"Just Kill Them" und die Euthanasie: Begriff und Verbrechen - Geschichte und Gegenwart

"Just Kill Them" und die Euthanasie: Begriff und Verbrechen - Geschichte und Gegenwart

"Just Kill Them" und die Euthanasie

Veröffentlicht am:

17.09.2025

3 people on a coach, they are talk show hosts
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Neue Euthanasie-Rhetorik bei Fox – der nationalsozialistische Begriff Euthanasie im Kontext der deutschen Geschichte.

„Just kill them?“ – Warum diese Worte über Obdachlose an die NS-Euthanasie von 1939-1945 erinnern und was das für Psychiatrie, Medien und Politik bedeutet

Ja, Fox Moderator Brian Kilmeade hat das wirklich über psychisch kranke Obdachlose gesagt: „Unfreiwillige tödliche Injektion oder so etwas. Tötet sie einfach.“

Einleitung

Am Mittwoch, mitten in der medialen Aufregung um den tragischen Tod des konservativen Charlie Kirk, gab es eine Diskussion in der Sendung „Fox & Friends“, in der die Moderatoren über die Berichterstattung der Medien über die Ermordung des ukrainischen Flüchtlings Iryna Zarutska durch einen obdachlosen, psychisch kranken Mann sprachen, der bereits mehrfach verhaftet worden war.

In Gegenwart von Kilmeade und Ainsley Earhardt beklagte sich Co-Moderator Lawrence Jones: „Wir müssen das nicht – wir empfinden so viel Mitgefühl, weil wir die Krise im Bereich der psychischen Gesundheit sehen. Aber das ist nicht unsere Aufgabe – wir sollten nicht in Angst leben müssen, während sie herausfinden, was dort vor sich geht.“

Er fügte hinzu: „Sie haben Milliarden von Dollar für die psychische Gesundheit und die obdachlose Bevölkerung bereitgestellt. Viele von denen wollen die Programme nicht gar in Anspruch nehmen, viele von denen wollen die notwendige Hilfe nicht. Man kann ihnen keine Wahl lassen. Entweder man nimmt die Ressourcen, die wir denen zur Verfügung stellen, oder man entscheidet sich dafür, im Gefängnis zu landen. So muss das jetzt werden“, warf Kilmeade ein, „oder eine unfreiwillige tödliche Injektion.“ Jones stimmte zu, und Kilmeade ergänzte: „Oder so etwas in der Art. Tötet sie einfach.“ (https://www.youtube.com/shorts/9mq3oKI2KhY)

Achtzig Jahre nach dem erzwungenen Ende eines des nationalsozialistischen staatlichen Tötungsprogramms fallen also - konsequenzlos –  in einer öffentlich ausgestrahlten US-TV-Show in Bezug auf psychisch kranke Obdachlose die Worte; „involuntary lethal injection … just kill them“. Gemeint sind Menschen, denen eine Überflussgesellschaft wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht nur eine ausreichende Versorgung sondern auch eine menschenwürdige Unterkunft verweigert.

Dabei sollte so ein, hierzulande vollkommen unbeachteter, TV-Skandal, einen blanken Nerv treffen. Die nationalsozialistische Euthanasie stellt ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte dar. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms systematisch kranke und behinderte Menschen ermordet. Diese Tötung unschuldiger Menschen, die als "lebensunwert" galten, basierte auf einer ideologischen Grundlage der Eugenik und Rassenhygiene, die in der Zeit des Nationalsozialismus vorherrschte. Ziel war die "Reinhaltung" des "deutschen Volkskörpers" durch die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“.

Worum es geht:

·         die Geschichte der NS-Euthanasie (Aktion T4, 1939–1945): Ideologie, Bürokratie, Täterprofile, die „grauen Busse“ und die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim,

·         wie Medienrhetorik den Debattenraum verschiebt,

·         wie Stigma politische Entscheidungen prägt, und

·         welche Leben schützen.

Es geht um klare rote Linien, gelebte Erinnerungskultur und konkrete Lösungen mit Blick auf den Umgang der westlichen Gesellschaft mit chronisch psychisch kranken Menschen.

Euthanasie im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus

Der Begriff Euthanasie, der ursprünglich einen sanften, schmerzlosen Sterbeprozess bezeichnete, wurde von den Nationalsozialisten pervertiert und zur Rechtfertigung ihrer Verbrechen missbraucht. Die Aktion T4, benannt nach der Adresse Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die zentralen Planungen stattfanden, markiert den Beginn des systematischen Massenmords. Die Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich wurden zu Orten des Schreckens, in denen Ärzte und Pflegepersonal zu Tätern wurden.

Einführung in die Euthanasie-Ideologie

Die Euthanasie-Ideologie des Nationalsozialismus fußte auf der Vorstellung, dass Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eine Belastung für die Gesellschaft darstellen. Diese Ideologie wurde durch Propaganda verbreitet und diente dazu, die Bevölkerung für die Ermordung kranker und behinderter Menschen zu gewinnen. Die Nationalsozialisten konstruierten ein Bild von "minderwertigem" Leben, um ihre grausamen Taten zu rechtfertigen. Die Kranken wurden nicht als Menschen wahrgenommen, sondern als Gegenstand nationalsozialistischer „Rassenhygiene“.

Die Rolle des Staates in der Euthanasie-Praxis

Der Staat spielte die zentrale Rolle bei der NS-Euthanasie. Die Kanzlei des Führers war maßgeblich an der Planung und Genehmigung der Morde beteiligt. Die Anstalten wurden angewiesen, Patienten zu melden, die als "lebensunwert" galten. Gutachter entschieden dann über Leben und Tod. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer zu den Tötungsanstalten, wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg, wo sie vergast oder auf andere Weise ermordet wurden.

Gesetzgebung und Euthanasie während der NS-Zeit

Obwohl es kein formelles Gesetz zur Legalisierung der Euthanasie gab, schufen die Nationalsozialisten eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der die Tötung kranker und behinderter Menschen nicht geahndet wurde. Im August 1941 stoppte Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks. Die Ermordung von Kranken und Behinderten ging jedoch in den Heil- und Pflegeanstalten weiter. Bis 1945 wurden schätzungsweise 70.000 Menschen im Rahmen der Aktion T4 und der dezentralen Tötungen in den Anstalten ermordet.

Die Opfer der Euthanasie-Programme

Die 1939-1945 von den Nationalsozialisten durchgeführten Euthanasie-Programme forderten unzählige Opfer.

Grundlage war der „Würzburger Schlüssel”, ein Klassifikationssystem für psychiatrische Diagnosen, das im Rahmen der Aktion T4 zur bürokratischen und systematischen Erfassung und Selektion der Opfer diente. Bei der stichprobenartigen Aufarbeitung der Krankenakten der Aktion T4 fand sich folgende Zahlen:

Diagnose

 

Prozent

1 = Schwachsinn (angeboren und früh erworben)

Geistige Behinderung, meist von Geburt an oder frühkindlich erworben.

28,3

3 = Progressive Paralyse

Fortschreitender geistiger Abbau durch eine Infektion.

3,9

4 = Tabes, Lues, psychische Störungen

Psychische Folgen einer chronischen Syphilis-Infektion

1,1

5 = Encephalitis epidemica

Psychische Folgen einer Infektiösen Hirnhautentzündung

1,1

6 = Psychische Störung des höheren Lebensalters

Demenz oder andere schwere geistige Einschränkungen im Alter

2,2

13 = Epilepsie

Anfallsleiden, bei dem es zu Krampfanfällen kommt

12,2

14 = Schizophrener Formenkreis

Schizophrenie und ähnliche Psychsoen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen

50

15 = Manisch-depressiver Formenkreis

Bipolare Störung

0,5

16 = Psychopathische Persönlichkeiten

Menschen mit auffälligen, verantwortungslosen oder kriminellen Verhaltensweisen

0,5

 

Kranke und behinderte Menschen wurden systematisch erfasst, begutachtet und in Tötungsanstalten wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg deportiert. Dort wurden sie durch tödliche Injektionen oder Vergasung ermordet. Die „Aktion T4“ und die dezentralen Tötungen in den Heil- und Pflegeanstalten betrafen nicht nur Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, sondern auch psychisch kranke Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und solche, die als „arbeitsscheu“ oder „asozial“ galten. Die Nationalsozialisten definierten den Begriff Euthanasie pervers und missbrauchten ihn, um die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zu rechtfertigen. Die Biografien der einzelnen Opfer sind weitgehend unbekannt, doch die Gedenkstätten versuchen, ihre Geschichten zu rekonstruieren und ihnen ein Gesicht zu geben.

Gesellschaftliche Reaktionen auf die Euthanasie-Verbrechen

Die gesellschaftlichen Reaktionen auf die NS-Euthanasie waren vielfältig und ambivalent. Während die Nationalsozialisten versuchten, die Bevölkerung durch Propaganda von der Notwendigkeit der Euthanasie im Sinne der „Rassenhygiene“ zu überzeugen, gab es auch Widerstand und Ablehnung. Insbesondere Angehörige von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten protestierten gegen die Tötung ihrer Familienmitglieder. Auch Teile der Kirche äußerten Kritik an den Verbrechen. Allerdings war die Angst vor Repressionen groß, sodass offener Widerstand selten war. Nach August 1941, als Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks stoppte, gingen die Tötungen im Verborgenen weiter. Nach 1945 begann die Aufarbeitung der Verbrechen, doch die Erinnerung an die NS-Euthanasie ist bis heute ein schmerzhaftes Kapitel der deutschen Geschichte. Die Kanzlei des Führers war verantwortlich für die Tötung der kranken Menschen.

Langfristige Folgen für die Gesellschaft

Die NS-Euthanasie hatte langfristige Folgen für die Gesellschaft. Das Vertrauen in die Medizin und das Gesundheitswesen wurde nachhaltig erschüttert. Die Ermordung von 70.000 Menschen durch Ärzte und Pflegepersonal in Anstalten untergrub das ethische Fundament der ärztlichen Tätigkeit. Die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen verstärkte sich. Erst allmählich begann ein Umdenken, das zu einer inklusiveren Gesellschaft führte. Die Auseinandersetzung mit der NS-Euthanasie trug dazu bei, dass der Wert jedes einzelnen Lebens anerkannt wurde, unabhängig von dessen vermeintlicher „Nützlichkeit“ für die Gesellschaft. Die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie mahnt zur Wachsamkeit gegenüber jeder Form von Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Auseinandersetzung mit der Medizingeschichte hilft, ähnliche Verbrechen in der Zukunft zu verhindern. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer in Tötungsanstalten wie Hartheim.

Wichtige Gedenkstätten zur Euthanasie

Die Erinnerung an die 1939-1945 im Rahmen der NS-Euthanasie verübten Verbrechen ist von zentraler Bedeutung, um die Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Gedenkstätten wurden errichtet, um an die Opfer der Euthanasie zu erinnern und die historischen Ereignisse aufzuarbeiten. Zu den wichtigsten Gedenkstätten zählen die ehemaligen Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg und Hartheim. Diese Anstalten dienten der Ermordung kranker und behinderter Menschen während der Aktion T4. Auch in anderen Heil- und Pflegeanstalten, in denen dezentrale Tötungen stattfanden, gibt es heute Gedenkstätten, die an das Leid der Patienten erinnern.

Erinnerungskultur und Aufarbeitung der Verbrechen

Die Erinnerungskultur spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Euthanasie. Durch Ausstellungen, Dokumentationen und Bildungsprogramme wird die Geschichte der Euthanasie im Sinne der Nationalsozialisten lebendig gehalten und einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Zeitzeugenberichte, wo vorhanden, spielen eine wichtige Rolle, um das persönliche Leid der Opfer zu verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit der Ideologie und den Motiven der Täter ist unerlässlich, um zu verstehen, wie es zu diesen Verbrechen kommen konnte. Dabei wird der Begriff Euthanasie kritisch hinterfragt und die Perversion des Begriffs durch die Nationalsozialisten thematisiert. Diese Aufarbeitung leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Medizingeschichte.

Bildungsinitiativen zur Euthanasie-Geschichte

Um sicherzustellen, dass die Geschichte der NS-Euthanasie nicht in Vergessenheit gerät, sind Bildungsinitiativen von großer Bedeutung. Diese Initiativen richten sich an Schüler, Studenten und die breite Öffentlichkeit und vermitteln Wissen über die historischen Ereignisse, die ideologischen Hintergründe und die Folgen der Euthanasie. Durch Exkursionen zu den Gedenkstätten, Workshops und Seminare werden die Teilnehmer für die Thematik sensibilisiert und zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit angeregt. Die Gedenkstätten und Bildungsträger arbeiten zusammen, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie wachzuhalten und ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen.

Was geschah in der Fox-Talkshow – und warum ist das brandgefährlich?

Ausgangspunkt ist der oben beschriebene kurze Fernsehausschnitt: „involuntary lethal injection … just kill them“ – ausgesagt über Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung, die, unversorgt, gezwungen sind, in Obdachlosigkeit zu leben. Millionen US-Amerikaner hörten mit. Der Satz stand nicht im Kommentarbereich eines anonymen Accounts, sondern in einer großen überregionalen Morning-Show.

Sprache rahmt Denken. Wer „einfach töten“ in den Raum stellt, verlagert die Debatte weg von Versorgung, Würde und Recht – hin zur Entsorgung. Genau hier entsteht eine brandgefährliche Normalisierung. Einmal ausgesprochen, wirkt die Formel bei jeder Wiederholung weniger fremd.

Die Debatte berührt reale Ängste: sichtbare Armut, Überforderung der Dienste, Einzelfälle mit Gewalt. Gerade dann braucht es Haltung. Sonst rutscht die Öffentlichkeit in den schnellen Reflex: Härte statt Hilfe, Wegsperren statt Versorgung, Schweigen statt Standards.

Psychische Erkrankungen und Obdachlosigkeit in Zahlen

Die folgenden Zahlen zur Häufigkeit psychischer Erkrankungen finden sich in der obdachlosen Bevölkerung in den USA und Deutschland:

Diagnose (moderne Entsprechung)

Deutschland (%)

USA (%)

Intellektuelle Beeinträchtigung (Schwachsinn)

1–5

1–5

Neurokognitive Störung durch Syphilis (Progressive Paralyse, Tabes, Lues)

<1

<1

Neurokognitive Störung durch andere Ursachen (Enzephalitis, Alter)

2–5

2–5

Epilepsie

1–3

1–3

Schizophrenie-Spektrum-Störungen

10–30

7–12,4

Bipolare Störung (manisch-depressiver Formenkreis)

7–10

7,3–8

Dissoziale/antisoziale Persönlichkeitsstörung

10–25

23–26


  • Die Prozentwerte sind gerundet und als Schätzbereiche angegeben, da die Datenlage je nach Studie variiert.

