Wie stark ist der Schmerz heute? Wird er schlimmer? Was bedeutet dieses neue Symptom? Diese Hypervigilanz verstärkt die Beschwerden. Ablenkung, angenehme Aktivitäten und soziale Kontakte können diesen Teufelskreis durchbrechen.

Schließlich ist Geduld wichtig. Eine somatoforme Störung, die sich über Jahre entwickelt hat, verschwindet nicht innerhalb weniger Wochen. Rückschläge gehören dazu. Aber mit konsequenter psychotherapeutischer Behandlung und einem verständnisvollen Umfeld sind deutliche Besserungen möglich. Der Körper, der so lange Warnsignale gesendet hat, kann wieder zur Ruhe kommen, wenn die Seele endlich gehört wird.

Zusammenfassung: Was Sie über somatoforme Störungen wissen sollten

·         Bei einer somatoformen Störung sind körperliche Symptome real und belastend, auch wenn keine organische Ursache gefunden wird

·         Die Erkrankung ist häufig, bis zu 15 Prozent der Bevölkerung sind betroffen

·         Formen umfassen die Somatisierungsstörung, hypochondrische Störung, anhaltende Schmerzstörung und somatoforme autonome Funktionsstörung

·         Psychische Belastung, Stress und unverarbeitete Traumata können Symptome auslösen und aufrechterhalten

·         Eingeschränkte Mentalisierungsfähigkeit, die Unfähigkeit, Gefühle als psychische Zustände zu erkennen, erklärt, warum seelische Belastung körperlich erlebt wird

·         Mentalisierungsbasierte Therapie stärkt die Fähigkeit, körperliche Symptome als Ausdruck innerer Zustände zu verstehen

·         Populärpsychologische Konzepte wie van der Kolks „Körpergedächtnis“ sind wissenschaftlich unhaltbar und fördern esoterische statt evidenzbasierte Behandlungsansätze

·         EMDR ist ein evidenzbasiertes Verfahren, das körperbezogene Elemente sinnvoll mit Mentalisierungsarbeit verbindet; Brainspotting ist eine klinisch interessante Spielart mit geringerer Evidenz

·         Die Diagnose erfordert sorgfältigen Ausschluss körperlicher Ursachen ohne Überdiagnostik

·         Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung

·         Körperorientierte Verfahren und bei Bedarf stationäre Behandlung ergänzen das Therapiespektrum

·         Akzeptanz der psychosomatischen Zusammenhänge ist der erste Schritt zur Besserung

·         Chronische Verläufe können mit Geduld und professioneller Hilfe positiv beeinflusst werden

Häufige Fragen rund um Somatisierung und psychosomatische Beschwerden

Was ist eine Somatisierungsstörung in der Psychosomatik?

Eine Somatisierungsstörung ist eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter vielfältigen, wechselnden körperlichen Symptomen leiden, für die trotz gründlicher Untersuchung keine ausreichende organische Ursache gefunden wird. Die Beschwerden sind real, nicht eingebildet, aber ihre Entstehung und Aufrechterhaltung werden maßgeblich durch psychische Faktoren beeinflusst. In der Psychosomatik versteht man die Somatisierungsstörung als Ausdruck seelischer Belastung, die sich mangels anderer Ausdrucksmöglichkeiten im Körper manifestiert.

Was ist der Unterschied zwischen "somatisch" und "psychosomatisch"?

„Somatisch“ bedeutet schlicht „den Körper betreffend“, eine somatische Erkrankung ist eine körperliche Erkrankung mit nachweisbarer organischer Ursache, etwa ein Knochenbruch oder eine Infektion. „Psychosomatisch“ bezeichnet hingegen Beschwerden, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle bei Entstehung oder Verlauf spielen. Der Körper reagiert auf seelische Belastung mit körperlichen Symptomen. Wichtig: Psychosomatisch bedeutet nicht „eingebildet“, sondern beschreibt die enge Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper.

Was sind psychosomatische Beschwerden?

Psychosomatische Beschwerden sind körperliche Symptome, die durch psychische Belastung ausgelöst oder verstärkt werden. Dazu gehören etwa Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder chronische Erschöpfung. Die Beschwerden fühlen sich für Betroffene genauso real an wie bei einer rein körperlichen Erkrankung, denn sie sind real. Der Unterschied liegt nicht in der Intensität des Erlebens, sondern in der Ursache.

Welche Krankheiten gelten als psychosomatisch?

Zu den klassischen psychosomatischen Erkrankungen zählen die Somatisierungsstörung, die hypochondrische Störung, die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, funktionelle Herzbeschwerden, Reizdarmsyndrom, Spannungskopfschmerz und Fibromyalgie. Auch bei Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma oder Bluthochdruck können psychische Faktoren den Verlauf erheblich beeinflussen. Die Grenzen sind fließend, fast jede körperliche Erkrankung hat auch eine psychische Komponente.

Was sind die sieben psychosomatischen Erkrankungen?

Die Vorstellung von genau „sieben psychosomatischen Erkrankungen“ geht auf die historische Konzeption der „Holy Seven“ zurück, die Franz Alexander in den 1950er Jahren formulierte: Magengeschwür, Colitis ulcerosa, Asthma bronchiale, rheumatoide Arthritis, Neurodermitis, Bluthochdruck und Schilddrüsenüberfunktion. Diese Einteilung ist heute überholt. Wir wissen mittlerweile, dass psychosomatische Zusammenhänge bei praktisch allen Erkrankungen eine Rolle spielen können, und die strikte Trennung in „psychosomatisch“ und „nicht psychosomatisch“ entspricht nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand.

Welche Somatisierungsstörungen gibt es?

Die ICD-10 unterscheidet mehrere Formen: die Somatisierungsstörung (F45.0) mit zahlreichen, wechselnden Symptomen über mindestens zwei Jahre; die undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) mit weniger ausgeprägten oder kürzeren Verläufen; die hypochondrische Störung (F45.2) mit der Überzeugung, schwer krank zu sein; die somatoforme autonome Funktionsstörung (F45.3) mit Symptomen des vegetativen Nervensystems; und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) mit chronischen Schmerzen ohne ausreichende körperliche Erklärung.

Was ist die Ursache für Somatisierungsstörungen?

Die Ursachen sind vielfältig und wirken zusammen. Genetische Faktoren erhöhen die Vulnerabilität. Frühe Bindungserfahrungen spielen eine zentrale Rolle: Wer als Kind nicht gelernt hat, Gefühle zu erkennen und auszudrücken, neigt eher dazu, seelische Belastung körperlich zu erleben. Traumatische Erlebnisse, chronischer Stress und aktuelle Lebensbelastungen können eine Somatisierungsstörung auslösen. Aus mentalisierungstheoretischer Sicht fehlt Betroffenen oft die Fähigkeit, körperliche Empfindungen als Ausdruck psychischer Zustände zu erkennen.

Wie machen sich psychosomatische Störungen bemerkbar?

Psychosomatische Störungen können sich in nahezu jedem Organsystem zeigen: Schmerzen (Kopf, Rücken, Bauch, Gelenke), Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Durchfall, Verstopfung), Herz-Kreislauf-Symptome (Herzrasen, Brustenge, Schwindel), Atembeschwerden, Hautprobleme, Erschöpfung oder Schlafstörungen. Charakteristisch ist oft, dass die Symptome wechseln, dass Untersuchungen keine ausreichende körperliche Erklärung liefern und  die Beschwerden bei Stress zunehmen.

Wie fühlen sich psychosomatische Schmerzen an?

Psychosomatische Schmerzen fühlen sich genauso real an wie Schmerzen mit eindeutiger körperlicher Ursache, weil sie real sind. Das Gehirn produziert dieselben Schmerzsignale, die Nervenbahnen leiten dieselben Impulse. Betroffene beschreiben oft dumpfe, diffuse Schmerzen, die schwer zu lokalisieren sind, oder wandernde Schmerzen, die heute hier und morgen dort auftreten. Die Intensität kann von leicht störend bis völlig beeinträchtigend reichen.

Was löst psychosomatische Schmerzen aus?

Auslöser können akute Belastungen sein (Konflikte, Verluste, Überforderung) oder chronischer Stress ohne erkennbaren Einzelauslöser. Oft finden sich in der Vorgeschichte unverarbeitete emotionale Erfahrungen, nicht zwingend dramatische Traumata, manchmal auch subtilere Formen emotionaler Vernachlässigung. Der Körper reagiert auf seelische Not, die nicht in Worte gefasst werden kann. Die Schmerzen sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf etwas aufmerksam zu machen, das psychisch nicht verarbeitet werden konnte.

Wie zeigt der Körper, dass die Seele leidet?

Der Körper hat viele Sprachen: Muskelverspannungen bei angestauter Wut, Magenbeschwerden bei „unverdauten“ Konflikten, Herzrasen bei Angst, Erschöpfung bei Depression, Hautprobleme bei Schamkonflikten. Diese Zusammenhänge sind keine esoterischen Symbolismen, sondern neurobiologisch nachvollziehbar. Das vegetative Nervensystem reagiert auf psychische Belastung mit messbaren körperlichen Veränderungen. Bei chronischer Belastung können diese Reaktionen sich verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Wie äußert sich Überforderung körperlich?

Körperliche Zeichen chronischer Überforderung umfassen Erschöpfung trotz ausreichend Schlaf, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenverspannungen, Magen-Darm-Probleme, erhöhte Infektanfälligkeit, Schlafstörungen und Herzrasen. Viele Betroffene berichten von einem Gefühl innerer Anspannung, die sich nicht lösen lässt. Langfristig kann chronische Überforderung in ein Burn-out oder eine depressive Episode münden.

Wie merkt man, dass man mit den Nerven am Ende ist?

Warnsignale sind anhaltende Erschöpfung, die durch Erholung nicht besser wird; zunehmende Reizbarkeit oder emotionale Taubheit; Schlafstörungen; körperliche Beschwerden ohne klare Ursache; sozialer Rückzug; Konzentrations- und Gedächtnisprobleme; das Gefühl, selbst einfache Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können; und Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die früher Freude gemacht haben. Wenn mehrere dieser Zeichen über Wochen bestehen, ist professionelle Unterstützung angeraten.

Wie äußert sich innerlicher Stress?

Innerlicher Stress zeigt sich auf mehreren Ebenen: körperlich durch Anspannung, Unruhe, Herzrasen oder Verdauungsprobleme; emotional durch Gereiztheit, Ängstlichkeit oder Niedergeschlagenheit; kognitiv durch Grübeln, Konzentrationsprobleme oder Katastrophendenken; und verhaltensmäßig durch Schlafprobleme, verändertes Essverhalten oder Substanzkonsum. Oft bemerken Betroffene den Stress selbst nicht, der Körper signalisiert ihn dann durch Beschwerden.

Was sind Warnsignale des Körpers?

Der Körper sendet Warnsignale, wenn das System überlastet ist: wiederkehrende Infekte, chronische Müdigkeit, unerklärliche Schmerzen, Verdauungsprobleme, Hautveränderungen, Haarausfall, Gewichtsveränderungen, Schlafstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen. Diese Signale ernst zu nehmen bedeutet nicht, in Panik zu verfallen, sondern innezuhalten und zu fragen: Was braucht mein Körper? Was belastet mich? Manchmal ist ein körperliches Symptom der einzige Hinweis darauf, dass psychisch etwas im Argen liegt.

Was ist eine somatische Stressreaktion?

Eine somatische Stressreaktion ist die körperliche Antwort auf psychische Belastung. Bei akutem Stress aktiviert der Körper das sympathische Nervensystem: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, Muskeln spannen sich an, die Verdauung wird gehemmt, Stresshormone werden ausgeschüttet. Diese Reaktion ist evolutionär sinnvoll, sie bereitet auf Kampf oder Flucht vor. Problematisch wird es, wenn der Stress chronisch ist und der Körper keine Erholung findet. Dann können sich die Stressreaktionen verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Welche Beispiele gibt es für somatische Erkrankungen?

Somatische Erkrankungen im engeren Sinne sind körperliche Erkrankungen mit nachweisbarer organischer Ursache: Infektionskrankheiten, Knochenbrüche, Herzinfarkt, Krebs, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen. Der Begriff wird manchmal verwirrend verwendet. In der Psychiatrie bezeichnet „somatische Erkrankung“ eine körperliche Erkrankung im Gegensatz zu einer psychischen. In der Psychosomatik wird zwischen rein somatischen Erkrankungen und solchen, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, unterschieden.

Welches Problem tritt häufig bei Patienten mit Somatisierungsstörung auf?

Betroffene geraten oft in einen Teufelskreis aus Arztbesuchen, Untersuchungen und Enttäuschungen. Sie suchen nach einer körperlichen Erklärung, finden keine, fühlen sich nicht ernst genommen und wechseln zum nächsten Arzt. Dieses „Doctor-Shopping“ kann zu unnötigen Eingriffen führen und die Störung chronifizieren. Hinzu kommt häufig eine Begleitdepression oder eine Angststörung. Die größte Hürde ist oft die Akzeptanz dafür, dass die Beschwerden real sind, aber psychische Ursachen haben.

Woher weiß ich, ob meine Beschwerden psychosomatisch sind?

Hinweise auf eine psychosomatische Komponente sind: mehrfache Untersuchungen ohne eindeutigen Befund; wechselnde oder wandernde Symptome; Zusammenhang zwischen Beschwerden und Belastungssituationen; Besserung in entspannten Phasen; begleitende Ängste oder depressive Verstimmung; Überzeugung, schwer krank zu sein, trotz unauffälliger Befunde. Wichtig: Eine psychosomatische Diagnose ist keine Ausschlussdiagnose im Sinne von „Wir finden nichts, also ist es psychisch“. Sie erfordert positive Kriterien sowie eine sorgfältige Erhebung der psychischen Vorgeschichte.

Was machen ständige Schmerzen mit der Psyche?

