Das Johari-Fenster: zwischen Selbst- und Fremdsicht als Hintergrund jeder Kommunikation aber auch als Training für das wertebasierte Führen.
Das Johari-Fenster: zwischen Selbst- und Fremdsicht als Hintergrund jeder Kommunikation aber auch als Training für das wertebasierte Führen.
Das Johari-Fenster
Published on:
Aug 5, 2025


DESCRIPTION:
Das Johari-Fenster verstehen: Persönlichkeit und Kommunikation. Die Methode des Johari-Fenster führt zum besseren Verständnis innerer Anteile der Persönlichkeit und der Kommunikation und selbst des Verhaltens als Führungskraft. Ideal für Selbstverwirklichung, Umgang mit toxischer Scham sowie für Teams, Führung und Entwicklung von Mitarbeitern.
Kommunikation verstehen – Das Johari-Fenster und sein psychologischer Hintergrund
Selbst- und Fremdwahrnehmung bestimmen maßgeblich, wie wir uns sehen, kommunizieren, Beziehungen gestalten aber auch im beruflichen Umfeld führen. Wer die Begriffe Persönlichkeit und Schatten nach Jung wirklich verstehen will, findet im Johari-Fenster ein psychologisch fundiertes Modell zur Selbsterkenntnis und zwischenmenschlichen Entwicklung. Dieser Beitrag erklärt die Methode und zeigt, warum sie im Beruf wie im Leben relevant ist.
1. Was ist das Johari-Fenster, was seine Merkmale, und warum ist es so wichtig für die Kommunikation?
Definition:
Das Johari-Fenster ist eine Methode zur Selbstreflexion, die im psychologischen Training und in der Persönlichkeitsentwicklung verwendet wird.
Entwickelt wurde das Modell in den 1950er Jahren von Joseph Luft und Harry Ingham – daher auch der Name, der sich aus den Anfangssilben ihrer Vornamen zusammensetzt. Es zeigt auf, wie Kommunikation funktioniert, wo sie beeinträchtigt wird und wie sich durch Feedback und Selbstoffenbarung neue Einsichten ergeben.
Im Zentrum des Modells stehen vier Felder oder Bereiche, die den Charakter eines Menschen in Bezug auf sich selbst und andere repräsentieren. Diese Bereiche machen deutlich, dass Kommunikation mehr oder weniger bewusst verläuft und stark von gegenseitigem Verstehen abhängt. Der Zweck dieses Konzepts besteht darin, menschliche Beziehungen zu verbessern und innere wie äußere Anteile der Persönlichkeit bewusster zu erfahren.
2. Welche vier Bereiche prägen unser Verhalten laut Johari-Modell?
Das Modell teilt die Persönlichkeit in vier Bereiche auf:
1. Offener Bereich: Aspekte, die sowohl dem Menschen selbst als auch anderen bekannt sind.
2. Blinder Fleck: Merkmale, die andere wahrnehmen, die aber dem eigenen Bewusstsein entzogen bleiben.
3. Verborgener Bereich: Informationen, die bewusst zurückgehalten werden – etwa Gefühle oder persönliche Erfahrungen.
4. Unbekannter Bereich: Unbewusste Anteile, die weder dem Individuum noch anderen klar sind und nur durch neue Erfahrungen sichtbar werden.
Diese Struktur hilft, das Verhalten in sozialen Situationen besser zu verstehen. Der Charakter einer Person bestimmt sich nicht nur über das, was sie zeigt, sondern auch über das, was sie unbewusst ausdrückt oder verbirgt. Schulz von Thun hat das Johari-Fenster später um weitere Dimensionen ergänzt, doch das Grundmodell bleibt zentral für die Analyse menschlicher Kommunikation.
3. Das innere Team: Schulz von Thuns Erweiterung des Johari-Fensters
Friedemann Schulz von Thun hat das Johari-Fenster nicht direkt verändert, aber entscheidend ergänzt – insbesondere durch sein Modell des „inneren Teams“. Während das Johari-Fenster zwischen sichtbaren, verborgenen und unbewussten Persönlichkeitsanteilen unterscheidet, richtet Schulz von Thun den Blick auf die innere Pluralität des Menschen: Jeder Mensch spricht, denkt und handelt nicht aus einer einheitlichen Stimme heraus, sondern wird von mehreren inneren „Teammitgliedern“ mit unterschiedlichen Anliegen und Haltungen geprägt. Diese können kooperieren, aber auch miteinander in Konflikt stehen.
In der praktischen Anwendung verbindet sich das Johari-Fenster mit dem inneren Team, indem deutlich wird, dass nicht nur die Außenwirkung, sondern auch die innere Stimmigkeit der Ich-Anteile relevant ist. Ein Mensch, der nach außen ruhig und souverän erscheint, kann innerlich zugleich von Unsicherheit, Empörung oder Zweifel begleitet sein – Anteile, die im verborgenen oder unbekannten Bereich des Johari-Fensters liegen. Schulz von Thuns Modell hilft dabei, diese inneren Stimmen zu identifizieren, zu benennen und bewusst zu integrieren. Dies stärkt nicht nur die persönliche Klarheit, sondern auch die Kommunikationskompetenz.
Im Alltag bedeutet das: Wer sein inneres Team kennt, trifft differenziertere Entscheidungen, kommuniziert glaubwürdiger und wirkt authentischer. Die Verbindung von Johari-Fenster und innerem Team eröffnet damit eine vertiefte Selbstsicht – als Ausdruck innerer Vielstimmigkeit in einem sozialen Kontext.
4. Was bedeutet der blinde Fleck für unser menschliches Miteinander?
Der sogenannte blinde Fleck zeigt auf, wie stark wir auf das Feedback anderer angewiesen sind. Viele Menschen glauben, ihr Verhalten sei eindeutig – doch Kollegen, Freunde oder Partner erleben sie ganz anders. Diese Diskrepanz kann Kommunikation im Beruf wie im privaten Leben ausgeprägt bestimmen.
(Gerade für Führungskräfte ist es entscheidend, solche unbewussten Anteile zu erkennen.) Nur wenn jemand bereit ist, Rückmeldungen als Beitrag zur Entwicklung zu verstehen, entsteht eine Kultur des gegenseitigen Respekts. Der blinde Fleck ist also kein Defizit, sondern ein Hinweis auf ein menschliches Merkmal: die Begrenztheit der Selbstwahrnehmung.
5. Wie beeinflusst der „verborgene Bereich“ unser Leben?
Der verborgene Bereich enthält jene Aspekte der Persönlichkeit, die bewusst verschwiegen werden – aus Angst, Scham oder Unsicherheit. Gefühle wie Ärger oder Unsicherheit lassen sich zwar verdrängen, doch sie wirken dennoch auf die Kommunikation.
Im Alltag kann das zu Missverständnissen führen. Wer seine inneren Anteile nicht zeigt, wirkt mehr oder weniger verschlossen – was auf andere wiederum misstrauisch oder distanziert wirkt. Schulz von Thun beschreibt dieses Phänomen als „kommunikative Dissonanz“, die sich negativ auf Beziehungen und Zusammenarbeit auswirkt.
6. Welche Rolle spielt der Schatten nach C. G. Jung im Johari-Fenster?
C. G. Jung prägte den Begriff des Schattens als Ausdruck der unbewussten, oft verdrängten Persönlichkeitsanteile. Diese archetypischen Inhalte finden sich auch im Johari-Modell wieder – insbesondere im blinden und unbekannten Bereich.
Der Schatten enthält Eigenschaften, die nicht dem idealisierten Selbstbild entsprechen: Neid, Aggression, Unsicherheit oder Eitelkeit. Wer diese Anteile nicht bewusst reflektiert, lässt sie dennoch im Verhalten sichtbar werden – etwa in passiv-aggressiver Kommunikation oder rigidem Führungsstil. Eine echte Persönlichkeitsentwicklung erfordert daher, sich auch mit diesen „dunklen“ inneren Bereichen auseinanderzusetzen.
7. Wie lässt sich das Thema besser verstehen?
Kommunikation lässt sich nicht nur verstehen, sondern auch trainieren. Im beruflichen Alltag lohnt es sich, Kommunikationssituationen gezielt zu beobachten – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Welche Begriffe verwende ich? Wie reagiere ich auf Kritik? Was drücke ich unbewusst aus?
Eine Methode zur Selbstbeobachtung ist das Führen eines Kommunikationstagebuchs. Hier lässt sich reflektieren, welche Situationen gelungen sind und welche nicht. Zusätzlich helfen Übungen zur Perspektivübernahme, um die eigene Wirkung besser einschätzen zu lernen – ein zentrales Thema in jeder persönlichen Entwicklung.
8. Welche Bedeutung hat Feedback im Selbstbild-Fremdbild-Abgleich im Hintergrund?
Feedback ist der Schlüssel, um den offenen Bereich im Johari-Fenster zu erweitern. Es gibt Aufschluss über blinde Flecken, erlaubt einen Abgleich mit der Fremdwahrnehmung und eröffnet neue Erkenntnisse über die eigene Persönlichkeit.
Doch Feedback braucht Vertrauen. Wer Kritik als persönlichen Angriff sieht, schließt sich innerlich – und verpasst eine Chance zur Entwicklung. Führungskräfte profitieren davon, ein Klima zu schaffen, in dem Rückmeldungen willkommen sind. Konstruktives Feedback lässt sich trainieren – durch klares Ausdrücken von Beobachtungen, Gefühle und Erwartungen.
9. Wie kann ich den offenen Bereich meiner Persönlichkeit erweitern?
Ziel der Arbeit mit dem Johari-Fenster ist es, den offenen Bereich zu vergrößern. Das gelingt über zwei Wege: bewusste Selbstoffenbarung und aktives Einholen von Feedback. Wer eigene Unsicherheiten teilt, wirkt menschlich – nicht schwach. Wer andere einlädt, ihre Wahrnehmung zu teilen, zeigt Stärke.
In Führungssituationen oder Teamtrainings lässt sich dieser Prozess gezielt fördern. Eine Übung besteht darin, persönliche Merkmale oder Charakterzüge von anderen benennen zu lassen und diese mit dem Selbstbild abzugleichen. Je mehr Schnittmenge entsteht, desto größer wird das Verständnis füreinander.
10. Was behindert gute Kommunikation – und wie lässt sich das verändern?
Kommunikationsprobleme entstehen meist nicht durch äußere Umstände, sondern durch innere Widerstände: Angst vor Ablehnung, alte Erfahrungen, unklare Sprache oder emotionale Überforderung. Diese Hürden lassen sich nicht vermeiden – aber erkennen und überwinden.
Hilfreiche Strategien sind aktives Zuhören, klare Sprache, gezielte Fragen und der bewusste Einsatz von Pausen. Auch die Auseinandersetzung mit eigenen archetypischen Anteilen – wie sie Jung beschreibt – kann helfen, typische Reaktionsmuster zu verstehen. Wer seine Muster erkennt, bestimmt nicht nur sein Verhalten neu, sondern gestaltet auch die Kommunikation auf Augenhöhe.
11. Vom blinden Fleck zur Selbstakzeptanz: toxische Scham überwinden mit dem Johari-Fenster
Ein besonders sensibler Anwendungsbereich des Johari-Fensters liegt im Umgang mit toxischer Scham – etwa bei Menschen, die als Ersatzkind aufgewachsen sind. Das Ersatzkind-Syndrom beschreibt eine psychodynamisch traumatisierende Konstellation, in der unbewältigte Trauer der Eltern einem Kind unbewusst die Rolle eines verstorbenen oder idealisierten Geschwisterkindes aufzwingt. Solche biografischen Prägungen hinterlassen Spuren im inneren Erleben und in der Art, wie das Selbst erlebt oder vermieden wird. Viele Betroffene zeigen ein Verhalten, das stark von Selbstkontrolle, Perfektionismus oder emotionaler Zurückhaltung geprägt ist – sie verbergen zentrale Anteile ihrer Persönlichkeit, um nicht zu versagen oder falsch zu sein.
Im Johari-Fenster spiegelt sich dieser Schutzmechanismus im ausgeprägten verborgenen Bereich: Gefühle wie Trauer, Wut oder Selbstzweifel werden verdrängt, um die familiär zugewiesene Rolle nicht zu gefährden. Gleichzeitig entsteht ein blinder Fleck, da andere sehr wohl spüren, dass etwas „nicht stimmig“ wirkt – etwa eine überangepasste Freundlichkeit oder eine übersteigerte Leistungsmotivation.