  • Kategorien wie „Psychische Störung des höheren Lebensalters“ sind heute meist unter Demenz/Alterspsychiatrie subsumiert.

  • Die Kategorie „Psychopathische Persönlichkeiten“ entspricht heute der dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung.

Vergleichen Sie gern selbst die historische Tabelle mit aktuellen Daten!

  • Unter den Opfern der NS-Zeit dominierten schwere Störungen (Schizophrenie, Schwachsinn) die Statistiken, die in Einrichtungen betreut werden mussten.

  • Heute stehen affektive und Angststörungen im Vordergrund, schwere Formen der Schizophrenie sind seltener, aber weiterhin relevant.

  • Auffällig ist der Rückgang chronischer neurologischer und psychischer Folgen bakterieller und viraler Infektionen durch Impfungen und Antibiotika.

  • Alle Unterschiede sind Folge von Fortschritten in Diagnostik, gesellschaftlichem Wandel und veränderten Versorgungsstrukturen.

Dabei ist in Deutschland die Häufigkeit psychischer Erkrankungen allgemein bei Obdachlosen etwa drei- bis viermal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Besonders substanzbezogene Störungen (v.a. Alkoholabhängigkeit) und psychotische Störungen (z.B. Schizophrenie) sind bei Obdachlosen um ein Vielfaches häufiger: Schizophrenie etwa 10- bis 30-mal häufiger, Suchterkrankungen etwa 20-mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung.

Ursachen in der westlichen Welt sind:

  • die Wechselwirkung von Armut, sozialer Ausgrenzung und psychischer Erkrankung,

  • das erhöhte Risiko für Obdachlosigkeit bei schweren psychischen Erkrankungen,

  • der mangelnde Zugang zu Behandlung und Prävention und

  • das häufige gemeinsame Auftreten der andern psychischen mit Suchterkrankungen.

Das unterstreicht den dringenden Bedarf an niedrigschwelligen, integrierten Hilfsangeboten und gezielter Prävention für diese besonders verletzlichen Menschen. Das Leid der Betroffenen ist nicht von ihnen selbst, sondern von der Gesellschaft verursacht, deren konservative Politiker traditionell dm Sozialdarwinismus huldigen, und deren TV-Moderatoren scheinbar wieder  ungestraft zur Euthanasie-Rhetorik übergehen.

Erhöht psychische Krankheit tatsächlich die Gewaltbereitschaft Betroffener? Was sagen Forschung und Praxis?

Das Klischee „psychisch krank = gefährlich“ dominiert ordnungsstaatliche Diskurse. Daten zeichnen ein anderes Muster. Armut, Substanzgebrauch, Ausschluss und fehlende Behandlungskontinuität erhöhen Risiken. Die breite Mehrheit lebt friedlich, erleidet selbst Gewalt, vermeidet Konflikte.

Die Politik schafft das Elend, auf dem Versorgunglücken und sozialer Abstieg gedeihen, statt klarer Prioritäten: Behandlung, Wohnstabilität, sozialräumliche Einbindung. Diese Faktoren senken Krisenhäufigkeit, entlasten Notaufnahmen, reduzieren Polizeikontakte. Sicherheit entsteht aus Versorgung – rechtsstaatlich, wirksam, menschlich.

Das Narrativ dreht sich damit um: Nicht die Person ist das „Problem“, sondern ein Versorgungssystem mit Lücken. Wer Lücken schließt, schützt Nachbarschaften und Biografien.

Dabei gibt es in den USA wirksame Lösungen zum Schutz von Leben und Öffentlichkeit: Housing First, ACT, FACT.

Housing First setzt Wohnen an den Anfang. Eigene Wohnung, Miete, Schlüssel – ohne Vorbedingungen. Unterstützende Dienste folgen: ambulante Psychiatrie, Sozialarbeit, Peer-Support. Stabilität löst Druck aus dem Kessel. Krisen nehmen ab, Struktur entsteht, Zuversicht wächst.

ACT (Assertive Community Treatment) arbeitet in multiprofessionell, aktiv, mit 24/7-Rufbereitschaft. Das Team bleibt dran, koordiniert Übergänge, verhindert Drehtürverläufe zwischen Straße, Station und Haft.

FACT (Forensic ACT) verbindet dieses Modell mit justiznaher Kooperation – Ziel: Rückfallprävention, Behandlungstreue, Teilhabe.

Solche Ansätze liefern messbare Ergebnisse: mehr Wohnstabilität, weniger Zwang, geringere Gesamtkosten. Sie respektieren Rechte und erhöhen Sicherheit – nicht gegeneinander, sondern zusammen.

Was bedeutet Euthanasie-Rhetorik heute?

Euthanasie-Rhetorik bezeichnet Sprache, die eine Gruppe als „entbehrlich“ markiert und staatliche Tötung als „Lösung“ andeutet – direkt oder mit Anspielungen. Sie raubt Menschen ihre Würde, bevor Gesetze, Budgets oder Maßnahmen folgen.

Derartige Rhetorik greift im Neoliberalismus die historisch bekannten Perspektiven auf. Ihre Narrative jonglieren mit Etikettierungen wie „Ballast“, „Belastung“, „Kostenfaktor“. Sie stellen gar nicht die Frage nach Behandlung, Wohnen oder Teilhabe, sondern nach Überwachung, Inhaftierung und Beseitigung. Aus Worten entstehen – heute wie damals– Bilder, aus Bildern Haltungen, und Haltungen rechtfertigen Politik.

Menschen mit psychischen Störungen erleben Brüche, Wohnungsverlust, Ausgrenzung. Würde entstünde durch Behandlung, Beziehung und Stabilität, statt diskriminierender Drohungen.

Was lehrt die Aktion T4 (1939–1945) in Bezug auf den TV-Auftritt?

Schätzungen nennen rund 70.000 Ermordete im Rahmen der zentralen T4-Phase; danach liefen dezentrale Tötungen bis Kriegsende weiter.

Täter trugen Kittel und Uniform. Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Fahrer – ein arbeitsteiliges System, das Morden in scheinbar normale Arbeitsabläufe kleidete. Die „grauen Busse“ holten Menschen ab; die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim setzten das Verbrechen um. Der Mord erhielt euphemistische Namen, Formulare, Stempel.

Die T4-Verbrechen entstanden aber nicht spontan. Eugenik und „Rassenhygiene“ lieferten die Ideologie, Propaganda verbreitete sie. Die Kanzlei des Führers koordinierte, Gutachter entschieden, Anstalten meldeten, Busse fuhren. Der Staat schuf eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der Mord als „Behandlung“ erschien.

Ihr Kern war die Entpersönlichung. Menschen erschienen als Aktenzeichen, Bettenzahl, Kostensatz. Dieses Raster trennte Gesichter von Geschichten. Es erleichterte Tätern das Handeln und Zuschauenden das Wegsehen. Genau hier setzt Erinnerung an: Zahlen erhalten Namen, Orte erhalten Stimmen.

Die Lektion muss klar sein: Ideologie plus Bürokratie plus Schweigen erzeugt Gewalt. Wo die Gesellschaft das „Ob“ moralisch verwässert, rutschen Institutionen in ein „Wie“.

Schutz der Menschenrechte statt lediglich politisch korrektem Sprachgebrauch – rechtebasierte Psychiatrie

Politisch korrekter Wortgebrauch korrigiert keine menschenverachtenden Entscheidungen. Diverses Geschwafel von „Menschen mit Schizophrenie“ statt „Schizophrene“, „Menschen ohne Wohnung“ statt „die Obdachlosen“ bleiben verbale Spiegelfechterei, wenn die Betroffenen in der Realität unsichtbar und zu Verwaltungsakten deklassiert werden. Nur eine rechtebasierte Psychiatrie verankert Autonomie, Einwilligung, Beschwerdewege und Gewaltprävention.

Die Regel ist einfach: Mensch statt Problem. Ein respektvoller Umgang einer Gesellschaft mit Betroffenen reduziert Stigma, erleichtert Zugang, baut Vertrauen auf. In Kliniken, Behörden, Redaktionen, Schulen – braucht es statt politisch korrekter Wortwahl eine Handlungskultur. Genau hier beginnt professionelle Verantwortung.

Wie verschiebt die Medienrhetorik den Debattenraum?

Der Debattenraum beschreibt, was öffentlich als sagbar und denkbar gilt. Der drastische Satz des konservativen Moderators verrückt dieses Fenster. Beim ersten Mal folgt noch Empörung, beim zweiten Mal vielleicht ein Schulterzucken. Beim dritten Mal werden aus derartigen Äußerungen schon „unbeqeme Wahrheiten“. Genau diese Verschiebung bedroht hier die Menschenrechte einer ganzen Bevölkerungsgruppe: in Deutschland 531.600 (6,4 pro 10.000 Einwohner) und in den USA 771.480 Menschen (22,6 pro 10.000 Einwohner).

Die Politiker der westlichen Demokratieren ersticken derzeit geradezu in ihrer moralischen Empörung "gegen Rechts" und "Fakenews", die vor allem eins soll: antidemokratische Zensur legitimieren. Redaktionen steuern ein – mit Standards, Korrekturen, Schulungen. Werbetreibende handeln – Brand Safety gegen unliebsame Inhalte und Keywords. Plattformen erlassen Community-Richtlinien und hetzen trollende digitale Accounts gegen unliebsame Inhalte - bis zum dead internet.

Dabei wäre ein nüchterner Dreisatz wirksamer und demokratischer: Übertretungen benennen, Fakten liefern, Lösung zeigen. So bliebe der öffentliche Debattenraum intakt, ohne Zensur, aber mit Haltung – im Fall der Neuen Rechten genauso wie dem des Umgangs mit obdachlosen Menschen.

Was hieße das für Redaktionen, Werbetreibende und Plattformen?

Redaktionen: Zitate sauber einordnen, Dehumanisierung klar benennen, Standards sichtbar machen, on-air korrigieren, Teams schulen. Es gibt kein „War nur ein Scherz“, wenn Leben auf dem Spiel steht.

Werbung: Budgets aus Sendungen mit Eliminationsrhetorik abziehen, Agenturen briefen, Brand-Safety-Kriterien über politisch verordnete Empfindlichkeit hinaus erweitern. Wer bezahlt, trägt Mitverantwortung für Ton und Reichweite.

Plattformen: transparente Regeln zu realer Gewalt und Hass konsequent anwenden, Clips mit Kontext labeln, Reichweite für enthemmte Aufrufe nachvollziehbar einschränken, Ansprechpartner für Redaktionen anbieten. Moderation dient nicht der Meinungsarmut, sondern der Menschenwürde und der Transparenz.

Verantwortliche Politik jenseits des neoliberalen Reflexes

Diagnose

Neoliberalismus sortiert Menschen nach Verwertbarkeit. Wer keinen Profit verspricht, rutscht in drei Schubladen: Austerität (kürzen), Privatisierung (outsourcen) und Kriminalisierung (wegsperren). Diese Trias verschiebt Verantwortung auf die Einzelnen und macht soziale Risiken zu „individuellen Fehlern“. Ergebnis: für die Gesellschaft teure und für private Anbieter hochprofitable Notlösungen, mehr Leid, weniger Rechte.

Bruch mit dieser Logik heißt: Rechte nicht an den Beschäftigungs-Status knüpfen, Versorgung dekommodifizieren, Würde absichern—ohne Vorleistung, ohne „Verdienst“-Prüfung.

Rechte als Anspruch, statt als Belohnung

·         Recht auf Wohnen verankern: justiziabler Anspruch, Anti-Räumungs-Schutz, Leerstandsabgabe, Vorkaufsrechte für Kommunen, Zweckentfremdungsverbot mit Zähnen.

·         Rechtebasierte Psychiatrie ins Gesetz schreiben: Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerde- und Monitoringstellen mit Sanktionsmacht, verpflichtende Deeskalations- und Anti-Stigma-Standards.

·         Diversion vor Strafe: bei Krisen und Symptombelastung Vorrang für Behandlung statt Strafspur; verbindliche Schnittstellen zwischen Justiz, Kliniken, Housing First, ACT/FACT.

·         Diskriminierende Eignungsfiktionen streichen: Zugang zu Leistungen ohne Arbeitsfähigkeits-Label; soziale Grundrechte nicht an „Mitwirkung zur Verwertung“ koppeln.

·         Daten-Ethik festschreiben: Verbot von algorithmischem Risk-Scoring, das Armut/Erkrankung als Sicherheitsrisiko labelt; Transparenz- und Auditpflichten.

Leitidee: Grundrechte gelten ohne Ausnahme, gerade für verletzliche Gruppen. Nicht Verwertbarkeit, sondern Menschenwürde entscheidet.

Von Austerität zu sozialer Infrastruktur

·         Mittel umschichten: Weg von Notaufnahme, Gefängnis, Zweckunterkunft—hin zu Unterbringung, Krisen- und Peer-Support.

·         Mehrjahresbasis statt Projektflickwerk: verlässliche, inflationsgesicherte Budgets mit Qualitäts- und Ergebnisindikatoren, keine jährliche Bittstellerei.

·         Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen: psychiatrische und wohnungsnahe Versorgung nicht als Renditequelle behandeln; Gemeinwohl- und Non-Profit-Vorrang.

·         Boden- und Immobilienpolitik drehen: Bodenfonds, kommunale Vorkaufsrechte, Erbpachtmodelle, Leerstands- und Spekulationsabgaben, Zweckbindung von Grunderträgen an leistbare Wohnungen.

·         Pflege- und Sozialberufe aufwerten: Tarifbindung, Personal-Schlüssel, Supervision, Fortbildung—sonst bricht die Infrastruktur.

·         Datenqualität heben: standardisierte Kennzahlen (siehe unten) und öffentliche Dashboards; Budget folgt nachweislicher Wirkung, nicht PR.

Merksatz: Kontinuität spart Geld und Leid—Notlösungen verbrennen beides.