Chronische Schmerzen belasten die Psyche erheblich. Sie erhöhen das Risiko für Depression und Angststörungen, führen zu sozialem Rückzug, beeinträchtigen Konzentration und Lebensqualität und können das Selbstbild verändern. Betroffene erleben sich als hilflos und der Krankheit ausgeliefert. Es entsteht ein Teufelskreis: Schmerz führt zu psychischer Belastung, die Schmerzwahrnehmung verstärkt. Deshalb ist bei chronischen Schmerzen immer auch eine psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll.

Wie bekomme ich psychosomatische Symptome weg?

Der wichtigste Schritt ist die Akzeptanz dafür, dass körperliche Symptome psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real erscheinen lässt. Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Verfahren. Ergänzend können Stressmanagement, achtsamkeitsbasierte Verfahren, regelmäßige Bewegung sowie Entspannungstechniken helfen. Entscheidend ist, den Fokus von der Symptombekämpfung auf die zugrundeliegenden emotionalen Themen zu verlagern.

Wie kann man eine Somatisierungsstörung heilen?

„Heilung“ im Sinne vollständiger Symptomfreiheit ist nicht immer realistisch, aber deutliche Besserung ist gut möglich. Psychotherapie hilft, die Zusammenhänge zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen und neue Umgangsweisen zu entwickeln. Der Fokus verschiebt sich von „Symptom wegmachen“ zu „anders mit dem Symptom umgehen“. Viele Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden abnehmen, wenn sie lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken.

Sind Somatisierungsstörungen heilbar?

Ja, mit Einschränkungen. Vollständige Symptomfreiheit ist bei allen Betroffenen nicht zu erreichen, aber die Lebensqualität kann sich erheblich verbessern. Studien zeigen, dass Psychotherapie die Symptomintensität reduziert, die Funktionsfähigkeit erhöht und den Leidensdruck mindert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Bereitschaft, psychische Zusammenhänge zu akzeptieren und aktiv an der Veränderung mitzuarbeiten. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser ist die Prognose.

Wie lange dauert es, bis psychosomatische Beschwerden verschwinden?

Das hängt von der Dauer der Erkrankung, dem Schweregrad und der Behandlungsintensität ab. Beschwerden, die sich über Jahre entwickelt haben, verschwinden nicht in Wochen. Eine ambulante Psychotherapie dauert typischerweise 25 bis 80 Sitzungen, also ein halbes bis zwei Jahre. Erste Besserungen können früher eintreten, Rückschläge gehören dazu. Geduld ist wichtig, aber ebenso die Zuversicht, dass Veränderung möglich ist.

Was ist die häufigste psychosomatische Reaktion?

Spannungskopfschmerzen und Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten psychosomatischen Beschwerden. Auch Magen-Darm-Probleme wie Reizmagen oder Reizdarm sind sehr verbreitet. In Hausarztpraxen machen Patienten mit funktionellen, psychosomatischen Beschwerden einen erheblichen Anteil aller Konsultationen aus, Schätzungen reichen bis zu einem Drittel.

Wie bekommt man die Psyche wieder in den Griff?

Diese Formulierung ist verständlich, aber problematisch. Die Psyche ist kein Feind, den man „in den Griff bekommen“ muss, sondern ein Teil des Selbst, der Aufmerksamkeit braucht. Hilfreicher ist die Frage: Was braucht meine Psyche? Oft sind das sichere Beziehungen, Verständnis für die eigenen Gefühle, Entlastung von übermäßigem Stress und professionelle Unterstützung durch Psychotherapie. Der Weg führt nicht über Kontrolle, sondern über Verstehen.

Kann man somatische Symptome ignorieren?

Davon ist abzuraten. Symptome zu ignorieren führt weder dazu, dass sie verschwinden, noch dass ihre Ursache verschwindet. Bei somatoformen Störungen verstärkt Ignorieren oft die Beschwerden, der Körper „erhöht die Lautstärke“, wenn er nicht gehört wird. Sinnvoller ist ein mittlerer Weg: die Symptome ernst nehmen, aber nicht katastrophisieren; nach angemessener medizinischer Abklärung die psychische Komponente akzeptieren und bearbeiten.

Welcher Arzt ist für psychosomatische Beschwerden zuständig?

Der Hausarzt ist meist die erste Anlaufstelle und sollte eine orientierende körperliche Abklärung vornehmen. Für die weitere Behandlung sind Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder für Psychiatrie und Psychotherapie zuständig. Auch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten behandeln psychosomatische Beschwerden. Bei schweren Verläufen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein.

Welche Medikamente helfen bei psychosomatischen Beschwerden?

Medikamente sind bei psychosomatischen Beschwerden nicht die erste Wahl, können aber ergänzend sinnvoll sein. Bei begleitender Depression oder Angststörung können Antidepressiva helfen, sie wirken auch schmerzmodulierend. Bei akuter Anspannung können kurzfristig Beruhigungsmittel eingesetzt werden, allerdings mit Vorsicht wegen des Abhängigkeitspotenzials. Schmerzmittel sind bei somatoformen Schmerzstörungen meist wenig wirksam und können bei Dauergebrauch die Beschwerden verschlimmern. Die eigentliche Behandlung bleibt Psychotherapie.

Welches Medikament stabilisiert die Psyche?

Kein Medikament „stabilisiert die Psyche“ im umfassenden Sinn. Antidepressiva können depressive Symptome lindern, Anxiolytika können Angst reduzieren, Mood-Stabilizer können Stimmungsschwankungen dämpfen. Aber Medikamente ersetzen keine Psychotherapie, sie können sie allenfalls unterstützen. Die nachhaltigste „Stabilisierung“ entsteht durch die Entwicklung von Selbstverständnis, Emotionsregulation und tragfähigen Beziehungen. Das sind keine Pillen, sondern Prozesse.

Welches Medikament wird bei einer Somatisierungsstörung eingesetzt?

Es gibt kein spezifisches Medikament gegen Somatisierungsstörungen. Bei begleitender Depression werden häufig SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) wie Sertralin oder Citalopram eingesetzt. Bei chronischen Schmerzen können trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin helfen. Die Evidenz für medikamentöse Therapie bei reinen Somatisierungsstörungen ohne psychiatrische Komorbidität ist begrenzt. Psychotherapie bleibt die Behandlung der Wahl.

Wie merkt man, ob man psychisch krank ist?

Anhaltender Leidensdruck und Beeinträchtigung im Alltag sind die wichtigsten Hinweise. Wenn Symptome, seien sie psychisch oder körperlich, über Wochen bestehen, die Lebensqualität mindern und aus eigener Kraft nicht bewältigt werden können, ist professionelle Abklärung sinnvoll. Psychische Erkrankungen sind keine Charakterschwäche, sondern behandelbare Gesundheitsprobleme. Sich Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Welche psychische Krankheit hat die höchste Suizidrate?

Diese Frage weicht vom Thema Somatisierung ab, verdient aber eine Antwort. Die höchsten Suizidraten finden sich bei schweren Depressionen, bipolaren Störungen, Schizophrenie und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Auch Suchterkrankungen erhöhen das Risiko erheblich. Bei Somatisierungsstörungen ist das Suizidrisiko zwar geringer, aber nicht zu vernachlässigen, insbesondere wenn eine begleitende Depression vorliegt. Suizidgedanken sollten immer ernst genommen und professionell behandelt werden.


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Somatoforme Störung: psychische Ursachen körperlicher Beschwerden mit unklaren organischen Ursachen? Psychotherapie bei chronischen psychosomatischen Leiden: die Diagnose klären und Symptome lindern.

Somatoforme Störung: Wenn chronische Schmerzen und psychische Belastung den Körper sprechen lassen


„Geh Du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf Dich.“ „Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für Dich haben“, sagte der Körper zur Seele. – Ulrich Schaffer

Diese Zeilen des Schriftstellers Ulrich Schaffer fassen in poetischer Verdichtung zusammen, was Millionen Menschen erleben: körperliche Beschwerden, die sich anfühlen wie eine ernsthafte körperliche Erkrankung, doch kein Arzt findet einen organischen Befund. Die somatoforme Störung gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland, wird aber oft erst nach Jahren korrekt diagnostiziert. Betroffene durchlaufen einen Marathonlauf von Facharzt zu Facharzt, von Operation zu Operation, und fühlen sich unverstanden. Dieser Artikel erklärt, was hinter der Erkrankung steckt, warum der Körper zum Sprachrohr seelischer Not wird, und welche therapeutischen Wege tatsächlich helfen.

Was genau ist eine somatoforme Störung?

Eine somatoforme Störung bezeichnet eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter anhaltenden körperlichen Symptomen leiden, für die sich trotz sorgfältiger medizinischer Untersuchung keine ausreichende organische Ursache finden lässt. Das bedeutet nicht, dass die Beschwerden eingebildet sind, im Gegenteil: Der Schmerz ist real, die Übelkeit ist real, die Erschöpfung ist real. Was fehlt, ist lediglich der erwartete körperliche Befund.

Im Klassifikationssystem ICD-10 werden somatoforme Störungen als eigenständige Kategorie geführt (F45). Die Diagnose erfordert, dass körperliche Symptome wiederholt auftretend und über mindestens zwei Jahre andauernd bestehen, ohne dass eine körperliche Krankheit sie vollständig erklärt. Typisch ist zudem, dass Betroffene trotz negativer Untersuchungsergebnisse weiterhin überzeugt sind, an körperlichen Krankheiten zu leiden.

Die Störung ist weit verbreitet: Schätzungen zufolge leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben an somatoformen Beschwerden. In Hausarztpraxen machen Patientinnen und Patienten mit unklaren körperlichen Beschwerden bis zu ein Drittel aller Konsultationen aus. Die Schwere der Erkrankung variiert dabei erheblich, von leichten, vorübergehenden Symptomen bis hin zu schwer belastenden chronischen Verläufen.

Welche Formen somatoformer Störungen gibt es?

Die psychosomatische Medizin unterscheidet mehrere Unterformen. Die Somatisierungsstörung ist die schwerste Variante: Betroffene leiden unter multiplen, wechselnden körperlichen Symptomen in verschiedenen Organsystemen, etwa Bauchschmerzen, Herzrasen, Schwitzen und Kopfschmerzen gleichzeitig. Die Beschwerden bestehen seit Jahren und haben oft zu zahlreichen Arztbesuchen und manchmal auch zu unnötigen Operationen geführt.

Bei der undifferenzierten Somatisierungsstörung sind die Symptome weniger ausgeprägt oder bestehen kürzer, erfüllen aber nicht alle Kriterien der vollständigen Somatisierungsstörung. Die hypochondrische Störung hingegen ist vor allem durch die Angst geprägt, an einer schweren Erkrankung zu leiden, etwa Krebs oder einer neurologischen Erkrankung. Hier steht weniger das Symptom selbst im Vordergrund als die Überzeugung, ernsthaft krank zu sein.

Eine weitere wichtige Kategorie ist die anhaltende Schmerzstörung. Hier leiden Betroffene unter chronischen Schmerzen, deren Intensität und Aufrechterhaltung nicht durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung erklärt werden kann. Psychische Faktoren spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung eine zentrale Rolle. Schließlich gibt es noch die somatoforme autonome Funktionsstörung, bei der Symptome auftreten, die das vegetative Nervensystem betreffen, etwa Herzklopfen, Durchfall oder Atemnot, ohne dass eine organische Funktionsstörung des betroffenen Organs nachweisbar wäre.

Welche Symptome zeigt eine somatoforme Störung?

Die Symptome der somatoformen Störung können praktisch jedes Organsystem betreffen. Häufig sind Schmerzsymptome: chronische Kopfschmerzen, Rückenschmerzen sowie Bauchschmerzen oder Schmerzen in Armen und Beinen. Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsprobleme sind ebenfalls typisch. Kardiovaskuläre Symptome umfassen Herzrasen, Brustschmerzen oder das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Charakteristisch ist, dass die Symptome nicht willkürlich produziert werden, sie sind unwillkürliche Reaktionen des Körpers. Anders als bei der Simulation glauben Betroffene tatsächlich, körperlich krank zu sein. Die Beschwerden können akut auftreten oder chronisch verlaufen, mild oder schwer belastend sein. Oft wechseln sie auch: Kaum ist ein Symptom abgeklungen, tritt ein neues auf.

Begleitend zeigen viele Betroffene Zeichen von Depression und Angst. Sie sind häufig depressiv oder ängstlich, was die körperlichen Beschwerden zusätzlich verstärkt. Ein Teufelskreis entsteht: Die körperlichen Symptome führen zu psychischer Belastung, die wiederum die Symptome aufrechterhält oder verschlimmert. Der Schweregrad der Beeinträchtigung kann dabei so ausgeprägt sein, dass Betroffene ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sozial zunehmend isoliert leben.

Warum findet der Mediziner keine organische Ursache?

Diese Frage ist zentral, und wird von Betroffenen oft als Infragestellung ihrer Beschwerden missverstanden. Wenn nach gründlicher diagnostischer Abklärung kein organischer Befund vorliegt, bedeutet das nicht, dass die Symptome erfunden sind. Es bedeutet, dass die körperliche Ursache der Beschwerden nicht in einer strukturellen Schädigung des Organs liegt, sondern in einer Fehlregulation der somatischen und psychischen Prozesse.

Das Nervensystem spielt dabei eine Schlüsselrolle. Chronischer Stress kann die Schmerzwahrnehmung dauerhaft verändern. Das Gehirn „lernt“ gewissermaßen, Schmerzsignale zu verstärken oder zu produzieren, auch wenn keine akute Gewebeschädigung vorliegt. Diese neurobiologischen Veränderungen sind mittlerweile gut dokumentiert, sie erklären, warum der Schmerz real ist, obwohl bildgebende Verfahren keine Pathologie zeigen.

