Wilfred Bion und die Gefühle: Containment, Selbst-Containment, Identität
Wilfred Bion und die Gefühle: Containment, Selbst-Containment, Identität
Wilfred Bion und die Gefühle
Veröffentlicht am:
13.08.2025


DESCRIPTION:
Psychoanalytisch betrachtet: Bions Containment-Theorie (1957) und die Rolle der Gefühle.
Wilfred Bion, Gefühle und Containment: Gefühle wollen gehalten werden
Gefühle fluten uns, verbinden uns und können uns überfordern. Wie gelingt es, schwierige Emotionen nicht zu verdrängen, sondern sie als Teil der eigenen Entwicklung zu erkennen?
Wilfred Bion revolutionierte mit seinen Ideen über Containment und das "Halten von Gefühlen" unser Verständnis vom menschlichen Miteinander.
Worum es geht:
warum Bions Erkenntnisse über Gefühl, Containment und das psychische Wachstum heute aktueller denn je sind,und
wie sie unseren Blick auf Beziehungen, Identität und psychische Gesundheit verändern.
Einleitung
Wilfred Bion betrachtete Containment, Selbst-Containment und Identität als eng miteinander verbundene zentrale Prozesse in der psychischen Entwicklung und Verarbeitung von Gefühlen.
Containment beschreibt bei ihm die Fähigkeit eines "Containers" (typischerweise die Mutter oder eine primäre Bezugsperson), die vom "Contained" (dem Kind oder einer anderen Person) projizierten, oft unerträglichen Gefühle aufzunehmen, zu halten und innerlich so zu verwandeln und zu verarbeiten, dass sie weniger überwältigend und vom Contained selbst besser integrierbar werden. Durch dieses psychische „Halten“ schafft der Container eine Art sicheren Raum, in dem das Kind oder die Person lernt, ihre eigenen intensiven Gefühlszustände zu bewältigen.
Das Ziel dieses Prozesses ist die Entwicklung von Selbst-Containment: die Fähigkeit, die eigenen Gefühle selbst auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf externe Hilfe angewiesen zu sein. Selbst-Containment stellt für Bion damit einen entscheidenden Schritt in der psychischen Reifung dar, da Menschen so in die Lage versetzt werden, ihre inneren Gefühlswelten eigenständig zu regulieren.
Die Erfahrung des Containments und die spätere Fähigkeit zum Selbst-Containment sind bei Bion maßgeblich für die Entwicklung einer stabilen Identität, da sie das Erleben eines kohärenten Selbst ermöglichen. Wenn Gefühle gehalten und durch Containment integriert werden, trägt dies zu einem gesunden Selbstwertgefühl und psychischer Stabilität bei. Fehlt diese funktionierende Containment-Dynamik, können Angst, Spaltung der Psyche oder Unsicherheit entstehen, die sich auch negativ auf die Identitätsentwicklung auswirken.
Zusätzlich betonte Bion die Rolle des Mediums als träumerische (rêverie) Fähigkeit des Containings, Gefühle wahrzunehmen und symbolisch aufzunehmen, was das Verstehen und die Integration innerer Erfahrungen fördert. Diese Funktion erlaubt es, rohe, unverarbeitete Gefühle in „denkbare“ und strukturierte psychische Inhalte zu wandeln.
Insgesamt zeigt Bions Konzept von Containment, Selbst-Containment und Identität, wie tragfähig und bedeutsam emotionale Beziehungen und deren Verarbeitung für das menschliche Erleben und die psychische Gesundheit sind.
Was bedeutet Containment bei Bion?
Wilfred Bion führte 1962 das Konzept des Containments in die Psychologie ein. Containment meint das psychische „Aufnehmen“ und „Verwandeln“ von heftigen, manchmal sogar unerträglichen Gefühlen, sodass diese nicht mehr bedrohen, sondern integriert und verstanden werden können. Grundlage ist die frühe Beziehung zwischen Säugling und Mutter: Das Kind erlebt zunächst ungetrennte, überwältigende innere Zustände (etwa so wie Angst). Da es selbst dazu nicht in der Lage ist, projiziert es diese auf die Mutter, die als Containing-Objekt die Gefühle annimmt, verarbeitet und dem Kind als neue, benennbare Erfahrung zurückgibt. Dabei entsteht eine entscheidende psychische Funktion: Gefühle werden durch Beziehung reguliert und verwandelt.
Nur wenn Gefühle durch solches Containment gehalten und „verdaut“ werden, kann das Kind später auch der Erwachsene lernen, mit eigenen Emotionen umzugehen und ein kohärentes Selbst zu entwickeln.
Ohne dieses Halten bleiben rohe Emotionen (Beta-Elemente) unerträglich und können nicht verarbeitet werden.
Wie zeigt sich Containment im Alltag?
Containment findet permanent im Alltag statt, ganz ohne therapeutische Umgebung. Ein einfaches Beispiel: Ein Freund hört zu, wenn man über Sorgen spricht, bleibt ruhig und hilft, das Chaos in Worte zu fassen. Oder Eltern, die ihr Kind bei Angst begleiten, ihm Sicherheit geben und helfen, die Situation gemeinsam zu verstehen.
Solche „alltäglichen Containments” schaffen emotionale Sicherheit und ermöglichen, dass negative Gefühle nicht zu Lasten der Psyche agieren, sondern integriert werden können.
Wie prägt das „Gefühle halten“ unsere Entwicklung?
Bion zeigt, dass Containment nicht nur ein Konzept für Säuglinge ist, sondern ein lebenslanger Prozess bleibt. In Bindungen, Freundschaften oder Partnerschaften erleben Menschen wiederholt die Erfahrung, dass Gefühle aufgenommen und zurückgespiegelt werden. Dies vermittelt nicht nur Sicherheit, sondern ermöglicht ein stabiles Ich und die Integration der eigenen Gefühlswelt.
Ungehaltene Gefühle dagegen führen zu Unsicherheit, Spaltung (Spaltung der Psyche) oder Angststörungen. Die Fähigkeit zur Selbstregulation das sogenannte Selbst-Containment entsteht erst durch wiederholte Erfahrungen gelungenen Containments in Beziehungen zu anderen.
