Autismus und Maladaptives Tagträumen: Die sichere Parallelwelt (17)

Autismus und Maladaptives Tagträumen: Die sichere Parallelwelt (17)

Autismus und Maladaptives Tagträumen

Published on:

Sep 28, 2025

Abstrakte Darstellung eines Gehirns im Autismus-Spektrum, umgeben von farbigen Fantasieblasen – Symbol für die Rückzugswelten im Maladaptiven Tagträumen
Abstrakte Darstellung eines Gehirns im Autismus-Spektrum, umgeben von farbigen Fantasieblasen – Symbol für die Rückzugswelten im Maladaptiven Tagträumen

Description:

Warum autistische Menschen häufig in intensive Fantasiewelten flüchten – und wie Maladaptives Tagträumen sowohl Schutz als auch Belastung sein kann. Ein Blick auf die besonderen Auslöser und Funktionen.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Soziale Überforderung, sensorische Reizüberflutung, die Schwierigkeit, im Hier und Jetzt zu verweilen – für viele autistische Menschen wird Maladaptives Tagträumen zur Strategie, um einer überwältigenden Welt zu entkommen. Doch die Flucht in innere Welten kann zur Falle werden.


Autismus und Maladaptives Tagträumen: Die sichere Parallelwelt

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Autismus und Maladaptivem Tagträumen.


1. Autismus-spezifische Auslöser: Warum Fantasie so attraktiv ist

Menschen im Autismus-Spektrum erleben die Welt oft als sensorisch und sozial überfordernd. Maladaptives Tagträumen (MD) bietet hier ein Rückzugsangebot mit klaren Regeln – etwas, das die reale Welt selten bereithält.

Typische Auslöser im Autismus-Kontext:

  • Soziale Überforderung: Nach anstrengenden Interaktionen dient MD als „Reset“, um sich von der Komplexität sozialer Codes zu erholen.

  • Sensorische Reizüberflutung: Laute Geräusche, grelles Licht oder unerwartete Berührungen können den Drang auslösen, in eine kontrollierbare innere Welt zu fliehen.

  • Monotonie und Unterforderung: Bei Routinetätigkeiten oder in Situationen, die kognitiv nicht auslasten, liefert die Fantasie die fehlende Stimulation.

  • Emotionale Regulation: Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu erkennen oder zu steuern, werden durch die klaren emotionalen Scripts der Tagträume kompensiert.

2. Besonderheiten des Tagträumens im Autismus-Spektrum

Anders als bei ADHS oder traumaassoziiertem MD weist das Tagträumen bei Autismus oft spezifische Merkmale auf:

  • Hohe Strukturiertheit: Die Fantasiewelten sind stark durchreguliert, mit detaillierten Handlungsabläufen und wiederkehrenden Ritualen.

  • Spezialinteressen als Treiber: Häufig fließen persönliche Spezialinteressen (etwa zu bestimmten Serien, historischen Epochen oder technischen Abläufen) nahtlos in die Tagträume ein.

  • Repetitive Bewegungen (Stimming): Viele Betroffene kombinieren MD mit autotypischen Selbststimulationen wie Schaukeln, Händeflattern oder rhythmischen Bewegungen, die den Trance-Zustand vertiefen.

  • Soziales Proben: In der Fantasie werden soziale Situationen durchgespielt – ein Versuch, unsichere soziale Terrains im Safe Space zu proben.

3. Funktion und Dysfunktion: Vom Schutzraum zur Isolation

Funktional als Kurzzeit-Strategie:

MD kann autistischen Menschen helfen, sich von überfordernden Situationen zu erholen, Emotionen zu sortieren und internalisiertes Masking vorübergehend abzulegen.

Dysfunktional als Dauerlösung:

Wenn die Tagträume so viel Zeit einnehmen, dass alltägliche Aufgaben, soziale Teilhabe oder Selbstfürsorge vernachlässigt werden, wird die Strategie maladaptiv. Die Gefahr:

  • Verstärkter sozialer Rückzug

  • Verpasste Lernchancen im realen Sozialverhalten

  • Erschwerte Abgrenzung zu dissoziativen Zuständen

4. Abgrenzung: Autismus, MD und Überlappungen mit anderen Phänomenen

  • Gegenüber Dissoziation: Anders als bei der dissoziativen Leere ist MD bei Autismus meist ein aktiv gesteuerter Prozess mit emotionaler Beteiligung.