Hinzu kommt: Die Unterscheidung zwischen „körperlich“ und „psychisch“ ist selbst problematisch. Jeder psychische Prozess hat ein körperliches Korrelat. Angst erhöht den Herzschlag, Trauer drückt auf den Magen, Stress verspannt die Muskulatur. Bei somatoformen Störungen sind diese normalen Verbindungen zwischen Psyche und Körper lediglich intensiviert und chronifiziert. Die Grenze zwischen psychosomatischen Störungen und „rein körperlichen“ Erkrankungen ist fließend, was die Diagnose so komplex macht.

Wie entstehen somatoforme Beschwerden?

Die Entstehung einer somatoformen Störung ist multifaktoriell. Genetische Faktoren spielen eine Rolle: Studien zeigen eine familiäre Häufung, was auf eine genetisch bedingte Vulnerabilität hinweist. Diese genetische Veranlagung macht Menschen anfälliger dafür, auf Belastung mit körperlichen Symptomen zu reagieren.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit sind ein weiterer bedeutsamer Risikofaktor. Vernachlässigung, Missbrauch oder emotionale Kälte können die Fähigkeit beeinträchtigen, seelische Not in Worte zu fassen. Wenn die Sprache für Gefühle fehlt, spricht der Körper. Dieser Prozess, die Somatisierung, ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine automatische Reaktion des psychischen Systems auf unerträgliche Belastung.

Auch aktuelle belastende Ereignisse können eine somatoforme Störung auslösen oder verschlimmern: Trennungen, Jobverlust, Trauerfälle oder anhaltende Konflikte. Die Belastung muss dabei nicht immer offensichtlich traumatisch sein, manchmal reicht chronischer Alltagsstress, um das System zu überfordern. Psychische und soziale Faktoren wirken zusammen und schaffen ein Umfeld, in dem der Körper zum Ausdrucksmittel unverarbeiteter Emotionen wird. Die Beschwerden sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf seelische Not aufmerksam zu machen, genau wie es Schaffers Gedicht beschreibt.

Warum Mentalisierung der Schlüssel zum Verständnis somatoformer Störungen ist

Das Konzept der Mentalisierung, entwickelt von Peter Fonagy und Kollegen, bietet einen wissenschaftlich fundierten Rahmen für das Verständnis somatoformer Störungen. Mentalisierung bezeichnet die Fähigkeit, eigenes und fremdes Verhalten als Ausdruck innerer mentaler Zustände zu verstehen, also Gefühle, Wünsche, Überzeugungen und Absichten hinter Handlungen zu erkennen. Diese Fähigkeit entwickelt sich in der frühen Kindheit im Kontext sicherer Bindungsbeziehungen. Wenn Bezugspersonen die emotionalen Zustände des Kindes zuverlässig spiegeln und benennen, lernt das Kind, seine inneren Zustände als mentale Phänomene zu repräsentieren.

Bei Menschen mit somatoformen Störungen ist diese Mentalisierungsfähigkeit häufig eingeschränkt, nicht generell, aber spezifisch für belastende Affekte. Der Fachbegriff Alexithymie beschreibt eine verwandte Schwierigkeit: die Unfähigkeit, Gefühle zu identifizieren und in Worte zu fassen. Wenn seelische Zustände nicht als psychisch erkannt werden können, werden sie im Körper erlebt. Der Schmerz, die Übelkeit, das Herzrasen sind dann keine Symbole für etwas Psychisches, sie sind das Psychische, nur eben in körperlicher Form. Die Störung liegt nicht im Körper und nicht in der Psyche, sondern in der fehlenden Brücke zwischen beiden.

Therapeutisch hat dieses Verständnis konkrete Konsequenzen. Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) zielt darauf ab, die Fähigkeit zur Reflexion über innere Zustände zu stärken. Statt den Körper als defekt zu behandeln oder psychische Ursachen zu suchen, geht es darum, eine neue Sprache für das Erleben zu entwickeln. Der psychotherapeutische Prozess hilft Betroffenen, ihre körperlichen Symptome allmählich als Ausdruck von Gefühlen zu verstehen, nicht durch Interpretation von außen, sondern durch wachsende eigene Mentalisierungskompetenz. Dieser Ansatz ist empirisch gut untersucht und zeigt nachhaltige Effekte bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, einschließlich psychosomatischer Störungen.

Warum „The Body Keeps the Score“ pseudowissenschaftlicher Populismus ist

Bessel van der Kolks Bestseller „The Body Keeps the Score“ hat eine ganze Generation von Laien und leider auch Therapeuten mit einer fundamental falschen Vorstellung von Trauma und Körper infiziert. Die Kernthese, Traumata würden buchstäblich „im Körper gespeichert“ und müssten durch körperbasierte Interventionen „befreit“ werden, ist neurobiologischer Unsinn, verpackt in die Ästhetik wissenschaftlicher Autorität.

Der Körper speichert keine Erinnerungen. Das Gehirn tut das. Was van der Kolk als „Körpergedächtnis“ verkauft, sind veränderte neuronale Verarbeitungsmuster, die selbstverständlich körperliche Korrelate haben, wie jeder mentale Zustand. Aber die Metapher des im Gewebe eingeschlossenen Traumas, das durch Yoga, Massage oder Theatertherapie „freigesetzt“ werden muss, bedient esoterische Fantasien, nicht Wissenschaft. Sie suggeriert, man könne das Gehirn umgehen und direkt am Körper heilen. Das ist ungefähr so plausibel wie die Behauptung, man könne Software reparieren, indem man die Festplatte streichelt.

Besonders problematisch: van der Kolk bewirbt ein Sammelsurium von Methoden – EMDR, Yoga, Neurofeedback, Theatergruppen, Kampfsport – mit einem Enthusiasmus, der die tatsächliche Evidenzlage grotesk überstrapaziert. EMDR ist für PTBS gut belegt; für somatoforme Störungen ist die Datenlage dünn. Yoga kann als Ergänzung hilfreich sein; als primäre Traumatherapie ist es nicht evidenzbasiert. Doch van der Kolk präsentiert diese Methoden, als hätten sie alle vergleichbare Wirksamkeit, Hauptsache, der Körper wird „einbezogen“. Das ist keine differenzierte klinische Empfehlung, sondern Marketing für eine Ideologie.

Die Abgrenzung zum Mentalisierungskonzept macht den Unterschied deutlich. Fonagy fragt: Wie kann der Patient lernen, seine körperlichen Empfindungen als Ausdruck mentaler Zustände zu verstehen? Van der Kolk fragt: Wie können wir das Trauma aus dem Körper herausbekommen? Die erste Frage führt zu Autonomie und Selbstverständnis. Die zweite führt zu endlosen Körpertherapien, bei denen immer noch ein weiteres Trauma „gelöst“ werden muss. Seriöse Psychotherapie entwickelt Mentalisierungsfähigkeit. Van-der-Kolk-inspirierte Körperarbeit ersetzt eine Abhängigkeit durch eine andere.

Für Betroffene somatoformer Störungen ist diese Unterscheidung existenziell. Wer glaubt, sein Körper sei ein Gefängnis voller eingesperrter Traumata, wird zum Dauerkonsumenten esoterischer Angebote. Wer versteht, dass der Körper Signale sendet, die er noch nicht in psychische Sprache übersetzen kann, hat einen Entwicklungsweg vor sich. Der eine Weg chronifiziert die Störung. Der andere führt heraus.

EMDR und Brainspotting: Körperbezogene Arbeit im Dienst der Mentalisierung

Wenn körperorientierte Verfahren so kritisch zu betrachten sind, gibt es dann überhaupt einen Platz für sie in der Behandlung somatoformer Störungen? Die Antwort ist ja, aber mit einer entscheidenden Einschränkung: Die Methode muss Mentalisierung fördern, nicht ersetzen. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist das am besten untersuchte Beispiel für eine körperbezogene Intervention, die genau das leisten kann.

EMDR wurde ursprünglich von Francine Shapiro für die Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt und gehört heute zu den am besten evidenzbasierten Verfahren bei PTBS. Die Methode nutzt bilaterale Stimulation, meist durch geführte Augenbewegungen, um die Verarbeitung belastender Erinnerungen zu unterstützen. Was EMDR von esoterischen Körpertherapien unterscheidet: Die körperliche Komponente ist kein Selbstzweck, sondern Katalysator für psychische Verarbeitung. Der Patient bleibt nicht im reinen Körpererleben stecken, sondern nutzt die fokussierte Aufmerksamkeit, um Verbindungen zwischen körperlichen Empfindungen, Emotionen und Bedeutungen herzustellen. Das ist Mentalisierungsarbeit mit körperlichem Zugang.

Brainspotting, entwickelt von David Grand, ist eine Spielart von EMDR, die stärker auf die Beobachtung setzt, dass bestimmte Blickpositionen mit der Aktivierung emotionaler und körperlicher Zustände korrelieren. Der Therapeut hilft dem Patienten, einen „Brainspot“ zu finden, eine Augenposition, bei der die Verbindung zu einem belastenden Erleben besonders intensiv spürbar wird. Die Evidenzlage für Brainspotting ist deutlich dünner als für EMDR; spezifische Wirksamkeitsnachweise für somatoforme Störungen fehlen weitgehend. Das macht Brainspotting nicht wertlos, aber es sollte mit angemessener Vorsicht eingesetzt werden: als klinisch interessante Erweiterung des EMDR-Prinzips, nicht als eigenständiges Wunderverfahren.

Der entscheidende Unterschied zu esoterischen Körpertherapien liegt in der therapeutischen Haltung. Weder EMDR noch Brainspotting sind Selbstläufer oder Techniken, die man isoliert anwendet. Sie funktionieren innerhalb einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, in der der Therapeut als Mentalisierungsmodell dient. Die körperlichen Empfindungen, die während der Sitzung auftauchen, werden nicht als „Traumafreisetzung“ mystifiziert, sondern als Material für gemeinsame Reflexion genutzt. Was spürt der Patient? Was könnte das bedeuten? Welche Gefühle, Erinnerungen, Gedanken tauchen auf? Diese Fragen übersetzen Körpererleben in psychische Sprache, sie fördern genau die Mentalisierungsfähigkeit, die bei somatoformen Störungen eingeschränkt ist. Wer EMDR oder Brainspotting als Teil eines mentalisierungsfördernden Gesamtkonzepts nutzt, kann damit einen wertvollen Beitrag zur Behandlung leisten. Wer sie als Körpertechnik verkauft, die das Gespräch überflüssig macht, reproduziert den Fehler, den van der Kolk zum Geschäftsmodell gemacht hat.

Wie beeinflusst psychische Belastung die Schmerzwahrnehmung?

Psychische Belastung verändert nachweislich die Art, wie das Gehirn Schmerzsignale verarbeitet. Bei chronischem Stress werden Schmerzhemmungsmechanismen geschwächt und Schmerzempfindlichkeit gesteigert. Das erklärt, warum Menschen unter psychischer Belastung Schmerzen intensiver wahrnehmen, und warum Entspannung und psychische Stabilisierung Schmerzen lindern können.

Die mit den Schmerzen verbundenen Gefühle spielen ebenfalls eine Rolle. Wer Schmerz mit Angst, Hilflosigkeit oder Katastrophendenken verbindet, erlebt ihn intensiver. Umgekehrt kann eine akzeptierende, gelassene Haltung die Schmerzwahrnehmung reduzieren. Psychotherapeutische Interventionen setzen genau hier an: Sie verändern nicht primär den Schmerz selbst, sondern die Beziehung zum Schmerz.

Interessanterweise zeigen bildgebende Studien, dass bei chronischen Schmerzpatienten tatsächlich Veränderungen in Hirnarealen sichtbar sind, die für Schmerzverarbeitung zuständig sind. Die Schmerzstörung hinterlässt also messbare Spuren im Gehirn, ein weiterer Beleg dafür, dass die Trennung von „körperlich“ und „psychisch“ künstlich ist. Der Schmerz ist weder rein körperlich noch rein psychisch, er ist beides zugleich.

Welche Rolle spielt Psychotherapie bei somatoformen Störungen?

Psychotherapie ist die Behandlung der Wahl bei somatoformen Störungen. Psychotherapeutische Verfahren haben sich als wirksamer erwiesen als eine rein medikamentöse Behandlung oder fortgesetzte körperliche Diagnostik. Das bedeutet nicht, dass körperliche Behandlung unwichtig wäre, aber ohne psychotherapeutische Bearbeitung der zugrunde liegenden psychischen Ursachen ist eine nachhaltige Besserung unwahrscheinlich.

Kognitive Verhaltenstherapie hilft Betroffenen, ungünstige Denkmuster, die zu ihren Symptomen führen, zu erkennen und zu verändern. Psychodynamische Psychotherapie fokussiert sich stärker auf unbewusste Konflikte und verdrängte Gefühle, die sich körperlich ausdrücken. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, welcher besser passt, hängt von der betroffenen Person und ihrer Problemkonstellation ab.

Ein zentrales Element jeder therapeutischen Arbeit ist die Psychoedukation: Betroffene lernen, den Zusammenhang zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen. Dieses Verständnis allein hat oft bereits entlastende Wirkung. Wenn der Körper nicht mehr als defekt erlebt wird, sondern als Kommunikationsmittel der Psyche, verändert sich die Beziehung zu den Beschwerden grundlegend.

Wie erfolgt die Diagnose einer somatoformen Störung?

Die Diagnose ist nicht einfach ein sorgfältiger Ausschlussprozess. Zwar müssen Ärzte organische Ursachen für die Beschwerden ausschließen, allerdings ohne dabei in endlose diagnostische Schleifen zu geraten. Ein erfahrener Mediziner weiß, wann weitere Untersuchungen sinnvoll sind und wann sie nur die Fixierung auf körperliche Erklärungen verstärken.

Die diagnostische Herausforderung besteht darin, einerseits keine ernsthafte körperliche Erkrankung zu übersehen, andererseits nicht durch Überdiagnostik die Störung zu chronifizieren. Jede weitere Operation, jede weitere Untersuchung kann die Überzeugung verstärken, dass „doch etwas gefunden werden muss“. Dieses abnorme Krankheitsverhalten ist selbst Teil der Störung und muss therapeutisch adressiert werden.

