weisheit glueck vernunft karriere burnout

Mehr Glück – weniger Karriere wagen

Mehr Glück – weniger Karriere wagen: Seneca

Lucius Annaeus Seneca (etwa 1 n. Chr.-65 n. Chr.) war der Sohn eines römischen Ritters im heutigen Córdoba. Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer seiner Zeit. Unter anderem war er der maßgebliche Erzieher und Berater des späteren Kaisers Nero. Sein Handeln als Politiker stand teilweise im Widerspruch zu seinen philosophischen Schriften, was ihm bereits bei Zeitgenossen Kritik eintrug. Senecas Bemühen, Nero in seinem Sinne zu beeinflussen, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Zuletzt beschuldigte der Kaiser seinen unbequemen Erzieher der Beteiligung an einer Verschwörung und befahl ihm die Selbsttötung. Diesem Befehl kam Seneca notgedrungen nach.

Seneca verfasste zahlreiche Denk- und Trostschriften, Essays und sogar Tragödien. Seine philosophischen Betrachtungen bilden kein einheitliches System. Er stützte sich vor allem auf die griechischen Vertreter der Stoa. Ein Dogmatiker der stoischen Schule war er aber nicht. Er war für bedeutsame Gedanken offen, auch wenn sie aus anderen philosophischen Schulen stammten. 

Seine 124 Moralischen Briefe an einen Freund Lucilius, einen Administrator in Sizilien zu dieser Zeit, sind vermutlich verdeckte Essays. Es ist nicht bekannt, dass dieser Lucilius Seneca je geantwortet hätte. Die Essays haben viele Denker, von Kirchenvätern, wie Tertullian, bis zu Erasmus von Rotterdam und Montaigne beeindruckt. Es handelt sich um kurze Aufsätze, in denen Seneca dem Adressaten Ratschläge in moralischen und ethischen Fragen erteilt. Sein Hauptanliegen ist die Verbindung von Weisheit und Tugend, die den Schlüssel zu einem guten Leben bildeten. Dabei versucht er, Fragen zu beantworten wie: Was ist das gute Leben? Wie sollen wir unser Leben gestalten? Was hat Bedeutung? Können wir unabhängig sein? Was ist die Natur der Freundschaft?

Freundschaft ist für Seneca ein Thema von großer Bedeutung für das Glück. Dabei sieht er Vertrauensseligkeit und Verdächtigung gleichermaßen als extrem an, denn wir sollten wohl alles, aber nur mit ein paar intimen Freunden teilen.

Die Philosophie ist für ihn, anknüpfend an die im vorigen Abschnitt erwähnten Gedanken, Grundlage des Glücks, weil sie uns zur moralischen Vollkommenheit führe. Das Leben sei ein Geschenk der Götter, richtig leben zu lernen, sei ein Geschenk der Philosophie.

Mehr Glück – weniger Karriere wagen: Selbstvertrauen

Reichtum, Erfolg und Schönheit sind bei Seneca bedeutungslos für das Glück. (Während die Anhäufung von Geld, Ansehen und Luxusgütern oder Jetset-Reisen um die Welt, auch heute noch, neben Neid, vielfach Misstrauen erregen, hielt sie Seneca einfach für verschiedene Wege, um den Geist zu beunruhigen, während sie ihn haltlos machen.) Abwechslung hielte uns im Bann stets neuer und unbekannter Erfahrungen. Doch wir könnten sie gar nicht wirklich durchdringen, weil wir bereits unterwegs zur nächsten seien. Auch unsere eigenen Probleme kämen uns so aus dem Blick, weil wir uns ständig selbst davonliefen. Weder Reichtum noch Schönheit oder Stärke und Luxus hielten der Vergänglichkeit und der Zeit stand. Wir erhielten sie aufgrund äußerlicher Zufälle. Und aufgrund irgendwelcher Zufälle verlören wir sie wieder.

