Stinken Sie? Ganzkörperdeodorants erzeugen im Zeitalter eines „entblößten Selbst“ Unsicherheit und schlagen Profit daraus.

Stinken Sie? Ganzkörperdeodorants erzeugen im Zeitalter eines „entblößten Selbst“ Unsicherheit und schlagen Profit daraus.

Stinken Sie?

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Oct 14, 2025

ein mann in einer wiese, er sieht attraktiv aus
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Ganzkörperdeodorants vermarkten Unsicherheit im Zeitalter der Selbstoptimierung – warum Körpergeruch zum Makel wird und wer davon profitiert.

Einleitung

Deodorant war früher ganz einfach. Einmal unter die Achseln rollen oder sprühen. Fertig. Aber jetzt werden Ihre Leistengegend, Ihre Füße und Hautfalten, sogar die Pofalte, zu „Problemzonen“ erklärt. Willkommen im Zeitalter des Ganzkörperdeodorants: dem neuen Extrem der Körperpflege, in der der Körper nicht mehr nur gewaschen und angezogen wird – er wird gestaltet, reguliert und stillschweigend monetarisiert.

Hier geht es aber nicht mehr bloß um Sauberkeit. Es geht um Kontrolle. Um die langsame, unsichtbare Verwandlung des Selbst in etwas, das ständig gepflegt – und, was noch wichtiger ist – gekauft werden muss.

Was wie eine harmlose Marktentwicklung aussieht, ist in Wirklichkeit eine neue Art der sanften Disziplinierung. Eine Form der psychischen Kontrolle. Whole-Body-Deodorants zielen nicht auf die Bakterien unter Ihren Armen – sondern auf Ihre Angst davor, wie andere Sie sehen könnten, und die Kluft zwischen dieser Fremdsicht und Ihrem Selbstempfinden. Diese Produkte beseitigen kein Unbehagen, sondern verstärken es, geben ihm einen Namen und versprechen Ihnen die Rettung in einer Markenflasche – alles auf einmal.

Wenn es etwas gibt, das Ganzkörperdeodorants effektiver verkauft als Geruchskontrolle, dann ist es die Fantasie einer lückenlosen Akzeptanz – als jemand zu gelten, dessen Körper niemals „körpert“, niemals peinlich ist, niemals Gerüche abgibt, niemals dem geschaffenen sozialen Image widerspricht.

Das Ergebnis ist ein ideologischer Wandel, der sich als Selbstpflege tarnt: die Pathologisierung der Grundfunktionen des menschlichen Körpers im Dienste neuer Märkte und einer totalen Konformität. Und die Kosten sind nicht nur finanzieller Natur – sie sind existenziell.

Worum es im Post geht:

·         warum „Frische überall“ keine Lösung, sondern ein Symptom der spätkapitalistischen Selbstoptimierung ist,

·         wie Marketing die Körperlichkeit in soziale Belastung verwandelt,

·         was Körpergeruch eigentlich bedeutet – und warum er wie ein Makel behandelt wird,

·         wie Influencer soziale Normen und Eltern als innere Trigger der Scham ersetzt haben, und

·         warum das Annehmen der Körperfunktionen die leiseste – und radikalste – Form des Widerstands sein könnte.

Von der Aufklärung zu bürgerlichen Tugenden: Die Geburt der Selbstdisziplin

Die Geschichte der zwanghaften Selbstperfektion beginnt nicht erst mit Instagram oder Influencer-Marketing, sondern wurzelt tief in der europäischen Aufklärung. Mit dem Ende des Geburtsprivilegs und dem Aufstieg des Bürgertums wurde die Legitimation sozialer Stellung nicht mehr durch Herkunft, sondern durch individuelle Leistung und Tugend begründet. Philosophen wie Voltaire, Montesquieu und Adam Smith propagierten Werte wie Fleiß, Selbstdisziplin, Ordnung und Sauberkeit als neue bürgerliche Tugenden.

Diese Tugenden waren nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch aufgeladen: Reinlichkeit und Selbstbeherrschung galten als respektabel und tugendhaft. Und Körperpflege wurde zum sichtbaren Zeichen dieser Selbstbeherrschung und sozialer Zugehörigkeit. Die Kontrolle über den eigenen Körper – und damit auch über Gerüche – wurde zum Symbol für die Fähigkeit, sich selbst zu regieren und in der neuen Gesellschaft zu bestehen.

Die Pathologisierung des Natürlichen: Hygiene als soziale Disziplinierung

Mit dem 19. Jahrhundert und der Verbreitung der Wissenschaften wandelte sich das Verständnis von Hygiene grundlegend. Die Entdeckung der Keime und die Urbanisierung führten dazu, dass Sauberkeit nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern auch von Gesundheit und Modernität wurde. Körpergeruch, einst als normal akzeptiert und bestenfalls mit Parfüm überdeckt, wurde zunehmend zum Makel und Zeichen von Rückständigkeit oder gar krankhafter moralischer Entartung.

Die aufkommende Hygieneindustrie nutzte diese neuen Ängste geschickt aus: Deodorants und Seifen wurden als Mittel gegen soziale Ausgrenzung und als Voraussetzung für beruflichen und privaten Erfolg vermarktet. Werbung spielte von Anfang an gezielt mit Scham und Unsicherheit, um den Absatz zu steigern – ein Mechanismus, der bis heute funktioniert.

Von der bürgerlichen Selbstkontrolle zur neoliberalen Selbstoptimierung

Im 20. und 21. Jahrhundert verschärfte sich der Druck zur Selbstoptimierung weiter. Die neoliberale Konsumgesellschaft hat die Logik der Selbstverbesserung und -vermarktung auf die Spitze getrieben: Der Körper ist nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern ein Projekt. Ständig muss er verbessert, überwacht und präsentiert werden.

Die Ideale der Aufklärung – Selbstdisziplin, Kontrolle, Optimierung – werden heute von der Konsumindustrie in Produkte übersetzt, die versprechen, jede „Unvollkommenheit“ zu beseitigen. Ganzkörperdeodorants sind das neueste Beispiel: Sie machen aus jeder Hautfalte eine potenzielle Problemzone und suggerieren, dass nur lückenlose Frische soziale Akzeptanz garantiert.

Mythen und Macht im Alltag

Im Alltag begegnen wir unzähligen Dingen, Bildern und Praktiken, die uns selbstverständlich erscheinen: der Werbung auf Plakaten, den Ritualen beim Frühstück, der Sprache in den Nachrichten. Doch wie entstehen diese Selbstverständlichkeiten? Wer entscheidet, was als „normal“ gilt – und warum?

Zwei der einflussreichsten Denker der Kultur- und Sozialwissenschaften, Roland Barthes und Michel Foucault, haben sich intensiv mit genau diesen Fragen beschäftigt. Während Barthes in seinen berühmten „Mythen des Alltags“ zeigt, wie Alltagsphänomene zu Trägern von Ideologie werden, untersucht Foucault mit seinem Konzept des Dispositivs, wie Macht und Wissen unser Denken und Handeln strukturieren. Beide Ansätze eröffnen einen kritischen Blick auf das, was wir für natürlich oder selbstverständlich halten – und machen sichtbar, wie gesellschaftliche Ordnung, Macht und Bedeutung im Alltäglichen verankert sind.