Die Arbeit mit dem Modell hilft, solche inneren Widersprüche sichtbar zu machen, toxische Scham in benennbare Erfahrung zu überführen und die eigene Persönlichkeit vom familiären Narrativ abzulösen. In einem geschützten Kommunikationsraum – sei es in Therapie, Coaching oder Selbsterfahrung – kann so die innere Erlaubnis entstehen, sich in neuen Situationen authentisch zu zeigen, den offenen Bereich zu erweitern und alte Zuschreibungen hinter sich zu lassen. Das Johari-Fenster wird dadurch zu einer Methode der Selbstbefreiung – nicht im Sinne äußerer Veränderung, sondern als Prozess innerer Neubestimmung.
Übungen zum Johari-Fenster
Selbstbild-Fremdbild-Dialog: Das Spiegelgespräch
Wählen Sie eine Person Ihres Vertrauens – etwa eine Partnerin, einen Freund oder eine Kollegin – und führen Sie ein gezieltes Spiegelgespräch. Bitten Sie Ihr Gegenüber, drei charakteristische Merkmale Ihres Verhaltens oder Ihrer Kommunikation zu benennen, die als typisch erlebt werden. Reflektieren Sie im Anschluss: War Ihnen diese Wirkung bewusst? Entspricht sie Ihrer Selbstwahrnehmung? Das Gespräch soll respektvoll, aber ehrlich geführt werden – es lebt von Offenheit auf beiden Seiten. Ziel ist es, einen Einblick in den eigenen blinden Fleck zu erhalten und erste Impulse zur Erweiterung des offenen Bereichs zu sammeln.
Verdecktes Verhalten aufdecken: Das stille Notizbuch
Notieren Sie über mehrere Tage in Ihrem Tagebuch, jeweils nach einer Gesprächssituation, was Sie gedacht, aber nicht gesagt haben. Welche Gefühle, Bewertungen oder Reaktionen haben Sie zurückgehalten? Welche Themen haben Sie bewusst vermieden? Nach einigen Einträgen entsteht ein Muster des verborgenen Bereichs: ein persönlicher Atlas jener inneren Anteile, die Sie aus unterschiedlichen Gründen nicht zeigen. Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen Selbstbeobachtungen eröffnet die Möglichkeit, selektiv mehr von sich mitzuteilen – in Situationen, die es erlauben.
Der Schatten im Dialog: Selbsterkundung mit Archetypen
Wählen Sie aus der jungianischen Archetypen ein Bild aus, das Sie anspricht – etwa den Krieger, der Weise, das Kind oder den Trickster. Notieren Sie, welche Eigenschaften, Gefühle oder Verhaltensweisen diesem Bild zugeschrieben werden. Stellen Sie sich anschließend die Frage: Welche dieser Merkmale erkenne ich auch in mir, obwohl ich sie bislang abgelehnt oder verdrängt habe? Wie beeinflussen sie möglicherweise mein Verhalten, ohne dass ich es bisher bemerkt habe? Diese Übung lädt dazu ein, den Schattenanteil nicht moralisch zu bewerten, sondern als psychologische Ressource zur Selbsterkenntnis zu nutzen.
Feedback-Routine im Team: Das Kreisformat
In einer vertrauensvollen Arbeitsgruppe oder im Führungsteam kann das Johari-Fenster in einem moderierten Kreisgespräch zur Anwendung kommen. Jede Person teilt nacheinander ein Merkmal mit, das sie an einer anderen Person im Team als besonders stimmig oder wirksam erlebt. Die betreffende Person hört zunächst nur zu, ohne zu kommentieren. Danach kann sie Rückfragen stellen oder das Gehörte einordnen. Wichtig ist, dass es nicht um Lob oder Kritik geht, sondern um das Sichtbarmachen von Wahrnehmung. Durch dieses Verfahren wird der blinde Fleck transparent, ohne beschämend zu wirken – ein Beitrag zur gelebten Feedbackkultur.
Wichtigste Erkenntnisse auf einen Blick
Das Johari-Fenster bietet einen klaren Rahmen, um die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Kommunikation verständlich zu machen. Seine vier Bereiche – offen, blind, verborgen und unbekannt – repräsentieren grundlegende Dimensionen menschlicher Persönlichkeit und zeigen, wie stark Verhalten durch bewusste wie unbewusste Anteile bestimmt wird.
Die Integration von C. G. Jungs Schattenkonzept verleiht dem Modell zusätzliche Tiefe, da es deutlich macht, wie innere Konflikte und verdrängte Gefühle sich in der Kommunikation niederschlagen. Führungskräfte gewinnen durch die Anwendung des Johari-Fensters ein präziseres Verständnis für ihre Wirkung und erweitern ihre Kompetenz im Umgang mit Feedback, Konflikten und Beziehungsgestaltung.
Der offene Bereich lässt sich durch gezielte Selbstoffenbarung und durch die Bereitschaft zur Reflexion erweitern – zwei zentrale Beiträge zu gelingender Kommunikation.
Übungen zur Selbstbeobachtung, zur Perspektivübernahme und zur Auseinandersetzung mit archetypischen Persönlichkeitsanteilen fördern die persönliche Reifung. Kommunikationsbarrieren lassen sich nicht mechanisch überwinden, wohl aber durch Empathie, innere Klarheit und psychologisches Verstehen Schritt für Schritt abbauen.
Wer bereit ist, sich selbst und andere differenzierter wahrzunehmen, bestimmt nicht nur sein Verhalten bewusster – er stärkt auch die Qualität seiner Beziehungen.
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Kommunikation verstehen – Das Johari-Fenster und sein psychologischer Hintergrund
Selbst- und Fremdwahrnehmung bestimmen maßgeblich, wie wir uns sehen, kommunizieren, Beziehungen gestalten aber auch im beruflichen Umfeld führen. Wer die Begriffe Persönlichkeit und Schatten nach Jung wirklich verstehen will, findet im Johari-Fenster ein psychologisch fundiertes Modell zur Selbsterkenntnis und zwischenmenschlichen Entwicklung. Dieser Beitrag erklärt die Methode und zeigt, warum sie im Beruf wie im Leben relevant ist.
1. Was ist das Johari-Fenster, was seine Merkmale, und warum ist es so wichtig für die Kommunikation?
Definition:
Das Johari-Fenster ist eine Methode zur Selbstreflexion, die im psychologischen Training und in der Persönlichkeitsentwicklung verwendet wird.
