Dissoziation oder Maladaptives Tagträumen? Wo liegen die Unterschiede? (9)
Dissoziation oder Maladaptives Tagträumen? Wo liegen die Unterschiede? (9)
Dissoziation oder Maladaptives Tagträumen?
Veröffentlicht am:
28.09.2025


Description:
Beide entführen aus der Realität – aber grundverschieden! Dieser Artikel erklärt die entscheidenden Unterschiede zwischen Dissoziation und Maladaptivem Tagträumen.
Verwandte Artikel:
ADHS und Maladaptives Tagträumen – die Suche nach Stimulation (11)
Trauma und Maladaptives Tagträumen – ein Überlebensmechanismus? (10)
Maladaptives Tagträumen vs. Psychose: Wo ist der Unterschied? (8)
Diagnostik: Die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS), andere Tests und weitere Forschung (6)
Teaser (Lead)
Sowohl Dissoziation als auch Maladaptives Tagträumen entführen aus dem Hier und Jetzt. Doch während die eine in lebendige Fantasiewelten führt, bedeutet die andere oft emotionalen Rückzug und Leere. Dieser Artikel erklärt die feinen, aber entscheidenden Unterschiede.
Dissoziation vs. Maladaptives Tagträumen: Zwei Welten der inneren Distanzierung
Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]
oder
den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel klärt den wichtigen Unterschied zur Dissoziation.
1. Grundlegendes Verständnis: zwei verschiedene Mechanismen
Dissoziation ist ein Schutzmechanismus der Psyche:
Unfreiwillige Abspaltung von Wahrnehmung oder Identität
Dient der Bewältigung überwältigender Erfahrungen
Oft mit Trauma assoziiert
Maladaptives Tagträumen ist ein aktiver Bewältigungsversuch:
Bewusstes Eintauchen in komplexe Fantasiewelten
Dient der Emotionsregulation und dem Eskapismus
Oft bei emotionaler Vernachlässigung oder ADHS
2. Der entscheidende Unterschied: Leere vs. Fülle
Dissoziation fühlt sich an wie:
Emotionale Taubheit und Leere
Watte im Kopf, gedankliches Vakuum
Fremdheitsgefühl gegenüber sich selbst
Unwirklichkeitsgefühl gegenüber der Umwelt
Maladaptives Tagträumen fühlt sich an wie:
Emotionale Intensität und Lebendigkeit
Klare, detaillierte narrative Strukturen
Kontrolliertes Erleben (wenn auch zwanghaft)
Bewusste Flucht in eine alternative Realität
3. Direkter Vergleich: Symptome im Gegenüberstellung
Merkmal | Dissoziation | Maladaptives Tagträumen |
Freiwilligkeit | Unfreiwillig, automatisch | Gewollt, aktiv herbeigeführt |
Emotionale Qualität | Leere, Taubheit, Emotionslosigkeit | Intensive, oft positive Emotionen |
Inhalt | Fragmentiert, unzusammenhängend | Narrative, strukturierte Fantasien |
Körperliche Begleitung | Starre, Dissoziative Katatonie | Repetitive Bewegungen (Pacing, etc.) |
4. Warum die Verwechslung so häufig passiert
Gemeinsamkeiten:
Beide führen zur Abkoppelung von der realen Welt.
Beide dienen der Bewältigung emotionaler Belastung.
Beide können zeitliche Verzerrungen verursachen.
Beide sind häufig mit Trauma assoziiert.
Aber: Die motivationale Basis ist fundamental verschieden!
Dissoziation ist ein automatischer Schutzreflex, Maladaptives Tagträumen ein aktiver Bewältigungsversuch.
5. Behandlung: Unterschiedliche Wege zur Besserung
Bei Dissoziation:
Traumatherapie (EMDR, Somatic Experiencing)
Stabilisierungstechniken (Grounding, Achtsamkeit)
Integration der abgespaltenen Anteile
Bei Maladaptivem Tagträumen:
Ursachenbehandlung (ADHS, Trauma, Emotionsregulation)
Verhaltenstherapeutische Ansätze
Aufbau realweltlicher Alternativen
6. Fallbeispiel: Lena – Zwischen dissoziativer Leere und lebendigen Fantasiewelten
Ausgangssituation:
· Lena (30) leidet unter den Folgen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (CPTBS) aufgrund von emotionaler Vernachlässigung und Missbrauch in der Kindheit und Jugend.