Neben dem Ausschluss körperlicher Ursachen gehört zur Diagnose auch die Erhebung der psychischen Vorgeschichte. Gab es traumatische Erlebnisse? Bestehen aktuell Belastungen? Wie geht die betroffene Person mit Stress um? Diese Informationen sind entscheidend für Diagnose und Behandlungsplanung. Die Diagnose sollte dabei nicht als Stigma erlebt werden, sondern als Chance: Endlich gibt es eine Erklärung, und damit auch einen Ansatzpunkt für eine wirksame Behandlung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es jenseits der Psychotherapie?

Neben Psychotherapie können weitere Behandlungsmöglichkeiten hilfreich sein, allerdings als Ergänzung, nicht als Ersatz. Gut belegt ist die Wirksamkeit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR), die strukturiert die Aufmerksamkeitsregulation trainiert und dabei hilft, körperliche Empfindungen ohne Katastrophisieren wahrzunehmen. Regelmäßige körperliche Bewegung, ob Ausdauersport, Krafttraining oder Schwimmen, wirkt nachweislich antidepressiv und anxiolytisch, ohne dass man dafür esoterische Rahmentheorien bemühen müsste. Auch Biofeedback kann sinnvoll sein: Patienten lernen, vegetative Reaktionen wie Herzratenvariabilität oder Muskelspannung bewusst wahrzunehmen und zu beeinflussen ein konkreter, messbarer Zugang zur Körper-Psyche-Verbindung.

In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein. Hier werden verschiedene therapeutische Ansätze kombiniert: Einzel- und Gruppentherapie, Entspannungsverfahren und ggf. medikamentöse Unterstützung. Der Vorteil: Betroffene sind für einige Wochen aus ihrem belastenden Alltag herausgenommen und können sich ganz auf ihre Genesung konzentrieren.

Ambulant kann eine Kombination aus Psychotherapie und begleitender hausärztlicher Versorgung am sinnvollsten sein. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Psychotherapeut. Der Hausarzt sollte nicht bei jedem neuen Symptom neue Diagnostik einleiten, aber dennoch ernsthaft und empathisch auf die Beschwerden eingehen. Diese Balance ist anspruchsvoll, aber entscheidend für den Behandlungserfolg. Was all diese ergänzenden Maßnahmen gemeinsam haben sollten: Sie dienen der Stressregulation und Körperwahrnehmung, nicht der mythischen „Befreiung“ von im Gewebe gespeicherten Traumata.

Wie können Betroffene mit der Erkrankung umgehen?

Der erste Schritt ist die Akzeptanz, dass körperliche Symptome auch psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real macht. Viele Betroffene wehren sich lange gegen diese Erkenntnis, weil sie befürchten, als „eingebildet krank“ abgestempelt zu werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Anerkennung der psychosomatischen Komponente eröffnet erst den Weg zur Heilung.

Hilfreich ist auch, den Fokus vom Symptom wegzulenken. Betroffene sind oft in einem ständigen Beobachtungsmodus: Wie stark ist der Schmerz heute? Wird er schlimmer? Was bedeutet dieses neue Symptom? Diese Hypervigilanz verstärkt die Beschwerden. Ablenkung, angenehme Aktivitäten und soziale Kontakte können diesen Teufelskreis durchbrechen.

Schließlich ist Geduld wichtig. Eine somatoforme Störung, die sich über Jahre entwickelt hat, verschwindet nicht innerhalb weniger Wochen. Rückschläge gehören dazu. Aber mit konsequenter psychotherapeutischer Behandlung und einem verständnisvollen Umfeld sind deutliche Besserungen möglich. Der Körper, der so lange Warnsignale gesendet hat, kann wieder zur Ruhe kommen, wenn die Seele endlich gehört wird.

Zusammenfassung: Was Sie über somatoforme Störungen wissen sollten

·         Bei einer somatoformen Störung sind körperliche Symptome real und belastend, auch wenn keine organische Ursache gefunden wird

·         Die Erkrankung ist häufig, bis zu 15 Prozent der Bevölkerung sind betroffen

·         Formen umfassen die Somatisierungsstörung, hypochondrische Störung, anhaltende Schmerzstörung und somatoforme autonome Funktionsstörung

·         Psychische Belastung, Stress und unverarbeitete Traumata können Symptome auslösen und aufrechterhalten

·         Eingeschränkte Mentalisierungsfähigkeit, die Unfähigkeit, Gefühle als psychische Zustände zu erkennen, erklärt, warum seelische Belastung körperlich erlebt wird

·         Mentalisierungsbasierte Therapie stärkt die Fähigkeit, körperliche Symptome als Ausdruck innerer Zustände zu verstehen

·         Populärpsychologische Konzepte wie van der Kolks „Körpergedächtnis“ sind wissenschaftlich unhaltbar und fördern esoterische statt evidenzbasierte Behandlungsansätze

·         EMDR ist ein evidenzbasiertes Verfahren, das körperbezogene Elemente sinnvoll mit Mentalisierungsarbeit verbindet; Brainspotting ist eine klinisch interessante Spielart mit geringerer Evidenz

·         Die Diagnose erfordert sorgfältigen Ausschluss körperlicher Ursachen ohne Überdiagnostik

·         Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung

·         Körperorientierte Verfahren und bei Bedarf stationäre Behandlung ergänzen das Therapiespektrum

·         Akzeptanz der psychosomatischen Zusammenhänge ist der erste Schritt zur Besserung

·         Chronische Verläufe können mit Geduld und professioneller Hilfe positiv beeinflusst werden

Häufige Fragen rund um Somatisierung und psychosomatische Beschwerden

Was ist eine Somatisierungsstörung in der Psychosomatik?

Eine Somatisierungsstörung ist eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter vielfältigen, wechselnden körperlichen Symptomen leiden, für die trotz gründlicher Untersuchung keine ausreichende organische Ursache gefunden wird. Die Beschwerden sind real, nicht eingebildet, aber ihre Entstehung und Aufrechterhaltung werden maßgeblich durch psychische Faktoren beeinflusst. In der Psychosomatik versteht man die Somatisierungsstörung als Ausdruck seelischer Belastung, die sich mangels anderer Ausdrucksmöglichkeiten im Körper manifestiert.

Was ist der Unterschied zwischen "somatisch" und "psychosomatisch"?

„Somatisch“ bedeutet schlicht „den Körper betreffend“, eine somatische Erkrankung ist eine körperliche Erkrankung mit nachweisbarer organischer Ursache, etwa ein Knochenbruch oder eine Infektion. „Psychosomatisch“ bezeichnet hingegen Beschwerden, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle bei Entstehung oder Verlauf spielen. Der Körper reagiert auf seelische Belastung mit körperlichen Symptomen. Wichtig: Psychosomatisch bedeutet nicht „eingebildet“, sondern beschreibt die enge Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper.

Was sind psychosomatische Beschwerden?

Psychosomatische Beschwerden sind körperliche Symptome, die durch psychische Belastung ausgelöst oder verstärkt werden. Dazu gehören etwa Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder chronische Erschöpfung. Die Beschwerden fühlen sich für Betroffene genauso real an wie bei einer rein körperlichen Erkrankung, denn sie sind real. Der Unterschied liegt nicht in der Intensität des Erlebens, sondern in der Ursache.

Welche Krankheiten gelten als psychosomatisch?

Zu den klassischen psychosomatischen Erkrankungen zählen die Somatisierungsstörung, die hypochondrische Störung, die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, funktionelle Herzbeschwerden, Reizdarmsyndrom, Spannungskopfschmerz und Fibromyalgie. Auch bei Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma oder Bluthochdruck können psychische Faktoren den Verlauf erheblich beeinflussen. Die Grenzen sind fließend, fast jede körperliche Erkrankung hat auch eine psychische Komponente.

Was sind die sieben psychosomatischen Erkrankungen?

Die Vorstellung von genau „sieben psychosomatischen Erkrankungen“ geht auf die historische Konzeption der „Holy Seven“ zurück, die Franz Alexander in den 1950er Jahren formulierte: Magengeschwür, Colitis ulcerosa, Asthma bronchiale, rheumatoide Arthritis, Neurodermitis, Bluthochdruck und Schilddrüsenüberfunktion. Diese Einteilung ist heute überholt. Wir wissen mittlerweile, dass psychosomatische Zusammenhänge bei praktisch allen Erkrankungen eine Rolle spielen können, und die strikte Trennung in „psychosomatisch“ und „nicht psychosomatisch“ entspricht nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand.

Welche Somatisierungsstörungen gibt es?

Die ICD-10 unterscheidet mehrere Formen: die Somatisierungsstörung (F45.0) mit zahlreichen, wechselnden Symptomen über mindestens zwei Jahre; die undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) mit weniger ausgeprägten oder kürzeren Verläufen; die hypochondrische Störung (F45.2) mit der Überzeugung, schwer krank zu sein; die somatoforme autonome Funktionsstörung (F45.3) mit Symptomen des vegetativen Nervensystems; und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) mit chronischen Schmerzen ohne ausreichende körperliche Erklärung.

Was ist die Ursache für Somatisierungsstörungen?

Die Ursachen sind vielfältig und wirken zusammen. Genetische Faktoren erhöhen die Vulnerabilität. Frühe Bindungserfahrungen spielen eine zentrale Rolle: Wer als Kind nicht gelernt hat, Gefühle zu erkennen und auszudrücken, neigt eher dazu, seelische Belastung körperlich zu erleben. Traumatische Erlebnisse, chronischer Stress und aktuelle Lebensbelastungen können eine Somatisierungsstörung auslösen. Aus mentalisierungstheoretischer Sicht fehlt Betroffenen oft die Fähigkeit, körperliche Empfindungen als Ausdruck psychischer Zustände zu erkennen.

Wie machen sich psychosomatische Störungen bemerkbar?

Psychosomatische Störungen können sich in nahezu jedem Organsystem zeigen: Schmerzen (Kopf, Rücken, Bauch, Gelenke), Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Durchfall, Verstopfung), Herz-Kreislauf-Symptome (Herzrasen, Brustenge, Schwindel), Atembeschwerden, Hautprobleme, Erschöpfung oder Schlafstörungen. Charakteristisch ist oft, dass die Symptome wechseln, dass Untersuchungen keine ausreichende körperliche Erklärung liefern und  die Beschwerden bei Stress zunehmen.

Wie fühlen sich psychosomatische Schmerzen an?

Psychosomatische Schmerzen fühlen sich genauso real an wie Schmerzen mit eindeutiger körperlicher Ursache, weil sie real sind. Das Gehirn produziert dieselben Schmerzsignale, die Nervenbahnen leiten dieselben Impulse. Betroffene beschreiben oft dumpfe, diffuse Schmerzen, die schwer zu lokalisieren sind, oder wandernde Schmerzen, die heute hier und morgen dort auftreten. Die Intensität kann von leicht störend bis völlig beeinträchtigend reichen.

Was löst psychosomatische Schmerzen aus?

Auslöser können akute Belastungen sein (Konflikte, Verluste, Überforderung) oder chronischer Stress ohne erkennbaren Einzelauslöser. Oft finden sich in der Vorgeschichte unverarbeitete emotionale Erfahrungen, nicht zwingend dramatische Traumata, manchmal auch subtilere Formen emotionaler Vernachlässigung. Der Körper reagiert auf seelische Not, die nicht in Worte gefasst werden kann. Die Schmerzen sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf etwas aufmerksam zu machen, das psychisch nicht verarbeitet werden konnte.

Wie zeigt der Körper, dass die Seele leidet?

Der Körper hat viele Sprachen: Muskelverspannungen bei angestauter Wut, Magenbeschwerden bei „unverdauten“ Konflikten, Herzrasen bei Angst, Erschöpfung bei Depression, Hautprobleme bei Schamkonflikten. Diese Zusammenhänge sind keine esoterischen Symbolismen, sondern neurobiologisch nachvollziehbar. Das vegetative Nervensystem reagiert auf psychische Belastung mit messbaren körperlichen Veränderungen. Bei chronischer Belastung können diese Reaktionen sich verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Wie äußert sich Überforderung körperlich?

Körperliche Zeichen chronischer Überforderung umfassen Erschöpfung trotz ausreichend Schlaf, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenverspannungen, Magen-Darm-Probleme, erhöhte Infektanfälligkeit, Schlafstörungen und Herzrasen. Viele Betroffene berichten von einem Gefühl innerer Anspannung, die sich nicht lösen lässt. Langfristig kann chronische Überforderung in ein Burn-out oder eine depressive Episode münden.

Wie merkt man, dass man mit den Nerven am Ende ist?

Warnsignale sind anhaltende Erschöpfung, die durch Erholung nicht besser wird; zunehmende Reizbarkeit oder emotionale Taubheit; Schlafstörungen; körperliche Beschwerden ohne klare Ursache; sozialer Rückzug; Konzentrations- und Gedächtnisprobleme; das Gefühl, selbst einfache Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können; und Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die früher Freude gemacht haben. Wenn mehrere dieser Zeichen über Wochen bestehen, ist professionelle Unterstützung angeraten.

Wie äußert sich innerlicher Stress?

Innerlicher Stress zeigt sich auf mehreren Ebenen: körperlich durch Anspannung, Unruhe, Herzrasen oder Verdauungsprobleme; emotional durch Gereiztheit, Ängstlichkeit oder Niedergeschlagenheit; kognitiv durch Grübeln, Konzentrationsprobleme oder Katastrophendenken; und verhaltensmäßig durch Schlafprobleme, verändertes Essverhalten oder Substanzkonsum. Oft bemerken Betroffene den Stress selbst nicht, der Körper signalisiert ihn dann durch Beschwerden.

Was sind Warnsignale des Körpers?