Für erfolggewohnte Führungskräfte klingt diese Verachtung gegenüber dem Erfolg eher schwierig. Aber Seneca betont: im Leben gibt es nur einen einzigen festen Wert: Vertrauen zu sich selbst. Wir erreichten Selbstvertrauen durch ausgeglichene Lebensweise und die Bildung unseres Geistes. Diese ausgewogene Lebensweise entstehe durch Anspruchslosigkeit. Weder die Götter noch die Natur verlangten, so Seneca, mühevolle Arbeit und die Anhäufung von Reichtum von uns. Die Natur habe für all unsere Bedürfnisse gesorgt. Durst könnten wir mit Wasser stillen, und er vergehe. Obwohl Seneca unermesslich reich war, plädierte er für die Beschränkung von Hab und Gut auf das Maß der Natur. Alles Streben nach Reichtum, äußerlichen Erfolg oder Schönheit erklärt er zur sicheren Quelle des Unglücks. Sie machten nie zufrieden, sondern forderten immer mehr Geld und Anstrengung. Ehrgeiz und Genusssucht erschienen zwar vielen als Lebenszweck und Versprechen von Befriedigung und Ruhe, doch ließen uns Genüsse stets hungriger und durstiger zurück. Der Reiche dürste trotz seines Reichtums nach mehr Geld und bleibe unglücklich. Der Reiche besitze seinen Reichtum nicht, vielmehr besitze der Reichtum ihn. Er habe von ihm Besitz ergriffen wie ein Fieber, das einen Kranken befällt. Anspruchslosigkeit sei der eigentliche Reichtum. Damit ist übrigens keineswegs gemeint, dass wir stillos oder schäbig herumlaufen, oder arm und hässlich werden müssten. Doch wir sollten die Pflege unseres Körpers auf das Nötigste reduzieren; die Pflege unseres Geistes sei viel wichtiger. Mehrere Tage pro Monat solle man fasten, auf allen Luxus verzichten und nur von Wasser und billigstem Brot leben. Dadurch lerne man, auf Reichtum zu verzichten und Armut nicht als Bedrohung zu sehen.

Mehr Glück – weniger Karriere wagen: Tugend

Das höchste Gut für Seneca war, wie oben erwähnt, die moralische Vollkommenheit. Während viele Philosophen eine Hierarchie der Werte aufstellen, lehnte Seneca eine solche Hierarchie ab. Die moralische Vollkommenheit sei nicht steigerbar, egal ob der moralisch Vollkommene Freude empfinde oder Folter erleide. Äußere Umstände hätten keinen Einfluss auf moralische Vollkommenheit. Ob ein Mensch reich oder arm sei, krank oder hässlich, ändere nichts an seiner moralischen Vollkommenheit oder Mangelhaftigkeit. Menschen suchten Freude und mieden Schmerz. Doch Freude oder Leiden seien, wie Folter oder Reichtum, rein äußerlich und vom Zufall abhängig. Sie könnten weder vermehrt noch vermindert werden und seien deswegen keine wirklichen Güter im Vergleich zu moralischer Vollkommenheit. Hingabe an Zufälliges, Affekte, Begierden und Leidenschaften wie Liebe, Hass, Freude oder Trauer, seien der Nährboden für Beunruhigung. Da sie unseren Körper antreiben könnten, seien sie auch körperlich. Selbst Tugenden und Laster seien körperlich, ebenso Weisheit, moralische Vollkommenheit oder aber, im Gegenteil, Habsucht und Grausamkeit. Alle Emotionen hätten einen natürlichen Ursprung in unserem Körper, Sie dienten der Lust und der Selbsterhaltung. Der große Weise vermeide gleichermaßen Angst vor anderen oder Liebe zu ihnen. Die Behauptung, dass so ein Leben gar nicht möglich sei, erklärt Seneca zur heimlichen Weigerung, das Laster aufzugeben. Ausreichend Selbstvertrauen und guter Wille könnten Laster verbannen. 