 Re-Kommunalisieren, dekommodifizieren, entkriminalisieren

·         Rekommunalisierte Wohnplattform: kommunale/landeseigene Gesellschaften erwerben Bestände, sanieren behutsam, vergeben an Housing-First-Klientel; Mietobergrenzen, Belegungsrechte, Sozialmix.

·         24/7-Krisenantwort ohne Polizei-Fokus: mobile Krisenteams, Kurzzeit-Stabilisierungsplätze, Peer-Run-Angebote; klare Einsatzprotokolle mit Deeskalation.

·         Gemeindenahe Versorgung flächendeckend: Team-Caseload ≤ 1:10, 24/7-Rufbereitschaft, gemeinsame Fallverantwortung, enge Verzahnung mit Bewährung/Sozialraum; Qualitätsaudit nach anerkannten Fidelity-Maßen.

·         „No-Wrong-Door“-Prinzip: egal wo der Einstieg liegt—Wohnung, Klinik, Streetwork—die Hilfe packt an, statt abzugreifen.

·         Teilhabe statt Kontrolle: Sozialticket, digitale Grundausstattung, Betreuungs- und Tagesstrukturplätze als Rechte, nicht als „Belohnung“.

Was sofort aufhören muss

·         Eliminationsrhetorik normalisieren: Schluss. On-air-Korrekturen, Standards, Schulungen; bei Wiederholung—Sendeplatz, Vertrag, Werbepartner prüfen.

·         Armut kriminalisieren: Weg mit Räumungen ohne Alternative, Vertreibungspolitik, „Sauberkeits“-Verordnungen gegen Sichtbarkeit statt Versorgung.

·         Projektitis: Keine Ein-Jahres-Pilotchen mehr, die zum nächsten Winter verschwinden.

·         Leistungs-Hürden: keine Pre-Conditions wie Abstinenzpflicht oder „Therapietreue“ als Zugangsvoraussetzung zu Wohnung und Hilfe.

Wir können uns neoliberale Verwaltung von Elend nicht leisten

Statt beredsamer Veröffentlichung von Output-Show-Statistiken (bearbeitete Anträge, Bescheide) zählen Outcomes:

·         Wohnstabilität nach 12/24/36 Monaten (Housing First).

·         Krisenreduktion: ungeplante stationäre Aufenthalte, Zwangsmaßnahmen, Polizeikontakte.

·         Gesundheit: Aufenthaltsdauer in Stabilität, Weiterbehandlung nach Entlassung (≤7 Tage).

·         Teilhabe: Kontaktfrequenz, Tagesstruktur, freiwillige Beschäftigung/Qualifizierung ohne Druck.

·         Wahrung der Menschenrechte: dokumentierte Beschwerden, Bearbeitungszeit, Abhilfequote, externe Audits.

·         Budgetverteilung: ≥60 % in Wohnen & Community-Care, ≤30 % in Akut/Forensik, ≤10 % in Verwaltung—jährlich veröffentlicht.

Von „Verwertbarkeit“ zu „Würde“

Die ordnungsstaatlichen Narrative, nicht nur der deutschen Bundesregierung, fordern: „Nur wer leistet, erhält Schutz.“ Eine demokratische Antwort wäre: „Schutz ist der Boden, auf dem Leistung überhaupt wächst.“ Das gilt für Arbeit, Nachbarschaften – und Gesellschaft als Ganzes – im Umgang mit psychisch Kranken.

Würde statt Verwertbarkeit verhindert den Rückfall in Denkfiguren, die zwischen 1939 und 1945 in die Katastrophe geführt haben. Erinnerung setzt die Grenze. Verantwortliche Politik, die ihren Namen verdient, respektiert sie.

Stattdessen:

Rechtlich

·         Ein Gleichgewicht zwischen den individuellen Freiheiten eines Einzelnen und dem berechtigten Handeln der Regierung (Due Process) sichern, Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerdestellen mit echter Sanktionsmacht, Diversion verbindlich priorisieren, Entlassmanagement verpflichtend umsetzen;

·         Recht auf Wohnen kodifizieren; diskriminierende Eignungsfiktionen streichen; algorithmische Risikobewertung regulieren.

Finanziell

·         Mittel dauerhaft bereitstellen; Personal aufstocken und tariflich absichern; Datenqualität verbessern und öffentlich machen; Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen; Boden- und Leerstandsabgaben einführen; kommunale Bestände aufbauen.

Praktisch

·         Kommunale Allianzen aus Gesundheit, Soziales, Justiz, Wohnungsamt, Zivilgesellschaft und Gedenkstätten; verpflichtende Schulungen, Führungskräfte-Briefings, gemeinsame Leitfäden; 24/7-Krisenteams; Re-Municipalisierung von Wohnraum; No-Wrong-Door im Alltag. Ergebnis: ein System, das trägt — ohne Verwertungszwang, mit Würdegarantie.

Welche Einwände tauchen auf – und wie antwortet man sachlich?

„Das war Humor.“

Ein Aufruf zur Tötung von psychisch kranken Menschen ist nicht komisch, sondern menschenverachtend. Außerdem: nicht einmal echter Humor entbände von Verantwortung. Wer Millionen erreicht, prägt Normen. Nur ein klares „Das überschreitet eine Grenze“, schützt Debattenräume.

„Harte Maßnahmen schützen die Öffentlichkeit.“

Gesellschaftliche Sicherheit wächst durch Versorgung, nicht durch Entmenschlichung. Gemeindenahe Versorgung reduziert Krisen, senkt Kosten und stabilisiert Nachbarschaften.

„Dafür fehlt das Geld.“

Sicher nicht, so lange für die Militarisierung Milliarden zur Verfügung stehen. Chaos reißt größere Löcher. Notaufnahmen, Polizeieinsätze, Haft, Zweckunterkünfte – all das kostet mehr als stabile Wohnungen und verlässliche Teams. Jeder vermiedene Kriseneinsatz entlastet Haushalte und Menschen.

Warum erinnert diese aktuelle TV-Debatte an T4 – ohne falsche Gleichsetzung?

Historische Vergleiche erfordern Genauigkeit. Die NS-Euthanasie war staatlich organisierter Massenmord. Die zitierte US-TV-Talkshow strahlt ein verantwortungslosen Talkshow-Beitrag unkommentiert aus, sie verabschiedet Gesetz, erteilt kein Befehl, schickt keinen grauen Bus.

Der Mechanismus der Entwertung bleibt jedoch erkennbar: die Worte entziehen betroffenen Menschen Würde, normalisieren Brutalität, verschieben Grenzen.

Erinnerung schafft einen moralischen Seismografen gegen derartiges Verhalten. Wer T4 kennt, reagiert sensibel, sobald Sprache die Person auslöscht. Diese Sensibilität bewahrt die offene Gesellschaft. Sie verhindert den Schritt vom Tabubruch zur Routine.

Gegenwart braucht daher zweierlei: klare rote Linien in der Mediensprache – und greifbare, evidenzbasierte Angebote in der Versorgung psychisch Kranker, die sich selbst nicht versorgen können.

Erinnerung entzieht Entmenschlichung die Bühne. Wer Geschichte ernst nimmt, fängt früh an, Grenzen zu setzen: im Satz, im Konferenzraum, im Stadtrat, im Studio. Erinnerung liefert den Kompass, Praxis liefert Wege. Erinnerung prägt die Räume, in denen Politik entschieden wird. So entsteht eine Kultur der Wachsamkeit.

Fazit: Würde, Behandlung, Wohnen und Rechte psychisch Kranker – vier Säulen gegen Rückfälle der Gesellschaft in alte Muster

Zwischen 1939 und 1945 verirrten sich Medizin, Verwaltung und Gesellschaft in ein System des Mordens. Heute liegt die Wahl offen: Wiederholung – oder entschlossene Gegenwartspolitik mit Erinnerung als Leitstern.

Am Anfang steht ein Satz im Studio. Am Ende steht ein Auftrag: Nie wieder Entwertung und Beseitigung als Lösung. Die Gegenwart verlangt in Bezug auf psychisch Kranke Haltung, Standard und Versorgung, basierend auf:

1.       Würde – Person vor Problem, keine Kollektivschuld.

2.       Versorgung – Krisendienste, Peer-Support.

3.       Wohnen – langfristige Finanzierung, verlässliche Netzwerke.

4.       Rechte – Beschwerdewege, klare Grenzen gegen Zwang und Gewalt.

Wichtigste Punkte auf einen Blick

·         NS-Euthanasie (Aktion T4): Ideologie, Bürokratie, „graue Busse“, Tötungsanstalten – ein warnendes Fundament für jede Gegenwartsdebatte.

·         Erinnerungskultur: Gedenkstätten und Bildungsarbeit schärfen Urteilsfähigkeit in Politik, Medien und Praxis.

·         Euthanasie-Rhetorik heute: Entmenschlichende Sprache verschiebt das den Debattenraum in Richtung Gewalt.

·         Fakten statt Klischees: Gewaltkorrelationen bestehen mit Armut, Ausschluss, und Substanzgebrauch – nicht mit Diagnosen.

·         Evidenzbasierte Lösungen: betreutes Wohnen, Krisendienste, Peer-Support senken Krisen und Kosten.

·         Was zählt, ist der Mensch, präzise, respektvoll – das schafft Zugang und Vertrauen.

·         Medien & Werbung: Standards, Korrekturen, Brand-Safety-Entscheidungen – klare Signale gegen Eliminationsrhetorik.

·         Plattformen: Regeln zu Gewalt und Hass transparent anwenden, Clips kontextualisieren.

·         Politik: Rechte sichern, Budgets gerecht umverteilen, lokale Allianzen bauen – Sicherheit durch Versorgung.

·         Kompass: Würde, Behandlung, Wohnen, Recht – ohne Ausnahmen.


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DESCRIPTION:

Neue Euthanasie-Rhetorik bei Fox – der nationalsozialistische Begriff Euthanasie im Kontext der deutschen Geschichte.

„Just kill them?“ – Warum diese Worte über Obdachlose an die NS-Euthanasie von 1939-1945 erinnern und was das für Psychiatrie, Medien und Politik bedeutet

Ja, Fox Moderator Brian Kilmeade hat das wirklich über psychisch kranke Obdachlose gesagt: „Unfreiwillige tödliche Injektion oder so etwas. Tötet sie einfach.“

Einleitung

Am Mittwoch, mitten in der medialen Aufregung um den tragischen Tod des konservativen Charlie Kirk, gab es eine Diskussion in der Sendung „Fox & Friends“, in der die Moderatoren über die Berichterstattung der Medien über die Ermordung des ukrainischen Flüchtlings Iryna Zarutska durch einen obdachlosen, psychisch kranken Mann sprachen, der bereits mehrfach verhaftet worden war.

In Gegenwart von Kilmeade und Ainsley Earhardt beklagte sich Co-Moderator Lawrence Jones: „Wir müssen das nicht – wir empfinden so viel Mitgefühl, weil wir die Krise im Bereich der psychischen Gesundheit sehen. Aber das ist nicht unsere Aufgabe – wir sollten nicht in Angst leben müssen, während sie herausfinden, was dort vor sich geht.“

Er fügte hinzu: „Sie haben Milliarden von Dollar für die psychische Gesundheit und die obdachlose Bevölkerung bereitgestellt. Viele von denen wollen die Programme nicht gar in Anspruch nehmen, viele von denen wollen die notwendige Hilfe nicht. Man kann ihnen keine Wahl lassen. Entweder man nimmt die Ressourcen, die wir denen zur Verfügung stellen, oder man entscheidet sich dafür, im Gefängnis zu landen. So muss das jetzt werden“, warf Kilmeade ein, „oder eine unfreiwillige tödliche Injektion.“ Jones stimmte zu, und Kilmeade ergänzte: „Oder so etwas in der Art. Tötet sie einfach.“ (https://www.youtube.com/shorts/9mq3oKI2KhY)

Achtzig Jahre nach dem erzwungenen Ende eines des nationalsozialistischen staatlichen Tötungsprogramms fallen also - konsequenzlos –  in einer öffentlich ausgestrahlten US-TV-Show in Bezug auf psychisch kranke Obdachlose die Worte; „involuntary lethal injection … just kill them“. Gemeint sind Menschen, denen eine Überflussgesellschaft wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht nur eine ausreichende Versorgung sondern auch eine menschenwürdige Unterkunft verweigert.

Dabei sollte so ein, hierzulande vollkommen unbeachteter, TV-Skandal, einen blanken Nerv treffen. Die nationalsozialistische Euthanasie stellt ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte dar. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms systematisch kranke und behinderte Menschen ermordet. Diese Tötung unschuldiger Menschen, die als "lebensunwert" galten, basierte auf einer ideologischen Grundlage der Eugenik und Rassenhygiene, die in der Zeit des Nationalsozialismus vorherrschte. Ziel war die "Reinhaltung" des "deutschen Volkskörpers" durch die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“.

Worum es geht:

·         die Geschichte der NS-Euthanasie (Aktion T4, 1939–1945): Ideologie, Bürokratie, Täterprofile, die „grauen Busse“ und die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim,

·         wie Medienrhetorik den Debattenraum verschiebt,

·         wie Stigma politische Entscheidungen prägt, und

·         welche Leben schützen.

Es geht um klare rote Linien, gelebte Erinnerungskultur und konkrete Lösungen mit Blick auf den Umgang der westlichen Gesellschaft mit chronisch psychisch kranken Menschen.

Euthanasie im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus

Der Begriff Euthanasie, der ursprünglich einen sanften, schmerzlosen Sterbeprozess bezeichnete, wurde von den Nationalsozialisten pervertiert und zur Rechtfertigung ihrer Verbrechen missbraucht. Die Aktion T4, benannt nach der Adresse Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die zentralen Planungen stattfanden, markiert den Beginn des systematischen Massenmords. Die Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich wurden zu Orten des Schreckens, in denen Ärzte und Pflegepersonal zu Tätern wurden.

Einführung in die Euthanasie-Ideologie

Die Euthanasie-Ideologie des Nationalsozialismus fußte auf der Vorstellung, dass Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eine Belastung für die Gesellschaft darstellen. Diese Ideologie wurde durch Propaganda verbreitet und diente dazu, die Bevölkerung für die Ermordung kranker und behinderter Menschen zu gewinnen. Die Nationalsozialisten konstruierten ein Bild von "minderwertigem" Leben, um ihre grausamen Taten zu rechtfertigen. Die Kranken wurden nicht als Menschen wahrgenommen, sondern als Gegenstand nationalsozialistischer „Rassenhygiene“.