Das Foucaultsche Dispositiv: Körper als Objekt der Kontrolle

Michel Foucault versteht unter dem Begriff Dispositiv (französisch: dispositif, im Englischen oft als „apparatus“ übersetzt) ein Geflecht aus institutionellen, physischen und administrativen Mechanismen sowie Wissensstrukturen, die dazu dienen, Macht innerhalb einer Gesellschaft auszuüben, zu steuern und aufrechtzuerhalten. Ein Dispositiv umfasst dabei nicht nur Gesetze oder Institutionen, sondern auch ein Netzwerk aus verschiedenartigen Elementen – Dinge, Aussagen, Institutionen, Gesetze, wissenschaftliche Aussagen, moralische Vorschriften, Verhaltensweisen usw. – die miteinander verbunden sind und gemeinsam die Bedingungen für die Ausübung von Macht schaffen. Foucault betont, dass das Dispositiv dynamisch ist: Die Beziehungen zwischen den Elementen sind nicht starr, sondern verändern sich im historischen Verlauf. So kann verstanden werden, wie Macht, Wissen und Selbst in der Gesellschaft miteinander verwoben sind.

Die moderne Körperpflege – von der mehrmals täglichen Dusche bis zum Ganzkörperdeodorant – ist Teil eines solchen Dispositivs, das nicht nur von außen diszipliniert, sondern auch zur Selbstüberwachung und -regulierung anleitet.

Die Macht wirkt nicht mehr nur durch Verbote, sondern durch die ständige Aufforderung zur Selbstoptimierung. Angst, nicht zu genügen, wird zum Motor des Konsums. Kontrolle über den eigenen Körper wird zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit – und zur Ware, die immer wieder neu gekauft werden muss.

Barthes’ „Mythen des Alltags“: Wie Alltägliches zur Ideologie wird

Roland Barthes’ „Mythen des Alltags“ (Mythologies, 1957) ist ein Schlüsselwerk der Kulturkritik und Semiotik. Barthes zeigt darin, wie scheinbar banale Alltagsobjekte, Praktiken und Medienbotschaften zu Trägern von Ideologie werden. Sein Ansatz beruht auf der Unterscheidung zweier Bedeutungsebenen:

  • Denotation: die unmittelbare, wörtliche Bedeutung eines Zeichens (z. B. ein Deodorant als Produkt zur Geruchskontrolle).

  • Konnotation/Mythos: die zweite, kulturell und ideologisch aufgeladene Bedeutung, die dem Zeichen übergestülpt wird (z. B. Deodorant als Symbol für soziale Akzeptanz, Reinheit, Modernität oder Selbstkontrolle).

Barthes versteht Mythos als eine „zweite Ordnung der Bedeutungsgebung“: Alltägliche Dinge werden mit gesellschaftlichen Werten und Normen aufgeladen, sodass diese als „natürlich“ erscheinen. Gerade Werbung und Konsumprodukte sind für Barthes Paradebeispiele dafür, wie Ideologie in den Alltag einsickert und sich als gesunder Menschenverstand tarnt.

Schon die früheste Seifen- und Waschmittelwerbung bezog sich auf einen mythischen Dreiklang aus Reinheit, Wissenschaft und Tugendhaftigkeit. In all diesen Fällen wird das Künstliche, Kulturelle als wahre Natur ausgegeben – und damit werden gesellschaftliche Machtverhältnisse stabilisiert.

Die Pathologisierung des Natürlichen als Mythos

Und gerade im Bereich Körperpflege und Hygiene zeigt sich Barthes’ Ansatz besonders deutlich: Werbung für Deodorants, Seifen oder Intimpflegeprodukte konstruiert die unausgesprochene Behauptung, dass natürliche Körperfunktionen wie Schwitzen, Geruch oder Ausscheidungen nicht nur unästhetisch, sondern sozial gefährlich und moralisch fragwürdig seien. Die Lösung wird gleich mitgeliefert: das Produkt, das „Frische“, „Reinheit“ und „Selbstsicherheit“ verspricht.

Barthes würde argumentieren: Hier wird ein gesellschaftlich konstruiertes Problem (Körpergeruch als Makel) als naturgegeben dargestellt, um Konsum zu stimulieren und bestehende Normen zu festigen. Die Werbung naturalisiert die Angst vor dem eigenen Körper und macht sie zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit.

Der Genitalfurcht-Markt

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper – und insbesondere der Intimbereich – zur permanenten Problemzone erklärt. Werbung, Influencer und medizinisch anmutende Sprache pathologisieren natürliche Gerüche und Sekrete. Die Botschaft: Wer nicht „überall fresh“ ist, riskiert soziale Ausgrenzung, Scham und Liebesverlust.

Barthes würde in der Werbesprache und den Bildern die Mythen identifizieren:

  • „Frische“ wird zum universellen Wert,

  • „Geruchsfreiheit“ zur Voraussetzung für Akzeptanz,

  • „Ganzkörperpflege“ zur Pflicht moderner Subjekte.

Foucault würde zeigen, wie diese Mythen in ein Dispositiv eingebettet sind:

  • Medizinische Experten, Influencer, Social Media und Produktinnovationen wirken zusammen, um neue Normen zu etablieren und zu überwachen.

  • Die Konsumenten werden zu Subjekten, die sich selbst überwachen, disziplinieren und optimieren – nicht aus Zwang, sondern aus internalisierter Angst, nicht zu genügen.

Die Pathologisierung als Machtstrategie

Die Pathologisierung natürlicher Körperfunktionen ist dabei keine zufällige Nebenwirkung, sondern ein gezielter Mechanismus der Disziplinierung und Monetarisierung:

  • Was früher als normal galt, wird zum „Problem“ erklärt, das einer Lösung bedarf – und diese Lösung ist immer käuflich.

  • Die Unsicherheit wird nicht beseitigt, sondern perpetuiert: Mit jedem neuen Produkt entsteht ein neues Defizit, das es zu beheben gilt.

Barthes und Foucault gemeinsam machen sichtbar, wie der Markt für Ganzkörperdeodorants nicht nur Produkte verkauft, sondern Subjektivitäten, Normen und Machtverhältnisse produziert und stabilisiert.

Die unsichtbare Macht der Mythen im Alltag

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper nicht nur gereinigt, sondern zum permanenten Projekt der Selbstoptimierung und -überwachung. Die Angst vor dem eigenen Geruch ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftlich produzierter Mythos – und ein lukrativer Markt. Wir akzeptieren diese Mythen als selbstverständlich und werden so zu willigen Subjekten der Konsumgesellschaft.

Barthes’ Mythenanalyse und Foucaults Dispositivtheorie machen gemeinsam sichtbar, wie im spätkapitalistischen Genitalfurcht-Markt natürliche Körperfunktionen pathologisiert, Unsicherheiten erzeugt und neue Konsumzwänge geschaffen werden – alles unter dem Deckmantel von Selbstpflege, Hygiene und sozialer Akzeptanz.

Influencer und Social Media: Die neuen Instanzen der Scham

Während früher Eltern, Schule oder Kirche die Instanzen der Disziplinierung waren, übernehmen heute Influencer und soziale Medien diese Rolle. Sie setzen neue, oft unerreichbare Standards für Körper, Hygiene und Selbstpräsentation. Die ständige Sichtbarkeit und Vergleichbarkeit im Netz verstärken das Gefühl, nie „genug“ zu sein – und treiben den Konsum immer neuer Produkte an.

Die Logik ist perfide: Wer nicht mithält, riskiert soziale Ausgrenzung. Wer mithält, bleibt trotzdem immer im Defizit – denn das Ideal verschiebt sich ständig weiter.

Die unsichtbare Disziplin: Wie Marketing Unsicherheit erzeugt und ausbeutet

Die Industrie hat längst erkannt, dass Unsicherheit ein lukrativer Markt ist. Marketingstrategien schaffen gezielt neue „Probleme“ – von Achseln über Füße bis zur Pofalte – und bieten die passende Lösung gleich mit an. Die Folge: Ein nie endender Kreislauf aus Scham, Selbstoptimierung und Konsum, der nicht nur das Portemonnaie, sondern auch das Selbstwertgefühl belastet.

Der leise Widerstand: Die Rückeroberung des Körpers

Doch es gibt Gegenbewegungen: Body Positivity, Minimalismus, „No-Poo“-Bewegungen und kritische Medienkompetenz fordern dazu auf, den eigenen Körper wieder als etwas Natürliches und Wertvolles zu begreifen – jenseits von Perfektion und Konsum. Das Annehmen der eigenen Körperfunktionen, das Zulassen von Makeln und das kritische Hinterfragen von Marketingbotschaften sind heute vielleicht die radikalsten Akte der Selbstbestimmung.

Gestank als Widerstand? Die Grenzen des Protests im Zeitalter von Konsum und Symbolik

Die Vorstellung, dass Körpergeruch oder „Gestank“ heute als Form des Widerstands gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum taugt, ist letztlich eine Illusion. In einer Gesellschaft, in der selbst Abweichung und Nonkonformität sofort als Stil, Subkultur oder Marketingnische vereinnahmt werden, verliert der „Gestank“ seine subversive Kraft. Er wird nicht als Protest verstanden, sondern als soziales Scheitern, als Zeichen mangelnder Distinktion und kulturellen Kapitals – ganz im Sinne von Pierre Bourdieu, der gezeigt hat, wie feine Unterschiede im Habitus soziale Zugehörigkeit und Ausschluss markieren.

Es ist gerade die Fähigkeit, sich die „richtigen“ Formen von Körperpflege, Duft und Auftreten anzueignen, die soziale Grenzen zieht und Distinktion ermöglicht. Wer sich diesen Codes entzieht, riskiert nicht Widerstand, sondern Ausschluss und Stigmatisierung. Gestank wird so nicht zum Symbol des Widerstands, sondern zum Marker sozialer Marginalisierung.

Im Zeitalter der Konsumgesellschaft und der Hyperrealität läuft selbst der Versuch, durch „Natürlichkeit“ oder „Ungepflegtheit“ zu protestieren, ins Leere. Denn alles – auch das scheinbar Widerständige – wird zum Zeichen, das in den Kreislauf der Bedeutungen und der Konsumlogik eingespeist wird. Der Körpergeruch als „authentisches“ Signal verliert seine Bedeutung, weil Authentizität selbst zur Ware und zum Image geworden ist.

Fazit: Menschsein ist kein Makel

Die Geschichte der Körperpflege ist eine Geschichte der Disziplinierung – von der bürgerlichen Tugend über die medizinische Pathologisierung bis zur neoliberalen Selbstoptimierung.

Ganzkörperdeodorants sind kein Zeichen von Fortschritt, sondern ein Symptom einer Gesellschaft, die das Natürliche zum Problem erklärt, um daran zu verdienen.

Vielleicht ist der menschliche Geruch kein Makel, sondern ein Recht. Ein Zeichen von Lebendigkeit und Individualität. Die Fantasie der „permanenten Frische“ erzeugt nur neue Ängste und Abhängigkeiten. Sich selbst zu akzeptieren – mit allem, was dazugehört – ist die eigentliche Freiheit. Und vielleicht die gesündeste Form der Selbstpflege, die es gibt.

Wahrer Widerstand gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum besteht also nicht darin, sich bewusst dem gesellschaftlichen Konsens über Hygiene zu entziehen. Vielmehr liegt er in der kritischen Reflexion und bewussten Aneignung der eigenen Körperlichkeit – jenseits von Konformitätsdruck und Konsumzwang.

Die Herausforderung ist, sich nicht über äußere Zeichen, sondern über die bewusste Distanz zu den Spielregeln der Konsumgesellschaft zu definieren. In einer Welt, in der alles zum Zeichen wird, ist vielleicht gerade die Unsichtbarkeit, das Nichtmitspielen, die subtilste Form des Protests.


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Ganzkörperdeodorants vermarkten Unsicherheit im Zeitalter der Selbstoptimierung – warum Körpergeruch zum Makel wird und wer davon profitiert.

Einleitung

Deodorant war früher ganz einfach. Einmal unter die Achseln rollen oder sprühen. Fertig. Aber jetzt werden Ihre Leistengegend, Ihre Füße und Hautfalten, sogar die Pofalte, zu „Problemzonen“ erklärt. Willkommen im Zeitalter des Ganzkörperdeodorants: dem neuen Extrem der Körperpflege, in der der Körper nicht mehr nur gewaschen und angezogen wird – er wird gestaltet, reguliert und stillschweigend monetarisiert.

Hier geht es aber nicht mehr bloß um Sauberkeit. Es geht um Kontrolle. Um die langsame, unsichtbare Verwandlung des Selbst in etwas, das ständig gepflegt – und, was noch wichtiger ist – gekauft werden muss.

Was wie eine harmlose Marktentwicklung aussieht, ist in Wirklichkeit eine neue Art der sanften Disziplinierung. Eine Form der psychischen Kontrolle. Whole-Body-Deodorants zielen nicht auf die Bakterien unter Ihren Armen – sondern auf Ihre Angst davor, wie andere Sie sehen könnten, und die Kluft zwischen dieser Fremdsicht und Ihrem Selbstempfinden. Diese Produkte beseitigen kein Unbehagen, sondern verstärken es, geben ihm einen Namen und versprechen Ihnen die Rettung in einer Markenflasche – alles auf einmal.

Wenn es etwas gibt, das Ganzkörperdeodorants effektiver verkauft als Geruchskontrolle, dann ist es die Fantasie einer lückenlosen Akzeptanz – als jemand zu gelten, dessen Körper niemals „körpert“, niemals peinlich ist, niemals Gerüche abgibt, niemals dem geschaffenen sozialen Image widerspricht.

Das Ergebnis ist ein ideologischer Wandel, der sich als Selbstpflege tarnt: die Pathologisierung der Grundfunktionen des menschlichen Körpers im Dienste neuer Märkte und einer totalen Konformität. Und die Kosten sind nicht nur finanzieller Natur – sie sind existenziell.