  • Gegenüber ADHS: Während bei ADHS der Drang zur Stimulation im Vordergrund steht, geht es bei Autismus oft um Reduktion von Reizen und die Herstellung von Ordnung und Vorhersehbarkeit.

  • Gegenüber Psychose: Die Tagträume werden stets als selbstgeneriert erkannt. Es gibt keine Realitätsverkennung.

5. Therapeutische Ansätze: Spezifisch und Autismus-freundlich

Therapie bei autistischen Menschen mit MD sollte folgende Punkte berücksichtigen:

  • Nicht die Fantasie bekämpfen, sondern integrieren: Die Tagträume als Ressource anerkennen und in geregelte Bahnen lenken – z.B. durch kreatives Schreiben oder geplante „Tagtraum-Pausen“.

  • Sensorische und soziale Entlastung: Reizarme Rückzugsräume und klare Kommunikationsregeln im Alltag reduzieren den Fluchtdruck.

  • Strukturierungshilfen: Visuelle Tagespläne und Timer helfen, Zeiten für Tagträume von Zeiten für Realitätsbewältigung zu trennen.

  • Emotionsregulation trainieren: Alternative Bewältigungsstrategien wie sensorische Tools (z.B. Gewichtsdecken, Noise-Cancelling-Kopfhörer) oder Skills aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) können helfen, Spannungen abzubauen.

  • Autismus-Kompetenz: Therapeut innen sollten mit den Besonderheiten des Autismus-Spektrums vertraut sein und verstehen, dass MD hier oft eine logische – wenn auch problematische – Anpassungsstrategie ist.


6. Fallbeispiel: Finn – Ordnung im Kopf, Chaos in der Welt

Ausgangssituation:

  •  Finn (19, Autismus-Diagnose) fühlt sich in Vorlesungen und sozialen Settings oft überfordert und von sensorischen Reizen (Licht, Stimmengewirr) überflutet.

  • Seit der Pubertät entwickelt er täglich mehrstündige, hochdetaillierte Fantasiewelten, die auf seinem Spezialinteresse für U-Bahn-Netze basieren. In diesen Tagträumen ist er der Director of Operations eines perfekt funktionierenden, vorhersehbaren Verkehrssystems.

  • Die Tagträume werden von rhythmischem Wippen begleitet und geben ihm ein Gefühl von Kontrolle und Kompetenz, das ihm im Studienalltag fehlt. Gleichzeitig vernachlässigt er dadurch Lehrveranstaltungen und soziale Kontakte.

Therapieansatz:

  1. Autismus-spezifisches Coaching: Finn erhält Hilfen zur Strukturierung seines Studienalltags (z.B. Sitzplatz am Rand, Pausenplan) und nutzt Noise-Cancelling-Kopfhörer, um sensorische Überlastung zu reduzieren.

  2. Integration der Spezialinteressen: Statt das Tagträumen zu verbieten, wird es kanalisiert: Finn beginnt, ein fiktives U-Bahn-Netz als kreatives Projekt zu planen – zunächst als Zeichnung, später am Computer.

  3. Gesteuerte Tagtraum-Zeiten: Mittels Timers erlaubt er sich zwei tägliche „Tagtraum-Pausen“ von je 20 Minuten, um gedanklich Ordnung zu schaffen. Diese werden in den Tagesplan integriert.

  4. Soziales Kompetenztraining: In einer Autismus-Gruppe übt Finn soziale Interaktionen in geschütztem Rahmen – was den Druck nimmt, diese in der Fantasie vorab probezuhandeln.

Ergebnis nach 6 Monaten:

  •  Finns Tagtraum-Zeit hat von 4–5 Stunden auf etwa 1 Stunde täglich abgenommen, die er bewusst zur Regulierung nutzt.

  • Durch die bessere Strukturierung und sensorische Entlastung ist der Leidensdruck deutlich gesunken.

  • Sein Projekt „Fiktives U-Bahn-Netz“ ist zu einem kreativen Hobby geworden, das er kontrolliert ausübt – ohne dass es seinen Alltag dominiert.


FAQ

Ist Maladaptives Tagträumen ein Autismus-Merkmal?

Nein, es ist kein Kernmerkmal von Autismus, aber eine häufige Komorbidität, da es zu den Besonderheiten der Reizverarbeitung und emotionalen Regulation passt.

Kann MD bei Autismus auch positiv sein?

Ja, als kurzfristige Regulierungsstrategie und Kreativitätsquelle. Problematisch wird es, wenn es zur dauerhaften Realitätsflucht wird.