· Ihr Alltag ist geprägt von einem Wechselbad der Zustände:
o Dissoziative Episoden: In stressreichen Momenten oder bei emotionalen Trigger erlebt sie sich plötzlich wie hinter einer Glaswand. Die Welt wirkt unwirklich, entfernt und taub (Derealisation), sie selbst fühlt sich emotional abgeschnitten und wie "automatisch" funktionierend (Depersonalisation). Diese Zustände sind ungewollt und beängstigend.
o Maladaptives Tagträumen: Im Gegensatz dazu sucht sie aktiv und gezielt Zuflucht in einer komplexen, lebendigen Fantasiewelt. Hier ist sie die geliebte und erfolgreiche Hauptfigur in einer epischen Familiensaga. Diese Tagträume sind emotional intensiv, detailliert und werden oft durch repetitive Bewegungen (wie Schaukeln) begleitet. Sie dienen ihr als Werkzeug, um der dissoziativen Leere und überwältigenden Gefühlen zu entfliehen und sich wieder "lebendig" zu fühlen.
· Der Übergang ist manchmal fließend: Ein zunächst aktiver Tagtraum kann in eine dissoziative Starre kippen, wenn die Fantasie auf zu schmerzhafte reale Erinnerungen trifft.
Therapieansatz:
1. Differentialdiagnostik und Sicherheit: Der erste Schritt war, Lena die unterschiedliche Natur ihrer Symptome zu erklären: Die Dissoziation als automatischer Schutzmechanismus vor Überflutung und das Tagträumen als ihr aktiver (wenn auch maladaptiver) Versuch, Kontrolle und emotionale Regulation zurückzugewinnen. Das half gegen ihre Verwirrung und Scham.
2. Stabilisierung und Grounding (Priorität Dissoziation): Bevor die Tagträume bearbeitet werden konnten, musste Lena Werkzeuge erlernen, um sich aus dissoziativen Zuständen zurückzuholen. Achtsamkeitsübungen, sensorisches Grounding (z.B. einen Eiswürfel halten, starke Gerüche) und die 5-4-3-2-1-Methode halfen ihr, sich wieder mit der Gegenwart zu verbinden.
3. Trauma-Konfrontation (Phase 2): Nach ausreichender Stabilisierung begann eine traumafokussierte Therapie, um die zugrundeliegenden traumatischen Erinnerungen zu verarbeiten. Das Ziel war, die emotionale Ladung der Trigger zu reduzieren, die sowohl Dissoziation als auch den Fluchtreflex in Tagträume auslösten.
4. Integration der Fantasie (Phase 3): Erst dann wurde das Tagträumen direkt adressiert. Lena lernte, ihre Tagträume zu beobachten und Auslöser zu identifizieren. Ihre immense Kreativität und narrative Begabung wurden eingesetzt: Sie begann, Geschichten zu schreiben, und so wurde sie von einer passiven Konsumentin zur aktiven Autorin ihrer Fantasie.
Ergebnis nach einem Jahr:
· Die Häufigkeit und Intensität der dissoziativen Episoden haben stark abgenommen. Lena fühlt sich sicherer in ihrem Körper und präsenter in ihrem Leben.
· Das Bedürfnis, in Maladaptive Tagträume zu flüchten, ist nicht verschwunden, aber Lena hat die Kontrolle darüber. Sie nutzt ihre Fantasie bewusst und zeitlich begrenzt für Kreativität, statt sich ihr stundenlang auszuliefern.
· Sie versteht ihre Symptome nun als Teile eines Überlebensmusters. Die Dissoziation erkennt sie als Warnsignal für Überforderung, die Tagträume als Hinweis auf unerfüllte emotionale Bedürfnisse – beides kann sie nun konstruktiver adressieren.
FAQ
Kann aus Maladaptivem Tagträumen eine Dissoziation werden?
Nein, die Mechanismen sind unterschiedlich. Aber intensive Tagträume können dissoziative Zustände begünstigen.
Was ist gefährlicher: Dissoziation oder MD?
Dissoziation weist manchmal auf schwere Traumata hin und erfordert dringende Behandlung. MD beeinträchtigt zwar das Leben, ist aber weniger akut gefährdend.
Können beide gleichzeitig behandelt werden?
Ja, aber nacheinander: Zuerst Dissoziation stabilisieren, dann MD behandeln.
Woher weiß ich, was ich habe?
Dissoziation fühlt sich wie „Nichts“ an, MD wie „eine andere Welt“. Professionelle Diagnostik bringt Klarheit.
Hilft Achtsamkeit bei beiden?