Der Körper sendet Warnsignale, wenn das System überlastet ist: wiederkehrende Infekte, chronische Müdigkeit, unerklärliche Schmerzen, Verdauungsprobleme, Hautveränderungen, Haarausfall, Gewichtsveränderungen, Schlafstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen. Diese Signale ernst zu nehmen bedeutet nicht, in Panik zu verfallen, sondern innezuhalten und zu fragen: Was braucht mein Körper? Was belastet mich? Manchmal ist ein körperliches Symptom der einzige Hinweis darauf, dass psychisch etwas im Argen liegt.

Was ist eine somatische Stressreaktion?

Eine somatische Stressreaktion ist die körperliche Antwort auf psychische Belastung. Bei akutem Stress aktiviert der Körper das sympathische Nervensystem: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, Muskeln spannen sich an, die Verdauung wird gehemmt, Stresshormone werden ausgeschüttet. Diese Reaktion ist evolutionär sinnvoll, sie bereitet auf Kampf oder Flucht vor. Problematisch wird es, wenn der Stress chronisch ist und der Körper keine Erholung findet. Dann können sich die Stressreaktionen verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Welche Beispiele gibt es für somatische Erkrankungen?

Somatische Erkrankungen im engeren Sinne sind körperliche Erkrankungen mit nachweisbarer organischer Ursache: Infektionskrankheiten, Knochenbrüche, Herzinfarkt, Krebs, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen. Der Begriff wird manchmal verwirrend verwendet. In der Psychiatrie bezeichnet „somatische Erkrankung“ eine körperliche Erkrankung im Gegensatz zu einer psychischen. In der Psychosomatik wird zwischen rein somatischen Erkrankungen und solchen, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, unterschieden.

Welches Problem tritt häufig bei Patienten mit Somatisierungsstörung auf?

Betroffene geraten oft in einen Teufelskreis aus Arztbesuchen, Untersuchungen und Enttäuschungen. Sie suchen nach einer körperlichen Erklärung, finden keine, fühlen sich nicht ernst genommen und wechseln zum nächsten Arzt. Dieses „Doctor-Shopping“ kann zu unnötigen Eingriffen führen und die Störung chronifizieren. Hinzu kommt häufig eine Begleitdepression oder eine Angststörung. Die größte Hürde ist oft die Akzeptanz dafür, dass die Beschwerden real sind, aber psychische Ursachen haben.

Woher weiß ich, ob meine Beschwerden psychosomatisch sind?

Hinweise auf eine psychosomatische Komponente sind: mehrfache Untersuchungen ohne eindeutigen Befund; wechselnde oder wandernde Symptome; Zusammenhang zwischen Beschwerden und Belastungssituationen; Besserung in entspannten Phasen; begleitende Ängste oder depressive Verstimmung; Überzeugung, schwer krank zu sein, trotz unauffälliger Befunde. Wichtig: Eine psychosomatische Diagnose ist keine Ausschlussdiagnose im Sinne von „Wir finden nichts, also ist es psychisch“. Sie erfordert positive Kriterien sowie eine sorgfältige Erhebung der psychischen Vorgeschichte.

Was machen ständige Schmerzen mit der Psyche?

Chronische Schmerzen belasten die Psyche erheblich. Sie erhöhen das Risiko für Depression und Angststörungen, führen zu sozialem Rückzug, beeinträchtigen Konzentration und Lebensqualität und können das Selbstbild verändern. Betroffene erleben sich als hilflos und der Krankheit ausgeliefert. Es entsteht ein Teufelskreis: Schmerz führt zu psychischer Belastung, die Schmerzwahrnehmung verstärkt. Deshalb ist bei chronischen Schmerzen immer auch eine psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll.

Wie bekomme ich psychosomatische Symptome weg?

Der wichtigste Schritt ist die Akzeptanz dafür, dass körperliche Symptome psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real erscheinen lässt. Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Verfahren. Ergänzend können Stressmanagement, achtsamkeitsbasierte Verfahren, regelmäßige Bewegung sowie Entspannungstechniken helfen. Entscheidend ist, den Fokus von der Symptombekämpfung auf die zugrundeliegenden emotionalen Themen zu verlagern.

Wie kann man eine Somatisierungsstörung heilen?

„Heilung“ im Sinne vollständiger Symptomfreiheit ist nicht immer realistisch, aber deutliche Besserung ist gut möglich. Psychotherapie hilft, die Zusammenhänge zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen und neue Umgangsweisen zu entwickeln. Der Fokus verschiebt sich von „Symptom wegmachen“ zu „anders mit dem Symptom umgehen“. Viele Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden abnehmen, wenn sie lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken.

Sind Somatisierungsstörungen heilbar?

Ja, mit Einschränkungen. Vollständige Symptomfreiheit ist bei allen Betroffenen nicht zu erreichen, aber die Lebensqualität kann sich erheblich verbessern. Studien zeigen, dass Psychotherapie die Symptomintensität reduziert, die Funktionsfähigkeit erhöht und den Leidensdruck mindert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Bereitschaft, psychische Zusammenhänge zu akzeptieren und aktiv an der Veränderung mitzuarbeiten. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser ist die Prognose.

Wie lange dauert es, bis psychosomatische Beschwerden verschwinden?

Das hängt von der Dauer der Erkrankung, dem Schweregrad und der Behandlungsintensität ab. Beschwerden, die sich über Jahre entwickelt haben, verschwinden nicht in Wochen. Eine ambulante Psychotherapie dauert typischerweise 25 bis 80 Sitzungen, also ein halbes bis zwei Jahre. Erste Besserungen können früher eintreten, Rückschläge gehören dazu. Geduld ist wichtig, aber ebenso die Zuversicht, dass Veränderung möglich ist.

Was ist die häufigste psychosomatische Reaktion?

Spannungskopfschmerzen und Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten psychosomatischen Beschwerden. Auch Magen-Darm-Probleme wie Reizmagen oder Reizdarm sind sehr verbreitet. In Hausarztpraxen machen Patienten mit funktionellen, psychosomatischen Beschwerden einen erheblichen Anteil aller Konsultationen aus, Schätzungen reichen bis zu einem Drittel.

Wie bekommt man die Psyche wieder in den Griff?

Diese Formulierung ist verständlich, aber problematisch. Die Psyche ist kein Feind, den man „in den Griff bekommen“ muss, sondern ein Teil des Selbst, der Aufmerksamkeit braucht. Hilfreicher ist die Frage: Was braucht meine Psyche? Oft sind das sichere Beziehungen, Verständnis für die eigenen Gefühle, Entlastung von übermäßigem Stress und professionelle Unterstützung durch Psychotherapie. Der Weg führt nicht über Kontrolle, sondern über Verstehen.

Kann man somatische Symptome ignorieren?

Davon ist abzuraten. Symptome zu ignorieren führt weder dazu, dass sie verschwinden, noch dass ihre Ursache verschwindet. Bei somatoformen Störungen verstärkt Ignorieren oft die Beschwerden, der Körper „erhöht die Lautstärke“, wenn er nicht gehört wird. Sinnvoller ist ein mittlerer Weg: die Symptome ernst nehmen, aber nicht katastrophisieren; nach angemessener medizinischer Abklärung die psychische Komponente akzeptieren und bearbeiten.

Welcher Arzt ist für psychosomatische Beschwerden zuständig?

Der Hausarzt ist meist die erste Anlaufstelle und sollte eine orientierende körperliche Abklärung vornehmen. Für die weitere Behandlung sind Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder für Psychiatrie und Psychotherapie zuständig. Auch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten behandeln psychosomatische Beschwerden. Bei schweren Verläufen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein.

Welche Medikamente helfen bei psychosomatischen Beschwerden?

Medikamente sind bei psychosomatischen Beschwerden nicht die erste Wahl, können aber ergänzend sinnvoll sein. Bei begleitender Depression oder Angststörung können Antidepressiva helfen, sie wirken auch schmerzmodulierend. Bei akuter Anspannung können kurzfristig Beruhigungsmittel eingesetzt werden, allerdings mit Vorsicht wegen des Abhängigkeitspotenzials. Schmerzmittel sind bei somatoformen Schmerzstörungen meist wenig wirksam und können bei Dauergebrauch die Beschwerden verschlimmern. Die eigentliche Behandlung bleibt Psychotherapie.

Welches Medikament stabilisiert die Psyche?

Kein Medikament „stabilisiert die Psyche“ im umfassenden Sinn. Antidepressiva können depressive Symptome lindern, Anxiolytika können Angst reduzieren, Mood-Stabilizer können Stimmungsschwankungen dämpfen. Aber Medikamente ersetzen keine Psychotherapie, sie können sie allenfalls unterstützen. Die nachhaltigste „Stabilisierung“ entsteht durch die Entwicklung von Selbstverständnis, Emotionsregulation und tragfähigen Beziehungen. Das sind keine Pillen, sondern Prozesse.

Welches Medikament wird bei einer Somatisierungsstörung eingesetzt?

Es gibt kein spezifisches Medikament gegen Somatisierungsstörungen. Bei begleitender Depression werden häufig SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) wie Sertralin oder Citalopram eingesetzt. Bei chronischen Schmerzen können trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin helfen. Die Evidenz für medikamentöse Therapie bei reinen Somatisierungsstörungen ohne psychiatrische Komorbidität ist begrenzt. Psychotherapie bleibt die Behandlung der Wahl.

Wie merkt man, ob man psychisch krank ist?

Anhaltender Leidensdruck und Beeinträchtigung im Alltag sind die wichtigsten Hinweise. Wenn Symptome, seien sie psychisch oder körperlich, über Wochen bestehen, die Lebensqualität mindern und aus eigener Kraft nicht bewältigt werden können, ist professionelle Abklärung sinnvoll. Psychische Erkrankungen sind keine Charakterschwäche, sondern behandelbare Gesundheitsprobleme. Sich Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Welche psychische Krankheit hat die höchste Suizidrate?

Diese Frage weicht vom Thema Somatisierung ab, verdient aber eine Antwort. Die höchsten Suizidraten finden sich bei schweren Depressionen, bipolaren Störungen, Schizophrenie und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Auch Suchterkrankungen erhöhen das Risiko erheblich. Bei Somatisierungsstörungen ist das Suizidrisiko zwar geringer, aber nicht zu vernachlässigen, insbesondere wenn eine begleitende Depression vorliegt. Suizidgedanken sollten immer ernst genommen und professionell behandelt werden.


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Somatoforme Störung: psychische Ursachen körperlicher Beschwerden mit unklaren organischen Ursachen? Psychotherapie bei chronischen psychosomatischen Leiden: die Diagnose klären und Symptome lindern.

Somatoforme Störung: Wenn chronische Schmerzen und psychische Belastung den Körper sprechen lassen


„Geh Du vor“, sagte die Seele zum Körper, „auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf Dich.“ „Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für Dich haben“, sagte der Körper zur Seele. – Ulrich Schaffer

Diese Zeilen des Schriftstellers Ulrich Schaffer fassen in poetischer Verdichtung zusammen, was Millionen Menschen erleben: körperliche Beschwerden, die sich anfühlen wie eine ernsthafte körperliche Erkrankung, doch kein Arzt findet einen organischen Befund. Die somatoforme Störung gehört zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland, wird aber oft erst nach Jahren korrekt diagnostiziert. Betroffene durchlaufen einen Marathonlauf von Facharzt zu Facharzt, von Operation zu Operation, und fühlen sich unverstanden. Dieser Artikel erklärt, was hinter der Erkrankung steckt, warum der Körper zum Sprachrohr seelischer Not wird, und welche therapeutischen Wege tatsächlich helfen.

Was genau ist eine somatoforme Störung?

Eine somatoforme Störung bezeichnet eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter anhaltenden körperlichen Symptomen leiden, für die sich trotz sorgfältiger medizinischer Untersuchung keine ausreichende organische Ursache finden lässt. Das bedeutet nicht, dass die Beschwerden eingebildet sind, im Gegenteil: Der Schmerz ist real, die Übelkeit ist real, die Erschöpfung ist real. Was fehlt, ist lediglich der erwartete körperliche Befund.

Im Klassifikationssystem ICD-10 werden somatoforme Störungen als eigenständige Kategorie geführt (F45). Die Diagnose erfordert, dass körperliche Symptome wiederholt auftretend und über mindestens zwei Jahre andauernd bestehen, ohne dass eine körperliche Krankheit sie vollständig erklärt. Typisch ist zudem, dass Betroffene trotz negativer Untersuchungsergebnisse weiterhin überzeugt sind, an körperlichen Krankheiten zu leiden.

Die Störung ist weit verbreitet: Schätzungen zufolge leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben an somatoformen Beschwerden. In Hausarztpraxen machen Patientinnen und Patienten mit unklaren körperlichen Beschwerden bis zu ein Drittel aller Konsultationen aus. Die Schwere der Erkrankung variiert dabei erheblich, von leichten, vorübergehenden Symptomen bis hin zu schwer belastenden chronischen Verläufen.

Welche Formen somatoformer Störungen gibt es?

Die psychosomatische Medizin unterscheidet mehrere Unterformen. Die Somatisierungsstörung ist die schwerste Variante: Betroffene leiden unter multiplen, wechselnden körperlichen Symptomen in verschiedenen Organsystemen, etwa Bauchschmerzen, Herzrasen, Schwitzen und Kopfschmerzen gleichzeitig. Die Beschwerden bestehen seit Jahren und haben oft zu zahlreichen Arztbesuchen und manchmal auch zu unnötigen Operationen geführt.

Bei der undifferenzierten Somatisierungsstörung sind die Symptome weniger ausgeprägt oder bestehen kürzer, erfüllen aber nicht alle Kriterien der vollständigen Somatisierungsstörung. Die hypochondrische Störung hingegen ist vor allem durch die Angst geprägt, an einer schweren Erkrankung zu leiden, etwa Krebs oder einer neurologischen Erkrankung. Hier steht weniger das Symptom selbst im Vordergrund als die Überzeugung, ernsthaft krank zu sein.