Was tun, wenn man beide Phänomene bei sich vermutet?

Eine autismuskompetente Diagnostik kann Klarheit bringen. Therapeut innen sollten mit beiden Phänomenen vertraut sein.

Helfen Medikamente?

Es gibt keine Medikamente gegen MD. Begleiterkrankungen wie Angst oder Depression können jedoch medikamentös behandelt werden, was indirekt auch das Tagträumen reduzieren kann.

Wo finde ich Hilfe?

Bei autistischen Zügen und MD sind Praxisstellen mit Autismus-Kompetenz oder spezialisierte Ambulanzen erste Anlaufstellen.

Wichtig: Autismus ist eine Form der Neurodiversität, keine Krankheit.

Description:

Warum autistische Menschen häufig in intensive Fantasiewelten flüchten – und wie Maladaptives Tagträumen sowohl Schutz als auch Belastung sein kann. Ein Blick auf die besonderen Auslöser und Funktionen.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Soziale Überforderung, sensorische Reizüberflutung, die Schwierigkeit, im Hier und Jetzt zu verweilen – für viele autistische Menschen wird Maladaptives Tagträumen zur Strategie, um einer überwältigenden Welt zu entkommen. Doch die Flucht in innere Welten kann zur Falle werden.


Autismus und Maladaptives Tagträumen: Die sichere Parallelwelt

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Autismus und Maladaptivem Tagträumen.


1. Autismus-spezifische Auslöser: Warum Fantasie so attraktiv ist

Menschen im Autismus-Spektrum erleben die Welt oft als sensorisch und sozial überfordernd. Maladaptives Tagträumen (MD) bietet hier ein Rückzugsangebot mit klaren Regeln – etwas, das die reale Welt selten bereithält.

Typische Auslöser im Autismus-Kontext:

  • Soziale Überforderung: Nach anstrengenden Interaktionen dient MD als „Reset“, um sich von der Komplexität sozialer Codes zu erholen.

  • Sensorische Reizüberflutung: Laute Geräusche, grelles Licht oder unerwartete Berührungen können den Drang auslösen, in eine kontrollierbare innere Welt zu fliehen.

  • Monotonie und Unterforderung: Bei Routinetätigkeiten oder in Situationen, die kognitiv nicht auslasten, liefert die Fantasie die fehlende Stimulation.

  • Emotionale Regulation: Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu erkennen oder zu steuern, werden durch die klaren emotionalen Scripts der Tagträume kompensiert.

2. Besonderheiten des Tagträumens im Autismus-Spektrum

Anders als bei ADHS oder traumaassoziiertem MD weist das Tagträumen bei Autismus oft spezifische Merkmale auf:

  • Hohe Strukturiertheit: Die Fantasiewelten sind stark durchreguliert, mit detaillierten Handlungsabläufen und wiederkehrenden Ritualen.

  • Spezialinteressen als Treiber: Häufig fließen persönliche Spezialinteressen (etwa zu bestimmten Serien, historischen Epochen oder technischen Abläufen) nahtlos in die Tagträume ein.

  • Repetitive Bewegungen (Stimming): Viele Betroffene kombinieren MD mit autotypischen Selbststimulationen wie Schaukeln, Händeflattern oder rhythmischen Bewegungen, die den Trance-Zustand vertiefen.

  • Soziales Proben: In der Fantasie werden soziale Situationen durchgespielt – ein Versuch, unsichere soziale Terrains im Safe Space zu proben.

3. Funktion und Dysfunktion: Vom Schutzraum zur Isolation

Funktional als Kurzzeit-Strategie:

MD kann autistischen Menschen helfen, sich von überfordernden Situationen zu erholen, Emotionen zu sortieren und internalisiertes Masking vorübergehend abzulegen.

Dysfunktional als Dauerlösung:

Wenn die Tagträume so viel Zeit einnehmen, dass alltägliche Aufgaben, soziale Teilhabe oder Selbstfürsorge vernachlässigt werden, wird die Strategie maladaptiv. Die Gefahr:

  • Verstärkter sozialer Rückzug

  • Verpasste Lernchancen im realen Sozialverhalten

  • Erschwerte Abgrenzung zu dissoziativen Zuständen

4. Abgrenzung: Autismus, MD und Überlappungen mit anderen Phänomenen

  • Gegenüber Dissoziation: Anders als bei der dissoziativen Leere ist MD bei Autismus meist ein aktiv gesteuerter Prozess mit emotionaler Beteiligung.