Selbst-Containment
Selbst-Containment bezeichnet bei Wilfred Bion die Fähigkeit, eigene Gefühle eigenständig auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf eine externe Bezugsperson oder ein anderes Containing-Objekt angewiesen zu sein. Während Containment ursprünglich beschreibt, wie etwa die Mutter rohe, unerträgliche Gefühle des Säuglings aufnimmt, innerlich „entgiftet“ und in einer erträglichen Form zurückgibt, stellt Selbst-Containment den wichtigen Entwicklungsschritt dar, in dem das Individuum lernt, diese Funktion selbst zu übernehmen.
Für Bion ist Selbst-Containment ein Zeichen psychischer Reife und Stabilität. Menschen mit dieser Fähigkeit können belastende Gefühle wie Angst oder Verzweiflung bewältigen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Sie entwickeln so eine innere Sicherheit, die es erlaubt, emotionale Krisen besser zu bestehen und sich selbst zu regulieren. Diese Fähigkeit ist die Folge wiederholter positiver Erfahrungen von Containment in der frühen Kindheit und bildet die Basis für eine stabile Identität.
Bion sieht Selbst-Containment auch als notwendige Voraussetzung für die Fähigkeit zum Denken und Lernen aus Erfahrung: Nur wer eigene Gefühle aushalten und „halten“ kann, ist in der Lage, innere Erfahrungen zu integrieren, eigene Eindrücke zu reflektieren kurzum: psychisch zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
Kurz gesagt: Selbst-Containment ist der innere "Behälter", der es erlaubt, mit dem emotionalen Chaos des Lebens umzugehen, ohne daran zu zerbrechen und dadurch das eigene Selbst als kohärentes Ganzes zu festigen.
Diese Fähigkeit, so Bion, ist grundlegend für psychische Gesundheit, weil sie ermöglicht, dass Gefühle nicht ausgrenzend oder spaltend wirken, sondern in das Bewusstsein integriert und damit nutzbar werden.
Identität
Wilfred Bion betrachtete Identität als ein zentrales Ergebnis des Prozesses von Containment und Selbst-Containment in der psychischen Entwicklung. Für ihn entsteht eine stabile Identität erst dann, wenn Gefühle, insbesondere solche, die als unerträglich erlebt werden (z. B. Angst, Verzweiflung), durch andere meist in frühen Beziehungen durch eine Mutter oder ähnliches Containing-Objekt aufgenommen, gehalten und verarbeitet werden. Dieses „Halten“ schafft einen sicheren inneren Rahmen, in dem das Kind oder die Person die eigenen Gefühle Stück für Stück selbst integrieren und verarbeiten kann.
Durch wiederholte Erfahrungen von Containment entwickelt sich nach Bion die Fähigkeit zum Selbst-Containment also die Fähigkeit, eigene intensive Gefühle auszuhalten und zu verarbeiten, ohne von außen gehalten werden zu müssen. Diese Selbst-Fähigkeit ist laut Bion ein wesentlicher Bestandteil von psychischer Reife und erlaubt dem Individuum, ein kohärentes, stabiles Selbstbild die Identität aufzubauen.
Identität ist für Bion somit keine statische Eigenschaft, sondern ein dynamischer Prozess, der durch die Wechselwirkung von Projektion und Introjektion in Beziehungen entsteht. Die Erfahrung, dass die eigene innere Welt gespiegelt, verstanden und gehalten wird, stärkt das Gefühl von Sicherheit und Selbstwert.
Darüber hinaus beschreibt Bion das Medium als eine „träumerische“ (rêverie) Fähigkeit des Containings, durch die rohe, unbewusste Gefühle in denkbare, integrierbare psychische Inhalte verwandelt werden. Das Medium ermöglicht die Integration unbewusster Erfahrungen, die für die Identitätsbildung unentbehrlich sind.
Fehlt ein gutes Containment-Erleben oder ist es gestört –, kann es zu Ängsten, Spaltung und Unsicherheit kommen, die die Identitätsentwicklung beeinträchtigen. Deshalb gilt nach Bion Containment als zentral für die psychische Gesundheit und die Bildung einer gesunden Identität.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Wilfred Bion ist Identität das Ergebnis eines gelungenen Containments, durch das Gefühle gehalten, verarbeitet und zunehmend selbst reguliert werden können. Die Fähigkeit, die eigene seelische Welt zu integrieren, ist der Kern dessen, was ein stabiles Selbst ausmacht.
Was ist das Medium in der Bion’schen Theorie?
Unter Medium versteht Bion (in Anlehnung an Melanie Klein und Freud) das „Bindeglied“, das in Beziehungen wirkt: Die Mutter oder eine andere nahestehende Person dient als „Medium“ für Gefühle, als psychischer Raum, in dem Angst, Schmerz oder Wut gehalten und verarbeitet werden können.
Auch in der psychoanalytischen Behandlung ist der Analytiker das Medium, indem er „träumerisch“ (rêverie) die unausgesprochenen Gefühle des Patienten aufnimmt und symbolisch verarbeitet.
Das Medium hat damit die Funktion, aus Gefühl überhaupt erst ein denkbares, verständliches Erleben zu machen.
Wie beeinflusste Melanie Klein Bions Arbeit?
Melanie Klein prägte Bions Werk maßgeblich: Ihr Konzept der projektiven Identifikation also das unbewusste „Abgeben” unerträglicher Gefühle an ein Gegenüber bildet die Grundlage der Containment-Theorie. Klein untersuchte, wie Säuglinge durch Projektion und Introjektion einen inneren Erfahrungsraum aufbauen.
Bion entwickelte daraus seine Theorien: Er beschrieb, dass bestimmte Gefühle für das Kind so unerträglich sind, dass sie auf die Mutter projiziert werden müssen, um psychisch „verdaulich“ zu sein. Die Mutter wird dabei zum Container, der für Integration und Entlastung sorgt.
Welche Rolle spielt die Mutter als Containing-Objekt?
In der Mutter-Kind-Relation zeigt sich Containment deutlich: Die Mutter nimmt Angst, Wut oder Verzweiflung des Säuglings auf, beruhigt, benennt das Gefühl und gibt es dem Kind in neuer, entworfener Form zurück.