Ja, aber unterschiedlich: Bei Dissoziation zur Rückholung, bei MD zur besseren Steuerung.
Bei gleichzeitigem Auftreten beider Phänomene empfehlen wir dringend professionelle Hilfe. Behandlungszentren für Traumafolgestörungen sind hier erste Anlaufstellen.
Description:
Beide entführen aus der Realität – aber grundverschieden! Dieser Artikel erklärt die entscheidenden Unterschiede zwischen Dissoziation und Maladaptivem Tagträumen.
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Diagnostik: Die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS), andere Tests und weitere Forschung (6)
Teaser (Lead)
Sowohl Dissoziation als auch Maladaptives Tagträumen entführen aus dem Hier und Jetzt. Doch während die eine in lebendige Fantasiewelten führt, bedeutet die andere oft emotionalen Rückzug und Leere. Dieser Artikel erklärt die feinen, aber entscheidenden Unterschiede.
Dissoziation vs. Maladaptives Tagträumen: Zwei Welten der inneren Distanzierung
Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]
oder
den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel klärt den wichtigen Unterschied zur Dissoziation.
1. Grundlegendes Verständnis: zwei verschiedene Mechanismen
Dissoziation ist ein Schutzmechanismus der Psyche:
Unfreiwillige Abspaltung von Wahrnehmung oder Identität
Dient der Bewältigung überwältigender Erfahrungen
Oft mit Trauma assoziiert
Maladaptives Tagträumen ist ein aktiver Bewältigungsversuch:
Bewusstes Eintauchen in komplexe Fantasiewelten
Dient der Emotionsregulation und dem Eskapismus
Oft bei emotionaler Vernachlässigung oder ADHS
2. Der entscheidende Unterschied: Leere vs. Fülle
Dissoziation fühlt sich an wie:
Emotionale Taubheit und Leere
Watte im Kopf, gedankliches Vakuum
Fremdheitsgefühl gegenüber sich selbst
Unwirklichkeitsgefühl gegenüber der Umwelt
Maladaptives Tagträumen fühlt sich an wie:
Emotionale Intensität und Lebendigkeit
Klare, detaillierte narrative Strukturen
Kontrolliertes Erleben (wenn auch zwanghaft)
Bewusste Flucht in eine alternative Realität
3. Direkter Vergleich: Symptome im Gegenüberstellung
Merkmal | Dissoziation | Maladaptives Tagträumen |
Freiwilligkeit | Unfreiwillig, automatisch | Gewollt, aktiv herbeigeführt |
Emotionale Qualität | Leere, Taubheit, Emotionslosigkeit | Intensive, oft positive Emotionen |
Inhalt | Fragmentiert, unzusammenhängend | Narrative, strukturierte Fantasien |
Körperliche Begleitung | Starre, Dissoziative Katatonie | Repetitive Bewegungen (Pacing, etc.) |
4. Warum die Verwechslung so häufig passiert
Gemeinsamkeiten:
Beide führen zur Abkoppelung von der realen Welt.
Beide dienen der Bewältigung emotionaler Belastung.
Beide können zeitliche Verzerrungen verursachen.
Beide sind häufig mit Trauma assoziiert.
Aber: Die motivationale Basis ist fundamental verschieden!
Dissoziation ist ein automatischer Schutzreflex, Maladaptives Tagträumen ein aktiver Bewältigungsversuch.
5. Behandlung: Unterschiedliche Wege zur Besserung
Bei Dissoziation:
Traumatherapie (EMDR, Somatic Experiencing)
Stabilisierungstechniken (Grounding, Achtsamkeit)
Integration der abgespaltenen Anteile
Bei Maladaptivem Tagträumen:
Ursachenbehandlung (ADHS, Trauma, Emotionsregulation)
Verhaltenstherapeutische Ansätze
Aufbau realweltlicher Alternativen
6. Fallbeispiel: Lena – Zwischen dissoziativer Leere und lebendigen Fantasiewelten
Ausgangssituation:
· Lena (30) leidet unter den Folgen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (CPTBS) aufgrund von emotionaler Vernachlässigung und Missbrauch in der Kindheit und Jugend.