Für die Richtigkeit des Handelns ist für Seneca nicht das Ergebnis wichtig, sondern die Absicht. So sei auch für den Künstler das Malen wertvoller als das Gemälde selbst oder für den Weisen das moralische Tun wertvoller als der Tugendlohn. Er werde trotz aller Mühen, Gefahren oder Nachteile eine moralisch gute Tat wählen, eine moralisch verwerfliche Handlung aber weder für Ruhm und Geld noch für Macht. Dazu erteilt Seneca einen interessanten Rat: Wir sollten stets so denken und handeln, als ob uns ein strenger Aufseher oder ein weiser Ratgeber über die Schulter sähe und uns beurteile. Denn wir täten Böses oder Schlechtes immer dann, wenn wir uns unbeobachtet, allein oder sicher fühlten. (Diese Erkenntnis wird auch von zeitgenössischen psychologischen Studien unterstützt.) Als Ratgeber sollten wir uns edle Vorbilder wählen und uns vorstellen, dass sie uns ständig beobachteten. Diese gedachte Anwesenheit werde uns nicht nur vom Bösen abhalten, sondern nach und nach zu einem edlen und weisen Menschen machen. Ihr Vorbild weise uns den Weg zur moralischen Vollkommenheit.

Wahres Glück kommt für Seneca aus unserem Inneren. Bei jeder Arbeit und Anstrengung sollten wir prüfen, ob sie wirklich unumgänglich sein und ob wir sie auch frei gewählt hätten. (Vielfach klagen wir über die Mühe unserer Karriere und die Risiken von unternehmerischen Entscheidungen und sorgen uns gleichzeitig um unsere Beziehungen.) Dabei hielt Seneca die Hoffnungen und Ideale für selbst gewählt. Um frei und glücklich zu sein, müssten wir diese selbst gewählte Knechtschaft einfach aufgeben und uns von äußeren Umständen und der Meinung anderer oder vom Zufall unabhängig machen. Seneca ist aber kein Feind des Glücks. Sein Stoizismus lehrt, jeden Tag so viel Glück zu empfinden wie möglich. Es solle jedoch ein wahres Glück sein, dass aus unserem Inneren stamme, und deswegen nachhaltig und dauerhaft sei. Äußerliche Belustigung, Weingenuss oder überflüssige Luxusgüter seien kein eigentliches Glück. Wahre Freude bestehe einzig in der Erhebung der Seele durch innere Güter und Wahrheiten.

Mehr Glück – weniger Karriere wagen: Vernunft

Weisheit als Grundlage des Glücks wurzele in der Übereinstimmung von Wort und Tat: Unsere Handlungen sollten unserem Reden entsprechen. Wir sollten unser Leben auf feste Überzeugungen gründen, damit wir jederzeit mit uns selbst übereinstimmten. Damit befreiten wir uns von Ängsten, Illusionen und Abhängigkeiten. Denn selten seien die Quelle unseres Unglücks reale Verluste, sondern vor allem die Angst vor einem möglichen Verlust. (Wie Michel de Montaigne schrieb, sei ‚unser Leben voller Unglücke, von denen die meisten nie eintreten würden‘.)

In Anlehnung an Aristoteles erklärte Seneca die Vernunft zu dem, was uns vom Tier unterscheide. Vernunft sei unsere Bestimmung und unsere Natur. Daher sei es Sinn des Lebens, die Weisheit zur Vollkommenheit auszubauen. Seneca erkennt aber an, dass wirkliche Weise sehr selten seien. Wie der Phönix würden sie nur alle 500 Jahre geboren, wiesen uns dann aber die richtige Richtung. Für ihn ist Weisheit die Quelle wahren und dauerhaften Glücks.

Quelle:

Dirk Stemper: Selbstfindung & Selbstorganisation für Führungskräfte

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert