Freundlichkeit, kindness, hostile-defensive, architecture

The meaning of kindness in a neoliberal world

Freundlichkeit unterbewertet: Einblicke in die Sozialpsychologie unserer Gesellschaft

1. Einführung: Die Rolle der Freundlichkeit in der modernen Gesellschaft

Freundlichkeit gilt oft als selbstverständliche Tugend in der Gesellschaft, doch ihre Bedeutung wird häufig geringgeschätzt. Dabei spielt dieser Begriff, geprägt von Gesten der Fürsorge und des Mitgefühls, spielt eine zentrale Rolle in unseren sozialen Interaktionen und im Aufbau von Beziehungen.

In einer Zeit, in der neoliberale Ideologien und sozialdarwinistische Prinzipien zunehmend das gesellschaftliche Klima prägen, wird die Bedeutung von Freundlichkeit oft unterschätzt. Dieses Phänomen, nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern schon in der Gestaltung unseres öffentlichen Raumes, beleuchtet, wie die Unterbewertung von Freundlichkeit als Symptom einer tieferen emotionalen Kälte und Effizienzorientierung verstanden werden kann, die das individuelle und kollektive Wohlbefinden beeinträchtigt.

Trotz ihrer offensichtlichen Wichtigkeit neigen sowohl Kinder als auch Erwachsene dazu, den wahren Wert und Einfluss von freundlichen Handlungen zu verkennen, wie eine kürzlich durchgeführte Studie hervorhebt. Diese Unterschätzung von Freundlichkeit hat weitreichende Auswirkungen auf die psychologische Entwicklung und das zwischenmenschliche Verhalten haben, besonders in den prägenden Jahren der Kindheit. 

Definition

In der zitierten Studie wird Freundlichkeit als Verhalten definiert, das auf das Wohl anderer abzielt, oft durch fürsorgliche, helfende und einfühlsame Handlungen. Diese Handlungen können in verschiedenen Formen auftreten, wie Geschenke oder einfache Gesten der Zuneigung und Unterstützung. Der Schwerpunkt liegt auf der Absicht, positive Auswirkungen auf das Leben anderer zu haben und deren Wohlbefinden zu fördern.

Die Studie, die auf der Website der British Psychological Society (BPS) vorgestellt wird (Undervaluing Kindness Starts Early), beleuchtet, wie Kinder und Erwachsene den Wert von Freundlichkeit oft unterschätzen. Ihre Ergebnisse sind besonders relevant für die kindliche Entwicklung und das psychologische Wohlbefinden, da sie zeigen, dass schon in jungen Jahren eine Tendenz besteht, die Bedeutung von freundlichen Gesten zu verkennen. Dieses Verständnis von Freundlichkeit und dessen Einfluss auf die sozialen Beziehungen in der Kindheit kann weitreichende Auswirkungen auf die emotionale und soziale Entwicklung haben.

2. Übersicht über die BPS-Studie zur Wertschätzung der Freundlichkeit:

In der Studie von Margaret Echelbarger und Nicholas Epley wurden Teilnehmer verschiedenen Alters, einschließlich Kinder ab vier Jahren, gebeten, den Wert von freundlichen Gesten, wie Geschenken, einzuschätzen. Die Methodik umfasste Experimente, in denen die Teilnehmer ihre Erwartungen über die Reaktionen der Empfänger ihrer Freundlichkeiten äußerten.

Ein zentrales Ergebnis war, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene systematisch die positive Wirkung ihrer freundlichen Handlungen unterschätzten, was auf eine generelle Tendenz hinweist, den Wert von Freundlichkeit in sozialen Interaktionen zu verkennen.

Die Studie zeigt auf, wie die Wertschätzung von Freundlichkeit in der Kindheit beginnt und in einer Gesellschaft, die vom Neoliberalismus und Sozialdarwinismus beeinflusst wird, von Anfang an unterbewertet wird. Diese Unterschätzung spiegelt eine gesellschaftliche Tendenz wider, in der Wettbewerb und Selbstoptimierung höher gewertet werden als zwischenmenschliche Wärme und Fürsorge. Dieser Abschnitt stellt die Verbindung zwischen den Ergebnissen der Studie und den breiteren gesellschaftlichen Tendenzen her und betont die Wichtigkeit, diese Erkenntnisse im Kontext einer zunehmend von Wettbewerb und Effizienz geprägten Welt zu betrachten.