Dieser Vorgang ist entscheidend für die normale psychische Entwicklung: Das Kind erlebt sich als verstanden, das Gefühl verliert seine Bedrohlichkeit und wird zum Teil einer inneren Welt.
Später übernehmen enge Beziehungen, Freunde oder PartnerInnen diese Containing-Rolle oder man lernt, sie in sich selbst einzubauen.
Wie entstehen Beziehung und Identifikation durch Gefühle?
Beziehungen werden laut Bion (und Klein) dadurch tragfähig, dass Gefühle zwischen Menschen zirkulieren, gespiegelt und gehalten werden. Identifikation bedeutet hier, dass ein Mensch Eigenschaften oder Haltungen seines Gegenübers aufnimmt, um selbst zu wachsen oder sich zu regulieren (z.B. durch Modelllernen). Die Erfahrung „meine Angst wird gehalten“ prägt so das eigene Gefühl von Sicherheit, Wert und Zugehörigkeit zentrale Bausteine einer stabilen Identität.
Welche Funktion hat Containment in der Psychologie?
Containment ist heute in der Psychologie, der Psychotherapie und auch in der Pädagogik ein zentrales Konzept:
Es erklärt, wie die emotionale Entwicklung abläuft.
Es zeigt, welche Bedeutung feinfühlige Reaktionen (Feinfühligkeit) für die Entwicklung von Kindern haben.
Es bietet Ansätze zur Erklärung psychischer Störungen, die durch einen Mangel an Containment entstehen (z.B. Unsicherheit, Spaltung, Depression).
Die Fähigkeit, „Gefühle halten zu können“ (containment), gilt inzwischen als Grundvoraussetzung für emotionale Reife und psychische Gesundheit.
Zusammenfassung
Wilfred Bion, britischer Psychoanalytiker, prägte den Begriff Containment.
Containment bedeutet: Unerträgliche Gefühle werden von einer anderen Person aufgenommen, gehalten und verwandelt.
Die Mutter-Kind-Beziehung ist das Grundmodell für den Prozess.
Melanie Klein beeinflusste Bion vor allem durch projektive Identifikation.
Containment ist zentral für gesunde Entwicklung, Selbstregulation und eine stabile Identität.
Ist Containment nicht möglich, können Angst, Spaltung oder emotionale Unsicherheit entstehen.
Selbst-Containment die Fähigkeit, Gefühle selbst zu bewältigen entsteht durch gelungene Containment-Erfahrung mit anderen.
Gefühle wollen gehalten werden: Dieses Halten ermöglicht Wachstum und Integration.
Das Prinzip wirkt in allen Beziehungen und prägt die psychische Gesundheit nachhaltig.
Jeder kann mit Achtsamkeit, Akzeptanz und Reflexion das eigene innere Containment stärken.
Wer Bions Idee versteht, erkennt: Gefühle brauchen einen Raum und Beziehungen schaffen genau diesen Raum, damit aus Gefühl Verstehen und Reifung wird.
FAQ: Containment, Selbst-Containment, Identität
Was ist der Unterschied zwischen Containment und Selbst-Containment?
Containment meint das Halten und Verwandeln unerträglicher Gefühle durch jemand anderes. Selbst-Containment ist die Fähigkeit, diese Prozesse in sich selbst zu leisten.
Was ist rêverie?
Mit rêverie beschreibt Bion die träumerische, aufnehmende Grundhaltung, die für Containment nötig ist.
Warum ist Containment in der psychischen Entwicklung so zentral?
Weil es Integration, Identität und emotionale Reife erst ermöglicht.
Was, wenn Containment nicht gelingt?
Es können psychische Symptome, Angst, Unsicherheit oder Spaltung auftreten.
Warum ist das Containment-Konzept wichtig für die Psyche?
Die Erfahrung von Containment schützt vor Spaltung (das Abtrennen oder Auslagern unerträglicher Anteile ins Außen) und ermöglicht, die eigenen Gefühlszustände überhaupt erst als Teil der Psyche anzunehmen. Das Verständnis für das Funktionieren von Containment kann helfen, Ängste zu bewältigen, emotionale Stabilität zu entwickeln, und Beziehungen gesünder zu gestalten.
Containment bleibt damit nicht nur ein psychoanalytisch-theoretisches Konstrukt. Es ist ein fundamentales Prinzip menschlichen Zusammenlebens, das in allen Beziehungen wirkt.
Wie kann jeder lernen, mit Gefühlen besser umzugehen?
Gefühle wahrnehmen und benennen: Mehr Achtsamkeit darauf, was im Körper und Kopf passiert.
Akzeptanz statt Vermeidung: Gefühle nicht bewerten, sondern neugierig zulassen.
Regulation üben: Atemübungen, Journal, Gespräche mit vertrauten Menschen all das kann helfen, Gefühle zu beherbergen und zu verwandeln.
Mit regelmäßiger Übung entsteht eine Art „inneres Containment“: Die Fähigkeit, sich selbst in schwierigen Momenten Halt zu geben und Emotionen zu integrieren, ohne sie ins Außen abzugeben.
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Wilfred Bion revolutionierte mit seinen Ideen über Containment und das "Halten von Gefühlen" unser Verständnis vom menschlichen Miteinander.
Worum es geht:
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wie sie unseren Blick auf Beziehungen, Identität und psychische Gesundheit verändern.
Einleitung
Wilfred Bion betrachtete Containment, Selbst-Containment und Identität als eng miteinander verbundene zentrale Prozesse in der psychischen Entwicklung und Verarbeitung von Gefühlen.
Containment beschreibt bei ihm die Fähigkeit eines "Containers" (typischerweise die Mutter oder eine primäre Bezugsperson), die vom "Contained" (dem Kind oder einer anderen Person) projizierten, oft unerträglichen Gefühle aufzunehmen, zu halten und innerlich so zu verwandeln und zu verarbeiten, dass sie weniger überwältigend und vom Contained selbst besser integrierbar werden. Durch dieses psychische „Halten“ schafft der Container eine Art sicheren Raum, in dem das Kind oder die Person lernt, ihre eigenen intensiven Gefühlszustände zu bewältigen.