Entwickelt wurde das Modell in den 1950er Jahren von Joseph Luft und Harry Ingham – daher auch der Name, der sich aus den Anfangssilben ihrer Vornamen zusammensetzt. Es zeigt auf, wie Kommunikation funktioniert, wo sie beeinträchtigt wird und wie sich durch Feedback und Selbstoffenbarung neue Einsichten ergeben.
Im Zentrum des Modells stehen vier Felder oder Bereiche, die den Charakter eines Menschen in Bezug auf sich selbst und andere repräsentieren. Diese Bereiche machen deutlich, dass Kommunikation mehr oder weniger bewusst verläuft und stark von gegenseitigem Verstehen abhängt. Der Zweck dieses Konzepts besteht darin, menschliche Beziehungen zu verbessern und innere wie äußere Anteile der Persönlichkeit bewusster zu erfahren.
2. Welche vier Bereiche prägen unser Verhalten laut Johari-Modell?
Das Modell teilt die Persönlichkeit in vier Bereiche auf:
1. Offener Bereich: Aspekte, die sowohl dem Menschen selbst als auch anderen bekannt sind.
2. Blinder Fleck: Merkmale, die andere wahrnehmen, die aber dem eigenen Bewusstsein entzogen bleiben.
3. Verborgener Bereich: Informationen, die bewusst zurückgehalten werden – etwa Gefühle oder persönliche Erfahrungen.
4. Unbekannter Bereich: Unbewusste Anteile, die weder dem Individuum noch anderen klar sind und nur durch neue Erfahrungen sichtbar werden.
Diese Struktur hilft, das Verhalten in sozialen Situationen besser zu verstehen. Der Charakter einer Person bestimmt sich nicht nur über das, was sie zeigt, sondern auch über das, was sie unbewusst ausdrückt oder verbirgt. Schulz von Thun hat das Johari-Fenster später um weitere Dimensionen ergänzt, doch das Grundmodell bleibt zentral für die Analyse menschlicher Kommunikation.
3. Das innere Team: Schulz von Thuns Erweiterung des Johari-Fensters
Friedemann Schulz von Thun hat das Johari-Fenster nicht direkt verändert, aber entscheidend ergänzt – insbesondere durch sein Modell des „inneren Teams“. Während das Johari-Fenster zwischen sichtbaren, verborgenen und unbewussten Persönlichkeitsanteilen unterscheidet, richtet Schulz von Thun den Blick auf die innere Pluralität des Menschen: Jeder Mensch spricht, denkt und handelt nicht aus einer einheitlichen Stimme heraus, sondern wird von mehreren inneren „Teammitgliedern“ mit unterschiedlichen Anliegen und Haltungen geprägt. Diese können kooperieren, aber auch miteinander in Konflikt stehen.
In der praktischen Anwendung verbindet sich das Johari-Fenster mit dem inneren Team, indem deutlich wird, dass nicht nur die Außenwirkung, sondern auch die innere Stimmigkeit der Ich-Anteile relevant ist. Ein Mensch, der nach außen ruhig und souverän erscheint, kann innerlich zugleich von Unsicherheit, Empörung oder Zweifel begleitet sein – Anteile, die im verborgenen oder unbekannten Bereich des Johari-Fensters liegen. Schulz von Thuns Modell hilft dabei, diese inneren Stimmen zu identifizieren, zu benennen und bewusst zu integrieren. Dies stärkt nicht nur die persönliche Klarheit, sondern auch die Kommunikationskompetenz.
Im Alltag bedeutet das: Wer sein inneres Team kennt, trifft differenziertere Entscheidungen, kommuniziert glaubwürdiger und wirkt authentischer. Die Verbindung von Johari-Fenster und innerem Team eröffnet damit eine vertiefte Selbstsicht – als Ausdruck innerer Vielstimmigkeit in einem sozialen Kontext.
4. Was bedeutet der blinde Fleck für unser menschliches Miteinander?
Der sogenannte blinde Fleck zeigt auf, wie stark wir auf das Feedback anderer angewiesen sind. Viele Menschen glauben, ihr Verhalten sei eindeutig – doch Kollegen, Freunde oder Partner erleben sie ganz anders. Diese Diskrepanz kann Kommunikation im Beruf wie im privaten Leben ausgeprägt bestimmen.
(Gerade für Führungskräfte ist es entscheidend, solche unbewussten Anteile zu erkennen.) Nur wenn jemand bereit ist, Rückmeldungen als Beitrag zur Entwicklung zu verstehen, entsteht eine Kultur des gegenseitigen Respekts. Der blinde Fleck ist also kein Defizit, sondern ein Hinweis auf ein menschliches Merkmal: die Begrenztheit der Selbstwahrnehmung.
5. Wie beeinflusst der „verborgene Bereich“ unser Leben?
Der verborgene Bereich enthält jene Aspekte der Persönlichkeit, die bewusst verschwiegen werden – aus Angst, Scham oder Unsicherheit. Gefühle wie Ärger oder Unsicherheit lassen sich zwar verdrängen, doch sie wirken dennoch auf die Kommunikation.
Im Alltag kann das zu Missverständnissen führen. Wer seine inneren Anteile nicht zeigt, wirkt mehr oder weniger verschlossen – was auf andere wiederum misstrauisch oder distanziert wirkt. Schulz von Thun beschreibt dieses Phänomen als „kommunikative Dissonanz“, die sich negativ auf Beziehungen und Zusammenarbeit auswirkt.
6. Welche Rolle spielt der Schatten nach C. G. Jung im Johari-Fenster?
C. G. Jung prägte den Begriff des Schattens als Ausdruck der unbewussten, oft verdrängten Persönlichkeitsanteile. Diese archetypischen Inhalte finden sich auch im Johari-Modell wieder – insbesondere im blinden und unbekannten Bereich.
Der Schatten enthält Eigenschaften, die nicht dem idealisierten Selbstbild entsprechen: Neid, Aggression, Unsicherheit oder Eitelkeit. Wer diese Anteile nicht bewusst reflektiert, lässt sie dennoch im Verhalten sichtbar werden – etwa in passiv-aggressiver Kommunikation oder rigidem Führungsstil. Eine echte Persönlichkeitsentwicklung erfordert daher, sich auch mit diesen „dunklen“ inneren Bereichen auseinanderzusetzen.