Worum es im Post geht:

·         warum „Frische überall“ keine Lösung, sondern ein Symptom der spätkapitalistischen Selbstoptimierung ist,

·         wie Marketing die Körperlichkeit in soziale Belastung verwandelt,

·         was Körpergeruch eigentlich bedeutet – und warum er wie ein Makel behandelt wird,

·         wie Influencer soziale Normen und Eltern als innere Trigger der Scham ersetzt haben, und

·         warum das Annehmen der Körperfunktionen die leiseste – und radikalste – Form des Widerstands sein könnte.

Von der Aufklärung zu bürgerlichen Tugenden: Die Geburt der Selbstdisziplin

Die Geschichte der zwanghaften Selbstperfektion beginnt nicht erst mit Instagram oder Influencer-Marketing, sondern wurzelt tief in der europäischen Aufklärung. Mit dem Ende des Geburtsprivilegs und dem Aufstieg des Bürgertums wurde die Legitimation sozialer Stellung nicht mehr durch Herkunft, sondern durch individuelle Leistung und Tugend begründet. Philosophen wie Voltaire, Montesquieu und Adam Smith propagierten Werte wie Fleiß, Selbstdisziplin, Ordnung und Sauberkeit als neue bürgerliche Tugenden.

Diese Tugenden waren nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch aufgeladen: Reinlichkeit und Selbstbeherrschung galten als respektabel und tugendhaft. Und Körperpflege wurde zum sichtbaren Zeichen dieser Selbstbeherrschung und sozialer Zugehörigkeit. Die Kontrolle über den eigenen Körper – und damit auch über Gerüche – wurde zum Symbol für die Fähigkeit, sich selbst zu regieren und in der neuen Gesellschaft zu bestehen.

Die Pathologisierung des Natürlichen: Hygiene als soziale Disziplinierung

Mit dem 19. Jahrhundert und der Verbreitung der Wissenschaften wandelte sich das Verständnis von Hygiene grundlegend. Die Entdeckung der Keime und die Urbanisierung führten dazu, dass Sauberkeit nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern auch von Gesundheit und Modernität wurde. Körpergeruch, einst als normal akzeptiert und bestenfalls mit Parfüm überdeckt, wurde zunehmend zum Makel und Zeichen von Rückständigkeit oder gar krankhafter moralischer Entartung.

Die aufkommende Hygieneindustrie nutzte diese neuen Ängste geschickt aus: Deodorants und Seifen wurden als Mittel gegen soziale Ausgrenzung und als Voraussetzung für beruflichen und privaten Erfolg vermarktet. Werbung spielte von Anfang an gezielt mit Scham und Unsicherheit, um den Absatz zu steigern – ein Mechanismus, der bis heute funktioniert.

Von der bürgerlichen Selbstkontrolle zur neoliberalen Selbstoptimierung

Im 20. und 21. Jahrhundert verschärfte sich der Druck zur Selbstoptimierung weiter. Die neoliberale Konsumgesellschaft hat die Logik der Selbstverbesserung und -vermarktung auf die Spitze getrieben: Der Körper ist nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern ein Projekt. Ständig muss er verbessert, überwacht und präsentiert werden.

Die Ideale der Aufklärung – Selbstdisziplin, Kontrolle, Optimierung – werden heute von der Konsumindustrie in Produkte übersetzt, die versprechen, jede „Unvollkommenheit“ zu beseitigen. Ganzkörperdeodorants sind das neueste Beispiel: Sie machen aus jeder Hautfalte eine potenzielle Problemzone und suggerieren, dass nur lückenlose Frische soziale Akzeptanz garantiert.

Mythen und Macht im Alltag

Im Alltag begegnen wir unzähligen Dingen, Bildern und Praktiken, die uns selbstverständlich erscheinen: der Werbung auf Plakaten, den Ritualen beim Frühstück, der Sprache in den Nachrichten. Doch wie entstehen diese Selbstverständlichkeiten? Wer entscheidet, was als „normal“ gilt – und warum?

Zwei der einflussreichsten Denker der Kultur- und Sozialwissenschaften, Roland Barthes und Michel Foucault, haben sich intensiv mit genau diesen Fragen beschäftigt. Während Barthes in seinen berühmten „Mythen des Alltags“ zeigt, wie Alltagsphänomene zu Trägern von Ideologie werden, untersucht Foucault mit seinem Konzept des Dispositivs, wie Macht und Wissen unser Denken und Handeln strukturieren. Beide Ansätze eröffnen einen kritischen Blick auf das, was wir für natürlich oder selbstverständlich halten – und machen sichtbar, wie gesellschaftliche Ordnung, Macht und Bedeutung im Alltäglichen verankert sind.

Das Foucaultsche Dispositiv: Körper als Objekt der Kontrolle

Michel Foucault versteht unter dem Begriff Dispositiv (französisch: dispositif, im Englischen oft als „apparatus“ übersetzt) ein Geflecht aus institutionellen, physischen und administrativen Mechanismen sowie Wissensstrukturen, die dazu dienen, Macht innerhalb einer Gesellschaft auszuüben, zu steuern und aufrechtzuerhalten. Ein Dispositiv umfasst dabei nicht nur Gesetze oder Institutionen, sondern auch ein Netzwerk aus verschiedenartigen Elementen – Dinge, Aussagen, Institutionen, Gesetze, wissenschaftliche Aussagen, moralische Vorschriften, Verhaltensweisen usw. – die miteinander verbunden sind und gemeinsam die Bedingungen für die Ausübung von Macht schaffen. Foucault betont, dass das Dispositiv dynamisch ist: Die Beziehungen zwischen den Elementen sind nicht starr, sondern verändern sich im historischen Verlauf. So kann verstanden werden, wie Macht, Wissen und Selbst in der Gesellschaft miteinander verwoben sind.

Die moderne Körperpflege – von der mehrmals täglichen Dusche bis zum Ganzkörperdeodorant – ist Teil eines solchen Dispositivs, das nicht nur von außen diszipliniert, sondern auch zur Selbstüberwachung und -regulierung anleitet.

Die Macht wirkt nicht mehr nur durch Verbote, sondern durch die ständige Aufforderung zur Selbstoptimierung. Angst, nicht zu genügen, wird zum Motor des Konsums. Kontrolle über den eigenen Körper wird zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit – und zur Ware, die immer wieder neu gekauft werden muss.

Barthes’ „Mythen des Alltags“: Wie Alltägliches zur Ideologie wird

Roland Barthes’ „Mythen des Alltags“ (Mythologies, 1957) ist ein Schlüsselwerk der Kulturkritik und Semiotik. Barthes zeigt darin, wie scheinbar banale Alltagsobjekte, Praktiken und Medienbotschaften zu Trägern von Ideologie werden. Sein Ansatz beruht auf der Unterscheidung zweier Bedeutungsebenen:

  • Denotation: die unmittelbare, wörtliche Bedeutung eines Zeichens (z. B. ein Deodorant als Produkt zur Geruchskontrolle).