Die Rolle des Staates in der Euthanasie-Praxis

Der Staat spielte die zentrale Rolle bei der NS-Euthanasie. Die Kanzlei des Führers war maßgeblich an der Planung und Genehmigung der Morde beteiligt. Die Anstalten wurden angewiesen, Patienten zu melden, die als "lebensunwert" galten. Gutachter entschieden dann über Leben und Tod. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer zu den Tötungsanstalten, wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg, wo sie vergast oder auf andere Weise ermordet wurden.

Gesetzgebung und Euthanasie während der NS-Zeit

Obwohl es kein formelles Gesetz zur Legalisierung der Euthanasie gab, schufen die Nationalsozialisten eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der die Tötung kranker und behinderter Menschen nicht geahndet wurde. Im August 1941 stoppte Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks. Die Ermordung von Kranken und Behinderten ging jedoch in den Heil- und Pflegeanstalten weiter. Bis 1945 wurden schätzungsweise 70.000 Menschen im Rahmen der Aktion T4 und der dezentralen Tötungen in den Anstalten ermordet.

Die Opfer der Euthanasie-Programme

Die 1939-1945 von den Nationalsozialisten durchgeführten Euthanasie-Programme forderten unzählige Opfer.

Grundlage war der „Würzburger Schlüssel”, ein Klassifikationssystem für psychiatrische Diagnosen, das im Rahmen der Aktion T4 zur bürokratischen und systematischen Erfassung und Selektion der Opfer diente. Bei der stichprobenartigen Aufarbeitung der Krankenakten der Aktion T4 fand sich folgende Zahlen:

Diagnose

 

Prozent

1 = Schwachsinn (angeboren und früh erworben)

Geistige Behinderung, meist von Geburt an oder frühkindlich erworben.

28,3

3 = Progressive Paralyse

Fortschreitender geistiger Abbau durch eine Infektion.

3,9

4 = Tabes, Lues, psychische Störungen

Psychische Folgen einer chronischen Syphilis-Infektion

1,1

5 = Encephalitis epidemica

Psychische Folgen einer Infektiösen Hirnhautentzündung

1,1

6 = Psychische Störung des höheren Lebensalters

Demenz oder andere schwere geistige Einschränkungen im Alter

2,2

13 = Epilepsie

Anfallsleiden, bei dem es zu Krampfanfällen kommt

12,2

14 = Schizophrener Formenkreis

Schizophrenie und ähnliche Psychsoen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen

50

15 = Manisch-depressiver Formenkreis

Bipolare Störung

0,5

16 = Psychopathische Persönlichkeiten

Menschen mit auffälligen, verantwortungslosen oder kriminellen Verhaltensweisen

0,5

 

Kranke und behinderte Menschen wurden systematisch erfasst, begutachtet und in Tötungsanstalten wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg deportiert. Dort wurden sie durch tödliche Injektionen oder Vergasung ermordet. Die „Aktion T4“ und die dezentralen Tötungen in den Heil- und Pflegeanstalten betrafen nicht nur Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, sondern auch psychisch kranke Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und solche, die als „arbeitsscheu“ oder „asozial“ galten. Die Nationalsozialisten definierten den Begriff Euthanasie pervers und missbrauchten ihn, um die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zu rechtfertigen. Die Biografien der einzelnen Opfer sind weitgehend unbekannt, doch die Gedenkstätten versuchen, ihre Geschichten zu rekonstruieren und ihnen ein Gesicht zu geben.

Gesellschaftliche Reaktionen auf die Euthanasie-Verbrechen

Die gesellschaftlichen Reaktionen auf die NS-Euthanasie waren vielfältig und ambivalent. Während die Nationalsozialisten versuchten, die Bevölkerung durch Propaganda von der Notwendigkeit der Euthanasie im Sinne der „Rassenhygiene“ zu überzeugen, gab es auch Widerstand und Ablehnung. Insbesondere Angehörige von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten protestierten gegen die Tötung ihrer Familienmitglieder. Auch Teile der Kirche äußerten Kritik an den Verbrechen. Allerdings war die Angst vor Repressionen groß, sodass offener Widerstand selten war. Nach August 1941, als Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks stoppte, gingen die Tötungen im Verborgenen weiter. Nach 1945 begann die Aufarbeitung der Verbrechen, doch die Erinnerung an die NS-Euthanasie ist bis heute ein schmerzhaftes Kapitel der deutschen Geschichte. Die Kanzlei des Führers war verantwortlich für die Tötung der kranken Menschen.

Langfristige Folgen für die Gesellschaft

Die NS-Euthanasie hatte langfristige Folgen für die Gesellschaft. Das Vertrauen in die Medizin und das Gesundheitswesen wurde nachhaltig erschüttert. Die Ermordung von 70.000 Menschen durch Ärzte und Pflegepersonal in Anstalten untergrub das ethische Fundament der ärztlichen Tätigkeit. Die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen verstärkte sich. Erst allmählich begann ein Umdenken, das zu einer inklusiveren Gesellschaft führte. Die Auseinandersetzung mit der NS-Euthanasie trug dazu bei, dass der Wert jedes einzelnen Lebens anerkannt wurde, unabhängig von dessen vermeintlicher „Nützlichkeit“ für die Gesellschaft. Die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie mahnt zur Wachsamkeit gegenüber jeder Form von Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Auseinandersetzung mit der Medizingeschichte hilft, ähnliche Verbrechen in der Zukunft zu verhindern. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer in Tötungsanstalten wie Hartheim.

Wichtige Gedenkstätten zur Euthanasie

Die Erinnerung an die 1939-1945 im Rahmen der NS-Euthanasie verübten Verbrechen ist von zentraler Bedeutung, um die Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Gedenkstätten wurden errichtet, um an die Opfer der Euthanasie zu erinnern und die historischen Ereignisse aufzuarbeiten. Zu den wichtigsten Gedenkstätten zählen die ehemaligen Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg und Hartheim. Diese Anstalten dienten der Ermordung kranker und behinderter Menschen während der Aktion T4. Auch in anderen Heil- und Pflegeanstalten, in denen dezentrale Tötungen stattfanden, gibt es heute Gedenkstätten, die an das Leid der Patienten erinnern.

Erinnerungskultur und Aufarbeitung der Verbrechen

Die Erinnerungskultur spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Euthanasie. Durch Ausstellungen, Dokumentationen und Bildungsprogramme wird die Geschichte der Euthanasie im Sinne der Nationalsozialisten lebendig gehalten und einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Zeitzeugenberichte, wo vorhanden, spielen eine wichtige Rolle, um das persönliche Leid der Opfer zu verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit der Ideologie und den Motiven der Täter ist unerlässlich, um zu verstehen, wie es zu diesen Verbrechen kommen konnte. Dabei wird der Begriff Euthanasie kritisch hinterfragt und die Perversion des Begriffs durch die Nationalsozialisten thematisiert. Diese Aufarbeitung leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Medizingeschichte.

Bildungsinitiativen zur Euthanasie-Geschichte

Um sicherzustellen, dass die Geschichte der NS-Euthanasie nicht in Vergessenheit gerät, sind Bildungsinitiativen von großer Bedeutung. Diese Initiativen richten sich an Schüler, Studenten und die breite Öffentlichkeit und vermitteln Wissen über die historischen Ereignisse, die ideologischen Hintergründe und die Folgen der Euthanasie. Durch Exkursionen zu den Gedenkstätten, Workshops und Seminare werden die Teilnehmer für die Thematik sensibilisiert und zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit angeregt. Die Gedenkstätten und Bildungsträger arbeiten zusammen, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie wachzuhalten und ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen.

Was geschah in der Fox-Talkshow – und warum ist das brandgefährlich?

Ausgangspunkt ist der oben beschriebene kurze Fernsehausschnitt: „involuntary lethal injection … just kill them“ – ausgesagt über Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung, die, unversorgt, gezwungen sind, in Obdachlosigkeit zu leben. Millionen US-Amerikaner hörten mit. Der Satz stand nicht im Kommentarbereich eines anonymen Accounts, sondern in einer großen überregionalen Morning-Show.

Sprache rahmt Denken. Wer „einfach töten“ in den Raum stellt, verlagert die Debatte weg von Versorgung, Würde und Recht – hin zur Entsorgung. Genau hier entsteht eine brandgefährliche Normalisierung. Einmal ausgesprochen, wirkt die Formel bei jeder Wiederholung weniger fremd.

Die Debatte berührt reale Ängste: sichtbare Armut, Überforderung der Dienste, Einzelfälle mit Gewalt. Gerade dann braucht es Haltung. Sonst rutscht die Öffentlichkeit in den schnellen Reflex: Härte statt Hilfe, Wegsperren statt Versorgung, Schweigen statt Standards.

Psychische Erkrankungen und Obdachlosigkeit in Zahlen

Die folgenden Zahlen zur Häufigkeit psychischer Erkrankungen finden sich in der obdachlosen Bevölkerung in den USA und Deutschland:

Diagnose (moderne Entsprechung)

Deutschland (%)

USA (%)

Intellektuelle Beeinträchtigung (Schwachsinn)

1–5

1–5

Neurokognitive Störung durch Syphilis (Progressive Paralyse, Tabes, Lues)

<1

<1

Neurokognitive Störung durch andere Ursachen (Enzephalitis, Alter)

2–5

2–5

Epilepsie

1–3

1–3

Schizophrenie-Spektrum-Störungen

10–30

7–12,4

Bipolare Störung (manisch-depressiver Formenkreis)

7–10

7,3–8

Dissoziale/antisoziale Persönlichkeitsstörung

10–25

23–26


  • Die Prozentwerte sind gerundet und als Schätzbereiche angegeben, da die Datenlage je nach Studie variiert.

  • Kategorien wie „Psychische Störung des höheren Lebensalters“ sind heute meist unter Demenz/Alterspsychiatrie subsumiert.

  • Die Kategorie „Psychopathische Persönlichkeiten“ entspricht heute der dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung.

Vergleichen Sie gern selbst die historische Tabelle mit aktuellen Daten!

  • Unter den Opfern der NS-Zeit dominierten schwere Störungen (Schizophrenie, Schwachsinn) die Statistiken, die in Einrichtungen betreut werden mussten.

  • Heute stehen affektive und Angststörungen im Vordergrund, schwere Formen der Schizophrenie sind seltener, aber weiterhin relevant.

  • Auffällig ist der Rückgang chronischer neurologischer und psychischer Folgen bakterieller und viraler Infektionen durch Impfungen und Antibiotika.

  • Alle Unterschiede sind Folge von Fortschritten in Diagnostik, gesellschaftlichem Wandel und veränderten Versorgungsstrukturen.

Dabei ist in Deutschland die Häufigkeit psychischer Erkrankungen allgemein bei Obdachlosen etwa drei- bis viermal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Besonders substanzbezogene Störungen (v.a. Alkoholabhängigkeit) und psychotische Störungen (z.B. Schizophrenie) sind bei Obdachlosen um ein Vielfaches häufiger: Schizophrenie etwa 10- bis 30-mal häufiger, Suchterkrankungen etwa 20-mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung.

Ursachen in der westlichen Welt sind:

  • die Wechselwirkung von Armut, sozialer Ausgrenzung und psychischer Erkrankung,

  • das erhöhte Risiko für Obdachlosigkeit bei schweren psychischen Erkrankungen,

  • der mangelnde Zugang zu Behandlung und Prävention und

  • das häufige gemeinsame Auftreten der andern psychischen mit Suchterkrankungen.

Das unterstreicht den dringenden Bedarf an niedrigschwelligen, integrierten Hilfsangeboten und gezielter Prävention für diese besonders verletzlichen Menschen. Das Leid der Betroffenen ist nicht von ihnen selbst, sondern von der Gesellschaft verursacht, deren konservative Politiker traditionell dm Sozialdarwinismus huldigen, und deren TV-Moderatoren scheinbar wieder  ungestraft zur Euthanasie-Rhetorik übergehen.

Erhöht psychische Krankheit tatsächlich die Gewaltbereitschaft Betroffener? Was sagen Forschung und Praxis?

Das Klischee „psychisch krank = gefährlich“ dominiert ordnungsstaatliche Diskurse. Daten zeichnen ein anderes Muster. Armut, Substanzgebrauch, Ausschluss und fehlende Behandlungskontinuität erhöhen Risiken. Die breite Mehrheit lebt friedlich, erleidet selbst Gewalt, vermeidet Konflikte.

Die Politik schafft das Elend, auf dem Versorgunglücken und sozialer Abstieg gedeihen, statt klarer Prioritäten: Behandlung, Wohnstabilität, sozialräumliche Einbindung. Diese Faktoren senken Krisenhäufigkeit, entlasten Notaufnahmen, reduzieren Polizeikontakte. Sicherheit entsteht aus Versorgung – rechtsstaatlich, wirksam, menschlich.

Das Narrativ dreht sich damit um: Nicht die Person ist das „Problem“, sondern ein Versorgungssystem mit Lücken. Wer Lücken schließt, schützt Nachbarschaften und Biografien.

Dabei gibt es in den USA wirksame Lösungen zum Schutz von Leben und Öffentlichkeit: Housing First, ACT, FACT.

Housing First setzt Wohnen an den Anfang. Eigene Wohnung, Miete, Schlüssel – ohne Vorbedingungen. Unterstützende Dienste folgen: ambulante Psychiatrie, Sozialarbeit, Peer-Support. Stabilität löst Druck aus dem Kessel. Krisen nehmen ab, Struktur entsteht, Zuversicht wächst.

ACT (Assertive Community Treatment) arbeitet in multiprofessionell, aktiv, mit 24/7-Rufbereitschaft. Das Team bleibt dran, koordiniert Übergänge, verhindert Drehtürverläufe zwischen Straße, Station und Haft.

FACT (Forensic ACT) verbindet dieses Modell mit justiznaher Kooperation – Ziel: Rückfallprävention, Behandlungstreue, Teilhabe.

Solche Ansätze liefern messbare Ergebnisse: mehr Wohnstabilität, weniger Zwang, geringere Gesamtkosten. Sie respektieren Rechte und erhöhen Sicherheit – nicht gegeneinander, sondern zusammen.

Was bedeutet Euthanasie-Rhetorik heute?

Euthanasie-Rhetorik bezeichnet Sprache, die eine Gruppe als „entbehrlich“ markiert und staatliche Tötung als „Lösung“ andeutet – direkt oder mit Anspielungen. Sie raubt Menschen ihre Würde, bevor Gesetze, Budgets oder Maßnahmen folgen.

Derartige Rhetorik greift im Neoliberalismus die historisch bekannten Perspektiven auf. Ihre Narrative jonglieren mit Etikettierungen wie „Ballast“, „Belastung“, „Kostenfaktor“. Sie stellen gar nicht die Frage nach Behandlung, Wohnen oder Teilhabe, sondern nach Überwachung, Inhaftierung und Beseitigung. Aus Worten entstehen – heute wie damals– Bilder, aus Bildern Haltungen, und Haltungen rechtfertigen Politik.

Menschen mit psychischen Störungen erleben Brüche, Wohnungsverlust, Ausgrenzung. Würde entstünde durch Behandlung, Beziehung und Stabilität, statt diskriminierender Drohungen.

Was lehrt die Aktion T4 (1939–1945) in Bezug auf den TV-Auftritt?

Schätzungen nennen rund 70.000 Ermordete im Rahmen der zentralen T4-Phase; danach liefen dezentrale Tötungen bis Kriegsende weiter.

Täter trugen Kittel und Uniform. Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Fahrer – ein arbeitsteiliges System, das Morden in scheinbar normale Arbeitsabläufe kleidete. Die „grauen Busse“ holten Menschen ab; die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim setzten das Verbrechen um. Der Mord erhielt euphemistische Namen, Formulare, Stempel.

Die T4-Verbrechen entstanden aber nicht spontan. Eugenik und „Rassenhygiene“ lieferten die Ideologie, Propaganda verbreitete sie. Die Kanzlei des Führers koordinierte, Gutachter entschieden, Anstalten meldeten, Busse fuhren. Der Staat schuf eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der Mord als „Behandlung“ erschien.

Ihr Kern war die Entpersönlichung. Menschen erschienen als Aktenzeichen, Bettenzahl, Kostensatz. Dieses Raster trennte Gesichter von Geschichten. Es erleichterte Tätern das Handeln und Zuschauenden das Wegsehen. Genau hier setzt Erinnerung an: Zahlen erhalten Namen, Orte erhalten Stimmen.

Die Lektion muss klar sein: Ideologie plus Bürokratie plus Schweigen erzeugt Gewalt. Wo die Gesellschaft das „Ob“ moralisch verwässert, rutschen Institutionen in ein „Wie“.

Schutz der Menschenrechte statt lediglich politisch korrektem Sprachgebrauch – rechtebasierte Psychiatrie

Politisch korrekter Wortgebrauch korrigiert keine menschenverachtenden Entscheidungen. Diverses Geschwafel von „Menschen mit Schizophrenie“ statt „Schizophrene“, „Menschen ohne Wohnung“ statt „die Obdachlosen“ bleiben verbale Spiegelfechterei, wenn die Betroffenen in der Realität unsichtbar und zu Verwaltungsakten deklassiert werden. Nur eine rechtebasierte Psychiatrie verankert Autonomie, Einwilligung, Beschwerdewege und Gewaltprävention.

Die Regel ist einfach: Mensch statt Problem. Ein respektvoller Umgang einer Gesellschaft mit Betroffenen reduziert Stigma, erleichtert Zugang, baut Vertrauen auf. In Kliniken, Behörden, Redaktionen, Schulen – braucht es statt politisch korrekter Wortwahl eine Handlungskultur. Genau hier beginnt professionelle Verantwortung.

Wie verschiebt die Medienrhetorik den Debattenraum?

Der Debattenraum beschreibt, was öffentlich als sagbar und denkbar gilt. Der drastische Satz des konservativen Moderators verrückt dieses Fenster. Beim ersten Mal folgt noch Empörung, beim zweiten Mal vielleicht ein Schulterzucken. Beim dritten Mal werden aus derartigen Äußerungen schon „unbeqeme Wahrheiten“. Genau diese Verschiebung bedroht hier die Menschenrechte einer ganzen Bevölkerungsgruppe: in Deutschland 531.600 (6,4 pro 10.000 Einwohner) und in den USA 771.480 Menschen (22,6 pro 10.000 Einwohner).

Die Politiker der westlichen Demokratieren ersticken derzeit geradezu in ihrer moralischen Empörung "gegen Rechts" und "Fakenews", die vor allem eins soll: antidemokratische Zensur legitimieren. Redaktionen steuern ein – mit Standards, Korrekturen, Schulungen. Werbetreibende handeln – Brand Safety gegen unliebsame Inhalte und Keywords. Plattformen erlassen Community-Richtlinien und hetzen trollende digitale Accounts gegen unliebsame Inhalte - bis zum dead internet.

Dabei wäre ein nüchterner Dreisatz wirksamer und demokratischer: Übertretungen benennen, Fakten liefern, Lösung zeigen. So bliebe der öffentliche Debattenraum intakt, ohne Zensur, aber mit Haltung – im Fall der Neuen Rechten genauso wie dem des Umgangs mit obdachlosen Menschen.

Was hieße das für Redaktionen, Werbetreibende und Plattformen?

Redaktionen: Zitate sauber einordnen, Dehumanisierung klar benennen, Standards sichtbar machen, on-air korrigieren, Teams schulen. Es gibt kein „War nur ein Scherz“, wenn Leben auf dem Spiel steht.

Werbung: Budgets aus Sendungen mit Eliminationsrhetorik abziehen, Agenturen briefen, Brand-Safety-Kriterien über politisch verordnete Empfindlichkeit hinaus erweitern. Wer bezahlt, trägt Mitverantwortung für Ton und Reichweite.

Plattformen: transparente Regeln zu realer Gewalt und Hass konsequent anwenden, Clips mit Kontext labeln, Reichweite für enthemmte Aufrufe nachvollziehbar einschränken, Ansprechpartner für Redaktionen anbieten. Moderation dient nicht der Meinungsarmut, sondern der Menschenwürde und der Transparenz.

Verantwortliche Politik jenseits des neoliberalen Reflexes

Diagnose

Neoliberalismus sortiert Menschen nach Verwertbarkeit. Wer keinen Profit verspricht, rutscht in drei Schubladen: Austerität (kürzen), Privatisierung (outsourcen) und Kriminalisierung (wegsperren). Diese Trias verschiebt Verantwortung auf die Einzelnen und macht soziale Risiken zu „individuellen Fehlern“. Ergebnis: für die Gesellschaft teure und für private Anbieter hochprofitable Notlösungen, mehr Leid, weniger Rechte.

Bruch mit dieser Logik heißt: Rechte nicht an den Beschäftigungs-Status knüpfen, Versorgung dekommodifizieren, Würde absichern—ohne Vorleistung, ohne „Verdienst“-Prüfung.

Rechte als Anspruch, statt als Belohnung

·         Recht auf Wohnen verankern: justiziabler Anspruch, Anti-Räumungs-Schutz, Leerstandsabgabe, Vorkaufsrechte für Kommunen, Zweckentfremdungsverbot mit Zähnen.

·         Rechtebasierte Psychiatrie ins Gesetz schreiben: Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerde- und Monitoringstellen mit Sanktionsmacht, verpflichtende Deeskalations- und Anti-Stigma-Standards.

·         Diversion vor Strafe: bei Krisen und Symptombelastung Vorrang für Behandlung statt Strafspur; verbindliche Schnittstellen zwischen Justiz, Kliniken, Housing First, ACT/FACT.

·         Diskriminierende Eignungsfiktionen streichen: Zugang zu Leistungen ohne Arbeitsfähigkeits-Label; soziale Grundrechte nicht an „Mitwirkung zur Verwertung“ koppeln.

·         Daten-Ethik festschreiben: Verbot von algorithmischem Risk-Scoring, das Armut/Erkrankung als Sicherheitsrisiko labelt; Transparenz- und Auditpflichten.

Leitidee: Grundrechte gelten ohne Ausnahme, gerade für verletzliche Gruppen. Nicht Verwertbarkeit, sondern Menschenwürde entscheidet.

Von Austerität zu sozialer Infrastruktur

·         Mittel umschichten: Weg von Notaufnahme, Gefängnis, Zweckunterkunft—hin zu Unterbringung, Krisen- und Peer-Support.

·         Mehrjahresbasis statt Projektflickwerk: verlässliche, inflationsgesicherte Budgets mit Qualitäts- und Ergebnisindikatoren, keine jährliche Bittstellerei.

·         Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen: psychiatrische und wohnungsnahe Versorgung nicht als Renditequelle behandeln; Gemeinwohl- und Non-Profit-Vorrang.

·         Boden- und Immobilienpolitik drehen: Bodenfonds, kommunale Vorkaufsrechte, Erbpachtmodelle, Leerstands- und Spekulationsabgaben, Zweckbindung von Grunderträgen an leistbare Wohnungen.

·         Pflege- und Sozialberufe aufwerten: Tarifbindung, Personal-Schlüssel, Supervision, Fortbildung—sonst bricht die Infrastruktur.

·         Datenqualität heben: standardisierte Kennzahlen (siehe unten) und öffentliche Dashboards; Budget folgt nachweislicher Wirkung, nicht PR.

Merksatz: Kontinuität spart Geld und Leid—Notlösungen verbrennen beides.

 Re-Kommunalisieren, dekommodifizieren, entkriminalisieren

·         Rekommunalisierte Wohnplattform: kommunale/landeseigene Gesellschaften erwerben Bestände, sanieren behutsam, vergeben an Housing-First-Klientel; Mietobergrenzen, Belegungsrechte, Sozialmix.

·         24/7-Krisenantwort ohne Polizei-Fokus: mobile Krisenteams, Kurzzeit-Stabilisierungsplätze, Peer-Run-Angebote; klare Einsatzprotokolle mit Deeskalation.

·         Gemeindenahe Versorgung flächendeckend: Team-Caseload ≤ 1:10, 24/7-Rufbereitschaft, gemeinsame Fallverantwortung, enge Verzahnung mit Bewährung/Sozialraum; Qualitätsaudit nach anerkannten Fidelity-Maßen.

·         „No-Wrong-Door“-Prinzip: egal wo der Einstieg liegt—Wohnung, Klinik, Streetwork—die Hilfe packt an, statt abzugreifen.

·         Teilhabe statt Kontrolle: Sozialticket, digitale Grundausstattung, Betreuungs- und Tagesstrukturplätze als Rechte, nicht als „Belohnung“.

Was sofort aufhören muss

·         Eliminationsrhetorik normalisieren: Schluss. On-air-Korrekturen, Standards, Schulungen; bei Wiederholung—Sendeplatz, Vertrag, Werbepartner prüfen.

·         Armut kriminalisieren: Weg mit Räumungen ohne Alternative, Vertreibungspolitik, „Sauberkeits“-Verordnungen gegen Sichtbarkeit statt Versorgung.

·         Projektitis: Keine Ein-Jahres-Pilotchen mehr, die zum nächsten Winter verschwinden.

·         Leistungs-Hürden: keine Pre-Conditions wie Abstinenzpflicht oder „Therapietreue“ als Zugangsvoraussetzung zu Wohnung und Hilfe.

Wir können uns neoliberale Verwaltung von Elend nicht leisten

Statt beredsamer Veröffentlichung von Output-Show-Statistiken (bearbeitete Anträge, Bescheide) zählen Outcomes:

·         Wohnstabilität nach 12/24/36 Monaten (Housing First).

·         Krisenreduktion: ungeplante stationäre Aufenthalte, Zwangsmaßnahmen, Polizeikontakte.

·         Gesundheit: Aufenthaltsdauer in Stabilität, Weiterbehandlung nach Entlassung (≤7 Tage).

·         Teilhabe: Kontaktfrequenz, Tagesstruktur, freiwillige Beschäftigung/Qualifizierung ohne Druck.

·         Wahrung der Menschenrechte: dokumentierte Beschwerden, Bearbeitungszeit, Abhilfequote, externe Audits.

·         Budgetverteilung: ≥60 % in Wohnen & Community-Care, ≤30 % in Akut/Forensik, ≤10 % in Verwaltung—jährlich veröffentlicht.

Von „Verwertbarkeit“ zu „Würde“

Die ordnungsstaatlichen Narrative, nicht nur der deutschen Bundesregierung, fordern: „Nur wer leistet, erhält Schutz.“ Eine demokratische Antwort wäre: „Schutz ist der Boden, auf dem Leistung überhaupt wächst.“ Das gilt für Arbeit, Nachbarschaften – und Gesellschaft als Ganzes – im Umgang mit psychisch Kranken.

Würde statt Verwertbarkeit verhindert den Rückfall in Denkfiguren, die zwischen 1939 und 1945 in die Katastrophe geführt haben. Erinnerung setzt die Grenze. Verantwortliche Politik, die ihren Namen verdient, respektiert sie.

Stattdessen:

Rechtlich

·         Ein Gleichgewicht zwischen den individuellen Freiheiten eines Einzelnen und dem berechtigten Handeln der Regierung (Due Process) sichern, Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerdestellen mit echter Sanktionsmacht, Diversion verbindlich priorisieren, Entlassmanagement verpflichtend umsetzen;

·         Recht auf Wohnen kodifizieren; diskriminierende Eignungsfiktionen streichen; algorithmische Risikobewertung regulieren.

Finanziell

·         Mittel dauerhaft bereitstellen; Personal aufstocken und tariflich absichern; Datenqualität verbessern und öffentlich machen; Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen; Boden- und Leerstandsabgaben einführen; kommunale Bestände aufbauen.

Praktisch

·         Kommunale Allianzen aus Gesundheit, Soziales, Justiz, Wohnungsamt, Zivilgesellschaft und Gedenkstätten; verpflichtende Schulungen, Führungskräfte-Briefings, gemeinsame Leitfäden; 24/7-Krisenteams; Re-Municipalisierung von Wohnraum; No-Wrong-Door im Alltag. Ergebnis: ein System, das trägt — ohne Verwertungszwang, mit Würdegarantie.

Welche Einwände tauchen auf – und wie antwortet man sachlich?

„Das war Humor.“

Ein Aufruf zur Tötung von psychisch kranken Menschen ist nicht komisch, sondern menschenverachtend. Außerdem: nicht einmal echter Humor entbände von Verantwortung. Wer Millionen erreicht, prägt Normen. Nur ein klares „Das überschreitet eine Grenze“, schützt Debattenräume.