Eine weitere wichtige Kategorie ist die anhaltende Schmerzstörung. Hier leiden Betroffene unter chronischen Schmerzen, deren Intensität und Aufrechterhaltung nicht durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung erklärt werden kann. Psychische Faktoren spielen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung eine zentrale Rolle. Schließlich gibt es noch die somatoforme autonome Funktionsstörung, bei der Symptome auftreten, die das vegetative Nervensystem betreffen, etwa Herzklopfen, Durchfall oder Atemnot, ohne dass eine organische Funktionsstörung des betroffenen Organs nachweisbar wäre.

Welche Symptome zeigt eine somatoforme Störung?

Die Symptome der somatoformen Störung können praktisch jedes Organsystem betreffen. Häufig sind Schmerzsymptome: chronische Kopfschmerzen, Rückenschmerzen sowie Bauchschmerzen oder Schmerzen in Armen und Beinen. Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsprobleme sind ebenfalls typisch. Kardiovaskuläre Symptome umfassen Herzrasen, Brustschmerzen oder das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Charakteristisch ist, dass die Symptome nicht willkürlich produziert werden, sie sind unwillkürliche Reaktionen des Körpers. Anders als bei der Simulation glauben Betroffene tatsächlich, körperlich krank zu sein. Die Beschwerden können akut auftreten oder chronisch verlaufen, mild oder schwer belastend sein. Oft wechseln sie auch: Kaum ist ein Symptom abgeklungen, tritt ein neues auf.

Begleitend zeigen viele Betroffene Zeichen von Depression und Angst. Sie sind häufig depressiv oder ängstlich, was die körperlichen Beschwerden zusätzlich verstärkt. Ein Teufelskreis entsteht: Die körperlichen Symptome führen zu psychischer Belastung, die wiederum die Symptome aufrechterhält oder verschlimmert. Der Schweregrad der Beeinträchtigung kann dabei so ausgeprägt sein, dass Betroffene ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sozial zunehmend isoliert leben.

Warum findet der Mediziner keine organische Ursache?

Diese Frage ist zentral, und wird von Betroffenen oft als Infragestellung ihrer Beschwerden missverstanden. Wenn nach gründlicher diagnostischer Abklärung kein organischer Befund vorliegt, bedeutet das nicht, dass die Symptome erfunden sind. Es bedeutet, dass die körperliche Ursache der Beschwerden nicht in einer strukturellen Schädigung des Organs liegt, sondern in einer Fehlregulation der somatischen und psychischen Prozesse.

Das Nervensystem spielt dabei eine Schlüsselrolle. Chronischer Stress kann die Schmerzwahrnehmung dauerhaft verändern. Das Gehirn „lernt“ gewissermaßen, Schmerzsignale zu verstärken oder zu produzieren, auch wenn keine akute Gewebeschädigung vorliegt. Diese neurobiologischen Veränderungen sind mittlerweile gut dokumentiert, sie erklären, warum der Schmerz real ist, obwohl bildgebende Verfahren keine Pathologie zeigen.

Hinzu kommt: Die Unterscheidung zwischen „körperlich“ und „psychisch“ ist selbst problematisch. Jeder psychische Prozess hat ein körperliches Korrelat. Angst erhöht den Herzschlag, Trauer drückt auf den Magen, Stress verspannt die Muskulatur. Bei somatoformen Störungen sind diese normalen Verbindungen zwischen Psyche und Körper lediglich intensiviert und chronifiziert. Die Grenze zwischen psychosomatischen Störungen und „rein körperlichen“ Erkrankungen ist fließend, was die Diagnose so komplex macht.

Wie entstehen somatoforme Beschwerden?

Die Entstehung einer somatoformen Störung ist multifaktoriell. Genetische Faktoren spielen eine Rolle: Studien zeigen eine familiäre Häufung, was auf eine genetisch bedingte Vulnerabilität hinweist. Diese genetische Veranlagung macht Menschen anfälliger dafür, auf Belastung mit körperlichen Symptomen zu reagieren.

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit sind ein weiterer bedeutsamer Risikofaktor. Vernachlässigung, Missbrauch oder emotionale Kälte können die Fähigkeit beeinträchtigen, seelische Not in Worte zu fassen. Wenn die Sprache für Gefühle fehlt, spricht der Körper. Dieser Prozess, die Somatisierung, ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine automatische Reaktion des psychischen Systems auf unerträgliche Belastung.

Auch aktuelle belastende Ereignisse können eine somatoforme Störung auslösen oder verschlimmern: Trennungen, Jobverlust, Trauerfälle oder anhaltende Konflikte. Die Belastung muss dabei nicht immer offensichtlich traumatisch sein, manchmal reicht chronischer Alltagsstress, um das System zu überfordern. Psychische und soziale Faktoren wirken zusammen und schaffen ein Umfeld, in dem der Körper zum Ausdrucksmittel unverarbeiteter Emotionen wird. Die Beschwerden sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf seelische Not aufmerksam zu machen, genau wie es Schaffers Gedicht beschreibt.

Warum Mentalisierung der Schlüssel zum Verständnis somatoformer Störungen ist

Das Konzept der Mentalisierung, entwickelt von Peter Fonagy und Kollegen, bietet einen wissenschaftlich fundierten Rahmen für das Verständnis somatoformer Störungen. Mentalisierung bezeichnet die Fähigkeit, eigenes und fremdes Verhalten als Ausdruck innerer mentaler Zustände zu verstehen, also Gefühle, Wünsche, Überzeugungen und Absichten hinter Handlungen zu erkennen. Diese Fähigkeit entwickelt sich in der frühen Kindheit im Kontext sicherer Bindungsbeziehungen. Wenn Bezugspersonen die emotionalen Zustände des Kindes zuverlässig spiegeln und benennen, lernt das Kind, seine inneren Zustände als mentale Phänomene zu repräsentieren.

Bei Menschen mit somatoformen Störungen ist diese Mentalisierungsfähigkeit häufig eingeschränkt, nicht generell, aber spezifisch für belastende Affekte. Der Fachbegriff Alexithymie beschreibt eine verwandte Schwierigkeit: die Unfähigkeit, Gefühle zu identifizieren und in Worte zu fassen. Wenn seelische Zustände nicht als psychisch erkannt werden können, werden sie im Körper erlebt. Der Schmerz, die Übelkeit, das Herzrasen sind dann keine Symbole für etwas Psychisches, sie sind das Psychische, nur eben in körperlicher Form. Die Störung liegt nicht im Körper und nicht in der Psyche, sondern in der fehlenden Brücke zwischen beiden.

Therapeutisch hat dieses Verständnis konkrete Konsequenzen. Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) zielt darauf ab, die Fähigkeit zur Reflexion über innere Zustände zu stärken. Statt den Körper als defekt zu behandeln oder psychische Ursachen zu suchen, geht es darum, eine neue Sprache für das Erleben zu entwickeln. Der psychotherapeutische Prozess hilft Betroffenen, ihre körperlichen Symptome allmählich als Ausdruck von Gefühlen zu verstehen, nicht durch Interpretation von außen, sondern durch wachsende eigene Mentalisierungskompetenz. Dieser Ansatz ist empirisch gut untersucht und zeigt nachhaltige Effekte bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, einschließlich psychosomatischer Störungen.

Warum „The Body Keeps the Score“ pseudowissenschaftlicher Populismus ist

Bessel van der Kolks Bestseller „The Body Keeps the Score“ hat eine ganze Generation von Laien und leider auch Therapeuten mit einer fundamental falschen Vorstellung von Trauma und Körper infiziert. Die Kernthese, Traumata würden buchstäblich „im Körper gespeichert“ und müssten durch körperbasierte Interventionen „befreit“ werden, ist neurobiologischer Unsinn, verpackt in die Ästhetik wissenschaftlicher Autorität.

Der Körper speichert keine Erinnerungen. Das Gehirn tut das. Was van der Kolk als „Körpergedächtnis“ verkauft, sind veränderte neuronale Verarbeitungsmuster, die selbstverständlich körperliche Korrelate haben, wie jeder mentale Zustand. Aber die Metapher des im Gewebe eingeschlossenen Traumas, das durch Yoga, Massage oder Theatertherapie „freigesetzt“ werden muss, bedient esoterische Fantasien, nicht Wissenschaft. Sie suggeriert, man könne das Gehirn umgehen und direkt am Körper heilen. Das ist ungefähr so plausibel wie die Behauptung, man könne Software reparieren, indem man die Festplatte streichelt.

Besonders problematisch: van der Kolk bewirbt ein Sammelsurium von Methoden – EMDR, Yoga, Neurofeedback, Theatergruppen, Kampfsport – mit einem Enthusiasmus, der die tatsächliche Evidenzlage grotesk überstrapaziert. EMDR ist für PTBS gut belegt; für somatoforme Störungen ist die Datenlage dünn. Yoga kann als Ergänzung hilfreich sein; als primäre Traumatherapie ist es nicht evidenzbasiert. Doch van der Kolk präsentiert diese Methoden, als hätten sie alle vergleichbare Wirksamkeit, Hauptsache, der Körper wird „einbezogen“. Das ist keine differenzierte klinische Empfehlung, sondern Marketing für eine Ideologie.

Die Abgrenzung zum Mentalisierungskonzept macht den Unterschied deutlich. Fonagy fragt: Wie kann der Patient lernen, seine körperlichen Empfindungen als Ausdruck mentaler Zustände zu verstehen? Van der Kolk fragt: Wie können wir das Trauma aus dem Körper herausbekommen? Die erste Frage führt zu Autonomie und Selbstverständnis. Die zweite führt zu endlosen Körpertherapien, bei denen immer noch ein weiteres Trauma „gelöst“ werden muss. Seriöse Psychotherapie entwickelt Mentalisierungsfähigkeit. Van-der-Kolk-inspirierte Körperarbeit ersetzt eine Abhängigkeit durch eine andere.

Für Betroffene somatoformer Störungen ist diese Unterscheidung existenziell. Wer glaubt, sein Körper sei ein Gefängnis voller eingesperrter Traumata, wird zum Dauerkonsumenten esoterischer Angebote. Wer versteht, dass der Körper Signale sendet, die er noch nicht in psychische Sprache übersetzen kann, hat einen Entwicklungsweg vor sich. Der eine Weg chronifiziert die Störung. Der andere führt heraus.

EMDR und Brainspotting: Körperbezogene Arbeit im Dienst der Mentalisierung

Wenn körperorientierte Verfahren so kritisch zu betrachten sind, gibt es dann überhaupt einen Platz für sie in der Behandlung somatoformer Störungen? Die Antwort ist ja, aber mit einer entscheidenden Einschränkung: Die Methode muss Mentalisierung fördern, nicht ersetzen. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist das am besten untersuchte Beispiel für eine körperbezogene Intervention, die genau das leisten kann.

EMDR wurde ursprünglich von Francine Shapiro für die Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt und gehört heute zu den am besten evidenzbasierten Verfahren bei PTBS. Die Methode nutzt bilaterale Stimulation, meist durch geführte Augenbewegungen, um die Verarbeitung belastender Erinnerungen zu unterstützen. Was EMDR von esoterischen Körpertherapien unterscheidet: Die körperliche Komponente ist kein Selbstzweck, sondern Katalysator für psychische Verarbeitung. Der Patient bleibt nicht im reinen Körpererleben stecken, sondern nutzt die fokussierte Aufmerksamkeit, um Verbindungen zwischen körperlichen Empfindungen, Emotionen und Bedeutungen herzustellen. Das ist Mentalisierungsarbeit mit körperlichem Zugang.

Brainspotting, entwickelt von David Grand, ist eine Spielart von EMDR, die stärker auf die Beobachtung setzt, dass bestimmte Blickpositionen mit der Aktivierung emotionaler und körperlicher Zustände korrelieren. Der Therapeut hilft dem Patienten, einen „Brainspot“ zu finden, eine Augenposition, bei der die Verbindung zu einem belastenden Erleben besonders intensiv spürbar wird. Die Evidenzlage für Brainspotting ist deutlich dünner als für EMDR; spezifische Wirksamkeitsnachweise für somatoforme Störungen fehlen weitgehend. Das macht Brainspotting nicht wertlos, aber es sollte mit angemessener Vorsicht eingesetzt werden: als klinisch interessante Erweiterung des EMDR-Prinzips, nicht als eigenständiges Wunderverfahren.

Der entscheidende Unterschied zu esoterischen Körpertherapien liegt in der therapeutischen Haltung. Weder EMDR noch Brainspotting sind Selbstläufer oder Techniken, die man isoliert anwendet. Sie funktionieren innerhalb einer tragfähigen therapeutischen Beziehung, in der der Therapeut als Mentalisierungsmodell dient. Die körperlichen Empfindungen, die während der Sitzung auftauchen, werden nicht als „Traumafreisetzung“ mystifiziert, sondern als Material für gemeinsame Reflexion genutzt. Was spürt der Patient? Was könnte das bedeuten? Welche Gefühle, Erinnerungen, Gedanken tauchen auf? Diese Fragen übersetzen Körpererleben in psychische Sprache, sie fördern genau die Mentalisierungsfähigkeit, die bei somatoformen Störungen eingeschränkt ist. Wer EMDR oder Brainspotting als Teil eines mentalisierungsfördernden Gesamtkonzepts nutzt, kann damit einen wertvollen Beitrag zur Behandlung leisten. Wer sie als Körpertechnik verkauft, die das Gespräch überflüssig macht, reproduziert den Fehler, den van der Kolk zum Geschäftsmodell gemacht hat.

Wie beeinflusst psychische Belastung die Schmerzwahrnehmung?

Psychische Belastung verändert nachweislich die Art, wie das Gehirn Schmerzsignale verarbeitet. Bei chronischem Stress werden Schmerzhemmungsmechanismen geschwächt und Schmerzempfindlichkeit gesteigert. Das erklärt, warum Menschen unter psychischer Belastung Schmerzen intensiver wahrnehmen, und warum Entspannung und psychische Stabilisierung Schmerzen lindern können.