  • Konnotation/Mythos: die zweite, kulturell und ideologisch aufgeladene Bedeutung, die dem Zeichen übergestülpt wird (z. B. Deodorant als Symbol für soziale Akzeptanz, Reinheit, Modernität oder Selbstkontrolle).

Barthes versteht Mythos als eine „zweite Ordnung der Bedeutungsgebung“: Alltägliche Dinge werden mit gesellschaftlichen Werten und Normen aufgeladen, sodass diese als „natürlich“ erscheinen. Gerade Werbung und Konsumprodukte sind für Barthes Paradebeispiele dafür, wie Ideologie in den Alltag einsickert und sich als gesunder Menschenverstand tarnt.

Schon die früheste Seifen- und Waschmittelwerbung bezog sich auf einen mythischen Dreiklang aus Reinheit, Wissenschaft und Tugendhaftigkeit. In all diesen Fällen wird das Künstliche, Kulturelle als wahre Natur ausgegeben – und damit werden gesellschaftliche Machtverhältnisse stabilisiert.

Die Pathologisierung des Natürlichen als Mythos

Und gerade im Bereich Körperpflege und Hygiene zeigt sich Barthes’ Ansatz besonders deutlich: Werbung für Deodorants, Seifen oder Intimpflegeprodukte konstruiert die unausgesprochene Behauptung, dass natürliche Körperfunktionen wie Schwitzen, Geruch oder Ausscheidungen nicht nur unästhetisch, sondern sozial gefährlich und moralisch fragwürdig seien. Die Lösung wird gleich mitgeliefert: das Produkt, das „Frische“, „Reinheit“ und „Selbstsicherheit“ verspricht.

Barthes würde argumentieren: Hier wird ein gesellschaftlich konstruiertes Problem (Körpergeruch als Makel) als naturgegeben dargestellt, um Konsum zu stimulieren und bestehende Normen zu festigen. Die Werbung naturalisiert die Angst vor dem eigenen Körper und macht sie zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit.

Der Genitalfurcht-Markt

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper – und insbesondere der Intimbereich – zur permanenten Problemzone erklärt. Werbung, Influencer und medizinisch anmutende Sprache pathologisieren natürliche Gerüche und Sekrete. Die Botschaft: Wer nicht „überall fresh“ ist, riskiert soziale Ausgrenzung, Scham und Liebesverlust.

Barthes würde in der Werbesprache und den Bildern die Mythen identifizieren:

  • „Frische“ wird zum universellen Wert,

  • „Geruchsfreiheit“ zur Voraussetzung für Akzeptanz,

  • „Ganzkörperpflege“ zur Pflicht moderner Subjekte.

Foucault würde zeigen, wie diese Mythen in ein Dispositiv eingebettet sind:

  • Medizinische Experten, Influencer, Social Media und Produktinnovationen wirken zusammen, um neue Normen zu etablieren und zu überwachen.

  • Die Konsumenten werden zu Subjekten, die sich selbst überwachen, disziplinieren und optimieren – nicht aus Zwang, sondern aus internalisierter Angst, nicht zu genügen.

Die Pathologisierung als Machtstrategie

Die Pathologisierung natürlicher Körperfunktionen ist dabei keine zufällige Nebenwirkung, sondern ein gezielter Mechanismus der Disziplinierung und Monetarisierung:

  • Was früher als normal galt, wird zum „Problem“ erklärt, das einer Lösung bedarf – und diese Lösung ist immer käuflich.

  • Die Unsicherheit wird nicht beseitigt, sondern perpetuiert: Mit jedem neuen Produkt entsteht ein neues Defizit, das es zu beheben gilt.

Barthes und Foucault gemeinsam machen sichtbar, wie der Markt für Ganzkörperdeodorants nicht nur Produkte verkauft, sondern Subjektivitäten, Normen und Machtverhältnisse produziert und stabilisiert.

Die unsichtbare Macht der Mythen im Alltag

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper nicht nur gereinigt, sondern zum permanenten Projekt der Selbstoptimierung und -überwachung. Die Angst vor dem eigenen Geruch ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftlich produzierter Mythos – und ein lukrativer Markt. Wir akzeptieren diese Mythen als selbstverständlich und werden so zu willigen Subjekten der Konsumgesellschaft.

Barthes’ Mythenanalyse und Foucaults Dispositivtheorie machen gemeinsam sichtbar, wie im spätkapitalistischen Genitalfurcht-Markt natürliche Körperfunktionen pathologisiert, Unsicherheiten erzeugt und neue Konsumzwänge geschaffen werden – alles unter dem Deckmantel von Selbstpflege, Hygiene und sozialer Akzeptanz.

Influencer und Social Media: Die neuen Instanzen der Scham

Während früher Eltern, Schule oder Kirche die Instanzen der Disziplinierung waren, übernehmen heute Influencer und soziale Medien diese Rolle. Sie setzen neue, oft unerreichbare Standards für Körper, Hygiene und Selbstpräsentation. Die ständige Sichtbarkeit und Vergleichbarkeit im Netz verstärken das Gefühl, nie „genug“ zu sein – und treiben den Konsum immer neuer Produkte an.

Die Logik ist perfide: Wer nicht mithält, riskiert soziale Ausgrenzung. Wer mithält, bleibt trotzdem immer im Defizit – denn das Ideal verschiebt sich ständig weiter.

Die unsichtbare Disziplin: Wie Marketing Unsicherheit erzeugt und ausbeutet

Die Industrie hat längst erkannt, dass Unsicherheit ein lukrativer Markt ist. Marketingstrategien schaffen gezielt neue „Probleme“ – von Achseln über Füße bis zur Pofalte – und bieten die passende Lösung gleich mit an. Die Folge: Ein nie endender Kreislauf aus Scham, Selbstoptimierung und Konsum, der nicht nur das Portemonnaie, sondern auch das Selbstwertgefühl belastet.

Der leise Widerstand: Die Rückeroberung des Körpers

Doch es gibt Gegenbewegungen: Body Positivity, Minimalismus, „No-Poo“-Bewegungen und kritische Medienkompetenz fordern dazu auf, den eigenen Körper wieder als etwas Natürliches und Wertvolles zu begreifen – jenseits von Perfektion und Konsum. Das Annehmen der eigenen Körperfunktionen, das Zulassen von Makeln und das kritische Hinterfragen von Marketingbotschaften sind heute vielleicht die radikalsten Akte der Selbstbestimmung.

Gestank als Widerstand? Die Grenzen des Protests im Zeitalter von Konsum und Symbolik

Die Vorstellung, dass Körpergeruch oder „Gestank“ heute als Form des Widerstands gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum taugt, ist letztlich eine Illusion. In einer Gesellschaft, in der selbst Abweichung und Nonkonformität sofort als Stil, Subkultur oder Marketingnische vereinnahmt werden, verliert der „Gestank“ seine subversive Kraft. Er wird nicht als Protest verstanden, sondern als soziales Scheitern, als Zeichen mangelnder Distinktion und kulturellen Kapitals – ganz im Sinne von Pierre Bourdieu, der gezeigt hat, wie feine Unterschiede im Habitus soziale Zugehörigkeit und Ausschluss markieren.

Es ist gerade die Fähigkeit, sich die „richtigen“ Formen von Körperpflege, Duft und Auftreten anzueignen, die soziale Grenzen zieht und Distinktion ermöglicht. Wer sich diesen Codes entzieht, riskiert nicht Widerstand, sondern Ausschluss und Stigmatisierung. Gestank wird so nicht zum Symbol des Widerstands, sondern zum Marker sozialer Marginalisierung.

Im Zeitalter der Konsumgesellschaft und der Hyperrealität läuft selbst der Versuch, durch „Natürlichkeit“ oder „Ungepflegtheit“ zu protestieren, ins Leere. Denn alles – auch das scheinbar Widerständige – wird zum Zeichen, das in den Kreislauf der Bedeutungen und der Konsumlogik eingespeist wird. Der Körpergeruch als „authentisches“ Signal verliert seine Bedeutung, weil Authentizität selbst zur Ware und zum Image geworden ist.

Fazit: Menschsein ist kein Makel

Die Geschichte der Körperpflege ist eine Geschichte der Disziplinierung – von der bürgerlichen Tugend über die medizinische Pathologisierung bis zur neoliberalen Selbstoptimierung.

Ganzkörperdeodorants sind kein Zeichen von Fortschritt, sondern ein Symptom einer Gesellschaft, die das Natürliche zum Problem erklärt, um daran zu verdienen.

Vielleicht ist der menschliche Geruch kein Makel, sondern ein Recht. Ein Zeichen von Lebendigkeit und Individualität. Die Fantasie der „permanenten Frische“ erzeugt nur neue Ängste und Abhängigkeiten. Sich selbst zu akzeptieren – mit allem, was dazugehört – ist die eigentliche Freiheit. Und vielleicht die gesündeste Form der Selbstpflege, die es gibt.

Wahrer Widerstand gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum besteht also nicht darin, sich bewusst dem gesellschaftlichen Konsens über Hygiene zu entziehen. Vielmehr liegt er in der kritischen Reflexion und bewussten Aneignung der eigenen Körperlichkeit – jenseits von Konformitätsdruck und Konsumzwang.

Die Herausforderung ist, sich nicht über äußere Zeichen, sondern über die bewusste Distanz zu den Spielregeln der Konsumgesellschaft zu definieren. In einer Welt, in der alles zum Zeichen wird, ist vielleicht gerade die Unsichtbarkeit, das Nichtmitspielen, die subtilste Form des Protests.


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Einleitung

Deodorant war früher ganz einfach. Einmal unter die Achseln rollen oder sprühen. Fertig. Aber jetzt werden Ihre Leistengegend, Ihre Füße und Hautfalten, sogar die Pofalte, zu „Problemzonen“ erklärt. Willkommen im Zeitalter des Ganzkörperdeodorants: dem neuen Extrem der Körperpflege, in der der Körper nicht mehr nur gewaschen und angezogen wird – er wird gestaltet, reguliert und stillschweigend monetarisiert.

Hier geht es aber nicht mehr bloß um Sauberkeit. Es geht um Kontrolle. Um die langsame, unsichtbare Verwandlung des Selbst in etwas, das ständig gepflegt – und, was noch wichtiger ist – gekauft werden muss.

Was wie eine harmlose Marktentwicklung aussieht, ist in Wirklichkeit eine neue Art der sanften Disziplinierung. Eine Form der psychischen Kontrolle. Whole-Body-Deodorants zielen nicht auf die Bakterien unter Ihren Armen – sondern auf Ihre Angst davor, wie andere Sie sehen könnten, und die Kluft zwischen dieser Fremdsicht und Ihrem Selbstempfinden. Diese Produkte beseitigen kein Unbehagen, sondern verstärken es, geben ihm einen Namen und versprechen Ihnen die Rettung in einer Markenflasche – alles auf einmal.

Wenn es etwas gibt, das Ganzkörperdeodorants effektiver verkauft als Geruchskontrolle, dann ist es die Fantasie einer lückenlosen Akzeptanz – als jemand zu gelten, dessen Körper niemals „körpert“, niemals peinlich ist, niemals Gerüche abgibt, niemals dem geschaffenen sozialen Image widerspricht.

Das Ergebnis ist ein ideologischer Wandel, der sich als Selbstpflege tarnt: die Pathologisierung der Grundfunktionen des menschlichen Körpers im Dienste neuer Märkte und einer totalen Konformität. Und die Kosten sind nicht nur finanzieller Natur – sie sind existenziell.

Worum es im Post geht:

·         warum „Frische überall“ keine Lösung, sondern ein Symptom der spätkapitalistischen Selbstoptimierung ist,

·         wie Marketing die Körperlichkeit in soziale Belastung verwandelt,

·         was Körpergeruch eigentlich bedeutet – und warum er wie ein Makel behandelt wird,

·         wie Influencer soziale Normen und Eltern als innere Trigger der Scham ersetzt haben, und

·         warum das Annehmen der Körperfunktionen die leiseste – und radikalste – Form des Widerstands sein könnte.

Von der Aufklärung zu bürgerlichen Tugenden: Die Geburt der Selbstdisziplin

Die Geschichte der zwanghaften Selbstperfektion beginnt nicht erst mit Instagram oder Influencer-Marketing, sondern wurzelt tief in der europäischen Aufklärung. Mit dem Ende des Geburtsprivilegs und dem Aufstieg des Bürgertums wurde die Legitimation sozialer Stellung nicht mehr durch Herkunft, sondern durch individuelle Leistung und Tugend begründet. Philosophen wie Voltaire, Montesquieu und Adam Smith propagierten Werte wie Fleiß, Selbstdisziplin, Ordnung und Sauberkeit als neue bürgerliche Tugenden.

Diese Tugenden waren nicht nur ökonomisch, sondern auch moralisch aufgeladen: Reinlichkeit und Selbstbeherrschung galten als respektabel und tugendhaft. Und Körperpflege wurde zum sichtbaren Zeichen dieser Selbstbeherrschung und sozialer Zugehörigkeit. Die Kontrolle über den eigenen Körper – und damit auch über Gerüche – wurde zum Symbol für die Fähigkeit, sich selbst zu regieren und in der neuen Gesellschaft zu bestehen.

Die Pathologisierung des Natürlichen: Hygiene als soziale Disziplinierung

Mit dem 19. Jahrhundert und der Verbreitung der Wissenschaften wandelte sich das Verständnis von Hygiene grundlegend. Die Entdeckung der Keime und die Urbanisierung führten dazu, dass Sauberkeit nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern auch von Gesundheit und Modernität wurde. Körpergeruch, einst als normal akzeptiert und bestenfalls mit Parfüm überdeckt, wurde zunehmend zum Makel und Zeichen von Rückständigkeit oder gar krankhafter moralischer Entartung.

Die aufkommende Hygieneindustrie nutzte diese neuen Ängste geschickt aus: Deodorants und Seifen wurden als Mittel gegen soziale Ausgrenzung und als Voraussetzung für beruflichen und privaten Erfolg vermarktet. Werbung spielte von Anfang an gezielt mit Scham und Unsicherheit, um den Absatz zu steigern – ein Mechanismus, der bis heute funktioniert.