Das Ziel dieses Prozesses ist die Entwicklung von Selbst-Containment: die Fähigkeit, die eigenen Gefühle selbst auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf externe Hilfe angewiesen zu sein. Selbst-Containment stellt für Bion damit einen entscheidenden Schritt in der psychischen Reifung dar, da Menschen so in die Lage versetzt werden, ihre inneren Gefühlswelten eigenständig zu regulieren.
Die Erfahrung des Containments und die spätere Fähigkeit zum Selbst-Containment sind bei Bion maßgeblich für die Entwicklung einer stabilen Identität, da sie das Erleben eines kohärenten Selbst ermöglichen. Wenn Gefühle gehalten und durch Containment integriert werden, trägt dies zu einem gesunden Selbstwertgefühl und psychischer Stabilität bei. Fehlt diese funktionierende Containment-Dynamik, können Angst, Spaltung der Psyche oder Unsicherheit entstehen, die sich auch negativ auf die Identitätsentwicklung auswirken.
Zusätzlich betonte Bion die Rolle des Mediums als träumerische (rêverie) Fähigkeit des Containings, Gefühle wahrzunehmen und symbolisch aufzunehmen, was das Verstehen und die Integration innerer Erfahrungen fördert. Diese Funktion erlaubt es, rohe, unverarbeitete Gefühle in „denkbare“ und strukturierte psychische Inhalte zu wandeln.
Insgesamt zeigt Bions Konzept von Containment, Selbst-Containment und Identität, wie tragfähig und bedeutsam emotionale Beziehungen und deren Verarbeitung für das menschliche Erleben und die psychische Gesundheit sind.
Was bedeutet Containment bei Bion?
Wilfred Bion führte 1962 das Konzept des Containments in die Psychologie ein. Containment meint das psychische „Aufnehmen“ und „Verwandeln“ von heftigen, manchmal sogar unerträglichen Gefühlen, sodass diese nicht mehr bedrohen, sondern integriert und verstanden werden können. Grundlage ist die frühe Beziehung zwischen Säugling und Mutter: Das Kind erlebt zunächst ungetrennte, überwältigende innere Zustände (etwa so wie Angst). Da es selbst dazu nicht in der Lage ist, projiziert es diese auf die Mutter, die als Containing-Objekt die Gefühle annimmt, verarbeitet und dem Kind als neue, benennbare Erfahrung zurückgibt. Dabei entsteht eine entscheidende psychische Funktion: Gefühle werden durch Beziehung reguliert und verwandelt.
Nur wenn Gefühle durch solches Containment gehalten und „verdaut“ werden, kann das Kind später auch der Erwachsene lernen, mit eigenen Emotionen umzugehen und ein kohärentes Selbst zu entwickeln.
Ohne dieses Halten bleiben rohe Emotionen (Beta-Elemente) unerträglich und können nicht verarbeitet werden.
Wie zeigt sich Containment im Alltag?
Containment findet permanent im Alltag statt, ganz ohne therapeutische Umgebung. Ein einfaches Beispiel: Ein Freund hört zu, wenn man über Sorgen spricht, bleibt ruhig und hilft, das Chaos in Worte zu fassen. Oder Eltern, die ihr Kind bei Angst begleiten, ihm Sicherheit geben und helfen, die Situation gemeinsam zu verstehen.
Solche „alltäglichen Containments” schaffen emotionale Sicherheit und ermöglichen, dass negative Gefühle nicht zu Lasten der Psyche agieren, sondern integriert werden können.
Wie prägt das „Gefühle halten“ unsere Entwicklung?
Bion zeigt, dass Containment nicht nur ein Konzept für Säuglinge ist, sondern ein lebenslanger Prozess bleibt. In Bindungen, Freundschaften oder Partnerschaften erleben Menschen wiederholt die Erfahrung, dass Gefühle aufgenommen und zurückgespiegelt werden. Dies vermittelt nicht nur Sicherheit, sondern ermöglicht ein stabiles Ich und die Integration der eigenen Gefühlswelt.
Ungehaltene Gefühle dagegen führen zu Unsicherheit, Spaltung (Spaltung der Psyche) oder Angststörungen. Die Fähigkeit zur Selbstregulation das sogenannte Selbst-Containment entsteht erst durch wiederholte Erfahrungen gelungenen Containments in Beziehungen zu anderen.
Selbst-Containment
Selbst-Containment bezeichnet bei Wilfred Bion die Fähigkeit, eigene Gefühle eigenständig auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf eine externe Bezugsperson oder ein anderes Containing-Objekt angewiesen zu sein. Während Containment ursprünglich beschreibt, wie etwa die Mutter rohe, unerträgliche Gefühle des Säuglings aufnimmt, innerlich „entgiftet“ und in einer erträglichen Form zurückgibt, stellt Selbst-Containment den wichtigen Entwicklungsschritt dar, in dem das Individuum lernt, diese Funktion selbst zu übernehmen.
Für Bion ist Selbst-Containment ein Zeichen psychischer Reife und Stabilität. Menschen mit dieser Fähigkeit können belastende Gefühle wie Angst oder Verzweiflung bewältigen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Sie entwickeln so eine innere Sicherheit, die es erlaubt, emotionale Krisen besser zu bestehen und sich selbst zu regulieren. Diese Fähigkeit ist die Folge wiederholter positiver Erfahrungen von Containment in der frühen Kindheit und bildet die Basis für eine stabile Identität.
Bion sieht Selbst-Containment auch als notwendige Voraussetzung für die Fähigkeit zum Denken und Lernen aus Erfahrung: Nur wer eigene Gefühle aushalten und „halten“ kann, ist in der Lage, innere Erfahrungen zu integrieren, eigene Eindrücke zu reflektieren kurzum: psychisch zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
Kurz gesagt: Selbst-Containment ist der innere "Behälter", der es erlaubt, mit dem emotionalen Chaos des Lebens umzugehen, ohne daran zu zerbrechen und dadurch das eigene Selbst als kohärentes Ganzes zu festigen.
Diese Fähigkeit, so Bion, ist grundlegend für psychische Gesundheit, weil sie ermöglicht, dass Gefühle nicht ausgrenzend oder spaltend wirken, sondern in das Bewusstsein integriert und damit nutzbar werden.