7. Wie lässt sich das Thema besser verstehen?
Kommunikation lässt sich nicht nur verstehen, sondern auch trainieren. Im beruflichen Alltag lohnt es sich, Kommunikationssituationen gezielt zu beobachten – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Welche Begriffe verwende ich? Wie reagiere ich auf Kritik? Was drücke ich unbewusst aus?
Eine Methode zur Selbstbeobachtung ist das Führen eines Kommunikationstagebuchs. Hier lässt sich reflektieren, welche Situationen gelungen sind und welche nicht. Zusätzlich helfen Übungen zur Perspektivübernahme, um die eigene Wirkung besser einschätzen zu lernen – ein zentrales Thema in jeder persönlichen Entwicklung.
8. Welche Bedeutung hat Feedback im Selbstbild-Fremdbild-Abgleich im Hintergrund?
Feedback ist der Schlüssel, um den offenen Bereich im Johari-Fenster zu erweitern. Es gibt Aufschluss über blinde Flecken, erlaubt einen Abgleich mit der Fremdwahrnehmung und eröffnet neue Erkenntnisse über die eigene Persönlichkeit.
Doch Feedback braucht Vertrauen. Wer Kritik als persönlichen Angriff sieht, schließt sich innerlich – und verpasst eine Chance zur Entwicklung. Führungskräfte profitieren davon, ein Klima zu schaffen, in dem Rückmeldungen willkommen sind. Konstruktives Feedback lässt sich trainieren – durch klares Ausdrücken von Beobachtungen, Gefühle und Erwartungen.
9. Wie kann ich den offenen Bereich meiner Persönlichkeit erweitern?
Ziel der Arbeit mit dem Johari-Fenster ist es, den offenen Bereich zu vergrößern. Das gelingt über zwei Wege: bewusste Selbstoffenbarung und aktives Einholen von Feedback. Wer eigene Unsicherheiten teilt, wirkt menschlich – nicht schwach. Wer andere einlädt, ihre Wahrnehmung zu teilen, zeigt Stärke.
In Führungssituationen oder Teamtrainings lässt sich dieser Prozess gezielt fördern. Eine Übung besteht darin, persönliche Merkmale oder Charakterzüge von anderen benennen zu lassen und diese mit dem Selbstbild abzugleichen. Je mehr Schnittmenge entsteht, desto größer wird das Verständnis füreinander.
10. Was behindert gute Kommunikation – und wie lässt sich das verändern?
Kommunikationsprobleme entstehen meist nicht durch äußere Umstände, sondern durch innere Widerstände: Angst vor Ablehnung, alte Erfahrungen, unklare Sprache oder emotionale Überforderung. Diese Hürden lassen sich nicht vermeiden – aber erkennen und überwinden.
Hilfreiche Strategien sind aktives Zuhören, klare Sprache, gezielte Fragen und der bewusste Einsatz von Pausen. Auch die Auseinandersetzung mit eigenen archetypischen Anteilen – wie sie Jung beschreibt – kann helfen, typische Reaktionsmuster zu verstehen. Wer seine Muster erkennt, bestimmt nicht nur sein Verhalten neu, sondern gestaltet auch die Kommunikation auf Augenhöhe.
11. Vom blinden Fleck zur Selbstakzeptanz: toxische Scham überwinden mit dem Johari-Fenster
Ein besonders sensibler Anwendungsbereich des Johari-Fensters liegt im Umgang mit toxischer Scham – etwa bei Menschen, die als Ersatzkind aufgewachsen sind. Das Ersatzkind-Syndrom beschreibt eine psychodynamisch traumatisierende Konstellation, in der unbewältigte Trauer der Eltern einem Kind unbewusst die Rolle eines verstorbenen oder idealisierten Geschwisterkindes aufzwingt. Solche biografischen Prägungen hinterlassen Spuren im inneren Erleben und in der Art, wie das Selbst erlebt oder vermieden wird. Viele Betroffene zeigen ein Verhalten, das stark von Selbstkontrolle, Perfektionismus oder emotionaler Zurückhaltung geprägt ist – sie verbergen zentrale Anteile ihrer Persönlichkeit, um nicht zu versagen oder falsch zu sein.
Im Johari-Fenster spiegelt sich dieser Schutzmechanismus im ausgeprägten verborgenen Bereich: Gefühle wie Trauer, Wut oder Selbstzweifel werden verdrängt, um die familiär zugewiesene Rolle nicht zu gefährden. Gleichzeitig entsteht ein blinder Fleck, da andere sehr wohl spüren, dass etwas „nicht stimmig“ wirkt – etwa eine überangepasste Freundlichkeit oder eine übersteigerte Leistungsmotivation.
Die Arbeit mit dem Modell hilft, solche inneren Widersprüche sichtbar zu machen, toxische Scham in benennbare Erfahrung zu überführen und die eigene Persönlichkeit vom familiären Narrativ abzulösen. In einem geschützten Kommunikationsraum – sei es in Therapie, Coaching oder Selbsterfahrung – kann so die innere Erlaubnis entstehen, sich in neuen Situationen authentisch zu zeigen, den offenen Bereich zu erweitern und alte Zuschreibungen hinter sich zu lassen. Das Johari-Fenster wird dadurch zu einer Methode der Selbstbefreiung – nicht im Sinne äußerer Veränderung, sondern als Prozess innerer Neubestimmung.
Übungen zum Johari-Fenster
Selbstbild-Fremdbild-Dialog: Das Spiegelgespräch
Wählen Sie eine Person Ihres Vertrauens – etwa eine Partnerin, einen Freund oder eine Kollegin – und führen Sie ein gezieltes Spiegelgespräch. Bitten Sie Ihr Gegenüber, drei charakteristische Merkmale Ihres Verhaltens oder Ihrer Kommunikation zu benennen, die als typisch erlebt werden. Reflektieren Sie im Anschluss: War Ihnen diese Wirkung bewusst? Entspricht sie Ihrer Selbstwahrnehmung? Das Gespräch soll respektvoll, aber ehrlich geführt werden – es lebt von Offenheit auf beiden Seiten. Ziel ist es, einen Einblick in den eigenen blinden Fleck zu erhalten und erste Impulse zur Erweiterung des offenen Bereichs zu sammeln.