  • Gegenüber ADHS: Während bei ADHS der Drang zur Stimulation im Vordergrund steht, geht es bei Autismus oft um Reduktion von Reizen und die Herstellung von Ordnung und Vorhersehbarkeit.

  • Gegenüber Psychose: Die Tagträume werden stets als selbstgeneriert erkannt. Es gibt keine Realitätsverkennung.

5. Therapeutische Ansätze: Spezifisch und Autismus-freundlich

Therapie bei autistischen Menschen mit MD sollte folgende Punkte berücksichtigen:

  • Nicht die Fantasie bekämpfen, sondern integrieren: Die Tagträume als Ressource anerkennen und in geregelte Bahnen lenken – z.B. durch kreatives Schreiben oder geplante „Tagtraum-Pausen“.

  • Sensorische und soziale Entlastung: Reizarme Rückzugsräume und klare Kommunikationsregeln im Alltag reduzieren den Fluchtdruck.

  • Strukturierungshilfen: Visuelle Tagespläne und Timer helfen, Zeiten für Tagträume von Zeiten für Realitätsbewältigung zu trennen.

  • Emotionsregulation trainieren: Alternative Bewältigungsstrategien wie sensorische Tools (z.B. Gewichtsdecken, Noise-Cancelling-Kopfhörer) oder Skills aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) können helfen, Spannungen abzubauen.

  • Autismus-Kompetenz: Therapeut innen sollten mit den Besonderheiten des Autismus-Spektrums vertraut sein und verstehen, dass MD hier oft eine logische – wenn auch problematische – Anpassungsstrategie ist.


6. Fallbeispiel: Finn – Ordnung im Kopf, Chaos in der Welt

Ausgangssituation:

  •  Finn (19, Autismus-Diagnose) fühlt sich in Vorlesungen und sozialen Settings oft überfordert und von sensorischen Reizen (Licht, Stimmengewirr) überflutet.

  • Seit der Pubertät entwickelt er täglich mehrstündige, hochdetaillierte Fantasiewelten, die auf seinem Spezialinteresse für U-Bahn-Netze basieren. In diesen Tagträumen ist er der Director of Operations eines perfekt funktionierenden, vorhersehbaren Verkehrssystems.

  • Die Tagträume werden von rhythmischem Wippen begleitet und geben ihm ein Gefühl von Kontrolle und Kompetenz, das ihm im Studienalltag fehlt. Gleichzeitig vernachlässigt er dadurch Lehrveranstaltungen und soziale Kontakte.

Therapieansatz:

  1. Autismus-spezifisches Coaching: Finn erhält Hilfen zur Strukturierung seines Studienalltags (z.B. Sitzplatz am Rand, Pausenplan) und nutzt Noise-Cancelling-Kopfhörer, um sensorische Überlastung zu reduzieren.

  2. Integration der Spezialinteressen: Statt das Tagträumen zu verbieten, wird es kanalisiert: Finn beginnt, ein fiktives U-Bahn-Netz als kreatives Projekt zu planen – zunächst als Zeichnung, später am Computer.

  3. Gesteuerte Tagtraum-Zeiten: Mittels Timers erlaubt er sich zwei tägliche „Tagtraum-Pausen“ von je 20 Minuten, um gedanklich Ordnung zu schaffen. Diese werden in den Tagesplan integriert.

  4. Soziales Kompetenztraining: In einer Autismus-Gruppe übt Finn soziale Interaktionen in geschütztem Rahmen – was den Druck nimmt, diese in der Fantasie vorab probezuhandeln.

Ergebnis nach 6 Monaten:

  •  Finns Tagtraum-Zeit hat von 4–5 Stunden auf etwa 1 Stunde täglich abgenommen, die er bewusst zur Regulierung nutzt.

  • Durch die bessere Strukturierung und sensorische Entlastung ist der Leidensdruck deutlich gesunken.

  • Sein Projekt „Fiktives U-Bahn-Netz“ ist zu einem kreativen Hobby geworden, das er kontrolliert ausübt – ohne dass es seinen Alltag dominiert.


FAQ

Ist Maladaptives Tagträumen ein Autismus-Merkmal?

Nein, es ist kein Kernmerkmal von Autismus, aber eine häufige Komorbidität, da es zu den Besonderheiten der Reizverarbeitung und emotionalen Regulation passt.

Kann MD bei Autismus auch positiv sein?