Die mit den Schmerzen verbundenen Gefühle spielen ebenfalls eine Rolle. Wer Schmerz mit Angst, Hilflosigkeit oder Katastrophendenken verbindet, erlebt ihn intensiver. Umgekehrt kann eine akzeptierende, gelassene Haltung die Schmerzwahrnehmung reduzieren. Psychotherapeutische Interventionen setzen genau hier an: Sie verändern nicht primär den Schmerz selbst, sondern die Beziehung zum Schmerz.

Interessanterweise zeigen bildgebende Studien, dass bei chronischen Schmerzpatienten tatsächlich Veränderungen in Hirnarealen sichtbar sind, die für Schmerzverarbeitung zuständig sind. Die Schmerzstörung hinterlässt also messbare Spuren im Gehirn, ein weiterer Beleg dafür, dass die Trennung von „körperlich“ und „psychisch“ künstlich ist. Der Schmerz ist weder rein körperlich noch rein psychisch, er ist beides zugleich.

Welche Rolle spielt Psychotherapie bei somatoformen Störungen?

Psychotherapie ist die Behandlung der Wahl bei somatoformen Störungen. Psychotherapeutische Verfahren haben sich als wirksamer erwiesen als eine rein medikamentöse Behandlung oder fortgesetzte körperliche Diagnostik. Das bedeutet nicht, dass körperliche Behandlung unwichtig wäre, aber ohne psychotherapeutische Bearbeitung der zugrunde liegenden psychischen Ursachen ist eine nachhaltige Besserung unwahrscheinlich.

Kognitive Verhaltenstherapie hilft Betroffenen, ungünstige Denkmuster, die zu ihren Symptomen führen, zu erkennen und zu verändern. Psychodynamische Psychotherapie fokussiert sich stärker auf unbewusste Konflikte und verdrängte Gefühle, die sich körperlich ausdrücken. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, welcher besser passt, hängt von der betroffenen Person und ihrer Problemkonstellation ab.

Ein zentrales Element jeder therapeutischen Arbeit ist die Psychoedukation: Betroffene lernen, den Zusammenhang zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen. Dieses Verständnis allein hat oft bereits entlastende Wirkung. Wenn der Körper nicht mehr als defekt erlebt wird, sondern als Kommunikationsmittel der Psyche, verändert sich die Beziehung zu den Beschwerden grundlegend.

Wie erfolgt die Diagnose einer somatoformen Störung?

Die Diagnose ist nicht einfach ein sorgfältiger Ausschlussprozess. Zwar müssen Ärzte organische Ursachen für die Beschwerden ausschließen, allerdings ohne dabei in endlose diagnostische Schleifen zu geraten. Ein erfahrener Mediziner weiß, wann weitere Untersuchungen sinnvoll sind und wann sie nur die Fixierung auf körperliche Erklärungen verstärken.

Die diagnostische Herausforderung besteht darin, einerseits keine ernsthafte körperliche Erkrankung zu übersehen, andererseits nicht durch Überdiagnostik die Störung zu chronifizieren. Jede weitere Operation, jede weitere Untersuchung kann die Überzeugung verstärken, dass „doch etwas gefunden werden muss“. Dieses abnorme Krankheitsverhalten ist selbst Teil der Störung und muss therapeutisch adressiert werden.

Neben dem Ausschluss körperlicher Ursachen gehört zur Diagnose auch die Erhebung der psychischen Vorgeschichte. Gab es traumatische Erlebnisse? Bestehen aktuell Belastungen? Wie geht die betroffene Person mit Stress um? Diese Informationen sind entscheidend für Diagnose und Behandlungsplanung. Die Diagnose sollte dabei nicht als Stigma erlebt werden, sondern als Chance: Endlich gibt es eine Erklärung, und damit auch einen Ansatzpunkt für eine wirksame Behandlung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es jenseits der Psychotherapie?

Neben Psychotherapie können weitere Behandlungsmöglichkeiten hilfreich sein, allerdings als Ergänzung, nicht als Ersatz. Gut belegt ist die Wirksamkeit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR), die strukturiert die Aufmerksamkeitsregulation trainiert und dabei hilft, körperliche Empfindungen ohne Katastrophisieren wahrzunehmen. Regelmäßige körperliche Bewegung, ob Ausdauersport, Krafttraining oder Schwimmen, wirkt nachweislich antidepressiv und anxiolytisch, ohne dass man dafür esoterische Rahmentheorien bemühen müsste. Auch Biofeedback kann sinnvoll sein: Patienten lernen, vegetative Reaktionen wie Herzratenvariabilität oder Muskelspannung bewusst wahrzunehmen und zu beeinflussen ein konkreter, messbarer Zugang zur Körper-Psyche-Verbindung.

In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein. Hier werden verschiedene therapeutische Ansätze kombiniert: Einzel- und Gruppentherapie, Entspannungsverfahren und ggf. medikamentöse Unterstützung. Der Vorteil: Betroffene sind für einige Wochen aus ihrem belastenden Alltag herausgenommen und können sich ganz auf ihre Genesung konzentrieren.

Ambulant kann eine Kombination aus Psychotherapie und begleitender hausärztlicher Versorgung am sinnvollsten sein. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Psychotherapeut. Der Hausarzt sollte nicht bei jedem neuen Symptom neue Diagnostik einleiten, aber dennoch ernsthaft und empathisch auf die Beschwerden eingehen. Diese Balance ist anspruchsvoll, aber entscheidend für den Behandlungserfolg. Was all diese ergänzenden Maßnahmen gemeinsam haben sollten: Sie dienen der Stressregulation und Körperwahrnehmung, nicht der mythischen „Befreiung“ von im Gewebe gespeicherten Traumata.

Wie können Betroffene mit der Erkrankung umgehen?

Der erste Schritt ist die Akzeptanz, dass körperliche Symptome auch psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real macht. Viele Betroffene wehren sich lange gegen diese Erkenntnis, weil sie befürchten, als „eingebildet krank“ abgestempelt zu werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Anerkennung der psychosomatischen Komponente eröffnet erst den Weg zur Heilung.

Hilfreich ist auch, den Fokus vom Symptom wegzulenken. Betroffene sind oft in einem ständigen Beobachtungsmodus: Wie stark ist der Schmerz heute? Wird er schlimmer? Was bedeutet dieses neue Symptom? Diese Hypervigilanz verstärkt die Beschwerden. Ablenkung, angenehme Aktivitäten und soziale Kontakte können diesen Teufelskreis durchbrechen.

Schließlich ist Geduld wichtig. Eine somatoforme Störung, die sich über Jahre entwickelt hat, verschwindet nicht innerhalb weniger Wochen. Rückschläge gehören dazu. Aber mit konsequenter psychotherapeutischer Behandlung und einem verständnisvollen Umfeld sind deutliche Besserungen möglich. Der Körper, der so lange Warnsignale gesendet hat, kann wieder zur Ruhe kommen, wenn die Seele endlich gehört wird.

Zusammenfassung: Was Sie über somatoforme Störungen wissen sollten

·         Bei einer somatoformen Störung sind körperliche Symptome real und belastend, auch wenn keine organische Ursache gefunden wird

·         Die Erkrankung ist häufig, bis zu 15 Prozent der Bevölkerung sind betroffen

·         Formen umfassen die Somatisierungsstörung, hypochondrische Störung, anhaltende Schmerzstörung und somatoforme autonome Funktionsstörung

·         Psychische Belastung, Stress und unverarbeitete Traumata können Symptome auslösen und aufrechterhalten

·         Eingeschränkte Mentalisierungsfähigkeit, die Unfähigkeit, Gefühle als psychische Zustände zu erkennen, erklärt, warum seelische Belastung körperlich erlebt wird

·         Mentalisierungsbasierte Therapie stärkt die Fähigkeit, körperliche Symptome als Ausdruck innerer Zustände zu verstehen

·         Populärpsychologische Konzepte wie van der Kolks „Körpergedächtnis“ sind wissenschaftlich unhaltbar und fördern esoterische statt evidenzbasierte Behandlungsansätze

·         EMDR ist ein evidenzbasiertes Verfahren, das körperbezogene Elemente sinnvoll mit Mentalisierungsarbeit verbindet; Brainspotting ist eine klinisch interessante Spielart mit geringerer Evidenz

·         Die Diagnose erfordert sorgfältigen Ausschluss körperlicher Ursachen ohne Überdiagnostik

·         Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung

·         Körperorientierte Verfahren und bei Bedarf stationäre Behandlung ergänzen das Therapiespektrum

·         Akzeptanz der psychosomatischen Zusammenhänge ist der erste Schritt zur Besserung

·         Chronische Verläufe können mit Geduld und professioneller Hilfe positiv beeinflusst werden

Häufige Fragen rund um Somatisierung und psychosomatische Beschwerden

Was ist eine Somatisierungsstörung in der Psychosomatik?

Eine Somatisierungsstörung ist eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter vielfältigen, wechselnden körperlichen Symptomen leiden, für die trotz gründlicher Untersuchung keine ausreichende organische Ursache gefunden wird. Die Beschwerden sind real, nicht eingebildet, aber ihre Entstehung und Aufrechterhaltung werden maßgeblich durch psychische Faktoren beeinflusst. In der Psychosomatik versteht man die Somatisierungsstörung als Ausdruck seelischer Belastung, die sich mangels anderer Ausdrucksmöglichkeiten im Körper manifestiert.

Was ist der Unterschied zwischen "somatisch" und "psychosomatisch"?

„Somatisch“ bedeutet schlicht „den Körper betreffend“, eine somatische Erkrankung ist eine körperliche Erkrankung mit nachweisbarer organischer Ursache, etwa ein Knochenbruch oder eine Infektion. „Psychosomatisch“ bezeichnet hingegen Beschwerden, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle bei Entstehung oder Verlauf spielen. Der Körper reagiert auf seelische Belastung mit körperlichen Symptomen. Wichtig: Psychosomatisch bedeutet nicht „eingebildet“, sondern beschreibt die enge Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper.

Was sind psychosomatische Beschwerden?

Psychosomatische Beschwerden sind körperliche Symptome, die durch psychische Belastung ausgelöst oder verstärkt werden. Dazu gehören etwa Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder chronische Erschöpfung. Die Beschwerden fühlen sich für Betroffene genauso real an wie bei einer rein körperlichen Erkrankung, denn sie sind real. Der Unterschied liegt nicht in der Intensität des Erlebens, sondern in der Ursache.

Welche Krankheiten gelten als psychosomatisch?

Zu den klassischen psychosomatischen Erkrankungen zählen die Somatisierungsstörung, die hypochondrische Störung, die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, funktionelle Herzbeschwerden, Reizdarmsyndrom, Spannungskopfschmerz und Fibromyalgie. Auch bei Erkrankungen wie Neurodermitis, Asthma oder Bluthochdruck können psychische Faktoren den Verlauf erheblich beeinflussen. Die Grenzen sind fließend, fast jede körperliche Erkrankung hat auch eine psychische Komponente.

Was sind die sieben psychosomatischen Erkrankungen?

Die Vorstellung von genau „sieben psychosomatischen Erkrankungen“ geht auf die historische Konzeption der „Holy Seven“ zurück, die Franz Alexander in den 1950er Jahren formulierte: Magengeschwür, Colitis ulcerosa, Asthma bronchiale, rheumatoide Arthritis, Neurodermitis, Bluthochdruck und Schilddrüsenüberfunktion. Diese Einteilung ist heute überholt. Wir wissen mittlerweile, dass psychosomatische Zusammenhänge bei praktisch allen Erkrankungen eine Rolle spielen können, und die strikte Trennung in „psychosomatisch“ und „nicht psychosomatisch“ entspricht nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand.

Welche Somatisierungsstörungen gibt es?

Die ICD-10 unterscheidet mehrere Formen: die Somatisierungsstörung (F45.0) mit zahlreichen, wechselnden Symptomen über mindestens zwei Jahre; die undifferenzierte Somatisierungsstörung (F45.1) mit weniger ausgeprägten oder kürzeren Verläufen; die hypochondrische Störung (F45.2) mit der Überzeugung, schwer krank zu sein; die somatoforme autonome Funktionsstörung (F45.3) mit Symptomen des vegetativen Nervensystems; und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) mit chronischen Schmerzen ohne ausreichende körperliche Erklärung.

Was ist die Ursache für Somatisierungsstörungen?

Die Ursachen sind vielfältig und wirken zusammen. Genetische Faktoren erhöhen die Vulnerabilität. Frühe Bindungserfahrungen spielen eine zentrale Rolle: Wer als Kind nicht gelernt hat, Gefühle zu erkennen und auszudrücken, neigt eher dazu, seelische Belastung körperlich zu erleben. Traumatische Erlebnisse, chronischer Stress und aktuelle Lebensbelastungen können eine Somatisierungsstörung auslösen. Aus mentalisierungstheoretischer Sicht fehlt Betroffenen oft die Fähigkeit, körperliche Empfindungen als Ausdruck psychischer Zustände zu erkennen.

Wie machen sich psychosomatische Störungen bemerkbar?

Psychosomatische Störungen können sich in nahezu jedem Organsystem zeigen: Schmerzen (Kopf, Rücken, Bauch, Gelenke), Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Durchfall, Verstopfung), Herz-Kreislauf-Symptome (Herzrasen, Brustenge, Schwindel), Atembeschwerden, Hautprobleme, Erschöpfung oder Schlafstörungen. Charakteristisch ist oft, dass die Symptome wechseln, dass Untersuchungen keine ausreichende körperliche Erklärung liefern und  die Beschwerden bei Stress zunehmen.

Wie fühlen sich psychosomatische Schmerzen an?

Psychosomatische Schmerzen fühlen sich genauso real an wie Schmerzen mit eindeutiger körperlicher Ursache, weil sie real sind. Das Gehirn produziert dieselben Schmerzsignale, die Nervenbahnen leiten dieselben Impulse. Betroffene beschreiben oft dumpfe, diffuse Schmerzen, die schwer zu lokalisieren sind, oder wandernde Schmerzen, die heute hier und morgen dort auftreten. Die Intensität kann von leicht störend bis völlig beeinträchtigend reichen.