Die Unterschätzung von Freundlichkeit in einer zunehmend neoliberal geprägten Gesellschaft ist Spiegelbild und Verstärker neoliberaler Werte gesehen werden. Der Neoliberalismus betont individuelle Verantwortung für Erfolg und Wettbewerb, unter Vernachlässigung von sozialen Werten wie Mitgefühl und Kooperation. Seine “Econs” verachten Freundlichkeit weil sie Erfolg behindert. Selbstzentriertheit und einer Schwächung des Gemeinschaftsgefühls sind überall feststellbar.

Diese Erkenntnisse machen auch deutlich, dass es unumgänglich ist, die Wertschätzung von Freundlichkeit in der heutigen Gesellschaft neu zu bewerten und zu fördern, um ein ausgewogeneres, menschlicheres Zusammenleben zu ermöglichen.

Für weitere Informationen zur Studie besuchen Sie bitte die BPS-Webseite: [Undervaluing Kindness Starts Early](https://www.bps.org.uk/research-digest/undervaluing-kindness-starts-early).

3. Feindselige Architektur: Ein abstoßendes Beispiel mangelnder Freundlichkeit und gesellschaftlicher Kälte

Die “Hostile Architecture” belegt augenfällig, wie in einer neoliberal geprägten Gesellschaft die Unterschätzung von Freundlichkeit manifestiert wird. Diese Art von Architektur umfasst Gestaltungselemente im öffentlichen Raum, die obdachlosen Menschen,  das Sitzen oder Schlafen in bestimmten Bereichen des öffentlichen Raums zu verwehren. Die Verantwortlichen solcher Maßnahmen behaupten regelmäßig eine Priorisierung von Ästhetik und “Ordnung”, oder – noch perfider – Sorge für Menschen mit körperlichen Behinderungen. In Wirklichkeit steht dahinter unverhohlene soziale Kälte und Verachtung für Mitgefühl und Fürsorge. Die zunehmende Entfremdung zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen wird gefördert und die Kluft in der Gesellschaft vergrößert. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, sondern fragmentiert die Gesellschaft und zerstört ihre Kooperativität. Im Neoliberalismus ist sich jeder selbst der Nächste.

Wenn Sie finden, das betrifft Sie nicht, weil die Obdachlosen ja selbst schuld sind an ihrem Versagen: diese unfreundliche Gestaltung des öffentlichen Raums Es gibt außerdem Studien, die zeigen, dass bestimmte Designelemente in öffentlichen Räumen, wie unbequeme Sitzelemente, darauf abzielen, das Verhalten von Konsumenten zu beeinflussen. Diese Elemente sind so gestaltet, dass sie Menschen daran hindern, lange zu verweilen, mit dem Ziel, sie in Restaurants und Geschäfte zu lenken. Dies reflektiert eine kommerzielle Priorisierung und eine Vernachlässigung der Bedürfnisse und des Komforts der Menschen, was wiederum die zunehmende Fokussierung auf Profit und Effizienz in einer neoliberalen Gesellschaft widerspiegelt.

Gestaltungselemente, die darauf abzielen, unerwünschtes Verhalten zu verhindern – wie spitze Oberflächen, die das Sitzen auf öffentlichen Bänken erschweren –, offenbart, wie in einer von Neoliberalismus geprägten Gesellschaft Raum und Umgebung zunehmend entmenschlicht und auf reine Funktionalität reduziert werden, selbst um den Preis sozialer Entfremdung und Mangel an Mitgefühl.

4. Langfristige psychologische Auswirkungen mangelnder Freundlichkeit: Von Entfremdung zu Störungen

Die langfristigen psychologischen Auswirkungen neoliberaler Kälte, die Freundlichkeit verachtet, werden tiefgreifend sein. Wer in einer solchen Umgebung aufwächst, wird Schwierigkeiten entwickeln, sich emotional zu verbinden und Mitgefühl zu empfinden. Folgen sind beeinträchtigte Beziehungen und eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Störungen.