Ja, als kurzfristige Regulierungsstrategie und Kreativitätsquelle. Problematisch wird es, wenn es zur dauerhaften Realitätsflucht wird.

Was tun, wenn man beide Phänomene bei sich vermutet?

Eine autismuskompetente Diagnostik kann Klarheit bringen. Therapeut innen sollten mit beiden Phänomenen vertraut sein.

Helfen Medikamente?

Es gibt keine Medikamente gegen MD. Begleiterkrankungen wie Angst oder Depression können jedoch medikamentös behandelt werden, was indirekt auch das Tagträumen reduzieren kann.

Wo finde ich Hilfe?

Bei autistischen Zügen und MD sind Praxisstellen mit Autismus-Kompetenz oder spezialisierte Ambulanzen erste Anlaufstellen.

Wichtig: Autismus ist eine Form der Neurodiversität, keine Krankheit.

Description:

Warum autistische Menschen häufig in intensive Fantasiewelten flüchten – und wie Maladaptives Tagträumen sowohl Schutz als auch Belastung sein kann. Ein Blick auf die besonderen Auslöser und Funktionen.

Verwandte Artikel:

Teaser (Lead)

Soziale Überforderung, sensorische Reizüberflutung, die Schwierigkeit, im Hier und Jetzt zu verweilen – für viele autistische Menschen wird Maladaptives Tagträumen zur Strategie, um einer überwältigenden Welt zu entkommen. Doch die Flucht in innere Welten kann zur Falle werden.


Autismus und Maladaptives Tagträumen: Die sichere Parallelwelt

Lesen Sie zuerst den ausführlichen Hauptartikel [Maladaptives Tagträumen – verstehen, behandeln und überwinden]

oder

den Überblick „Maladaptives Tagträumen – Ursachen, Symptome und Hilfe“. Dieser Themenartikel beleuchtet die Wechselwirkung zwischen Autismus und Maladaptivem Tagträumen.


1. Autismus-spezifische Auslöser: Warum Fantasie so attraktiv ist

Menschen im Autismus-Spektrum erleben die Welt oft als sensorisch und sozial überfordernd. Maladaptives Tagträumen (MD) bietet hier ein Rückzugsangebot mit klaren Regeln – etwas, das die reale Welt selten bereithält.

Typische Auslöser im Autismus-Kontext:

  • Soziale Überforderung: Nach anstrengenden Interaktionen dient MD als „Reset“, um sich von der Komplexität sozialer Codes zu erholen.

  • Sensorische Reizüberflutung: Laute Geräusche, grelles Licht oder unerwartete Berührungen können den Drang auslösen, in eine kontrollierbare innere Welt zu fliehen.

  • Monotonie und Unterforderung: Bei Routinetätigkeiten oder in Situationen, die kognitiv nicht auslasten, liefert die Fantasie die fehlende Stimulation.

  • Emotionale Regulation: Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu erkennen oder zu steuern, werden durch die klaren emotionalen Scripts der Tagträume kompensiert.

2. Besonderheiten des Tagträumens im Autismus-Spektrum

Anders als bei ADHS oder traumaassoziiertem MD weist das Tagträumen bei Autismus oft spezifische Merkmale auf:

  • Hohe Strukturiertheit: Die Fantasiewelten sind stark durchreguliert, mit detaillierten Handlungsabläufen und wiederkehrenden Ritualen.

  • Spezialinteressen als Treiber: Häufig fließen persönliche Spezialinteressen (etwa zu bestimmten Serien, historischen Epochen oder technischen Abläufen) nahtlos in die Tagträume ein.

  • Repetitive Bewegungen (Stimming): Viele Betroffene kombinieren MD mit autotypischen Selbststimulationen wie Schaukeln, Händeflattern oder rhythmischen Bewegungen, die den Trance-Zustand vertiefen.

  • Soziales Proben: In der Fantasie werden soziale Situationen durchgespielt – ein Versuch, unsichere soziale Terrains im Safe Space zu proben.

3. Funktion und Dysfunktion: Vom Schutzraum zur Isolation

Funktional als Kurzzeit-Strategie:

MD kann autistischen Menschen helfen, sich von überfordernden Situationen zu erholen, Emotionen zu sortieren und internalisiertes Masking vorübergehend abzulegen.