„Harte Maßnahmen schützen die Öffentlichkeit.“

Gesellschaftliche Sicherheit wächst durch Versorgung, nicht durch Entmenschlichung. Gemeindenahe Versorgung reduziert Krisen, senkt Kosten und stabilisiert Nachbarschaften.

„Dafür fehlt das Geld.“

Sicher nicht, so lange für die Militarisierung Milliarden zur Verfügung stehen. Chaos reißt größere Löcher. Notaufnahmen, Polizeieinsätze, Haft, Zweckunterkünfte – all das kostet mehr als stabile Wohnungen und verlässliche Teams. Jeder vermiedene Kriseneinsatz entlastet Haushalte und Menschen.

Warum erinnert diese aktuelle TV-Debatte an T4 – ohne falsche Gleichsetzung?

Historische Vergleiche erfordern Genauigkeit. Die NS-Euthanasie war staatlich organisierter Massenmord. Die zitierte US-TV-Talkshow strahlt ein verantwortungslosen Talkshow-Beitrag unkommentiert aus, sie verabschiedet Gesetz, erteilt kein Befehl, schickt keinen grauen Bus.

Der Mechanismus der Entwertung bleibt jedoch erkennbar: die Worte entziehen betroffenen Menschen Würde, normalisieren Brutalität, verschieben Grenzen.

Erinnerung schafft einen moralischen Seismografen gegen derartiges Verhalten. Wer T4 kennt, reagiert sensibel, sobald Sprache die Person auslöscht. Diese Sensibilität bewahrt die offene Gesellschaft. Sie verhindert den Schritt vom Tabubruch zur Routine.

Gegenwart braucht daher zweierlei: klare rote Linien in der Mediensprache – und greifbare, evidenzbasierte Angebote in der Versorgung psychisch Kranker, die sich selbst nicht versorgen können.

Erinnerung entzieht Entmenschlichung die Bühne. Wer Geschichte ernst nimmt, fängt früh an, Grenzen zu setzen: im Satz, im Konferenzraum, im Stadtrat, im Studio. Erinnerung liefert den Kompass, Praxis liefert Wege. Erinnerung prägt die Räume, in denen Politik entschieden wird. So entsteht eine Kultur der Wachsamkeit.

Fazit: Würde, Behandlung, Wohnen und Rechte psychisch Kranker – vier Säulen gegen Rückfälle der Gesellschaft in alte Muster

Zwischen 1939 und 1945 verirrten sich Medizin, Verwaltung und Gesellschaft in ein System des Mordens. Heute liegt die Wahl offen: Wiederholung – oder entschlossene Gegenwartspolitik mit Erinnerung als Leitstern.

Am Anfang steht ein Satz im Studio. Am Ende steht ein Auftrag: Nie wieder Entwertung und Beseitigung als Lösung. Die Gegenwart verlangt in Bezug auf psychisch Kranke Haltung, Standard und Versorgung, basierend auf:

1.       Würde – Person vor Problem, keine Kollektivschuld.

2.       Versorgung – Krisendienste, Peer-Support.

3.       Wohnen – langfristige Finanzierung, verlässliche Netzwerke.

4.       Rechte – Beschwerdewege, klare Grenzen gegen Zwang und Gewalt.

Wichtigste Punkte auf einen Blick

·         NS-Euthanasie (Aktion T4): Ideologie, Bürokratie, „graue Busse“, Tötungsanstalten – ein warnendes Fundament für jede Gegenwartsdebatte.

·         Erinnerungskultur: Gedenkstätten und Bildungsarbeit schärfen Urteilsfähigkeit in Politik, Medien und Praxis.

·         Euthanasie-Rhetorik heute: Entmenschlichende Sprache verschiebt das den Debattenraum in Richtung Gewalt.

·         Fakten statt Klischees: Gewaltkorrelationen bestehen mit Armut, Ausschluss, und Substanzgebrauch – nicht mit Diagnosen.

·         Evidenzbasierte Lösungen: betreutes Wohnen, Krisendienste, Peer-Support senken Krisen und Kosten.

·         Was zählt, ist der Mensch, präzise, respektvoll – das schafft Zugang und Vertrauen.

·         Medien & Werbung: Standards, Korrekturen, Brand-Safety-Entscheidungen – klare Signale gegen Eliminationsrhetorik.

·         Plattformen: Regeln zu Gewalt und Hass transparent anwenden, Clips kontextualisieren.

·         Politik: Rechte sichern, Budgets gerecht umverteilen, lokale Allianzen bauen – Sicherheit durch Versorgung.

·         Kompass: Würde, Behandlung, Wohnen, Recht – ohne Ausnahmen.


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Neue Euthanasie-Rhetorik bei Fox – der nationalsozialistische Begriff Euthanasie im Kontext der deutschen Geschichte.

„Just kill them?“ – Warum diese Worte über Obdachlose an die NS-Euthanasie von 1939-1945 erinnern und was das für Psychiatrie, Medien und Politik bedeutet

Ja, Fox Moderator Brian Kilmeade hat das wirklich über psychisch kranke Obdachlose gesagt: „Unfreiwillige tödliche Injektion oder so etwas. Tötet sie einfach.“

Einleitung

Am Mittwoch, mitten in der medialen Aufregung um den tragischen Tod des konservativen Charlie Kirk, gab es eine Diskussion in der Sendung „Fox & Friends“, in der die Moderatoren über die Berichterstattung der Medien über die Ermordung des ukrainischen Flüchtlings Iryna Zarutska durch einen obdachlosen, psychisch kranken Mann sprachen, der bereits mehrfach verhaftet worden war.

In Gegenwart von Kilmeade und Ainsley Earhardt beklagte sich Co-Moderator Lawrence Jones: „Wir müssen das nicht – wir empfinden so viel Mitgefühl, weil wir die Krise im Bereich der psychischen Gesundheit sehen. Aber das ist nicht unsere Aufgabe – wir sollten nicht in Angst leben müssen, während sie herausfinden, was dort vor sich geht.“

Er fügte hinzu: „Sie haben Milliarden von Dollar für die psychische Gesundheit und die obdachlose Bevölkerung bereitgestellt. Viele von denen wollen die Programme nicht gar in Anspruch nehmen, viele von denen wollen die notwendige Hilfe nicht. Man kann ihnen keine Wahl lassen. Entweder man nimmt die Ressourcen, die wir denen zur Verfügung stellen, oder man entscheidet sich dafür, im Gefängnis zu landen. So muss das jetzt werden“, warf Kilmeade ein, „oder eine unfreiwillige tödliche Injektion.“ Jones stimmte zu, und Kilmeade ergänzte: „Oder so etwas in der Art. Tötet sie einfach.“ (https://www.youtube.com/shorts/9mq3oKI2KhY)

Achtzig Jahre nach dem erzwungenen Ende eines des nationalsozialistischen staatlichen Tötungsprogramms fallen also - konsequenzlos –  in einer öffentlich ausgestrahlten US-TV-Show in Bezug auf psychisch kranke Obdachlose die Worte; „involuntary lethal injection … just kill them“. Gemeint sind Menschen, denen eine Überflussgesellschaft wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht nur eine ausreichende Versorgung sondern auch eine menschenwürdige Unterkunft verweigert.

Dabei sollte so ein, hierzulande vollkommen unbeachteter, TV-Skandal, einen blanken Nerv treffen. Die nationalsozialistische Euthanasie stellt ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte dar. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms systematisch kranke und behinderte Menschen ermordet. Diese Tötung unschuldiger Menschen, die als "lebensunwert" galten, basierte auf einer ideologischen Grundlage der Eugenik und Rassenhygiene, die in der Zeit des Nationalsozialismus vorherrschte. Ziel war die "Reinhaltung" des "deutschen Volkskörpers" durch die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“.

Worum es geht:

·         die Geschichte der NS-Euthanasie (Aktion T4, 1939–1945): Ideologie, Bürokratie, Täterprofile, die „grauen Busse“ und die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim,

·         wie Medienrhetorik den Debattenraum verschiebt,

·         wie Stigma politische Entscheidungen prägt, und

·         welche Leben schützen.

Es geht um klare rote Linien, gelebte Erinnerungskultur und konkrete Lösungen mit Blick auf den Umgang der westlichen Gesellschaft mit chronisch psychisch kranken Menschen.

Euthanasie im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus

Der Begriff Euthanasie, der ursprünglich einen sanften, schmerzlosen Sterbeprozess bezeichnete, wurde von den Nationalsozialisten pervertiert und zur Rechtfertigung ihrer Verbrechen missbraucht. Die Aktion T4, benannt nach der Adresse Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die zentralen Planungen stattfanden, markiert den Beginn des systematischen Massenmords. Die Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich wurden zu Orten des Schreckens, in denen Ärzte und Pflegepersonal zu Tätern wurden.

Einführung in die Euthanasie-Ideologie

Die Euthanasie-Ideologie des Nationalsozialismus fußte auf der Vorstellung, dass Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eine Belastung für die Gesellschaft darstellen. Diese Ideologie wurde durch Propaganda verbreitet und diente dazu, die Bevölkerung für die Ermordung kranker und behinderter Menschen zu gewinnen. Die Nationalsozialisten konstruierten ein Bild von "minderwertigem" Leben, um ihre grausamen Taten zu rechtfertigen. Die Kranken wurden nicht als Menschen wahrgenommen, sondern als Gegenstand nationalsozialistischer „Rassenhygiene“.

Die Rolle des Staates in der Euthanasie-Praxis

Der Staat spielte die zentrale Rolle bei der NS-Euthanasie. Die Kanzlei des Führers war maßgeblich an der Planung und Genehmigung der Morde beteiligt. Die Anstalten wurden angewiesen, Patienten zu melden, die als "lebensunwert" galten. Gutachter entschieden dann über Leben und Tod. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer zu den Tötungsanstalten, wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg, wo sie vergast oder auf andere Weise ermordet wurden.

Gesetzgebung und Euthanasie während der NS-Zeit

Obwohl es kein formelles Gesetz zur Legalisierung der Euthanasie gab, schufen die Nationalsozialisten eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der die Tötung kranker und behinderter Menschen nicht geahndet wurde. Im August 1941 stoppte Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks. Die Ermordung von Kranken und Behinderten ging jedoch in den Heil- und Pflegeanstalten weiter. Bis 1945 wurden schätzungsweise 70.000 Menschen im Rahmen der Aktion T4 und der dezentralen Tötungen in den Anstalten ermordet.

Die Opfer der Euthanasie-Programme

Die 1939-1945 von den Nationalsozialisten durchgeführten Euthanasie-Programme forderten unzählige Opfer.

Grundlage war der „Würzburger Schlüssel”, ein Klassifikationssystem für psychiatrische Diagnosen, das im Rahmen der Aktion T4 zur bürokratischen und systematischen Erfassung und Selektion der Opfer diente. Bei der stichprobenartigen Aufarbeitung der Krankenakten der Aktion T4 fand sich folgende Zahlen:

Diagnose

 

Prozent

1 = Schwachsinn (angeboren und früh erworben)

Geistige Behinderung, meist von Geburt an oder frühkindlich erworben.

28,3

3 = Progressive Paralyse

Fortschreitender geistiger Abbau durch eine Infektion.

3,9

4 = Tabes, Lues, psychische Störungen

Psychische Folgen einer chronischen Syphilis-Infektion

1,1

5 = Encephalitis epidemica

Psychische Folgen einer Infektiösen Hirnhautentzündung

1,1

6 = Psychische Störung des höheren Lebensalters

Demenz oder andere schwere geistige Einschränkungen im Alter

2,2

13 = Epilepsie

Anfallsleiden, bei dem es zu Krampfanfällen kommt

12,2

14 = Schizophrener Formenkreis

Schizophrenie und ähnliche Psychsoen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen

50

15 = Manisch-depressiver Formenkreis

Bipolare Störung

0,5

16 = Psychopathische Persönlichkeiten

Menschen mit auffälligen, verantwortungslosen oder kriminellen Verhaltensweisen

0,5

 

Kranke und behinderte Menschen wurden systematisch erfasst, begutachtet und in Tötungsanstalten wie Grafeneck, Hadamar und Bernburg deportiert. Dort wurden sie durch tödliche Injektionen oder Vergasung ermordet. Die „Aktion T4“ und die dezentralen Tötungen in den Heil- und Pflegeanstalten betrafen nicht nur Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, sondern auch psychisch kranke Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und solche, die als „arbeitsscheu“ oder „asozial“ galten. Die Nationalsozialisten definierten den Begriff Euthanasie pervers und missbrauchten ihn, um die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zu rechtfertigen. Die Biografien der einzelnen Opfer sind weitgehend unbekannt, doch die Gedenkstätten versuchen, ihre Geschichten zu rekonstruieren und ihnen ein Gesicht zu geben.

Gesellschaftliche Reaktionen auf die Euthanasie-Verbrechen

Die gesellschaftlichen Reaktionen auf die NS-Euthanasie waren vielfältig und ambivalent. Während die Nationalsozialisten versuchten, die Bevölkerung durch Propaganda von der Notwendigkeit der Euthanasie im Sinne der „Rassenhygiene“ zu überzeugen, gab es auch Widerstand und Ablehnung. Insbesondere Angehörige von Patienten in Heil- und Pflegeanstalten protestierten gegen die Tötung ihrer Familienmitglieder. Auch Teile der Kirche äußerten Kritik an den Verbrechen. Allerdings war die Angst vor Repressionen groß, sodass offener Widerstand selten war. Nach August 1941, als Hitler die Aktion T4 aufgrund des öffentlichen Drucks stoppte, gingen die Tötungen im Verborgenen weiter. Nach 1945 begann die Aufarbeitung der Verbrechen, doch die Erinnerung an die NS-Euthanasie ist bis heute ein schmerzhaftes Kapitel der deutschen Geschichte. Die Kanzlei des Führers war verantwortlich für die Tötung der kranken Menschen.

Langfristige Folgen für die Gesellschaft

Die NS-Euthanasie hatte langfristige Folgen für die Gesellschaft. Das Vertrauen in die Medizin und das Gesundheitswesen wurde nachhaltig erschüttert. Die Ermordung von 70.000 Menschen durch Ärzte und Pflegepersonal in Anstalten untergrub das ethische Fundament der ärztlichen Tätigkeit. Die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen verstärkte sich. Erst allmählich begann ein Umdenken, das zu einer inklusiveren Gesellschaft führte. Die Auseinandersetzung mit der NS-Euthanasie trug dazu bei, dass der Wert jedes einzelnen Lebens anerkannt wurde, unabhängig von dessen vermeintlicher „Nützlichkeit“ für die Gesellschaft. Die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie mahnt zur Wachsamkeit gegenüber jeder Form von Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Auseinandersetzung mit der Medizingeschichte hilft, ähnliche Verbrechen in der Zukunft zu verhindern. Die „grauen Busse“ transportierten die Opfer in Tötungsanstalten wie Hartheim.

Wichtige Gedenkstätten zur Euthanasie

Die Erinnerung an die 1939-1945 im Rahmen der NS-Euthanasie verübten Verbrechen ist von zentraler Bedeutung, um die Gräueltaten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Gedenkstätten wurden errichtet, um an die Opfer der Euthanasie zu erinnern und die historischen Ereignisse aufzuarbeiten. Zu den wichtigsten Gedenkstätten zählen die ehemaligen Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg und Hartheim. Diese Anstalten dienten der Ermordung kranker und behinderter Menschen während der Aktion T4. Auch in anderen Heil- und Pflegeanstalten, in denen dezentrale Tötungen stattfanden, gibt es heute Gedenkstätten, die an das Leid der Patienten erinnern.

Erinnerungskultur und Aufarbeitung der Verbrechen

Die Erinnerungskultur spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Euthanasie. Durch Ausstellungen, Dokumentationen und Bildungsprogramme wird die Geschichte der Euthanasie im Sinne der Nationalsozialisten lebendig gehalten und einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Zeitzeugenberichte, wo vorhanden, spielen eine wichtige Rolle, um das persönliche Leid der Opfer zu verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit der Ideologie und den Motiven der Täter ist unerlässlich, um zu verstehen, wie es zu diesen Verbrechen kommen konnte. Dabei wird der Begriff Euthanasie kritisch hinterfragt und die Perversion des Begriffs durch die Nationalsozialisten thematisiert. Diese Aufarbeitung leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Medizingeschichte.

Bildungsinitiativen zur Euthanasie-Geschichte

Um sicherzustellen, dass die Geschichte der NS-Euthanasie nicht in Vergessenheit gerät, sind Bildungsinitiativen von großer Bedeutung. Diese Initiativen richten sich an Schüler, Studenten und die breite Öffentlichkeit und vermitteln Wissen über die historischen Ereignisse, die ideologischen Hintergründe und die Folgen der Euthanasie. Durch Exkursionen zu den Gedenkstätten, Workshops und Seminare werden die Teilnehmer für die Thematik sensibilisiert und zur kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit angeregt. Die Gedenkstätten und Bildungsträger arbeiten zusammen, um die Erinnerung an die Opfer der NS-Euthanasie wachzuhalten und ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu setzen.

Was geschah in der Fox-Talkshow – und warum ist das brandgefährlich?

Ausgangspunkt ist der oben beschriebene kurze Fernsehausschnitt: „involuntary lethal injection … just kill them“ – ausgesagt über Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung, die, unversorgt, gezwungen sind, in Obdachlosigkeit zu leben. Millionen US-Amerikaner hörten mit. Der Satz stand nicht im Kommentarbereich eines anonymen Accounts, sondern in einer großen überregionalen Morning-Show.

Sprache rahmt Denken. Wer „einfach töten“ in den Raum stellt, verlagert die Debatte weg von Versorgung, Würde und Recht – hin zur Entsorgung. Genau hier entsteht eine brandgefährliche Normalisierung. Einmal ausgesprochen, wirkt die Formel bei jeder Wiederholung weniger fremd.

Die Debatte berührt reale Ängste: sichtbare Armut, Überforderung der Dienste, Einzelfälle mit Gewalt. Gerade dann braucht es Haltung. Sonst rutscht die Öffentlichkeit in den schnellen Reflex: Härte statt Hilfe, Wegsperren statt Versorgung, Schweigen statt Standards.

Psychische Erkrankungen und Obdachlosigkeit in Zahlen

Die folgenden Zahlen zur Häufigkeit psychischer Erkrankungen finden sich in der obdachlosen Bevölkerung in den USA und Deutschland:

Diagnose (moderne Entsprechung)

Deutschland (%)

USA (%)

Intellektuelle Beeinträchtigung (Schwachsinn)

1–5

1–5

Neurokognitive Störung durch Syphilis (Progressive Paralyse, Tabes, Lues)

<1

<1

Neurokognitive Störung durch andere Ursachen (Enzephalitis, Alter)

2–5

2–5

Epilepsie

1–3

1–3

Schizophrenie-Spektrum-Störungen

10–30

7–12,4

Bipolare Störung (manisch-depressiver Formenkreis)

7–10

7,3–8

Dissoziale/antisoziale Persönlichkeitsstörung

10–25

23–26


  • Die Prozentwerte sind gerundet und als Schätzbereiche angegeben, da die Datenlage je nach Studie variiert.

  • Kategorien wie „Psychische Störung des höheren Lebensalters“ sind heute meist unter Demenz/Alterspsychiatrie subsumiert.

  • Die Kategorie „Psychopathische Persönlichkeiten“ entspricht heute der dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung.

Vergleichen Sie gern selbst die historische Tabelle mit aktuellen Daten!

  • Unter den Opfern der NS-Zeit dominierten schwere Störungen (Schizophrenie, Schwachsinn) die Statistiken, die in Einrichtungen betreut werden mussten.

  • Heute stehen affektive und Angststörungen im Vordergrund, schwere Formen der Schizophrenie sind seltener, aber weiterhin relevant.

  • Auffällig ist der Rückgang chronischer neurologischer und psychischer Folgen bakterieller und viraler Infektionen durch Impfungen und Antibiotika.

  • Alle Unterschiede sind Folge von Fortschritten in Diagnostik, gesellschaftlichem Wandel und veränderten Versorgungsstrukturen.

Dabei ist in Deutschland die Häufigkeit psychischer Erkrankungen allgemein bei Obdachlosen etwa drei- bis viermal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Besonders substanzbezogene Störungen (v.a. Alkoholabhängigkeit) und psychotische Störungen (z.B. Schizophrenie) sind bei Obdachlosen um ein Vielfaches häufiger: Schizophrenie etwa 10- bis 30-mal häufiger, Suchterkrankungen etwa 20-mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung.

Ursachen in der westlichen Welt sind:

  • die Wechselwirkung von Armut, sozialer Ausgrenzung und psychischer Erkrankung,

  • das erhöhte Risiko für Obdachlosigkeit bei schweren psychischen Erkrankungen,

  • der mangelnde Zugang zu Behandlung und Prävention und

  • das häufige gemeinsame Auftreten der andern psychischen mit Suchterkrankungen.

Das unterstreicht den dringenden Bedarf an niedrigschwelligen, integrierten Hilfsangeboten und gezielter Prävention für diese besonders verletzlichen Menschen. Das Leid der Betroffenen ist nicht von ihnen selbst, sondern von der Gesellschaft verursacht, deren konservative Politiker traditionell dm Sozialdarwinismus huldigen, und deren TV-Moderatoren scheinbar wieder  ungestraft zur Euthanasie-Rhetorik übergehen.

Erhöht psychische Krankheit tatsächlich die Gewaltbereitschaft Betroffener? Was sagen Forschung und Praxis?

Das Klischee „psychisch krank = gefährlich“ dominiert ordnungsstaatliche Diskurse. Daten zeichnen ein anderes Muster. Armut, Substanzgebrauch, Ausschluss und fehlende Behandlungskontinuität erhöhen Risiken. Die breite Mehrheit lebt friedlich, erleidet selbst Gewalt, vermeidet Konflikte.

Die Politik schafft das Elend, auf dem Versorgunglücken und sozialer Abstieg gedeihen, statt klarer Prioritäten: Behandlung, Wohnstabilität, sozialräumliche Einbindung. Diese Faktoren senken Krisenhäufigkeit, entlasten Notaufnahmen, reduzieren Polizeikontakte. Sicherheit entsteht aus Versorgung – rechtsstaatlich, wirksam, menschlich.

Das Narrativ dreht sich damit um: Nicht die Person ist das „Problem“, sondern ein Versorgungssystem mit Lücken. Wer Lücken schließt, schützt Nachbarschaften und Biografien.

Dabei gibt es in den USA wirksame Lösungen zum Schutz von Leben und Öffentlichkeit: Housing First, ACT, FACT.

Housing First setzt Wohnen an den Anfang. Eigene Wohnung, Miete, Schlüssel – ohne Vorbedingungen. Unterstützende Dienste folgen: ambulante Psychiatrie, Sozialarbeit, Peer-Support. Stabilität löst Druck aus dem Kessel. Krisen nehmen ab, Struktur entsteht, Zuversicht wächst.

ACT (Assertive Community Treatment) arbeitet in multiprofessionell, aktiv, mit 24/7-Rufbereitschaft. Das Team bleibt dran, koordiniert Übergänge, verhindert Drehtürverläufe zwischen Straße, Station und Haft.

FACT (Forensic ACT) verbindet dieses Modell mit justiznaher Kooperation – Ziel: Rückfallprävention, Behandlungstreue, Teilhabe.

Solche Ansätze liefern messbare Ergebnisse: mehr Wohnstabilität, weniger Zwang, geringere Gesamtkosten. Sie respektieren Rechte und erhöhen Sicherheit – nicht gegeneinander, sondern zusammen.

Was bedeutet Euthanasie-Rhetorik heute?

Euthanasie-Rhetorik bezeichnet Sprache, die eine Gruppe als „entbehrlich“ markiert und staatliche Tötung als „Lösung“ andeutet – direkt oder mit Anspielungen. Sie raubt Menschen ihre Würde, bevor Gesetze, Budgets oder Maßnahmen folgen.

Derartige Rhetorik greift im Neoliberalismus die historisch bekannten Perspektiven auf. Ihre Narrative jonglieren mit Etikettierungen wie „Ballast“, „Belastung“, „Kostenfaktor“. Sie stellen gar nicht die Frage nach Behandlung, Wohnen oder Teilhabe, sondern nach Überwachung, Inhaftierung und Beseitigung. Aus Worten entstehen – heute wie damals– Bilder, aus Bildern Haltungen, und Haltungen rechtfertigen Politik.

Menschen mit psychischen Störungen erleben Brüche, Wohnungsverlust, Ausgrenzung. Würde entstünde durch Behandlung, Beziehung und Stabilität, statt diskriminierender Drohungen.

Was lehrt die Aktion T4 (1939–1945) in Bezug auf den TV-Auftritt?

Schätzungen nennen rund 70.000 Ermordete im Rahmen der zentralen T4-Phase; danach liefen dezentrale Tötungen bis Kriegsende weiter.

Täter trugen Kittel und Uniform. Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Fahrer – ein arbeitsteiliges System, das Morden in scheinbar normale Arbeitsabläufe kleidete. Die „grauen Busse“ holten Menschen ab; die Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Hartheim setzten das Verbrechen um. Der Mord erhielt euphemistische Namen, Formulare, Stempel.

Die T4-Verbrechen entstanden aber nicht spontan. Eugenik und „Rassenhygiene“ lieferten die Ideologie, Propaganda verbreitete sie. Die Kanzlei des Führers koordinierte, Gutachter entschieden, Anstalten meldeten, Busse fuhren. Der Staat schuf eine Atmosphäre der Straflosigkeit, in der Mord als „Behandlung“ erschien.

Ihr Kern war die Entpersönlichung. Menschen erschienen als Aktenzeichen, Bettenzahl, Kostensatz. Dieses Raster trennte Gesichter von Geschichten. Es erleichterte Tätern das Handeln und Zuschauenden das Wegsehen. Genau hier setzt Erinnerung an: Zahlen erhalten Namen, Orte erhalten Stimmen.

Die Lektion muss klar sein: Ideologie plus Bürokratie plus Schweigen erzeugt Gewalt. Wo die Gesellschaft das „Ob“ moralisch verwässert, rutschen Institutionen in ein „Wie“.

Schutz der Menschenrechte statt lediglich politisch korrektem Sprachgebrauch – rechtebasierte Psychiatrie

Politisch korrekter Wortgebrauch korrigiert keine menschenverachtenden Entscheidungen. Diverses Geschwafel von „Menschen mit Schizophrenie“ statt „Schizophrene“, „Menschen ohne Wohnung“ statt „die Obdachlosen“ bleiben verbale Spiegelfechterei, wenn die Betroffenen in der Realität unsichtbar und zu Verwaltungsakten deklassiert werden. Nur eine rechtebasierte Psychiatrie verankert Autonomie, Einwilligung, Beschwerdewege und Gewaltprävention.

Die Regel ist einfach: Mensch statt Problem. Ein respektvoller Umgang einer Gesellschaft mit Betroffenen reduziert Stigma, erleichtert Zugang, baut Vertrauen auf. In Kliniken, Behörden, Redaktionen, Schulen – braucht es statt politisch korrekter Wortwahl eine Handlungskultur. Genau hier beginnt professionelle Verantwortung.

Wie verschiebt die Medienrhetorik den Debattenraum?

Der Debattenraum beschreibt, was öffentlich als sagbar und denkbar gilt. Der drastische Satz des konservativen Moderators verrückt dieses Fenster. Beim ersten Mal folgt noch Empörung, beim zweiten Mal vielleicht ein Schulterzucken. Beim dritten Mal werden aus derartigen Äußerungen schon „unbeqeme Wahrheiten“. Genau diese Verschiebung bedroht hier die Menschenrechte einer ganzen Bevölkerungsgruppe: in Deutschland 531.600 (6,4 pro 10.000 Einwohner) und in den USA 771.480 Menschen (22,6 pro 10.000 Einwohner).

Die Politiker der westlichen Demokratieren ersticken derzeit geradezu in ihrer moralischen Empörung "gegen Rechts" und "Fakenews", die vor allem eins soll: antidemokratische Zensur legitimieren. Redaktionen steuern ein – mit Standards, Korrekturen, Schulungen. Werbetreibende handeln – Brand Safety gegen unliebsame Inhalte und Keywords. Plattformen erlassen Community-Richtlinien und hetzen trollende digitale Accounts gegen unliebsame Inhalte - bis zum dead internet.

Dabei wäre ein nüchterner Dreisatz wirksamer und demokratischer: Übertretungen benennen, Fakten liefern, Lösung zeigen. So bliebe der öffentliche Debattenraum intakt, ohne Zensur, aber mit Haltung – im Fall der Neuen Rechten genauso wie dem des Umgangs mit obdachlosen Menschen.

Was hieße das für Redaktionen, Werbetreibende und Plattformen?

Redaktionen: Zitate sauber einordnen, Dehumanisierung klar benennen, Standards sichtbar machen, on-air korrigieren, Teams schulen. Es gibt kein „War nur ein Scherz“, wenn Leben auf dem Spiel steht.

Werbung: Budgets aus Sendungen mit Eliminationsrhetorik abziehen, Agenturen briefen, Brand-Safety-Kriterien über politisch verordnete Empfindlichkeit hinaus erweitern. Wer bezahlt, trägt Mitverantwortung für Ton und Reichweite.

Plattformen: transparente Regeln zu realer Gewalt und Hass konsequent anwenden, Clips mit Kontext labeln, Reichweite für enthemmte Aufrufe nachvollziehbar einschränken, Ansprechpartner für Redaktionen anbieten. Moderation dient nicht der Meinungsarmut, sondern der Menschenwürde und der Transparenz.

Verantwortliche Politik jenseits des neoliberalen Reflexes

Diagnose

Neoliberalismus sortiert Menschen nach Verwertbarkeit. Wer keinen Profit verspricht, rutscht in drei Schubladen: Austerität (kürzen), Privatisierung (outsourcen) und Kriminalisierung (wegsperren). Diese Trias verschiebt Verantwortung auf die Einzelnen und macht soziale Risiken zu „individuellen Fehlern“. Ergebnis: für die Gesellschaft teure und für private Anbieter hochprofitable Notlösungen, mehr Leid, weniger Rechte.

Bruch mit dieser Logik heißt: Rechte nicht an den Beschäftigungs-Status knüpfen, Versorgung dekommodifizieren, Würde absichern—ohne Vorleistung, ohne „Verdienst“-Prüfung.

Rechte als Anspruch, statt als Belohnung

·         Recht auf Wohnen verankern: justiziabler Anspruch, Anti-Räumungs-Schutz, Leerstandsabgabe, Vorkaufsrechte für Kommunen, Zweckentfremdungsverbot mit Zähnen.

·         Rechtebasierte Psychiatrie ins Gesetz schreiben: Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerde- und Monitoringstellen mit Sanktionsmacht, verpflichtende Deeskalations- und Anti-Stigma-Standards.

·         Diversion vor Strafe: bei Krisen und Symptombelastung Vorrang für Behandlung statt Strafspur; verbindliche Schnittstellen zwischen Justiz, Kliniken, Housing First, ACT/FACT.

·         Diskriminierende Eignungsfiktionen streichen: Zugang zu Leistungen ohne Arbeitsfähigkeits-Label; soziale Grundrechte nicht an „Mitwirkung zur Verwertung“ koppeln.

·         Daten-Ethik festschreiben: Verbot von algorithmischem Risk-Scoring, das Armut/Erkrankung als Sicherheitsrisiko labelt; Transparenz- und Auditpflichten.

Leitidee: Grundrechte gelten ohne Ausnahme, gerade für verletzliche Gruppen. Nicht Verwertbarkeit, sondern Menschenwürde entscheidet.

Von Austerität zu sozialer Infrastruktur

·         Mittel umschichten: Weg von Notaufnahme, Gefängnis, Zweckunterkunft—hin zu Unterbringung, Krisen- und Peer-Support.

·         Mehrjahresbasis statt Projektflickwerk: verlässliche, inflationsgesicherte Budgets mit Qualitäts- und Ergebnisindikatoren, keine jährliche Bittstellerei.

·         Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen: psychiatrische und wohnungsnahe Versorgung nicht als Renditequelle behandeln; Gemeinwohl- und Non-Profit-Vorrang.

·         Boden- und Immobilienpolitik drehen: Bodenfonds, kommunale Vorkaufsrechte, Erbpachtmodelle, Leerstands- und Spekulationsabgaben, Zweckbindung von Grunderträgen an leistbare Wohnungen.

·         Pflege- und Sozialberufe aufwerten: Tarifbindung, Personal-Schlüssel, Supervision, Fortbildung—sonst bricht die Infrastruktur.

·         Datenqualität heben: standardisierte Kennzahlen (siehe unten) und öffentliche Dashboards; Budget folgt nachweislicher Wirkung, nicht PR.

Merksatz: Kontinuität spart Geld und Leid—Notlösungen verbrennen beides.

 Re-Kommunalisieren, dekommodifizieren, entkriminalisieren

·         Rekommunalisierte Wohnplattform: kommunale/landeseigene Gesellschaften erwerben Bestände, sanieren behutsam, vergeben an Housing-First-Klientel; Mietobergrenzen, Belegungsrechte, Sozialmix.

·         24/7-Krisenantwort ohne Polizei-Fokus: mobile Krisenteams, Kurzzeit-Stabilisierungsplätze, Peer-Run-Angebote; klare Einsatzprotokolle mit Deeskalation.

·         Gemeindenahe Versorgung flächendeckend: Team-Caseload ≤ 1:10, 24/7-Rufbereitschaft, gemeinsame Fallverantwortung, enge Verzahnung mit Bewährung/Sozialraum; Qualitätsaudit nach anerkannten Fidelity-Maßen.

·         „No-Wrong-Door“-Prinzip: egal wo der Einstieg liegt—Wohnung, Klinik, Streetwork—die Hilfe packt an, statt abzugreifen.

·         Teilhabe statt Kontrolle: Sozialticket, digitale Grundausstattung, Betreuungs- und Tagesstrukturplätze als Rechte, nicht als „Belohnung“.

Was sofort aufhören muss

·         Eliminationsrhetorik normalisieren: Schluss. On-air-Korrekturen, Standards, Schulungen; bei Wiederholung—Sendeplatz, Vertrag, Werbepartner prüfen.

·         Armut kriminalisieren: Weg mit Räumungen ohne Alternative, Vertreibungspolitik, „Sauberkeits“-Verordnungen gegen Sichtbarkeit statt Versorgung.

·         Projektitis: Keine Ein-Jahres-Pilotchen mehr, die zum nächsten Winter verschwinden.

·         Leistungs-Hürden: keine Pre-Conditions wie Abstinenzpflicht oder „Therapietreue“ als Zugangsvoraussetzung zu Wohnung und Hilfe.

Wir können uns neoliberale Verwaltung von Elend nicht leisten

Statt beredsamer Veröffentlichung von Output-Show-Statistiken (bearbeitete Anträge, Bescheide) zählen Outcomes:

·         Wohnstabilität nach 12/24/36 Monaten (Housing First).

·         Krisenreduktion: ungeplante stationäre Aufenthalte, Zwangsmaßnahmen, Polizeikontakte.

·         Gesundheit: Aufenthaltsdauer in Stabilität, Weiterbehandlung nach Entlassung (≤7 Tage).

·         Teilhabe: Kontaktfrequenz, Tagesstruktur, freiwillige Beschäftigung/Qualifizierung ohne Druck.

·         Wahrung der Menschenrechte: dokumentierte Beschwerden, Bearbeitungszeit, Abhilfequote, externe Audits.

·         Budgetverteilung: ≥60 % in Wohnen & Community-Care, ≤30 % in Akut/Forensik, ≤10 % in Verwaltung—jährlich veröffentlicht.

Von „Verwertbarkeit“ zu „Würde“

Die ordnungsstaatlichen Narrative, nicht nur der deutschen Bundesregierung, fordern: „Nur wer leistet, erhält Schutz.“ Eine demokratische Antwort wäre: „Schutz ist der Boden, auf dem Leistung überhaupt wächst.“ Das gilt für Arbeit, Nachbarschaften – und Gesellschaft als Ganzes – im Umgang mit psychisch Kranken.

Würde statt Verwertbarkeit verhindert den Rückfall in Denkfiguren, die zwischen 1939 und 1945 in die Katastrophe geführt haben. Erinnerung setzt die Grenze. Verantwortliche Politik, die ihren Namen verdient, respektiert sie.

Stattdessen:

Rechtlich

·         Ein Gleichgewicht zwischen den individuellen Freiheiten eines Einzelnen und dem berechtigten Handeln der Regierung (Due Process) sichern, Zwang eng begrenzen, unabhängige Beschwerdestellen mit echter Sanktionsmacht, Diversion verbindlich priorisieren, Entlassmanagement verpflichtend umsetzen;

·         Recht auf Wohnen kodifizieren; diskriminierende Eignungsfiktionen streichen; algorithmische Risikobewertung regulieren.

Finanziell

·         Mittel dauerhaft bereitstellen; Personal aufstocken und tariflich absichern; Datenqualität verbessern und öffentlich machen; Gewinnentnahme in Kernbereichen begrenzen; Boden- und Leerstandsabgaben einführen; kommunale Bestände aufbauen.

Praktisch

·         Kommunale Allianzen aus Gesundheit, Soziales, Justiz, Wohnungsamt, Zivilgesellschaft und Gedenkstätten; verpflichtende Schulungen, Führungskräfte-Briefings, gemeinsame Leitfäden; 24/7-Krisenteams; Re-Municipalisierung von Wohnraum; No-Wrong-Door im Alltag. Ergebnis: ein System, das trägt — ohne Verwertungszwang, mit Würdegarantie.

Welche Einwände tauchen auf – und wie antwortet man sachlich?

„Das war Humor.“

Ein Aufruf zur Tötung von psychisch kranken Menschen ist nicht komisch, sondern menschenverachtend. Außerdem: nicht einmal echter Humor entbände von Verantwortung. Wer Millionen erreicht, prägt Normen. Nur ein klares „Das überschreitet eine Grenze“, schützt Debattenräume.

„Harte Maßnahmen schützen die Öffentlichkeit.“

Gesellschaftliche Sicherheit wächst durch Versorgung, nicht durch Entmenschlichung. Gemeindenahe Versorgung reduziert Krisen, senkt Kosten und stabilisiert Nachbarschaften.

„Dafür fehlt das Geld.“

Sicher nicht, so lange für die Militarisierung Milliarden zur Verfügung stehen. Chaos reißt größere Löcher. Notaufnahmen, Polizeieinsätze, Haft, Zweckunterkünfte – all das kostet mehr als stabile Wohnungen und verlässliche Teams. Jeder vermiedene Kriseneinsatz entlastet Haushalte und Menschen.

Warum erinnert diese aktuelle TV-Debatte an T4 – ohne falsche Gleichsetzung?

Historische Vergleiche erfordern Genauigkeit. Die NS-Euthanasie war staatlich organisierter Massenmord. Die zitierte US-TV-Talkshow strahlt ein verantwortungslosen Talkshow-Beitrag unkommentiert aus, sie verabschiedet Gesetz, erteilt kein Befehl, schickt keinen grauen Bus.

Der Mechanismus der Entwertung bleibt jedoch erkennbar: die Worte entziehen betroffenen Menschen Würde, normalisieren Brutalität, verschieben Grenzen.

Erinnerung schafft einen moralischen Seismografen gegen derartiges Verhalten. Wer T4 kennt, reagiert sensibel, sobald Sprache die Person auslöscht. Diese Sensibilität bewahrt die offene Gesellschaft. Sie verhindert den Schritt vom Tabubruch zur Routine.

Gegenwart braucht daher zweierlei: klare rote Linien in der Mediensprache – und greifbare, evidenzbasierte Angebote in der Versorgung psychisch Kranker, die sich selbst nicht versorgen können.

Erinnerung entzieht Entmenschlichung die Bühne. Wer Geschichte ernst nimmt, fängt früh an, Grenzen zu setzen: im Satz, im Konferenzraum, im Stadtrat, im Studio. Erinnerung liefert den Kompass, Praxis liefert Wege. Erinnerung prägt die Räume, in denen Politik entschieden wird. So entsteht eine Kultur der Wachsamkeit.

Fazit: Würde, Behandlung, Wohnen und Rechte psychisch Kranker – vier Säulen gegen Rückfälle der Gesellschaft in alte Muster

Zwischen 1939 und 1945 verirrten sich Medizin, Verwaltung und Gesellschaft in ein System des Mordens. Heute liegt die Wahl offen: Wiederholung – oder entschlossene Gegenwartspolitik mit Erinnerung als Leitstern.

Am Anfang steht ein Satz im Studio. Am Ende steht ein Auftrag: Nie wieder Entwertung und Beseitigung als Lösung. Die Gegenwart verlangt in Bezug auf psychisch Kranke Haltung, Standard und Versorgung, basierend auf:

1.       Würde – Person vor Problem, keine Kollektivschuld.

2.       Versorgung – Krisendienste, Peer-Support.

3.       Wohnen – langfristige Finanzierung, verlässliche Netzwerke.

4.       Rechte – Beschwerdewege, klare Grenzen gegen Zwang und Gewalt.

Wichtigste Punkte auf einen Blick

·         NS-Euthanasie (Aktion T4): Ideologie, Bürokratie, „graue Busse“, Tötungsanstalten – ein warnendes Fundament für jede Gegenwartsdebatte.

·         Erinnerungskultur: Gedenkstätten und Bildungsarbeit schärfen Urteilsfähigkeit in Politik, Medien und Praxis.

·         Euthanasie-Rhetorik heute: Entmenschlichende Sprache verschiebt das den Debattenraum in Richtung Gewalt.

·         Fakten statt Klischees: Gewaltkorrelationen bestehen mit Armut, Ausschluss, und Substanzgebrauch – nicht mit Diagnosen.

·         Evidenzbasierte Lösungen: betreutes Wohnen, Krisendienste, Peer-Support senken Krisen und Kosten.

·         Was zählt, ist der Mensch, präzise, respektvoll – das schafft Zugang und Vertrauen.

·         Medien & Werbung: Standards, Korrekturen, Brand-Safety-Entscheidungen – klare Signale gegen Eliminationsrhetorik.

·         Plattformen: Regeln zu Gewalt und Hass transparent anwenden, Clips kontextualisieren.

·         Politik: Rechte sichern, Budgets gerecht umverteilen, lokale Allianzen bauen – Sicherheit durch Versorgung.

·         Kompass: Würde, Behandlung, Wohnen, Recht – ohne Ausnahmen.


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