· Ihr Alltag ist geprägt von einem Wechselbad der Zustände:
o Dissoziative Episoden: In stressreichen Momenten oder bei emotionalen Trigger erlebt sie sich plötzlich wie hinter einer Glaswand. Die Welt wirkt unwirklich, entfernt und taub (Derealisation), sie selbst fühlt sich emotional abgeschnitten und wie "automatisch" funktionierend (Depersonalisation). Diese Zustände sind ungewollt und beängstigend.
o Maladaptives Tagträumen: Im Gegensatz dazu sucht sie aktiv und gezielt Zuflucht in einer komplexen, lebendigen Fantasiewelt. Hier ist sie die geliebte und erfolgreiche Hauptfigur in einer epischen Familiensaga. Diese Tagträume sind emotional intensiv, detailliert und werden oft durch repetitive Bewegungen (wie Schaukeln) begleitet. Sie dienen ihr als Werkzeug, um der dissoziativen Leere und überwältigenden Gefühlen zu entfliehen und sich wieder "lebendig" zu fühlen.
· Der Übergang ist manchmal fließend: Ein zunächst aktiver Tagtraum kann in eine dissoziative Starre kippen, wenn die Fantasie auf zu schmerzhafte reale Erinnerungen trifft.
Therapieansatz:
1. Differentialdiagnostik und Sicherheit: Der erste Schritt war, Lena die unterschiedliche Natur ihrer Symptome zu erklären: Die Dissoziation als automatischer Schutzmechanismus vor Überflutung und das Tagträumen als ihr aktiver (wenn auch maladaptiver) Versuch, Kontrolle und emotionale Regulation zurückzugewinnen. Das half gegen ihre Verwirrung und Scham.
2. Stabilisierung und Grounding (Priorität Dissoziation): Bevor die Tagträume bearbeitet werden konnten, musste Lena Werkzeuge erlernen, um sich aus dissoziativen Zuständen zurückzuholen. Achtsamkeitsübungen, sensorisches Grounding (z.B. einen Eiswürfel halten, starke Gerüche) und die 5-4-3-2-1-Methode halfen ihr, sich wieder mit der Gegenwart zu verbinden.
3. Trauma-Konfrontation (Phase 2): Nach ausreichender Stabilisierung begann eine traumafokussierte Therapie, um die zugrundeliegenden traumatischen Erinnerungen zu verarbeiten. Das Ziel war, die emotionale Ladung der Trigger zu reduzieren, die sowohl Dissoziation als auch den Fluchtreflex in Tagträume auslösten.
4. Integration der Fantasie (Phase 3): Erst dann wurde das Tagträumen direkt adressiert. Lena lernte, ihre Tagträume zu beobachten und Auslöser zu identifizieren. Ihre immense Kreativität und narrative Begabung wurden eingesetzt: Sie begann, Geschichten zu schreiben, und so wurde sie von einer passiven Konsumentin zur aktiven Autorin ihrer Fantasie.
Ergebnis nach einem Jahr:
· Die Häufigkeit und Intensität der dissoziativen Episoden haben stark abgenommen. Lena fühlt sich sicherer in ihrem Körper und präsenter in ihrem Leben.
· Das Bedürfnis, in Maladaptive Tagträume zu flüchten, ist nicht verschwunden, aber Lena hat die Kontrolle darüber. Sie nutzt ihre Fantasie bewusst und zeitlich begrenzt für Kreativität, statt sich ihr stundenlang auszuliefern.
· Sie versteht ihre Symptome nun als Teile eines Überlebensmusters. Die Dissoziation erkennt sie als Warnsignal für Überforderung, die Tagträume als Hinweis auf unerfüllte emotionale Bedürfnisse – beides kann sie nun konstruktiver adressieren.
FAQ
Kann aus Maladaptivem Tagträumen eine Dissoziation werden?
Nein, die Mechanismen sind unterschiedlich. Aber intensive Tagträume können dissoziative Zustände begünstigen.
Was ist gefährlicher: Dissoziation oder MD?
Dissoziation weist manchmal auf schwere Traumata hin und erfordert dringende Behandlung. MD beeinträchtigt zwar das Leben, ist aber weniger akut gefährdend.
Können beide gleichzeitig behandelt werden?
Ja, aber nacheinander: Zuerst Dissoziation stabilisieren, dann MD behandeln.
Woher weiß ich, was ich habe?
Dissoziation fühlt sich wie „Nichts“ an, MD wie „eine andere Welt“. Professionelle Diagnostik bringt Klarheit.
Hilft Achtsamkeit bei beiden?
Ja, aber unterschiedlich: Bei Dissoziation zur Rückholung, bei MD zur besseren Steuerung.
Bei gleichzeitigem Auftreten beider Phänomene empfehlen wir dringend professionelle Hilfe. Behandlungszentren für Traumafolgestörungen sind hier erste Anlaufstellen.
Description:
Beide entführen aus der Realität – aber grundverschieden! Dieser Artikel erklärt die entscheidenden Unterschiede zwischen Dissoziation und Maladaptivem Tagträumen.
Verwandte Artikel:
ADHS und Maladaptives Tagträumen – die Suche nach Stimulation (11)
Trauma und Maladaptives Tagträumen – ein Überlebensmechanismus? (10)
Maladaptives Tagträumen vs. Psychose: Wo ist der Unterschied? (8)
Diagnostik: Die Maladaptive Daydreaming Scale (MDS), andere Tests und weitere Forschung (6)
Teaser (Lead)
Sowohl Dissoziation als auch Maladaptives Tagträumen entführen aus dem Hier und Jetzt. Doch während die eine in lebendige Fantasiewelten führt, bedeutet die andere oft emotionalen Rückzug und Leere. Dieser Artikel erklärt die feinen, aber entscheidenden Unterschiede.
Dissoziation vs. Maladaptives Tagträumen: Zwei Welten der inneren Distanzierung
Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]
oder
den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel klärt den wichtigen Unterschied zur Dissoziation.
1. Grundlegendes Verständnis: zwei verschiedene Mechanismen
Dissoziation ist ein Schutzmechanismus der Psyche:
Unfreiwillige Abspaltung von Wahrnehmung oder Identität
Dient der Bewältigung überwältigender Erfahrungen
Oft mit Trauma assoziiert
Maladaptives Tagträumen ist ein aktiver Bewältigungsversuch:
Bewusstes Eintauchen in komplexe Fantasiewelten
Dient der Emotionsregulation und dem Eskapismus
Oft bei emotionaler Vernachlässigung oder ADHS
2. Der entscheidende Unterschied: Leere vs. Fülle
Dissoziation fühlt sich an wie:
Emotionale Taubheit und Leere
Watte im Kopf, gedankliches Vakuum
Fremdheitsgefühl gegenüber sich selbst
Unwirklichkeitsgefühl gegenüber der Umwelt
Maladaptives Tagträumen fühlt sich an wie:
Emotionale Intensität und Lebendigkeit
Klare, detaillierte narrative Strukturen
Kontrolliertes Erleben (wenn auch zwanghaft)
Bewusste Flucht in eine alternative Realität
3. Direkter Vergleich: Symptome im Gegenüberstellung
Merkmal | Dissoziation | Maladaptives Tagträumen |
Freiwilligkeit | Unfreiwillig, automatisch | Gewollt, aktiv herbeigeführt |
Emotionale Qualität | Leere, Taubheit, Emotionslosigkeit | Intensive, oft positive Emotionen |
Inhalt | Fragmentiert, unzusammenhängend | Narrative, strukturierte Fantasien |
Körperliche Begleitung | Starre, Dissoziative Katatonie | Repetitive Bewegungen (Pacing, etc.) |
4. Warum die Verwechslung so häufig passiert
Gemeinsamkeiten:
Beide führen zur Abkoppelung von der realen Welt.
Beide dienen der Bewältigung emotionaler Belastung.
Beide können zeitliche Verzerrungen verursachen.
Beide sind häufig mit Trauma assoziiert.
Aber: Die motivationale Basis ist fundamental verschieden!
Dissoziation ist ein automatischer Schutzreflex, Maladaptives Tagträumen ein aktiver Bewältigungsversuch.
5. Behandlung: Unterschiedliche Wege zur Besserung
Bei Dissoziation:
Traumatherapie (EMDR, Somatic Experiencing)
Stabilisierungstechniken (Grounding, Achtsamkeit)
Integration der abgespaltenen Anteile
Bei Maladaptivem Tagträumen:
Ursachenbehandlung (ADHS, Trauma, Emotionsregulation)
Verhaltenstherapeutische Ansätze
Aufbau realweltlicher Alternativen
6. Fallbeispiel: Lena – Zwischen dissoziativer Leere und lebendigen Fantasiewelten
Ausgangssituation:
· Lena (30) leidet unter den Folgen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (CPTBS) aufgrund von emotionaler Vernachlässigung und Missbrauch in der Kindheit und Jugend.