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Feedback-Routine im Team: Das Kreisformat
In einer vertrauensvollen Arbeitsgruppe oder im Führungsteam kann das Johari-Fenster in einem moderierten Kreisgespräch zur Anwendung kommen. Jede Person teilt nacheinander ein Merkmal mit, das sie an einer anderen Person im Team als besonders stimmig oder wirksam erlebt. Die betreffende Person hört zunächst nur zu, ohne zu kommentieren. Danach kann sie Rückfragen stellen oder das Gehörte einordnen. Wichtig ist, dass es nicht um Lob oder Kritik geht, sondern um das Sichtbarmachen von Wahrnehmung. Durch dieses Verfahren wird der blinde Fleck transparent, ohne beschämend zu wirken – ein Beitrag zur gelebten Feedbackkultur.
Wichtigste Erkenntnisse auf einen Blick
Das Johari-Fenster bietet einen klaren Rahmen, um die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Kommunikation verständlich zu machen. Seine vier Bereiche – offen, blind, verborgen und unbekannt – repräsentieren grundlegende Dimensionen menschlicher Persönlichkeit und zeigen, wie stark Verhalten durch bewusste wie unbewusste Anteile bestimmt wird.
Die Integration von C. G. Jungs Schattenkonzept verleiht dem Modell zusätzliche Tiefe, da es deutlich macht, wie innere Konflikte und verdrängte Gefühle sich in der Kommunikation niederschlagen. Führungskräfte gewinnen durch die Anwendung des Johari-Fensters ein präziseres Verständnis für ihre Wirkung und erweitern ihre Kompetenz im Umgang mit Feedback, Konflikten und Beziehungsgestaltung.
Der offene Bereich lässt sich durch gezielte Selbstoffenbarung und durch die Bereitschaft zur Reflexion erweitern – zwei zentrale Beiträge zu gelingender Kommunikation.
Übungen zur Selbstbeobachtung, zur Perspektivübernahme und zur Auseinandersetzung mit archetypischen Persönlichkeitsanteilen fördern die persönliche Reifung. Kommunikationsbarrieren lassen sich nicht mechanisch überwinden, wohl aber durch Empathie, innere Klarheit und psychologisches Verstehen Schritt für Schritt abbauen.
Wer bereit ist, sich selbst und andere differenzierter wahrzunehmen, bestimmt nicht nur sein Verhalten bewusster – er stärkt auch die Qualität seiner Beziehungen.
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Kommunikation verstehen – Das Johari-Fenster und sein psychologischer Hintergrund
Selbst- und Fremdwahrnehmung bestimmen maßgeblich, wie wir uns sehen, kommunizieren, Beziehungen gestalten aber auch im beruflichen Umfeld führen. Wer die Begriffe Persönlichkeit und Schatten nach Jung wirklich verstehen will, findet im Johari-Fenster ein psychologisch fundiertes Modell zur Selbsterkenntnis und zwischenmenschlichen Entwicklung. Dieser Beitrag erklärt die Methode und zeigt, warum sie im Beruf wie im Leben relevant ist.
1. Was ist das Johari-Fenster, was seine Merkmale, und warum ist es so wichtig für die Kommunikation?
Definition:
Das Johari-Fenster ist eine Methode zur Selbstreflexion, die im psychologischen Training und in der Persönlichkeitsentwicklung verwendet wird.
Entwickelt wurde das Modell in den 1950er Jahren von Joseph Luft und Harry Ingham – daher auch der Name, der sich aus den Anfangssilben ihrer Vornamen zusammensetzt. Es zeigt auf, wie Kommunikation funktioniert, wo sie beeinträchtigt wird und wie sich durch Feedback und Selbstoffenbarung neue Einsichten ergeben.
Im Zentrum des Modells stehen vier Felder oder Bereiche, die den Charakter eines Menschen in Bezug auf sich selbst und andere repräsentieren. Diese Bereiche machen deutlich, dass Kommunikation mehr oder weniger bewusst verläuft und stark von gegenseitigem Verstehen abhängt. Der Zweck dieses Konzepts besteht darin, menschliche Beziehungen zu verbessern und innere wie äußere Anteile der Persönlichkeit bewusster zu erfahren.
2. Welche vier Bereiche prägen unser Verhalten laut Johari-Modell?
Das Modell teilt die Persönlichkeit in vier Bereiche auf:
1. Offener Bereich: Aspekte, die sowohl dem Menschen selbst als auch anderen bekannt sind.
2. Blinder Fleck: Merkmale, die andere wahrnehmen, die aber dem eigenen Bewusstsein entzogen bleiben.
3. Verborgener Bereich: Informationen, die bewusst zurückgehalten werden – etwa Gefühle oder persönliche Erfahrungen.
4. Unbekannter Bereich: Unbewusste Anteile, die weder dem Individuum noch anderen klar sind und nur durch neue Erfahrungen sichtbar werden.
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3. Das innere Team: Schulz von Thuns Erweiterung des Johari-Fensters
Friedemann Schulz von Thun hat das Johari-Fenster nicht direkt verändert, aber entscheidend ergänzt – insbesondere durch sein Modell des „inneren Teams“. Während das Johari-Fenster zwischen sichtbaren, verborgenen und unbewussten Persönlichkeitsanteilen unterscheidet, richtet Schulz von Thun den Blick auf die innere Pluralität des Menschen: Jeder Mensch spricht, denkt und handelt nicht aus einer einheitlichen Stimme heraus, sondern wird von mehreren inneren „Teammitgliedern“ mit unterschiedlichen Anliegen und Haltungen geprägt. Diese können kooperieren, aber auch miteinander in Konflikt stehen.
In der praktischen Anwendung verbindet sich das Johari-Fenster mit dem inneren Team, indem deutlich wird, dass nicht nur die Außenwirkung, sondern auch die innere Stimmigkeit der Ich-Anteile relevant ist. Ein Mensch, der nach außen ruhig und souverän erscheint, kann innerlich zugleich von Unsicherheit, Empörung oder Zweifel begleitet sein – Anteile, die im verborgenen oder unbekannten Bereich des Johari-Fensters liegen. Schulz von Thuns Modell hilft dabei, diese inneren Stimmen zu identifizieren, zu benennen und bewusst zu integrieren. Dies stärkt nicht nur die persönliche Klarheit, sondern auch die Kommunikationskompetenz.
Im Alltag bedeutet das: Wer sein inneres Team kennt, trifft differenziertere Entscheidungen, kommuniziert glaubwürdiger und wirkt authentischer. Die Verbindung von Johari-Fenster und innerem Team eröffnet damit eine vertiefte Selbstsicht – als Ausdruck innerer Vielstimmigkeit in einem sozialen Kontext.