Dysfunktional als Dauerlösung:

Wenn die Tagträume so viel Zeit einnehmen, dass alltägliche Aufgaben, soziale Teilhabe oder Selbstfürsorge vernachlässigt werden, wird die Strategie maladaptiv. Die Gefahr:

  • Verstärkter sozialer Rückzug

  • Verpasste Lernchancen im realen Sozialverhalten

  • Erschwerte Abgrenzung zu dissoziativen Zuständen

4. Abgrenzung: Autismus, MD und Überlappungen mit anderen Phänomenen

  • Gegenüber Dissoziation: Anders als bei der dissoziativen Leere ist MD bei Autismus meist ein aktiv gesteuerter Prozess mit emotionaler Beteiligung.

  • Gegenüber ADHS: Während bei ADHS der Drang zur Stimulation im Vordergrund steht, geht es bei Autismus oft um Reduktion von Reizen und die Herstellung von Ordnung und Vorhersehbarkeit.

  • Gegenüber Psychose: Die Tagträume werden stets als selbstgeneriert erkannt. Es gibt keine Realitätsverkennung.

5. Therapeutische Ansätze: Spezifisch und Autismus-freundlich

Therapie bei autistischen Menschen mit MD sollte folgende Punkte berücksichtigen:

  • Nicht die Fantasie bekämpfen, sondern integrieren: Die Tagträume als Ressource anerkennen und in geregelte Bahnen lenken – z.B. durch kreatives Schreiben oder geplante „Tagtraum-Pausen“.

  • Sensorische und soziale Entlastung: Reizarme Rückzugsräume und klare Kommunikationsregeln im Alltag reduzieren den Fluchtdruck.

  • Strukturierungshilfen: Visuelle Tagespläne und Timer helfen, Zeiten für Tagträume von Zeiten für Realitätsbewältigung zu trennen.

  • Emotionsregulation trainieren: Alternative Bewältigungsstrategien wie sensorische Tools (z.B. Gewichtsdecken, Noise-Cancelling-Kopfhörer) oder Skills aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) können helfen, Spannungen abzubauen.

  • Autismus-Kompetenz: Therapeut innen sollten mit den Besonderheiten des Autismus-Spektrums vertraut sein und verstehen, dass MD hier oft eine logische – wenn auch problematische – Anpassungsstrategie ist.


6. Fallbeispiel: Finn – Ordnung im Kopf, Chaos in der Welt

Ausgangssituation:

  •  Finn (19, Autismus-Diagnose) fühlt sich in Vorlesungen und sozialen Settings oft überfordert und von sensorischen Reizen (Licht, Stimmengewirr) überflutet.

  • Seit der Pubertät entwickelt er täglich mehrstündige, hochdetaillierte Fantasiewelten, die auf seinem Spezialinteresse für U-Bahn-Netze basieren. In diesen Tagträumen ist er der Director of Operations eines perfekt funktionierenden, vorhersehbaren Verkehrssystems.

  • Die Tagträume werden von rhythmischem Wippen begleitet und geben ihm ein Gefühl von Kontrolle und Kompetenz, das ihm im Studienalltag fehlt. Gleichzeitig vernachlässigt er dadurch Lehrveranstaltungen und soziale Kontakte.

Therapieansatz:

  1. Autismus-spezifisches Coaching: Finn erhält Hilfen zur Strukturierung seines Studienalltags (z.B. Sitzplatz am Rand, Pausenplan) und nutzt Noise-Cancelling-Kopfhörer, um sensorische Überlastung zu reduzieren.

  2. Integration der Spezialinteressen: Statt das Tagträumen zu verbieten, wird es kanalisiert: Finn beginnt, ein fiktives U-Bahn-Netz als kreatives Projekt zu planen – zunächst als Zeichnung, später am Computer.

  3. Gesteuerte Tagtraum-Zeiten: Mittels Timers erlaubt er sich zwei tägliche „Tagtraum-Pausen“ von je 20 Minuten, um gedanklich Ordnung zu schaffen. Diese werden in den Tagesplan integriert.

  4. Soziales Kompetenztraining: In einer Autismus-Gruppe übt Finn soziale Interaktionen in geschütztem Rahmen – was den Druck nimmt, diese in der Fantasie vorab probezuhandeln.

Ergebnis nach 6 Monaten:

  •  Finns Tagtraum-Zeit hat von 4–5 Stunden auf etwa 1 Stunde täglich abgenommen, die er bewusst zur Regulierung nutzt.

  • Durch die bessere Strukturierung und sensorische Entlastung ist der Leidensdruck deutlich gesunken.

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