Von der bürgerlichen Selbstkontrolle zur neoliberalen Selbstoptimierung

Im 20. und 21. Jahrhundert verschärfte sich der Druck zur Selbstoptimierung weiter. Die neoliberale Konsumgesellschaft hat die Logik der Selbstverbesserung und -vermarktung auf die Spitze getrieben: Der Körper ist nicht mehr nur ein Zeichen von Tugend, sondern ein Projekt. Ständig muss er verbessert, überwacht und präsentiert werden.

Die Ideale der Aufklärung – Selbstdisziplin, Kontrolle, Optimierung – werden heute von der Konsumindustrie in Produkte übersetzt, die versprechen, jede „Unvollkommenheit“ zu beseitigen. Ganzkörperdeodorants sind das neueste Beispiel: Sie machen aus jeder Hautfalte eine potenzielle Problemzone und suggerieren, dass nur lückenlose Frische soziale Akzeptanz garantiert.

Mythen und Macht im Alltag

Im Alltag begegnen wir unzähligen Dingen, Bildern und Praktiken, die uns selbstverständlich erscheinen: der Werbung auf Plakaten, den Ritualen beim Frühstück, der Sprache in den Nachrichten. Doch wie entstehen diese Selbstverständlichkeiten? Wer entscheidet, was als „normal“ gilt – und warum?

Zwei der einflussreichsten Denker der Kultur- und Sozialwissenschaften, Roland Barthes und Michel Foucault, haben sich intensiv mit genau diesen Fragen beschäftigt. Während Barthes in seinen berühmten „Mythen des Alltags“ zeigt, wie Alltagsphänomene zu Trägern von Ideologie werden, untersucht Foucault mit seinem Konzept des Dispositivs, wie Macht und Wissen unser Denken und Handeln strukturieren. Beide Ansätze eröffnen einen kritischen Blick auf das, was wir für natürlich oder selbstverständlich halten – und machen sichtbar, wie gesellschaftliche Ordnung, Macht und Bedeutung im Alltäglichen verankert sind.

Das Foucaultsche Dispositiv: Körper als Objekt der Kontrolle

Michel Foucault versteht unter dem Begriff Dispositiv (französisch: dispositif, im Englischen oft als „apparatus“ übersetzt) ein Geflecht aus institutionellen, physischen und administrativen Mechanismen sowie Wissensstrukturen, die dazu dienen, Macht innerhalb einer Gesellschaft auszuüben, zu steuern und aufrechtzuerhalten. Ein Dispositiv umfasst dabei nicht nur Gesetze oder Institutionen, sondern auch ein Netzwerk aus verschiedenartigen Elementen – Dinge, Aussagen, Institutionen, Gesetze, wissenschaftliche Aussagen, moralische Vorschriften, Verhaltensweisen usw. – die miteinander verbunden sind und gemeinsam die Bedingungen für die Ausübung von Macht schaffen. Foucault betont, dass das Dispositiv dynamisch ist: Die Beziehungen zwischen den Elementen sind nicht starr, sondern verändern sich im historischen Verlauf. So kann verstanden werden, wie Macht, Wissen und Selbst in der Gesellschaft miteinander verwoben sind.

Die moderne Körperpflege – von der mehrmals täglichen Dusche bis zum Ganzkörperdeodorant – ist Teil eines solchen Dispositivs, das nicht nur von außen diszipliniert, sondern auch zur Selbstüberwachung und -regulierung anleitet.

Die Macht wirkt nicht mehr nur durch Verbote, sondern durch die ständige Aufforderung zur Selbstoptimierung. Angst, nicht zu genügen, wird zum Motor des Konsums. Kontrolle über den eigenen Körper wird zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit – und zur Ware, die immer wieder neu gekauft werden muss.

Barthes’ „Mythen des Alltags“: Wie Alltägliches zur Ideologie wird

Roland Barthes’ „Mythen des Alltags“ (Mythologies, 1957) ist ein Schlüsselwerk der Kulturkritik und Semiotik. Barthes zeigt darin, wie scheinbar banale Alltagsobjekte, Praktiken und Medienbotschaften zu Trägern von Ideologie werden. Sein Ansatz beruht auf der Unterscheidung zweier Bedeutungsebenen:

  • Denotation: die unmittelbare, wörtliche Bedeutung eines Zeichens (z. B. ein Deodorant als Produkt zur Geruchskontrolle).

  • Konnotation/Mythos: die zweite, kulturell und ideologisch aufgeladene Bedeutung, die dem Zeichen übergestülpt wird (z. B. Deodorant als Symbol für soziale Akzeptanz, Reinheit, Modernität oder Selbstkontrolle).

Barthes versteht Mythos als eine „zweite Ordnung der Bedeutungsgebung“: Alltägliche Dinge werden mit gesellschaftlichen Werten und Normen aufgeladen, sodass diese als „natürlich“ erscheinen. Gerade Werbung und Konsumprodukte sind für Barthes Paradebeispiele dafür, wie Ideologie in den Alltag einsickert und sich als gesunder Menschenverstand tarnt.

Schon die früheste Seifen- und Waschmittelwerbung bezog sich auf einen mythischen Dreiklang aus Reinheit, Wissenschaft und Tugendhaftigkeit. In all diesen Fällen wird das Künstliche, Kulturelle als wahre Natur ausgegeben – und damit werden gesellschaftliche Machtverhältnisse stabilisiert.

Die Pathologisierung des Natürlichen als Mythos

Und gerade im Bereich Körperpflege und Hygiene zeigt sich Barthes’ Ansatz besonders deutlich: Werbung für Deodorants, Seifen oder Intimpflegeprodukte konstruiert die unausgesprochene Behauptung, dass natürliche Körperfunktionen wie Schwitzen, Geruch oder Ausscheidungen nicht nur unästhetisch, sondern sozial gefährlich und moralisch fragwürdig seien. Die Lösung wird gleich mitgeliefert: das Produkt, das „Frische“, „Reinheit“ und „Selbstsicherheit“ verspricht.

Barthes würde argumentieren: Hier wird ein gesellschaftlich konstruiertes Problem (Körpergeruch als Makel) als naturgegeben dargestellt, um Konsum zu stimulieren und bestehende Normen zu festigen. Die Werbung naturalisiert die Angst vor dem eigenen Körper und macht sie zur Voraussetzung für soziale Zugehörigkeit.

Der Genitalfurcht-Markt

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper – und insbesondere der Intimbereich – zur permanenten Problemzone erklärt. Werbung, Influencer und medizinisch anmutende Sprache pathologisieren natürliche Gerüche und Sekrete. Die Botschaft: Wer nicht „überall fresh“ ist, riskiert soziale Ausgrenzung, Scham und Liebesverlust.

Barthes würde in der Werbesprache und den Bildern die Mythen identifizieren:

  • „Frische“ wird zum universellen Wert,

  • „Geruchsfreiheit“ zur Voraussetzung für Akzeptanz,

  • „Ganzkörperpflege“ zur Pflicht moderner Subjekte.