· Ihr Alltag ist geprägt von einem Wechselbad der Zustände:
o Dissoziative Episoden: In stressreichen Momenten oder bei emotionalen Trigger erlebt sie sich plötzlich wie hinter einer Glaswand. Die Welt wirkt unwirklich, entfernt und taub (Derealisation), sie selbst fühlt sich emotional abgeschnitten und wie "automatisch" funktionierend (Depersonalisation). Diese Zustände sind ungewollt und beängstigend.
o Maladaptives Tagträumen: Im Gegensatz dazu sucht sie aktiv und gezielt Zuflucht in einer komplexen, lebendigen Fantasiewelt. Hier ist sie die geliebte und erfolgreiche Hauptfigur in einer epischen Familiensaga. Diese Tagträume sind emotional intensiv, detailliert und werden oft durch repetitive Bewegungen (wie Schaukeln) begleitet. Sie dienen ihr als Werkzeug, um der dissoziativen Leere und überwältigenden Gefühlen zu entfliehen und sich wieder "lebendig" zu fühlen.
· Der Übergang ist manchmal fließend: Ein zunächst aktiver Tagtraum kann in eine dissoziative Starre kippen, wenn die Fantasie auf zu schmerzhafte reale Erinnerungen trifft.
Therapieansatz:
1. Differentialdiagnostik und Sicherheit: Der erste Schritt war, Lena die unterschiedliche Natur ihrer Symptome zu erklären: Die Dissoziation als automatischer Schutzmechanismus vor Überflutung und das Tagträumen als ihr aktiver (wenn auch maladaptiver) Versuch, Kontrolle und emotionale Regulation zurückzugewinnen. Das half gegen ihre Verwirrung und Scham.
2. Stabilisierung und Grounding (Priorität Dissoziation): Bevor die Tagträume bearbeitet werden konnten, musste Lena Werkzeuge erlernen, um sich aus dissoziativen Zuständen zurückzuholen. Achtsamkeitsübungen, sensorisches Grounding (z.B. einen Eiswürfel halten, starke Gerüche) und die 5-4-3-2-1-Methode halfen ihr, sich wieder mit der Gegenwart zu verbinden.
3. Trauma-Konfrontation (Phase 2): Nach ausreichender Stabilisierung begann eine traumafokussierte Therapie, um die zugrundeliegenden traumatischen Erinnerungen zu verarbeiten. Das Ziel war, die emotionale Ladung der Trigger zu reduzieren, die sowohl Dissoziation als auch den Fluchtreflex in Tagträume auslösten.
4. Integration der Fantasie (Phase 3): Erst dann wurde das Tagträumen direkt adressiert. Lena lernte, ihre Tagträume zu beobachten und Auslöser zu identifizieren. Ihre immense Kreativität und narrative Begabung wurden eingesetzt: Sie begann, Geschichten zu schreiben, und so wurde sie von einer passiven Konsumentin zur aktiven Autorin ihrer Fantasie.
Ergebnis nach einem Jahr:
· Die Häufigkeit und Intensität der dissoziativen Episoden haben stark abgenommen. Lena fühlt sich sicherer in ihrem Körper und präsenter in ihrem Leben.
· Das Bedürfnis, in Maladaptive Tagträume zu flüchten, ist nicht verschwunden, aber Lena hat die Kontrolle darüber. Sie nutzt ihre Fantasie bewusst und zeitlich begrenzt für Kreativität, statt sich ihr stundenlang auszuliefern.
· Sie versteht ihre Symptome nun als Teile eines Überlebensmusters. Die Dissoziation erkennt sie als Warnsignal für Überforderung, die Tagträume als Hinweis auf unerfüllte emotionale Bedürfnisse – beides kann sie nun konstruktiver adressieren.
FAQ
Kann aus Maladaptivem Tagträumen eine Dissoziation werden?
Nein, die Mechanismen sind unterschiedlich. Aber intensive Tagträume können dissoziative Zustände begünstigen.
Was ist gefährlicher: Dissoziation oder MD?
Dissoziation weist manchmal auf schwere Traumata hin und erfordert dringende Behandlung. MD beeinträchtigt zwar das Leben, ist aber weniger akut gefährdend.
Können beide gleichzeitig behandelt werden?
Ja, aber nacheinander: Zuerst Dissoziation stabilisieren, dann MD behandeln.
Woher weiß ich, was ich habe?
Dissoziation fühlt sich wie „Nichts“ an, MD wie „eine andere Welt“. Professionelle Diagnostik bringt Klarheit.
Hilft Achtsamkeit bei beiden?
Ja, aber unterschiedlich: Bei Dissoziation zur Rückholung, bei MD zur besseren Steuerung.
Bei gleichzeitigem Auftreten beider Phänomene empfehlen wir dringend professionelle Hilfe. Behandlungszentren für Traumafolgestörungen sind hier erste Anlaufstellen.