Identität
Wilfred Bion betrachtete Identität als ein zentrales Ergebnis des Prozesses von Containment und Selbst-Containment in der psychischen Entwicklung. Für ihn entsteht eine stabile Identität erst dann, wenn Gefühle, insbesondere solche, die als unerträglich erlebt werden (z. B. Angst, Verzweiflung), durch andere meist in frühen Beziehungen durch eine Mutter oder ähnliches Containing-Objekt aufgenommen, gehalten und verarbeitet werden. Dieses „Halten“ schafft einen sicheren inneren Rahmen, in dem das Kind oder die Person die eigenen Gefühle Stück für Stück selbst integrieren und verarbeiten kann.
Durch wiederholte Erfahrungen von Containment entwickelt sich nach Bion die Fähigkeit zum Selbst-Containment also die Fähigkeit, eigene intensive Gefühle auszuhalten und zu verarbeiten, ohne von außen gehalten werden zu müssen. Diese Selbst-Fähigkeit ist laut Bion ein wesentlicher Bestandteil von psychischer Reife und erlaubt dem Individuum, ein kohärentes, stabiles Selbstbild die Identität aufzubauen.
Identität ist für Bion somit keine statische Eigenschaft, sondern ein dynamischer Prozess, der durch die Wechselwirkung von Projektion und Introjektion in Beziehungen entsteht. Die Erfahrung, dass die eigene innere Welt gespiegelt, verstanden und gehalten wird, stärkt das Gefühl von Sicherheit und Selbstwert.
Darüber hinaus beschreibt Bion das Medium als eine „träumerische“ (rêverie) Fähigkeit des Containings, durch die rohe, unbewusste Gefühle in denkbare, integrierbare psychische Inhalte verwandelt werden. Das Medium ermöglicht die Integration unbewusster Erfahrungen, die für die Identitätsbildung unentbehrlich sind.
Fehlt ein gutes Containment-Erleben oder ist es gestört –, kann es zu Ängsten, Spaltung und Unsicherheit kommen, die die Identitätsentwicklung beeinträchtigen. Deshalb gilt nach Bion Containment als zentral für die psychische Gesundheit und die Bildung einer gesunden Identität.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Wilfred Bion ist Identität das Ergebnis eines gelungenen Containments, durch das Gefühle gehalten, verarbeitet und zunehmend selbst reguliert werden können. Die Fähigkeit, die eigene seelische Welt zu integrieren, ist der Kern dessen, was ein stabiles Selbst ausmacht.
Was ist das Medium in der Bion’schen Theorie?
Unter Medium versteht Bion (in Anlehnung an Melanie Klein und Freud) das „Bindeglied“, das in Beziehungen wirkt: Die Mutter oder eine andere nahestehende Person dient als „Medium“ für Gefühle, als psychischer Raum, in dem Angst, Schmerz oder Wut gehalten und verarbeitet werden können.
Auch in der psychoanalytischen Behandlung ist der Analytiker das Medium, indem er „träumerisch“ (rêverie) die unausgesprochenen Gefühle des Patienten aufnimmt und symbolisch verarbeitet.
Das Medium hat damit die Funktion, aus Gefühl überhaupt erst ein denkbares, verständliches Erleben zu machen.
Wie beeinflusste Melanie Klein Bions Arbeit?
Melanie Klein prägte Bions Werk maßgeblich: Ihr Konzept der projektiven Identifikation also das unbewusste „Abgeben” unerträglicher Gefühle an ein Gegenüber bildet die Grundlage der Containment-Theorie. Klein untersuchte, wie Säuglinge durch Projektion und Introjektion einen inneren Erfahrungsraum aufbauen.
Bion entwickelte daraus seine Theorien: Er beschrieb, dass bestimmte Gefühle für das Kind so unerträglich sind, dass sie auf die Mutter projiziert werden müssen, um psychisch „verdaulich“ zu sein. Die Mutter wird dabei zum Container, der für Integration und Entlastung sorgt.
Welche Rolle spielt die Mutter als Containing-Objekt?
In der Mutter-Kind-Relation zeigt sich Containment deutlich: Die Mutter nimmt Angst, Wut oder Verzweiflung des Säuglings auf, beruhigt, benennt das Gefühl und gibt es dem Kind in neuer, entworfener Form zurück.
Dieser Vorgang ist entscheidend für die normale psychische Entwicklung: Das Kind erlebt sich als verstanden, das Gefühl verliert seine Bedrohlichkeit und wird zum Teil einer inneren Welt.
Später übernehmen enge Beziehungen, Freunde oder PartnerInnen diese Containing-Rolle oder man lernt, sie in sich selbst einzubauen.
Wie entstehen Beziehung und Identifikation durch Gefühle?
Beziehungen werden laut Bion (und Klein) dadurch tragfähig, dass Gefühle zwischen Menschen zirkulieren, gespiegelt und gehalten werden. Identifikation bedeutet hier, dass ein Mensch Eigenschaften oder Haltungen seines Gegenübers aufnimmt, um selbst zu wachsen oder sich zu regulieren (z.B. durch Modelllernen). Die Erfahrung „meine Angst wird gehalten“ prägt so das eigene Gefühl von Sicherheit, Wert und Zugehörigkeit zentrale Bausteine einer stabilen Identität.
Welche Funktion hat Containment in der Psychologie?
Containment ist heute in der Psychologie, der Psychotherapie und auch in der Pädagogik ein zentrales Konzept:
Es erklärt, wie die emotionale Entwicklung abläuft.
Es zeigt, welche Bedeutung feinfühlige Reaktionen (Feinfühligkeit) für die Entwicklung von Kindern haben.
Es bietet Ansätze zur Erklärung psychischer Störungen, die durch einen Mangel an Containment entstehen (z.B. Unsicherheit, Spaltung, Depression).
Die Fähigkeit, „Gefühle halten zu können“ (containment), gilt inzwischen als Grundvoraussetzung für emotionale Reife und psychische Gesundheit.
Zusammenfassung
Wilfred Bion, britischer Psychoanalytiker, prägte den Begriff Containment.
Containment bedeutet: Unerträgliche Gefühle werden von einer anderen Person aufgenommen, gehalten und verwandelt.
Die Mutter-Kind-Beziehung ist das Grundmodell für den Prozess.
Melanie Klein beeinflusste Bion vor allem durch projektive Identifikation.