4. Was bedeutet der blinde Fleck für unser menschliches Miteinander?
Der sogenannte blinde Fleck zeigt auf, wie stark wir auf das Feedback anderer angewiesen sind. Viele Menschen glauben, ihr Verhalten sei eindeutig – doch Kollegen, Freunde oder Partner erleben sie ganz anders. Diese Diskrepanz kann Kommunikation im Beruf wie im privaten Leben ausgeprägt bestimmen.
(Gerade für Führungskräfte ist es entscheidend, solche unbewussten Anteile zu erkennen.) Nur wenn jemand bereit ist, Rückmeldungen als Beitrag zur Entwicklung zu verstehen, entsteht eine Kultur des gegenseitigen Respekts. Der blinde Fleck ist also kein Defizit, sondern ein Hinweis auf ein menschliches Merkmal: die Begrenztheit der Selbstwahrnehmung.
5. Wie beeinflusst der „verborgene Bereich“ unser Leben?
Der verborgene Bereich enthält jene Aspekte der Persönlichkeit, die bewusst verschwiegen werden – aus Angst, Scham oder Unsicherheit. Gefühle wie Ärger oder Unsicherheit lassen sich zwar verdrängen, doch sie wirken dennoch auf die Kommunikation.
Im Alltag kann das zu Missverständnissen führen. Wer seine inneren Anteile nicht zeigt, wirkt mehr oder weniger verschlossen – was auf andere wiederum misstrauisch oder distanziert wirkt. Schulz von Thun beschreibt dieses Phänomen als „kommunikative Dissonanz“, die sich negativ auf Beziehungen und Zusammenarbeit auswirkt.
6. Welche Rolle spielt der Schatten nach C. G. Jung im Johari-Fenster?
C. G. Jung prägte den Begriff des Schattens als Ausdruck der unbewussten, oft verdrängten Persönlichkeitsanteile. Diese archetypischen Inhalte finden sich auch im Johari-Modell wieder – insbesondere im blinden und unbekannten Bereich.
Der Schatten enthält Eigenschaften, die nicht dem idealisierten Selbstbild entsprechen: Neid, Aggression, Unsicherheit oder Eitelkeit. Wer diese Anteile nicht bewusst reflektiert, lässt sie dennoch im Verhalten sichtbar werden – etwa in passiv-aggressiver Kommunikation oder rigidem Führungsstil. Eine echte Persönlichkeitsentwicklung erfordert daher, sich auch mit diesen „dunklen“ inneren Bereichen auseinanderzusetzen.
7. Wie lässt sich das Thema besser verstehen?
Kommunikation lässt sich nicht nur verstehen, sondern auch trainieren. Im beruflichen Alltag lohnt es sich, Kommunikationssituationen gezielt zu beobachten – sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Welche Begriffe verwende ich? Wie reagiere ich auf Kritik? Was drücke ich unbewusst aus?
Eine Methode zur Selbstbeobachtung ist das Führen eines Kommunikationstagebuchs. Hier lässt sich reflektieren, welche Situationen gelungen sind und welche nicht. Zusätzlich helfen Übungen zur Perspektivübernahme, um die eigene Wirkung besser einschätzen zu lernen – ein zentrales Thema in jeder persönlichen Entwicklung.
8. Welche Bedeutung hat Feedback im Selbstbild-Fremdbild-Abgleich im Hintergrund?
Feedback ist der Schlüssel, um den offenen Bereich im Johari-Fenster zu erweitern. Es gibt Aufschluss über blinde Flecken, erlaubt einen Abgleich mit der Fremdwahrnehmung und eröffnet neue Erkenntnisse über die eigene Persönlichkeit.
Doch Feedback braucht Vertrauen. Wer Kritik als persönlichen Angriff sieht, schließt sich innerlich – und verpasst eine Chance zur Entwicklung. Führungskräfte profitieren davon, ein Klima zu schaffen, in dem Rückmeldungen willkommen sind. Konstruktives Feedback lässt sich trainieren – durch klares Ausdrücken von Beobachtungen, Gefühle und Erwartungen.
9. Wie kann ich den offenen Bereich meiner Persönlichkeit erweitern?
Ziel der Arbeit mit dem Johari-Fenster ist es, den offenen Bereich zu vergrößern. Das gelingt über zwei Wege: bewusste Selbstoffenbarung und aktives Einholen von Feedback. Wer eigene Unsicherheiten teilt, wirkt menschlich – nicht schwach. Wer andere einlädt, ihre Wahrnehmung zu teilen, zeigt Stärke.
In Führungssituationen oder Teamtrainings lässt sich dieser Prozess gezielt fördern. Eine Übung besteht darin, persönliche Merkmale oder Charakterzüge von anderen benennen zu lassen und diese mit dem Selbstbild abzugleichen. Je mehr Schnittmenge entsteht, desto größer wird das Verständnis füreinander.
10. Was behindert gute Kommunikation – und wie lässt sich das verändern?
Kommunikationsprobleme entstehen meist nicht durch äußere Umstände, sondern durch innere Widerstände: Angst vor Ablehnung, alte Erfahrungen, unklare Sprache oder emotionale Überforderung. Diese Hürden lassen sich nicht vermeiden – aber erkennen und überwinden.
Hilfreiche Strategien sind aktives Zuhören, klare Sprache, gezielte Fragen und der bewusste Einsatz von Pausen. Auch die Auseinandersetzung mit eigenen archetypischen Anteilen – wie sie Jung beschreibt – kann helfen, typische Reaktionsmuster zu verstehen. Wer seine Muster erkennt, bestimmt nicht nur sein Verhalten neu, sondern gestaltet auch die Kommunikation auf Augenhöhe.
11. Vom blinden Fleck zur Selbstakzeptanz: toxische Scham überwinden mit dem Johari-Fenster
Ein besonders sensibler Anwendungsbereich des Johari-Fensters liegt im Umgang mit toxischer Scham – etwa bei Menschen, die als Ersatzkind aufgewachsen sind. Das Ersatzkind-Syndrom beschreibt eine psychodynamisch traumatisierende Konstellation, in der unbewältigte Trauer der Eltern einem Kind unbewusst die Rolle eines verstorbenen oder idealisierten Geschwisterkindes aufzwingt. Solche biografischen Prägungen hinterlassen Spuren im inneren Erleben und in der Art, wie das Selbst erlebt oder vermieden wird. Viele Betroffene zeigen ein Verhalten, das stark von Selbstkontrolle, Perfektionismus oder emotionaler Zurückhaltung geprägt ist – sie verbergen zentrale Anteile ihrer Persönlichkeit, um nicht zu versagen oder falsch zu sein.