Foucault würde zeigen, wie diese Mythen in ein Dispositiv eingebettet sind:

  • Medizinische Experten, Influencer, Social Media und Produktinnovationen wirken zusammen, um neue Normen zu etablieren und zu überwachen.

  • Die Konsumenten werden zu Subjekten, die sich selbst überwachen, disziplinieren und optimieren – nicht aus Zwang, sondern aus internalisierter Angst, nicht zu genügen.

Die Pathologisierung als Machtstrategie

Die Pathologisierung natürlicher Körperfunktionen ist dabei keine zufällige Nebenwirkung, sondern ein gezielter Mechanismus der Disziplinierung und Monetarisierung:

  • Was früher als normal galt, wird zum „Problem“ erklärt, das einer Lösung bedarf – und diese Lösung ist immer käuflich.

  • Die Unsicherheit wird nicht beseitigt, sondern perpetuiert: Mit jedem neuen Produkt entsteht ein neues Defizit, das es zu beheben gilt.

Barthes und Foucault gemeinsam machen sichtbar, wie der Markt für Ganzkörperdeodorants nicht nur Produkte verkauft, sondern Subjektivitäten, Normen und Machtverhältnisse produziert und stabilisiert.

Die unsichtbare Macht der Mythen im Alltag

Im Zeitalter der Ganzkörperdeodorants wird der Körper nicht nur gereinigt, sondern zum permanenten Projekt der Selbstoptimierung und -überwachung. Die Angst vor dem eigenen Geruch ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftlich produzierter Mythos – und ein lukrativer Markt. Wir akzeptieren diese Mythen als selbstverständlich und werden so zu willigen Subjekten der Konsumgesellschaft.

Barthes’ Mythenanalyse und Foucaults Dispositivtheorie machen gemeinsam sichtbar, wie im spätkapitalistischen Genitalfurcht-Markt natürliche Körperfunktionen pathologisiert, Unsicherheiten erzeugt und neue Konsumzwänge geschaffen werden – alles unter dem Deckmantel von Selbstpflege, Hygiene und sozialer Akzeptanz.

Influencer und Social Media: Die neuen Instanzen der Scham

Während früher Eltern, Schule oder Kirche die Instanzen der Disziplinierung waren, übernehmen heute Influencer und soziale Medien diese Rolle. Sie setzen neue, oft unerreichbare Standards für Körper, Hygiene und Selbstpräsentation. Die ständige Sichtbarkeit und Vergleichbarkeit im Netz verstärken das Gefühl, nie „genug“ zu sein – und treiben den Konsum immer neuer Produkte an.

Die Logik ist perfide: Wer nicht mithält, riskiert soziale Ausgrenzung. Wer mithält, bleibt trotzdem immer im Defizit – denn das Ideal verschiebt sich ständig weiter.

Die unsichtbare Disziplin: Wie Marketing Unsicherheit erzeugt und ausbeutet

Die Industrie hat längst erkannt, dass Unsicherheit ein lukrativer Markt ist. Marketingstrategien schaffen gezielt neue „Probleme“ – von Achseln über Füße bis zur Pofalte – und bieten die passende Lösung gleich mit an. Die Folge: Ein nie endender Kreislauf aus Scham, Selbstoptimierung und Konsum, der nicht nur das Portemonnaie, sondern auch das Selbstwertgefühl belastet.

Der leise Widerstand: Die Rückeroberung des Körpers

Doch es gibt Gegenbewegungen: Body Positivity, Minimalismus, „No-Poo“-Bewegungen und kritische Medienkompetenz fordern dazu auf, den eigenen Körper wieder als etwas Natürliches und Wertvolles zu begreifen – jenseits von Perfektion und Konsum. Das Annehmen der eigenen Körperfunktionen, das Zulassen von Makeln und das kritische Hinterfragen von Marketingbotschaften sind heute vielleicht die radikalsten Akte der Selbstbestimmung.

Gestank als Widerstand? Die Grenzen des Protests im Zeitalter von Konsum und Symbolik

Die Vorstellung, dass Körpergeruch oder „Gestank“ heute als Form des Widerstands gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum taugt, ist letztlich eine Illusion. In einer Gesellschaft, in der selbst Abweichung und Nonkonformität sofort als Stil, Subkultur oder Marketingnische vereinnahmt werden, verliert der „Gestank“ seine subversive Kraft. Er wird nicht als Protest verstanden, sondern als soziales Scheitern, als Zeichen mangelnder Distinktion und kulturellen Kapitals – ganz im Sinne von Pierre Bourdieu, der gezeigt hat, wie feine Unterschiede im Habitus soziale Zugehörigkeit und Ausschluss markieren.

Es ist gerade die Fähigkeit, sich die „richtigen“ Formen von Körperpflege, Duft und Auftreten anzueignen, die soziale Grenzen zieht und Distinktion ermöglicht. Wer sich diesen Codes entzieht, riskiert nicht Widerstand, sondern Ausschluss und Stigmatisierung. Gestank wird so nicht zum Symbol des Widerstands, sondern zum Marker sozialer Marginalisierung.

Im Zeitalter der Konsumgesellschaft und der Hyperrealität läuft selbst der Versuch, durch „Natürlichkeit“ oder „Ungepflegtheit“ zu protestieren, ins Leere. Denn alles – auch das scheinbar Widerständige – wird zum Zeichen, das in den Kreislauf der Bedeutungen und der Konsumlogik eingespeist wird. Der Körpergeruch als „authentisches“ Signal verliert seine Bedeutung, weil Authentizität selbst zur Ware und zum Image geworden ist.

Fazit: Menschsein ist kein Makel

Die Geschichte der Körperpflege ist eine Geschichte der Disziplinierung – von der bürgerlichen Tugend über die medizinische Pathologisierung bis zur neoliberalen Selbstoptimierung.

Ganzkörperdeodorants sind kein Zeichen von Fortschritt, sondern ein Symptom einer Gesellschaft, die das Natürliche zum Problem erklärt, um daran zu verdienen.

Vielleicht ist der menschliche Geruch kein Makel, sondern ein Recht. Ein Zeichen von Lebendigkeit und Individualität. Die Fantasie der „permanenten Frische“ erzeugt nur neue Ängste und Abhängigkeiten. Sich selbst zu akzeptieren – mit allem, was dazugehört – ist die eigentliche Freiheit. Und vielleicht die gesündeste Form der Selbstpflege, die es gibt.

Wahrer Widerstand gegen soziale Kontrolle und Hyperkonsum besteht also nicht darin, sich bewusst dem gesellschaftlichen Konsens über Hygiene zu entziehen. Vielmehr liegt er in der kritischen Reflexion und bewussten Aneignung der eigenen Körperlichkeit – jenseits von Konformitätsdruck und Konsumzwang.

Die Herausforderung ist, sich nicht über äußere Zeichen, sondern über die bewusste Distanz zu den Spielregeln der Konsumgesellschaft zu definieren. In einer Welt, in der alles zum Zeichen wird, ist vielleicht gerade die Unsichtbarkeit, das Nichtmitspielen, die subtilste Form des Protests.


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