Containment ist zentral für gesunde Entwicklung, Selbstregulation und eine stabile Identität.
Ist Containment nicht möglich, können Angst, Spaltung oder emotionale Unsicherheit entstehen.
Selbst-Containment die Fähigkeit, Gefühle selbst zu bewältigen entsteht durch gelungene Containment-Erfahrung mit anderen.
Gefühle wollen gehalten werden: Dieses Halten ermöglicht Wachstum und Integration.
Das Prinzip wirkt in allen Beziehungen und prägt die psychische Gesundheit nachhaltig.
Jeder kann mit Achtsamkeit, Akzeptanz und Reflexion das eigene innere Containment stärken.
Wer Bions Idee versteht, erkennt: Gefühle brauchen einen Raum und Beziehungen schaffen genau diesen Raum, damit aus Gefühl Verstehen und Reifung wird.
FAQ: Containment, Selbst-Containment, Identität
Was ist der Unterschied zwischen Containment und Selbst-Containment?
Containment meint das Halten und Verwandeln unerträglicher Gefühle durch jemand anderes. Selbst-Containment ist die Fähigkeit, diese Prozesse in sich selbst zu leisten.
Was ist rêverie?
Mit rêverie beschreibt Bion die träumerische, aufnehmende Grundhaltung, die für Containment nötig ist.
Warum ist Containment in der psychischen Entwicklung so zentral?
Weil es Integration, Identität und emotionale Reife erst ermöglicht.
Was, wenn Containment nicht gelingt?
Es können psychische Symptome, Angst, Unsicherheit oder Spaltung auftreten.
Warum ist das Containment-Konzept wichtig für die Psyche?
Die Erfahrung von Containment schützt vor Spaltung (das Abtrennen oder Auslagern unerträglicher Anteile ins Außen) und ermöglicht, die eigenen Gefühlszustände überhaupt erst als Teil der Psyche anzunehmen. Das Verständnis für das Funktionieren von Containment kann helfen, Ängste zu bewältigen, emotionale Stabilität zu entwickeln, und Beziehungen gesünder zu gestalten.
Containment bleibt damit nicht nur ein psychoanalytisch-theoretisches Konstrukt. Es ist ein fundamentales Prinzip menschlichen Zusammenlebens, das in allen Beziehungen wirkt.
Wie kann jeder lernen, mit Gefühlen besser umzugehen?
Gefühle wahrnehmen und benennen: Mehr Achtsamkeit darauf, was im Körper und Kopf passiert.
Akzeptanz statt Vermeidung: Gefühle nicht bewerten, sondern neugierig zulassen.
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Einleitung
Wilfred Bion betrachtete Containment, Selbst-Containment und Identität als eng miteinander verbundene zentrale Prozesse in der psychischen Entwicklung und Verarbeitung von Gefühlen.
Containment beschreibt bei ihm die Fähigkeit eines "Containers" (typischerweise die Mutter oder eine primäre Bezugsperson), die vom "Contained" (dem Kind oder einer anderen Person) projizierten, oft unerträglichen Gefühle aufzunehmen, zu halten und innerlich so zu verwandeln und zu verarbeiten, dass sie weniger überwältigend und vom Contained selbst besser integrierbar werden. Durch dieses psychische „Halten“ schafft der Container eine Art sicheren Raum, in dem das Kind oder die Person lernt, ihre eigenen intensiven Gefühlszustände zu bewältigen.
Das Ziel dieses Prozesses ist die Entwicklung von Selbst-Containment: die Fähigkeit, die eigenen Gefühle selbst auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf externe Hilfe angewiesen zu sein. Selbst-Containment stellt für Bion damit einen entscheidenden Schritt in der psychischen Reifung dar, da Menschen so in die Lage versetzt werden, ihre inneren Gefühlswelten eigenständig zu regulieren.
Die Erfahrung des Containments und die spätere Fähigkeit zum Selbst-Containment sind bei Bion maßgeblich für die Entwicklung einer stabilen Identität, da sie das Erleben eines kohärenten Selbst ermöglichen. Wenn Gefühle gehalten und durch Containment integriert werden, trägt dies zu einem gesunden Selbstwertgefühl und psychischer Stabilität bei. Fehlt diese funktionierende Containment-Dynamik, können Angst, Spaltung der Psyche oder Unsicherheit entstehen, die sich auch negativ auf die Identitätsentwicklung auswirken.
Zusätzlich betonte Bion die Rolle des Mediums als träumerische (rêverie) Fähigkeit des Containings, Gefühle wahrzunehmen und symbolisch aufzunehmen, was das Verstehen und die Integration innerer Erfahrungen fördert. Diese Funktion erlaubt es, rohe, unverarbeitete Gefühle in „denkbare“ und strukturierte psychische Inhalte zu wandeln.
Insgesamt zeigt Bions Konzept von Containment, Selbst-Containment und Identität, wie tragfähig und bedeutsam emotionale Beziehungen und deren Verarbeitung für das menschliche Erleben und die psychische Gesundheit sind.
Was bedeutet Containment bei Bion?
Wilfred Bion führte 1962 das Konzept des Containments in die Psychologie ein. Containment meint das psychische „Aufnehmen“ und „Verwandeln“ von heftigen, manchmal sogar unerträglichen Gefühlen, sodass diese nicht mehr bedrohen, sondern integriert und verstanden werden können. Grundlage ist die frühe Beziehung zwischen Säugling und Mutter: Das Kind erlebt zunächst ungetrennte, überwältigende innere Zustände (etwa so wie Angst). Da es selbst dazu nicht in der Lage ist, projiziert es diese auf die Mutter, die als Containing-Objekt die Gefühle annimmt, verarbeitet und dem Kind als neue, benennbare Erfahrung zurückgibt. Dabei entsteht eine entscheidende psychische Funktion: Gefühle werden durch Beziehung reguliert und verwandelt.
Nur wenn Gefühle durch solches Containment gehalten und „verdaut“ werden, kann das Kind später auch der Erwachsene lernen, mit eigenen Emotionen umzugehen und ein kohärentes Selbst zu entwickeln.
Ohne dieses Halten bleiben rohe Emotionen (Beta-Elemente) unerträglich und können nicht verarbeitet werden.