Mangel an zwischenmenschlicher Wärme und Empathie führt aber in soziale Isolation und einem Gefühl der Entfremdung, egal ob sie bedingt ist durch soziale Ursachen (z.B. Diskriminierung oder Schwierigkeiten, sich sozial einzufügen), gesundheitliche Gründe (wie Depression oder Angstzustände), oder arbeitsbezogene Faktoren (wie schädliche Arbeitsbedingungen oder mangelnde Erfüllung im Beruf). Diese Entfremdung geht Hand in Hand mit einem tiefen Gefühl der Hoffnungslosigkeit, erhöht das Risiko für die Entwicklung von Depressionen erhöhen und verursacht übermäßiges Nachdenken – Rumination – und Angstzustände. Darüber hinaus beschädigt Entfremdung das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung und erschwert ihrerseits Aufbau und Aufrechterhaltung von Beziehungen und verstärkt so weiter Gefühle der Isolation und des fehlenden sozialen Rückhalts hervorrufen.

5. Schlussfolgerungen: soziale Gerechtigkeit, Förderung von Freundlichkeit und sozialen Werten

Es ist unerlässlich, Freundlichkeit und soziale Werte in unserer von Wettbewerb und Effizienz geprägten Welt zu fördern. Der Königsweg dahin wäre soziale Gerechtigkeit, von der wir derart weit entfernt sind, dass es unsinnig wäre, sie zur unmittelbaren Forderung zu erheben. Bis dahin bleibt es aber für eine gesunde Gesellschaft unumgänglich, ein lebenswertes Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Zielen und menschlichen Werten zu finden. Hier sind konkrete Strategien, um dieses Ziel zu erreichen:

  1. Bildungsinitiativen: Eltern müssen Freundlichkeit vorleben. Schulen und Bildungseinrichtungen sollten Programme einführen, die Empathie, Kooperation und soziale Verantwortung fördern. Dies könnte durch spezielle Kurse, Workshops oder integrative Aktivitäten erfolgen, die auf die Entwicklung emotionaler Intelligenz abzielen.
  2. Gemeinschaftsprojekte: Lokale Initiativen können Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammenbringen. Solche Projekte stärken soziale Bindungen und fördern das Gefühl der Zugehörigkeit und gegenseitiger Unterstützung fördern.
  3. Unternehmensverantwortung: Unternehmen müssen – nicht nur in Branding-Dokumenten – soziale Verantwortung übernehmen und in ihren Geschäftsmodellen Freundlichkeit und soziale Werte zu integrieren. Dazu gehören faire Arbeitsbedingungen, Unterstützung lokaler Gemeinschaften oder nachhaltige Geschäftsprozesse.
  4. Medien und Kampagnen: Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung öffentlicher Meinungen und Einstellungen. Die verbale Spaltung der Gesellschaft in die, die für uns sind, und alle verhassten anderen muss endlich wieder aufhören Kampagnen, die Freundlichkeit und Mitgefühl betonen, müssen wieder dazu beitragen, das Bewusstsein zu schärfen und positive soziale Normen zu fördern.
  5. Politische Maßnahmen: Regierungen werden nicht umhinkommen, durch Gesetzgebung und politische Maßnahmen die Förderung von Freundlichkeit und sozialen Werten zu unterstützen. Dies könnte durch die Förderung inklusiver Bildungssysteme, die Unterstützung von sozialen Programmen oder die Schaffung von öffentlichen Räumen, die Interaktion und Gemeinschaft fördern, erfolgen. Andernfalls werden sie in einer dystopischen Gesellschaft enden, in der sich privilegierte Eliten in festungsähnlichen Condominiums einsargen müssen, während draußen die Mehrheit sich selbst überlassen bleibt.

Ohne Freundlichkeit kann keine Gesellschaft geschaffen werden, in der soziale Werte nicht nur geschätzt, sondern in einer integrativeren und empathischeren Welt aktiv gelebt werden.

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