Im Johari-Fenster spiegelt sich dieser Schutzmechanismus im ausgeprägten verborgenen Bereich: Gefühle wie Trauer, Wut oder Selbstzweifel werden verdrängt, um die familiär zugewiesene Rolle nicht zu gefährden. Gleichzeitig entsteht ein blinder Fleck, da andere sehr wohl spüren, dass etwas „nicht stimmig“ wirkt – etwa eine überangepasste Freundlichkeit oder eine übersteigerte Leistungsmotivation.
Die Arbeit mit dem Modell hilft, solche inneren Widersprüche sichtbar zu machen, toxische Scham in benennbare Erfahrung zu überführen und die eigene Persönlichkeit vom familiären Narrativ abzulösen. In einem geschützten Kommunikationsraum – sei es in Therapie, Coaching oder Selbsterfahrung – kann so die innere Erlaubnis entstehen, sich in neuen Situationen authentisch zu zeigen, den offenen Bereich zu erweitern und alte Zuschreibungen hinter sich zu lassen. Das Johari-Fenster wird dadurch zu einer Methode der Selbstbefreiung – nicht im Sinne äußerer Veränderung, sondern als Prozess innerer Neubestimmung.
Übungen zum Johari-Fenster
Selbstbild-Fremdbild-Dialog: Das Spiegelgespräch
Wählen Sie eine Person Ihres Vertrauens – etwa eine Partnerin, einen Freund oder eine Kollegin – und führen Sie ein gezieltes Spiegelgespräch. Bitten Sie Ihr Gegenüber, drei charakteristische Merkmale Ihres Verhaltens oder Ihrer Kommunikation zu benennen, die als typisch erlebt werden. Reflektieren Sie im Anschluss: War Ihnen diese Wirkung bewusst? Entspricht sie Ihrer Selbstwahrnehmung? Das Gespräch soll respektvoll, aber ehrlich geführt werden – es lebt von Offenheit auf beiden Seiten. Ziel ist es, einen Einblick in den eigenen blinden Fleck zu erhalten und erste Impulse zur Erweiterung des offenen Bereichs zu sammeln.
Verdecktes Verhalten aufdecken: Das stille Notizbuch
Notieren Sie über mehrere Tage in Ihrem Tagebuch, jeweils nach einer Gesprächssituation, was Sie gedacht, aber nicht gesagt haben. Welche Gefühle, Bewertungen oder Reaktionen haben Sie zurückgehalten? Welche Themen haben Sie bewusst vermieden? Nach einigen Einträgen entsteht ein Muster des verborgenen Bereichs: ein persönlicher Atlas jener inneren Anteile, die Sie aus unterschiedlichen Gründen nicht zeigen. Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen Selbstbeobachtungen eröffnet die Möglichkeit, selektiv mehr von sich mitzuteilen – in Situationen, die es erlauben.
Der Schatten im Dialog: Selbsterkundung mit Archetypen
Wählen Sie aus der jungianischen Archetypen ein Bild aus, das Sie anspricht – etwa den Krieger, der Weise, das Kind oder den Trickster. Notieren Sie, welche Eigenschaften, Gefühle oder Verhaltensweisen diesem Bild zugeschrieben werden. Stellen Sie sich anschließend die Frage: Welche dieser Merkmale erkenne ich auch in mir, obwohl ich sie bislang abgelehnt oder verdrängt habe? Wie beeinflussen sie möglicherweise mein Verhalten, ohne dass ich es bisher bemerkt habe? Diese Übung lädt dazu ein, den Schattenanteil nicht moralisch zu bewerten, sondern als psychologische Ressource zur Selbsterkenntnis zu nutzen.
Feedback-Routine im Team: Das Kreisformat
In einer vertrauensvollen Arbeitsgruppe oder im Führungsteam kann das Johari-Fenster in einem moderierten Kreisgespräch zur Anwendung kommen. Jede Person teilt nacheinander ein Merkmal mit, das sie an einer anderen Person im Team als besonders stimmig oder wirksam erlebt. Die betreffende Person hört zunächst nur zu, ohne zu kommentieren. Danach kann sie Rückfragen stellen oder das Gehörte einordnen. Wichtig ist, dass es nicht um Lob oder Kritik geht, sondern um das Sichtbarmachen von Wahrnehmung. Durch dieses Verfahren wird der blinde Fleck transparent, ohne beschämend zu wirken – ein Beitrag zur gelebten Feedbackkultur.
Wichtigste Erkenntnisse auf einen Blick
Das Johari-Fenster bietet einen klaren Rahmen, um die Wechselwirkung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Kommunikation verständlich zu machen. Seine vier Bereiche – offen, blind, verborgen und unbekannt – repräsentieren grundlegende Dimensionen menschlicher Persönlichkeit und zeigen, wie stark Verhalten durch bewusste wie unbewusste Anteile bestimmt wird.
Die Integration von C. G. Jungs Schattenkonzept verleiht dem Modell zusätzliche Tiefe, da es deutlich macht, wie innere Konflikte und verdrängte Gefühle sich in der Kommunikation niederschlagen. Führungskräfte gewinnen durch die Anwendung des Johari-Fensters ein präziseres Verständnis für ihre Wirkung und erweitern ihre Kompetenz im Umgang mit Feedback, Konflikten und Beziehungsgestaltung.
Der offene Bereich lässt sich durch gezielte Selbstoffenbarung und durch die Bereitschaft zur Reflexion erweitern – zwei zentrale Beiträge zu gelingender Kommunikation.
Übungen zur Selbstbeobachtung, zur Perspektivübernahme und zur Auseinandersetzung mit archetypischen Persönlichkeitsanteilen fördern die persönliche Reifung. Kommunikationsbarrieren lassen sich nicht mechanisch überwinden, wohl aber durch Empathie, innere Klarheit und psychologisches Verstehen Schritt für Schritt abbauen.
Wer bereit ist, sich selbst und andere differenzierter wahrzunehmen, bestimmt nicht nur sein Verhalten bewusster – er stärkt auch die Qualität seiner Beziehungen.
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