Wie zeigt sich Containment im Alltag?
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Solche „alltäglichen Containments” schaffen emotionale Sicherheit und ermöglichen, dass negative Gefühle nicht zu Lasten der Psyche agieren, sondern integriert werden können.
Wie prägt das „Gefühle halten“ unsere Entwicklung?
Bion zeigt, dass Containment nicht nur ein Konzept für Säuglinge ist, sondern ein lebenslanger Prozess bleibt. In Bindungen, Freundschaften oder Partnerschaften erleben Menschen wiederholt die Erfahrung, dass Gefühle aufgenommen und zurückgespiegelt werden. Dies vermittelt nicht nur Sicherheit, sondern ermöglicht ein stabiles Ich und die Integration der eigenen Gefühlswelt.
Ungehaltene Gefühle dagegen führen zu Unsicherheit, Spaltung (Spaltung der Psyche) oder Angststörungen. Die Fähigkeit zur Selbstregulation das sogenannte Selbst-Containment entsteht erst durch wiederholte Erfahrungen gelungenen Containments in Beziehungen zu anderen.
Selbst-Containment
Selbst-Containment bezeichnet bei Wilfred Bion die Fähigkeit, eigene Gefühle eigenständig auszuhalten, zu verarbeiten und zu integrieren, ohne auf eine externe Bezugsperson oder ein anderes Containing-Objekt angewiesen zu sein. Während Containment ursprünglich beschreibt, wie etwa die Mutter rohe, unerträgliche Gefühle des Säuglings aufnimmt, innerlich „entgiftet“ und in einer erträglichen Form zurückgibt, stellt Selbst-Containment den wichtigen Entwicklungsschritt dar, in dem das Individuum lernt, diese Funktion selbst zu übernehmen.
Für Bion ist Selbst-Containment ein Zeichen psychischer Reife und Stabilität. Menschen mit dieser Fähigkeit können belastende Gefühle wie Angst oder Verzweiflung bewältigen, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Sie entwickeln so eine innere Sicherheit, die es erlaubt, emotionale Krisen besser zu bestehen und sich selbst zu regulieren. Diese Fähigkeit ist die Folge wiederholter positiver Erfahrungen von Containment in der frühen Kindheit und bildet die Basis für eine stabile Identität.
Bion sieht Selbst-Containment auch als notwendige Voraussetzung für die Fähigkeit zum Denken und Lernen aus Erfahrung: Nur wer eigene Gefühle aushalten und „halten“ kann, ist in der Lage, innere Erfahrungen zu integrieren, eigene Eindrücke zu reflektieren kurzum: psychisch zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.
Kurz gesagt: Selbst-Containment ist der innere "Behälter", der es erlaubt, mit dem emotionalen Chaos des Lebens umzugehen, ohne daran zu zerbrechen und dadurch das eigene Selbst als kohärentes Ganzes zu festigen.
Diese Fähigkeit, so Bion, ist grundlegend für psychische Gesundheit, weil sie ermöglicht, dass Gefühle nicht ausgrenzend oder spaltend wirken, sondern in das Bewusstsein integriert und damit nutzbar werden.
Identität
Wilfred Bion betrachtete Identität als ein zentrales Ergebnis des Prozesses von Containment und Selbst-Containment in der psychischen Entwicklung. Für ihn entsteht eine stabile Identität erst dann, wenn Gefühle, insbesondere solche, die als unerträglich erlebt werden (z. B. Angst, Verzweiflung), durch andere meist in frühen Beziehungen durch eine Mutter oder ähnliches Containing-Objekt aufgenommen, gehalten und verarbeitet werden. Dieses „Halten“ schafft einen sicheren inneren Rahmen, in dem das Kind oder die Person die eigenen Gefühle Stück für Stück selbst integrieren und verarbeiten kann.
Durch wiederholte Erfahrungen von Containment entwickelt sich nach Bion die Fähigkeit zum Selbst-Containment also die Fähigkeit, eigene intensive Gefühle auszuhalten und zu verarbeiten, ohne von außen gehalten werden zu müssen. Diese Selbst-Fähigkeit ist laut Bion ein wesentlicher Bestandteil von psychischer Reife und erlaubt dem Individuum, ein kohärentes, stabiles Selbstbild die Identität aufzubauen.
Identität ist für Bion somit keine statische Eigenschaft, sondern ein dynamischer Prozess, der durch die Wechselwirkung von Projektion und Introjektion in Beziehungen entsteht. Die Erfahrung, dass die eigene innere Welt gespiegelt, verstanden und gehalten wird, stärkt das Gefühl von Sicherheit und Selbstwert.
Darüber hinaus beschreibt Bion das Medium als eine „träumerische“ (rêverie) Fähigkeit des Containings, durch die rohe, unbewusste Gefühle in denkbare, integrierbare psychische Inhalte verwandelt werden. Das Medium ermöglicht die Integration unbewusster Erfahrungen, die für die Identitätsbildung unentbehrlich sind.
Fehlt ein gutes Containment-Erleben oder ist es gestört –, kann es zu Ängsten, Spaltung und Unsicherheit kommen, die die Identitätsentwicklung beeinträchtigen. Deshalb gilt nach Bion Containment als zentral für die psychische Gesundheit und die Bildung einer gesunden Identität.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Wilfred Bion ist Identität das Ergebnis eines gelungenen Containments, durch das Gefühle gehalten, verarbeitet und zunehmend selbst reguliert werden können. Die Fähigkeit, die eigene seelische Welt zu integrieren, ist der Kern dessen, was ein stabiles Selbst ausmacht.
Was ist das Medium in der Bion’schen Theorie?
Unter Medium versteht Bion (in Anlehnung an Melanie Klein und Freud) das „Bindeglied“, das in Beziehungen wirkt: Die Mutter oder eine andere nahestehende Person dient als „Medium“ für Gefühle, als psychischer Raum, in dem Angst, Schmerz oder Wut gehalten und verarbeitet werden können.
Auch in der psychoanalytischen Behandlung ist der Analytiker das Medium, indem er „träumerisch“ (rêverie) die unausgesprochenen Gefühle des Patienten aufnimmt und symbolisch verarbeitet.