Was löst psychosomatische Schmerzen aus?

Auslöser können akute Belastungen sein (Konflikte, Verluste, Überforderung) oder chronischer Stress ohne erkennbaren Einzelauslöser. Oft finden sich in der Vorgeschichte unverarbeitete emotionale Erfahrungen, nicht zwingend dramatische Traumata, manchmal auch subtilere Formen emotionaler Vernachlässigung. Der Körper reagiert auf seelische Not, die nicht in Worte gefasst werden kann. Die Schmerzen sind dann gewissermaßen der Versuch des Körpers, auf etwas aufmerksam zu machen, das psychisch nicht verarbeitet werden konnte.

Wie zeigt der Körper, dass die Seele leidet?

Der Körper hat viele Sprachen: Muskelverspannungen bei angestauter Wut, Magenbeschwerden bei „unverdauten“ Konflikten, Herzrasen bei Angst, Erschöpfung bei Depression, Hautprobleme bei Schamkonflikten. Diese Zusammenhänge sind keine esoterischen Symbolismen, sondern neurobiologisch nachvollziehbar. Das vegetative Nervensystem reagiert auf psychische Belastung mit messbaren körperlichen Veränderungen. Bei chronischer Belastung können diese Reaktionen sich verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Wie äußert sich Überforderung körperlich?

Körperliche Zeichen chronischer Überforderung umfassen Erschöpfung trotz ausreichend Schlaf, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenverspannungen, Magen-Darm-Probleme, erhöhte Infektanfälligkeit, Schlafstörungen und Herzrasen. Viele Betroffene berichten von einem Gefühl innerer Anspannung, die sich nicht lösen lässt. Langfristig kann chronische Überforderung in ein Burn-out oder eine depressive Episode münden.

Wie merkt man, dass man mit den Nerven am Ende ist?

Warnsignale sind anhaltende Erschöpfung, die durch Erholung nicht besser wird; zunehmende Reizbarkeit oder emotionale Taubheit; Schlafstörungen; körperliche Beschwerden ohne klare Ursache; sozialer Rückzug; Konzentrations- und Gedächtnisprobleme; das Gefühl, selbst einfache Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können; und Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die früher Freude gemacht haben. Wenn mehrere dieser Zeichen über Wochen bestehen, ist professionelle Unterstützung angeraten.

Wie äußert sich innerlicher Stress?

Innerlicher Stress zeigt sich auf mehreren Ebenen: körperlich durch Anspannung, Unruhe, Herzrasen oder Verdauungsprobleme; emotional durch Gereiztheit, Ängstlichkeit oder Niedergeschlagenheit; kognitiv durch Grübeln, Konzentrationsprobleme oder Katastrophendenken; und verhaltensmäßig durch Schlafprobleme, verändertes Essverhalten oder Substanzkonsum. Oft bemerken Betroffene den Stress selbst nicht, der Körper signalisiert ihn dann durch Beschwerden.

Was sind Warnsignale des Körpers?

Der Körper sendet Warnsignale, wenn das System überlastet ist: wiederkehrende Infekte, chronische Müdigkeit, unerklärliche Schmerzen, Verdauungsprobleme, Hautveränderungen, Haarausfall, Gewichtsveränderungen, Schlafstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen. Diese Signale ernst zu nehmen bedeutet nicht, in Panik zu verfallen, sondern innezuhalten und zu fragen: Was braucht mein Körper? Was belastet mich? Manchmal ist ein körperliches Symptom der einzige Hinweis darauf, dass psychisch etwas im Argen liegt.

Was ist eine somatische Stressreaktion?

Eine somatische Stressreaktion ist die körperliche Antwort auf psychische Belastung. Bei akutem Stress aktiviert der Körper das sympathische Nervensystem: Herzfrequenz und Blutdruck steigen, Muskeln spannen sich an, die Verdauung wird gehemmt, Stresshormone werden ausgeschüttet. Diese Reaktion ist evolutionär sinnvoll, sie bereitet auf Kampf oder Flucht vor. Problematisch wird es, wenn der Stress chronisch ist und der Körper keine Erholung findet. Dann können sich die Stressreaktionen verselbstständigen und zu dauerhaften Beschwerden werden.

Welche Beispiele gibt es für somatische Erkrankungen?

Somatische Erkrankungen im engeren Sinne sind körperliche Erkrankungen mit nachweisbarer organischer Ursache: Infektionskrankheiten, Knochenbrüche, Herzinfarkt, Krebs, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen. Der Begriff wird manchmal verwirrend verwendet. In der Psychiatrie bezeichnet „somatische Erkrankung“ eine körperliche Erkrankung im Gegensatz zu einer psychischen. In der Psychosomatik wird zwischen rein somatischen Erkrankungen und solchen, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, unterschieden.

Welches Problem tritt häufig bei Patienten mit Somatisierungsstörung auf?

Betroffene geraten oft in einen Teufelskreis aus Arztbesuchen, Untersuchungen und Enttäuschungen. Sie suchen nach einer körperlichen Erklärung, finden keine, fühlen sich nicht ernst genommen und wechseln zum nächsten Arzt. Dieses „Doctor-Shopping“ kann zu unnötigen Eingriffen führen und die Störung chronifizieren. Hinzu kommt häufig eine Begleitdepression oder eine Angststörung. Die größte Hürde ist oft die Akzeptanz dafür, dass die Beschwerden real sind, aber psychische Ursachen haben.

Woher weiß ich, ob meine Beschwerden psychosomatisch sind?

Hinweise auf eine psychosomatische Komponente sind: mehrfache Untersuchungen ohne eindeutigen Befund; wechselnde oder wandernde Symptome; Zusammenhang zwischen Beschwerden und Belastungssituationen; Besserung in entspannten Phasen; begleitende Ängste oder depressive Verstimmung; Überzeugung, schwer krank zu sein, trotz unauffälliger Befunde. Wichtig: Eine psychosomatische Diagnose ist keine Ausschlussdiagnose im Sinne von „Wir finden nichts, also ist es psychisch“. Sie erfordert positive Kriterien sowie eine sorgfältige Erhebung der psychischen Vorgeschichte.

Was machen ständige Schmerzen mit der Psyche?

Chronische Schmerzen belasten die Psyche erheblich. Sie erhöhen das Risiko für Depression und Angststörungen, führen zu sozialem Rückzug, beeinträchtigen Konzentration und Lebensqualität und können das Selbstbild verändern. Betroffene erleben sich als hilflos und der Krankheit ausgeliefert. Es entsteht ein Teufelskreis: Schmerz führt zu psychischer Belastung, die Schmerzwahrnehmung verstärkt. Deshalb ist bei chronischen Schmerzen immer auch eine psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll.

Wie bekomme ich psychosomatische Symptome weg?

Der wichtigste Schritt ist die Akzeptanz dafür, dass körperliche Symptome psychische Ursachen haben können, ohne dass dies die Beschwerden weniger real erscheinen lässt. Psychotherapie ist die wirksamste Behandlung, insbesondere kognitive Verhaltenstherapie und psychodynamische Verfahren. Ergänzend können Stressmanagement, achtsamkeitsbasierte Verfahren, regelmäßige Bewegung sowie Entspannungstechniken helfen. Entscheidend ist, den Fokus von der Symptombekämpfung auf die zugrundeliegenden emotionalen Themen zu verlagern.

Wie kann man eine Somatisierungsstörung heilen?

„Heilung“ im Sinne vollständiger Symptomfreiheit ist nicht immer realistisch, aber deutliche Besserung ist gut möglich. Psychotherapie hilft, die Zusammenhänge zwischen seelischer Belastung und körperlichen Symptomen zu verstehen und neue Umgangsweisen zu entwickeln. Der Fokus verschiebt sich von „Symptom wegmachen“ zu „anders mit dem Symptom umgehen“. Viele Betroffene berichten, dass ihre Beschwerden abnehmen, wenn sie lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken.

Sind Somatisierungsstörungen heilbar?

Ja, mit Einschränkungen. Vollständige Symptomfreiheit ist bei allen Betroffenen nicht zu erreichen, aber die Lebensqualität kann sich erheblich verbessern. Studien zeigen, dass Psychotherapie die Symptomintensität reduziert, die Funktionsfähigkeit erhöht und den Leidensdruck mindert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist die Bereitschaft, psychische Zusammenhänge zu akzeptieren und aktiv an der Veränderung mitzuarbeiten. Je früher die Behandlung beginnt, umso besser ist die Prognose.

Wie lange dauert es, bis psychosomatische Beschwerden verschwinden?

Das hängt von der Dauer der Erkrankung, dem Schweregrad und der Behandlungsintensität ab. Beschwerden, die sich über Jahre entwickelt haben, verschwinden nicht in Wochen. Eine ambulante Psychotherapie dauert typischerweise 25 bis 80 Sitzungen, also ein halbes bis zwei Jahre. Erste Besserungen können früher eintreten, Rückschläge gehören dazu. Geduld ist wichtig, aber ebenso die Zuversicht, dass Veränderung möglich ist.

Was ist die häufigste psychosomatische Reaktion?

Spannungskopfschmerzen und Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten psychosomatischen Beschwerden. Auch Magen-Darm-Probleme wie Reizmagen oder Reizdarm sind sehr verbreitet. In Hausarztpraxen machen Patienten mit funktionellen, psychosomatischen Beschwerden einen erheblichen Anteil aller Konsultationen aus, Schätzungen reichen bis zu einem Drittel.

Wie bekommt man die Psyche wieder in den Griff?

Diese Formulierung ist verständlich, aber problematisch. Die Psyche ist kein Feind, den man „in den Griff bekommen“ muss, sondern ein Teil des Selbst, der Aufmerksamkeit braucht. Hilfreicher ist die Frage: Was braucht meine Psyche? Oft sind das sichere Beziehungen, Verständnis für die eigenen Gefühle, Entlastung von übermäßigem Stress und professionelle Unterstützung durch Psychotherapie. Der Weg führt nicht über Kontrolle, sondern über Verstehen.

Kann man somatische Symptome ignorieren?

Davon ist abzuraten. Symptome zu ignorieren führt weder dazu, dass sie verschwinden, noch dass ihre Ursache verschwindet. Bei somatoformen Störungen verstärkt Ignorieren oft die Beschwerden, der Körper „erhöht die Lautstärke“, wenn er nicht gehört wird. Sinnvoller ist ein mittlerer Weg: die Symptome ernst nehmen, aber nicht katastrophisieren; nach angemessener medizinischer Abklärung die psychische Komponente akzeptieren und bearbeiten.

Welcher Arzt ist für psychosomatische Beschwerden zuständig?

Der Hausarzt ist meist die erste Anlaufstelle und sollte eine orientierende körperliche Abklärung vornehmen. Für die weitere Behandlung sind Fachärzte für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder für Psychiatrie und Psychotherapie zuständig. Auch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten behandeln psychosomatische Beschwerden. Bei schweren Verläufen kann eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll sein.

Welche Medikamente helfen bei psychosomatischen Beschwerden?

Medikamente sind bei psychosomatischen Beschwerden nicht die erste Wahl, können aber ergänzend sinnvoll sein. Bei begleitender Depression oder Angststörung können Antidepressiva helfen, sie wirken auch schmerzmodulierend. Bei akuter Anspannung können kurzfristig Beruhigungsmittel eingesetzt werden, allerdings mit Vorsicht wegen des Abhängigkeitspotenzials. Schmerzmittel sind bei somatoformen Schmerzstörungen meist wenig wirksam und können bei Dauergebrauch die Beschwerden verschlimmern. Die eigentliche Behandlung bleibt Psychotherapie.

Welches Medikament stabilisiert die Psyche?

Kein Medikament „stabilisiert die Psyche“ im umfassenden Sinn. Antidepressiva können depressive Symptome lindern, Anxiolytika können Angst reduzieren, Mood-Stabilizer können Stimmungsschwankungen dämpfen. Aber Medikamente ersetzen keine Psychotherapie, sie können sie allenfalls unterstützen. Die nachhaltigste „Stabilisierung“ entsteht durch die Entwicklung von Selbstverständnis, Emotionsregulation und tragfähigen Beziehungen. Das sind keine Pillen, sondern Prozesse.

Welches Medikament wird bei einer Somatisierungsstörung eingesetzt?

Es gibt kein spezifisches Medikament gegen Somatisierungsstörungen. Bei begleitender Depression werden häufig SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) wie Sertralin oder Citalopram eingesetzt. Bei chronischen Schmerzen können trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin helfen. Die Evidenz für medikamentöse Therapie bei reinen Somatisierungsstörungen ohne psychiatrische Komorbidität ist begrenzt. Psychotherapie bleibt die Behandlung der Wahl.

Wie merkt man, ob man psychisch krank ist?

Anhaltender Leidensdruck und Beeinträchtigung im Alltag sind die wichtigsten Hinweise. Wenn Symptome, seien sie psychisch oder körperlich, über Wochen bestehen, die Lebensqualität mindern und aus eigener Kraft nicht bewältigt werden können, ist professionelle Abklärung sinnvoll. Psychische Erkrankungen sind keine Charakterschwäche, sondern behandelbare Gesundheitsprobleme. Sich Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge.

Welche psychische Krankheit hat die höchste Suizidrate?

Diese Frage weicht vom Thema Somatisierung ab, verdient aber eine Antwort. Die höchsten Suizidraten finden sich bei schweren Depressionen, bipolaren Störungen, Schizophrenie und Borderline-Persönlichkeitsstörung. Auch Suchterkrankungen erhöhen das Risiko erheblich. Bei Somatisierungsstörungen ist das Suizidrisiko zwar geringer, aber nicht zu vernachlässigen, insbesondere wenn eine begleitende Depression vorliegt. Suizidgedanken sollten immer ernst genommen und professionell behandelt werden.


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