Das Medium hat damit die Funktion, aus Gefühl überhaupt erst ein denkbares, verständliches Erleben zu machen.
Wie beeinflusste Melanie Klein Bions Arbeit?
Melanie Klein prägte Bions Werk maßgeblich: Ihr Konzept der projektiven Identifikation also das unbewusste „Abgeben” unerträglicher Gefühle an ein Gegenüber bildet die Grundlage der Containment-Theorie. Klein untersuchte, wie Säuglinge durch Projektion und Introjektion einen inneren Erfahrungsraum aufbauen.
Bion entwickelte daraus seine Theorien: Er beschrieb, dass bestimmte Gefühle für das Kind so unerträglich sind, dass sie auf die Mutter projiziert werden müssen, um psychisch „verdaulich“ zu sein. Die Mutter wird dabei zum Container, der für Integration und Entlastung sorgt.
Welche Rolle spielt die Mutter als Containing-Objekt?
In der Mutter-Kind-Relation zeigt sich Containment deutlich: Die Mutter nimmt Angst, Wut oder Verzweiflung des Säuglings auf, beruhigt, benennt das Gefühl und gibt es dem Kind in neuer, entworfener Form zurück.
Dieser Vorgang ist entscheidend für die normale psychische Entwicklung: Das Kind erlebt sich als verstanden, das Gefühl verliert seine Bedrohlichkeit und wird zum Teil einer inneren Welt.
Später übernehmen enge Beziehungen, Freunde oder PartnerInnen diese Containing-Rolle oder man lernt, sie in sich selbst einzubauen.
Wie entstehen Beziehung und Identifikation durch Gefühle?
Beziehungen werden laut Bion (und Klein) dadurch tragfähig, dass Gefühle zwischen Menschen zirkulieren, gespiegelt und gehalten werden. Identifikation bedeutet hier, dass ein Mensch Eigenschaften oder Haltungen seines Gegenübers aufnimmt, um selbst zu wachsen oder sich zu regulieren (z.B. durch Modelllernen). Die Erfahrung „meine Angst wird gehalten“ prägt so das eigene Gefühl von Sicherheit, Wert und Zugehörigkeit zentrale Bausteine einer stabilen Identität.
Welche Funktion hat Containment in der Psychologie?
Containment ist heute in der Psychologie, der Psychotherapie und auch in der Pädagogik ein zentrales Konzept:
Es erklärt, wie die emotionale Entwicklung abläuft.
Es zeigt, welche Bedeutung feinfühlige Reaktionen (Feinfühligkeit) für die Entwicklung von Kindern haben.
Es bietet Ansätze zur Erklärung psychischer Störungen, die durch einen Mangel an Containment entstehen (z.B. Unsicherheit, Spaltung, Depression).
Die Fähigkeit, „Gefühle halten zu können“ (containment), gilt inzwischen als Grundvoraussetzung für emotionale Reife und psychische Gesundheit.
Zusammenfassung
Wilfred Bion, britischer Psychoanalytiker, prägte den Begriff Containment.
Containment bedeutet: Unerträgliche Gefühle werden von einer anderen Person aufgenommen, gehalten und verwandelt.
Die Mutter-Kind-Beziehung ist das Grundmodell für den Prozess.
Melanie Klein beeinflusste Bion vor allem durch projektive Identifikation.
Containment ist zentral für gesunde Entwicklung, Selbstregulation und eine stabile Identität.
Ist Containment nicht möglich, können Angst, Spaltung oder emotionale Unsicherheit entstehen.
Selbst-Containment die Fähigkeit, Gefühle selbst zu bewältigen entsteht durch gelungene Containment-Erfahrung mit anderen.
Gefühle wollen gehalten werden: Dieses Halten ermöglicht Wachstum und Integration.
Das Prinzip wirkt in allen Beziehungen und prägt die psychische Gesundheit nachhaltig.
Jeder kann mit Achtsamkeit, Akzeptanz und Reflexion das eigene innere Containment stärken.
Wer Bions Idee versteht, erkennt: Gefühle brauchen einen Raum und Beziehungen schaffen genau diesen Raum, damit aus Gefühl Verstehen und Reifung wird.
FAQ: Containment, Selbst-Containment, Identität
Was ist der Unterschied zwischen Containment und Selbst-Containment?
Containment meint das Halten und Verwandeln unerträglicher Gefühle durch jemand anderes. Selbst-Containment ist die Fähigkeit, diese Prozesse in sich selbst zu leisten.
Was ist rêverie?
Mit rêverie beschreibt Bion die träumerische, aufnehmende Grundhaltung, die für Containment nötig ist.
Warum ist Containment in der psychischen Entwicklung so zentral?
Weil es Integration, Identität und emotionale Reife erst ermöglicht.
Was, wenn Containment nicht gelingt?
Es können psychische Symptome, Angst, Unsicherheit oder Spaltung auftreten.
Warum ist das Containment-Konzept wichtig für die Psyche?
Die Erfahrung von Containment schützt vor Spaltung (das Abtrennen oder Auslagern unerträglicher Anteile ins Außen) und ermöglicht, die eigenen Gefühlszustände überhaupt erst als Teil der Psyche anzunehmen. Das Verständnis für das Funktionieren von Containment kann helfen, Ängste zu bewältigen, emotionale Stabilität zu entwickeln, und Beziehungen gesünder zu gestalten.
Containment bleibt damit nicht nur ein psychoanalytisch-theoretisches Konstrukt. Es ist ein fundamentales Prinzip menschlichen Zusammenlebens, das in allen Beziehungen wirkt.
Wie kann jeder lernen, mit Gefühlen besser umzugehen?
Gefühle wahrnehmen und benennen: Mehr Achtsamkeit darauf, was im Körper und Kopf passiert.
Akzeptanz statt Vermeidung: Gefühle nicht bewerten, sondern neugierig zulassen.
Regulation üben: Atemübungen, Journal, Gespräche mit vertrauten Menschen all das kann helfen, Gefühle zu beherbergen und zu verwandeln.
Mit regelmäßiger Übung entsteht eine Art „inneres Containment“: Die Fähigkeit, sich selbst in schwierigen Momenten Halt zu geben und Emotionen zu integrieren, ohne sie ins Außen abzugeben.
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